25. Mai 2000 • Frauen im Spannungsfeld zwischen Mutterschaft und Erwerbstätigkeit • Hedwig Lutz

In den beschäftigungspolitischen Leitlinien der Europäischen Union ist die Erhöhung der Erwerbstätigkeit von Frauen als Ziel formuliert. Die Erreichung dieses Ziels ist mittlerweile auch wegen der künftigen demographischen Entwicklung bedeutsam: Zur Bewältigung der Herausforderung einer Alterung der Bevölkerung sind der Aufbau, der Erhalt und die Weiterentwicklung der Humanressourcen unverzichtbar. Dies setzt die effiziente Nutzung des Humankapitals von Frauen voraus.

In den letzten Jahrzehnten machte hauptsächlich die steigende Erwerbsneigung von Frauen mit Kindern Beschäftigungssteigerungen möglich (Erwerbsquote von verheirateten Frauen im Haupterwerbsalter mit Kindern unter 15 Jahren 1981/1997 +23 Prozentpunkte). Dagegen sank die Erwerbsbeteiligung der meisten anderen Gruppen: jene der Jugendlichen wegen des Trends zu längeren Ausbildungswegen, jene der Älteren wegen der wachsenden Bedeutung der Frühpension. Dennoch ist die Erwerbsneigung von Frauen mit Kindern nach wie vor deutlich niedriger als jene von Frauen ohne Kinder und vor allem als jene der Männer – unabhängig davon, ob diese Väter sind oder nicht. Auch unterscheidet sich die Qualität der Erwerbstätigkeit von Müttern und Nicht-Müttern.

Familiäre Verpflichtungen beeinflussen die Erwerbsentscheidung von Frauen wesentlich stärker als jene von Männern. Die Erwerbsneigung einer Frau ist etwa umso höher, je älter ihre Kinder sind und je weniger Kinder sie zu betreuen hat. Gleichzeitig steigt die Erwerbsneigung mit dem erzielbaren Erwerbseinkommen und in Abhängigkeit von der Bedeutung der aktuellen Erwerbstätigkeit für künftige Verdienste und Pensionsbezüge.

Auch die Beziehung zum Partner geht in das Entscheidungskalkül ein: Die Erwerbsneigung einer Frau wird umso höher sein, je instabiler sie die Partnerschaft einschätzt, je geringer und je unsicherer das Erwerbseinkommen des Partners ist und/oder je mehr sich der Partner an der Haus- und Betreuungsarbeit beteiligt.

Einen weiteren wesentlichen Aspekt bilden die laufenden Zahlungsverpflichtungen: Müssen etwa Kredite für die Wohnraumbeschaffung zurückgezahlt werden, so ist die Erwerbsbeteiligung tendenziell höher als wenn der Haushalt eine ausbezahlte Eigentumswohnung oder ein Haus besitzt.

Sie ist darüber hinaus abhängig von den individuellen und gesellschaftlichen Werten und Präferenzen: von der eigenen Einstellung, von der Einstellung des Partners zur Erwerbstätigkeit der Frau und vom Ausmaß der Erwerbsneigung anderer Frauen im relevanten sozialen Umfeld.

Die Erwerbsneigung einer Frau ist auch umso höher, je niedriger die Kosten der Kinderbetreuung durch Dritte sind und je niedriger der Einkommensersatz bei Nichterwerbstätigkeit aus Transferleistungen ist (Karenzgeld).

Nicht zuletzt beeinflusst die Arbeitskräftenachfrage die Erwerbsneigung der Frauen: Da in verschiedenen Bereichen des Arbeitsmarktes Frauen und Männer unterschiedlich stark eingesetzt sind, fördert ein Anstieg der Nachfrage nach vor allem von Frauen ausgeübten Tätigkeiten oder Arbeitszeiten (Teilzeit) die Erwerbsbeteiligung von Frauen.

Eine empirische Analyse muss dabei berücksichtigen, dass einzelne Faktoren einander verstärken oder tendenziell aufheben können. So senkt die Inanspruchnahme von Karenzierungsmöglichkeiten die Nachfrage nach institutioneller Kinderbetreuung. Daraus folgt ein tendenziell geringeres Angebot an entsprechenden Betreuungseinrichtungen, was Frauen wiederum zur Ausschöpfung der Karenz zwingt.

Aus der geschlechtsspezifischen Segmentierung der bezahlten und nichtbezahlten Arbeit resultieren Rahmenbedingungen, welche eine Schlechterstellung von Frauen gegenüber Männern im Erwerbsleben und eine ineffiziente Allokation der Ressourcen zur Folge haben.

Besonders Frauen mit Kindern müssen häufiger eine berufliche Mobilität "nach unten" oder eine Einschränkung der Aufstiegsmöglichkeiten in Kauf nehmen, um Mutterschaft und Beruf zu vereinbaren. So sind vollzeitbeschäftigte Frauen mit Kindern häufiger als Frauen ohne Kinder in Tätigkeitsbereichen mit geringeren Qualifikationsanforderungen eingesetzt als ihrer Ausbildung entspricht und seltener in höherqualifizierten Bereichen. Teilzeitarbeitsplätze von Frauen mit Kindern sind noch stärker auf unterqualifizierte Tätigkeitsbereiche konzentriert als Vollzeitarbeitsplätze.

Sollen daher Anreize zur Steigerung der Frauenberufstätigkeit gesetzt werden, so gilt es jene Mechanismen zu berücksichtigen, die derzeit eine relative Schlechterstellung von Frauen auf dem Erwerbsarbeitsmarkt bewirken und damit die Erwerbsneigung dämpfen.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 5/2000!