7. April 2000 • Kräftiger Konjunkturaufschwung bei anhaltenden Budgetproblemen. Prognose für 2000 und 2001 • Markus Marterbauer

Dank beschleunigtem Exportwachstum und solider Expansion der Inlandsnachfrage wächst die österreichische Wirtschaft heuer real um 3,1% – um ¼ Prozentpunkt rascher als im Dezember angenommen. Im Jahr 2001 dürfte die Expansion wegen verhaltenerer Dynamik der internationalen Konjunktur und vor allem stärker nachfragewirksamer Maßnahmen der Budgetkonsolidierung etwas schwächer ausfallen (+2,7%). Die Budgetpolitik begrenzt die Neuverschuldung auf etwa 2% des BIP, trägt andererseits aber zu einer leichten Beschleunigung des Preisauftriebs bei. Der Arbeitsmarkt profitiert von der günstigen Konjunktur.

Das Bruttoinlandsprodukt war im IV. Quartal 1999 real um 3,2% höher als im Vorjahr. Besonders kräftig fiel die Erholung in der Sachgüterproduktion und im Bereich der Ausrüstungsinvestitionen aus. Für das Jahr 1999 ergibt sich damit – wie vom WIFO schon seit März des Vorjahres prognostiziert – ein Wirtschaftswachstum von 2,2%.

Für das Jahr 2000 zeichnet sich eine Fortsetzung des Booms in der Exportindustrie ab. Das internationale Umfeld ist günstig. In der EU expandieren Nachfrage und Produktion real um 3,2%, die Zinsen sind relativ niedrig, und das Wechselkursniveau bringt Europa Vorteile. Gleichzeitig verbessert sich die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Exportwirtschaft durch Entlastungen auf der Kostenseite weiter. Unter diesen Rahmenbedingungen kann der Warenexport real um etwa 8% ausgeweitet werden. Dies zieht ein reges Produktionswachstum in der Sachgütererzeugung von 5% und dynamische Investitionsaktivitäten nach sich (Ausrüstungsinvestitionen +7%).

Die Inlandsnachfrage erweist sich heuer als sehr kräftig. Die Budgetpolitik wirkt noch eher expansiv, zusammen mit der starken Zunahme der Beschäftigung hat dies eine markante Steigerung der realen Nettomasseneinkommen (+2½%), des privaten Konsums (+2,7%) und des Handels (+3,3%) zur Folge. Im kommenden Jahr wird die Expansion etwas gedämpft. Zwar könnten stärkere Lohnzuwächse und anhaltend kräftige Beschäftigungssteigerungen die verfügbaren Einkommen begünstigen, die Budgetpolitik dürfte aber – wenn längerfristig orientierte Konsolidierungsmaßnahmen wirksam werden – nachfragedämpfend wirken. In der Bauwirtschaft bleibt das Wachstum deutlich zurück. Es leidet unter dem Nachfragerückgang im Wohnungsneubau und den Budgetkürzungen im Tiefbau.

Das Leistungsbilanzdefizit stabilisiert sich bei gut 2% des BIP. Das Defizit in der Warenbilanz kann durch die Überschüsse im Dienstleistungsbereich ausgeglichen werden, auch wenn die Reiseverkehrsbilanz weniger günstig ausfällt als im Dezember erwartet. Die negativen Salden der Einkommensbilanz (hohe Zins-, Dividenden- und Gewinneinkommen ausländischer Anleger) und der Transferbilanz – hier spiegeln sich die Nettozahlungen an die EU – sind hauptverantwortlich für das hohe Leistungsbilanzdefizit Österreichs gegenüber dem Ausland.

