25. Februar 2000 • Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen der Zuwanderung von Arbeitskräften. Ein Literaturüberblick • Wolfgang Pollan

Die Frage der Auswirkungen der Einwanderung auf die Volkswirtschaft ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Thema geworden. Studien aus den USA und Deutschland belegen, dass die Nettogewinne für die bereits im Lande befindliche Bevölkerung selbst im günstigsten Fall sehr gering sind. Die Einwanderer freilich können je nach Herkunftsland und Qualifikation erhebliche Einkommensgewinne verzeichnen.

Für die USA, die einen sehr flexiblen Arbeitsmarkt aufweisen, errechnen die Harvard-Ökonomen Borjas, Freeman und Katz einen Nettoeffekt von nur 0,1% des Volkseinkommens, wenn sich die Zahl der Arbeitskräfte durch Einwanderung um 5,5% (Zuwachs von 1980 bis 1995 in Vollzeitäquivalenten) erhöht. Der geringe Nettogewinn verdeckt jedoch große Verteilungseffekte. Hauptgewinner sind die Kapitaleigner, die einen Einkommenszuwachs von 6,5% erzielen. Sowohl hoch- als auch minderqualifizierte Arbeitskräfte erleiden beträchtliche Verluste (–2,5% bzw. –4,6%). Borjas charakterisiert die Diskussion in den USA so: "Die Debatte wird tatsächlich darüber geführt, dass einige erhebliche Gewinne einstreichen, während andere Verluste erleiden. Kurzum, die Einwanderungsdebatte ist ein Tauziehen zwischen den Gewinnern und den Verlierern."

Nettoeffekte von derselben Größenordnung werden für die deutsche Wirtschaft berechnet. Auch hier ergeben sich starke Umverteilungseffekte zwischen Kapitaleignern und Arbeitskräften und ebenso zwischen Gruppen von Arbeitskräften. Deren Ausmaß hängt von der Qualifikationsstruktur der Zuwanderer ab: Je größer der Anteil der Minderqualifizierten, desto größer sind die Einkommensverluste der ansässigen minderqualifizierten Arbeitskräfte.

Diese Berechnungen gelten für den Fall, dass die Verschärfung des Wettbewerbs auf dem Arbeitsmarkt die Löhne zügig zurückgehen lässt. Wenn jedoch die Löhne nach unten nicht flexibel sind, ist mit einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit und mit großen Einkommensverlusten zu rechnen.

Sowohl der internationale Handel als auch die Einwanderung verbinden den nationalen Arbeitsmarkt mit den Arbeitsmärkten anderer Länder. Beide erhöhen das "effektive" Angebot von verschiedenen Gruppen von Arbeitskräften für die Volkswirtschaft. Die Mobilität der Arbeitskräfte über nationale Grenzen hinweg bewirkt eine Angleichung der Löhne zwischen dem Sende- und dem Aufnahmeland. Diese Wirkung hat auch der internationale Handel.

Eine Ausweitung des Handels nützt in der Regel allen beteiligten Ländern. Dies bedeutet freilich auch, dass einige Sektoren schrumpfen und andere wachsen. Arbeitskräfte (und Kapitaleigner) in schrumpfenden Branchen verlieren tendenziell, jene in wachsenden gewinnen. In einer flexibel funktionierenden Wirtschaft dürften jedoch diese Verteilungseffekte, fall sie überhaupt entstehen, bald ausgeglichen werden. Die Einwanderung dagegen erhöht langfristig den Wettbewerbsdruck auf dem Arbeitsmarkt.

Weitere Unterschiede zwischen ungehinderter Einwanderung und freiem Außenhandel beziehen sich auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen und der öffentlichen Infrastruktur in den Einwanderungsländern. Es sei daher, so die Literatur, nicht erstaunlich, dass reiche Länder den freien Außenhandel der freien Einwanderung vorziehen. Ein oft zitiertes Beispiel ist die Errichtung der North American Free Trade Association (NAFTA): Auf beiden Seiten wurde zur Unterstützung des Vertrages argumentiert, dass der Vertrag Mexiko helfen würde, "mehr Güter und weniger Menschen" in die USA zu exportieren, und damit beitragen würde, den "Einwanderungsdruck" aus Mexiko zu mildern. Die Ausweitung des internationalen Handels wird also in den Dienst der Einwanderungspolitik gestellt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 2/2000!