4. April 2000 • Auswirkungen hoher Erdölpreise auf die europäischen Volkswirtschaften • Kurt Kratena

Cambridge Econometrics, ein Partnerinstitut des WIFO im Rahmen der Europäischen Forschungskooperation ERECO, hat die Effekte eines Szenarios hoher Erdölpreise auf die europäischen Volkswirtschaften analysiert. Die Auswirkungen sind gemäß der Modellschätzung1) in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Die Länder am Rande Europas wie Spanien, Griechenland und Portugal weisen in der Folge einer Erdölverteuerung auf 30 $ je Barrel bis 2010 den höchsten BIP-Rückgang auf, die Länder im Zentrum Europas, darunter auch Österreich, sind dagegen nur geringfügig betroffen.

Die Unterschiede der Betroffenheit resultieren aus

  • der Abhängigkeit einer Volkswirtschaft und ihres Energiesystems vom Rohöl,
  • der Umsetzung einer Liberalisierung des Energiemarktes im Zeitraum bis 2010, die die Preise einzelner Energieträger (Strom, Gas) stark sinken lässt,
  • Reaktionen der Einkommenspolitik auf solche externen Schocks und damit aus dem Grad der Übertragung auf den Arbeitsmarkt.

Länder, die bisher auf externe Schocks teilweise mit einer Abwertung reagierten, müssen in der Währungsunion eine flexiblere Einkommens- und Arbeitsmarktpolitik verfolgen, um einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Indirekt ergeben sich so auch positive Auswirkungen für die früheren Hartwährungsländer wie Österreich, da die Partnerländer nun keine Möglichkeit zur Abwertung im Gefolge eines solchen Schocks haben.

Die Beschäftigungseffekte betragen in diesem Szenario kurzfristig (bis 2002) für die EU –11/2%. Die einzelnen Sektoren sind sehr unterschiedlich betroffen: Die Beschäftigung sinkt vor allem in stark von Erdölprodukten abhängigen Sektoren wie Steine-Keramik, Metallerzeugung und der Elektrizitätswirtschaft. Im Dienstleistungsbereich sind die Einbußen besonders hoch im Flugverkehr. Da die Sachgütererzeugung in Österreich ein relativ geringeres und die Dienstleistungen ein höheres Gewicht haben als im EU-Durchschnitt, fallen die Beschäftigungsverluste unterdurchschnittlich aus.

Der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen sinken ebenfalls in der Folge einer Erdölverteuerung: Der Energieverbrauch verringert sich im EU-Durchschnitt bis 2010 um 31/2%, in Österreich um 21/2%. Die CO2-Emissionen nehmen hingegen in Österreich (–7%) stärker ab als in der EU (–4%), weil in Österreich Energieträger durch solche mit geringerem CO2-Gehalt substituiert werden.

Die Studie wird im Sommer publiziert und kann über das WIFO (Christine Kautz, Tel. +43 1 798 26 01/282, Fax +43 1 798 93 86, E-Mail Christine.Kautz@wifo.ac.at) bezogen werden. Englische Presseaussendung und weitere Informationen dazu: http://www.camecon.co.uk/services/oilprice/oilprice.htm

1) Das Szenario wurde mit dem multisektoralen Makromodell der EU-Volkswirtschaften E3ME berechnet, das in integrierter Weise die Schätzung von Wirkungen auf makroökonomische Variable (Verbraucherpreise, BIP usw.), Branchenvariable (Output, Beschäftigung, Gewinne usw.) in einer Gliederung von 32 Wirtschaftszweigen, auf die Struktur des Energiesystems (Verbrauch von Kohle, Erdöl usw. nach Verwendungszwecken) und auf an den Energieverbrauch gekoppelte Emissionen (vor allem CO2) erlaubt. Die Schätzung basiert auf der Annahme eines Anstiegs des Erdölpreises bis 2010 von 20 $ auf 30 $ je Barrel, verglichen mit einem Erdölpreis im Basisszenario von 20 $ je Barrel bis 2010. Weiters wurde angenommen, dass die Wirtschaftspolitik (Fiskal- und Geldpolitik) nicht auf diesen Preisschock reagiert.