Die Rückführung des Defizits im Bundeshaushalt erfolgt heuer vor allem über zahlreiche Einmalmaßnahmen. Zudem werden indirekte Steuern und Gebühren ab Juni merklich erhöht. Erst im nächsten Jahr werden stärker dauerhaft wirkende Maßnahmen die notwendige Budgetkonsolidierung prägen. Während die Senkung des Defizits im Bundeshaushalt erreichbar erscheint, sind die Erwartungen der Bundesregierung bezüglich der Überschüsse von Ländern, Gemeinden und Sozialversicherung – aufgrund der Ausfälle an Steuereinnahmen und der Finanzierungsprobleme in der Krankenversicherung – optimistisch. Im kommenden Jahr wird der "Maastricht"-Budgetsaldo zusätzlich durch die geplante Verringerung der Lohnnebenkosten belastet. Unter den gegebenen Annahmen scheint eine Neuverschuldung der öffentlichen Haushalte insgesamt um etwa 2% des BIP in beiden Jahren wahrscheinlich. Die im Stabilitätsprogramm vorgesehenen Ziele von 1,7% des BIP (2000) bzw. 1,5% (2001) sind nur bei weiteren Konsolidierungsmaßnahmen erreichbar.

Der Preisauftrieb hat sich in den letzten Monaten beschleunigt. Das geht vor allem auf die Verteuerung von Energie zurück. Die Rohstoffpreisentwicklung, die Effekte der Dollarstärke sowie die günstige Entwicklung von Nachfrage und Auslastung werden zunehmend zum Anlass für Erhöhungen der Preise von Industriewaren genommen. Zu Jahresmitte 2000 werden im Zuge der Budgetkonsolidierung zudem Anhebungen der indirekten Steuern und Gebühren wirksam. Diese treiben die Inflation heuer und im nächsten Jahr mit jeweils etwa 0,3 Prozentpunkten an. Auf Verbraucherebene dürften die Preise heuer um 1,6% und im kommenden Jahr um 1,4% steigen.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich weiter. Dank guter Konjunktur erhöht sich die Zahl der aktiv Beschäftigten um etwa 35.000 pro Jahr, auch die Vollzeitbeschäftigung wird wieder ausgeweitet. Das Ausmaß der für aktive Arbeitsmarktpolitik verfügbaren Mittel steht derzeit noch nicht fest. Das erschwert die Prognose der Arbeitslosenzahlen. Sofern aber die Zahl der in Schulung Stehenden nicht sinkt, könnte die Arbeitslosigkeit im nächsten Jahr im Jahresdurchschnitt erstmals seit 1992 die Grenze von 200.000 Betroffenen unterschreiten. Das entspräche einer Arbeitslosenquote von 5,9% der unselbständigen Erwerbspersonen laut österreichischer Definition bzw. 4,1% der Erwerbspersonen laut EU Labour Force Survey.

Das Wirtschaftswachstum ist in Österreich von der Angebotsseite nicht merklich beschränkt. Die rege Investitionstätigkeit des privaten Sektors bewirkt eine stetige Ausweitung der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten. Die "stille Reserve" im Arbeitskräfteangebot dürfte nach wie vor hoch sein, sodass zusätzliche Arbeitskräftenachfrage im Regelfall befriedigt werden kann. Zur Unterstützung des Strukturwandels ist eine aktive Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik allerdings von erheblicher gesamtwirtschaftlicher Bedeutung.

Die Unsicherheiten der Konjunkturprognose liegen heuer eher in einer Unterschätzung der Expansion: Die europäische Konjunktur gewann so stark an Schwung, dass das Wachstum von Nachfrage und Produktion durchaus die hier vorgelegten Projektionen übertreffen könnte. Für das Jahr 2001 liegen die Risken vor allem in einer Überschätzung der internationalen Konjunkturdynamik: Ein Wachstumseinbruch in den USA kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Er hätte negative Folgen für die österreichische Konjunktur, ebenso wie eine restriktivere Orientierung der europäischen Zins- und Wechselkursentwicklung. Wirtschaftliche Effekte der politischen – und teils auch ökonomischen – Isolierung Österreichs sind zur Zeit nur äußerst schwierig abzuschätzen. Sie hängen vor allem davon ab, wie lange die europäischen Sanktionen noch anhalten.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 4/2000!