15. Februar 2000 • Direktinvestitionen in den Oststaaten: Nach Abschwächung 1999 wieder Aufschwung erwartet • Jan Stankovsky

Der Zustrom an ausländischen Direktinvestitionen in die Oststaaten blieb 1999 mit rund 22 Mrd. $ etwas unter dem Niveau des Jahres 1998 (24 Mrd. $). Die regionalen Unterschiede haben sich vergrößert: In Mitteleuropa stiegen die Direktinvestitionen, in allen anderen Regionen (Südosteuropa, Baltikum und GUS) gingen sie zurück.

In Mitteleuropa entfielen 1999 die höchsten Neuinvestitionen (wie 1998) auf die größte Volkswirtschaft der Region, Polen (etwa 6,5 Mrd. $). Die zweite Stelle nahm Tschechien mit 4 Mrd. $ vor Ungarn (1,5 Mrd. $) ein. In Polen nahmen in den vergangenen zwei Jahren sowohl die Betriebsübernahmen und Beteiligungen im Rahmen der Privatisierung als auch Betriebsneugründung stark zu. Die Attraktivität Polens für ausländische Investoren ist nicht nur in der Landesgröße, sondern auch im kräftigen Wirtschaftswachstum und der Zunahme der Kaufkraft der Bevölkerung begründet.

Tschechien verzeichnete mit 4 Mrd. $ die bisher höchsten Direktinvestitionen (1998 2,7 Mrd. $). Der starke Anstieg mag angesichts der Konjunkturschwäche überraschen, die ausländischen Investoren bewerten aber offenbar die mittelfristige Wachstumsperspektive und die Stabilität des Landes positiv. Die tschechische Regierung for-ciert die Privatisierung, wofür sowohl der Budgetbedarf als auch die Bemühungen um die Umstrukturierung der Wirtschaft maßgeblich sind.

In Ungarn waren die ausländischen Direktinvestitionen mit 1,5 Mrd. $ um 0,4 Mrd. $ geringer als 1998, vor allem weil die Privatisierung weitgehend abgeschlossen ist. Zugleich nahmen aber auch die Kredite der ausländischen Muttergesellschaften an die unga-rischen Tochterunternehmen ab; das kann als Zurückhaltung der Investoren bei der Erweiterung der bestehenden Anlagen interpretiert werden.

In der Slowakei und Slowenien sanken die bereits 1998 niedrigen Direktinvestitionen auch 1999 (auf 200 bzw. 100 Mio. $). Zu den Ursachen zählt der Widerstand von Management bzw. Eigentümern gegenüber Einfluss und Kontrolle von außen.

Bulgarien und Kroatien verzeichneten 1999 einen verstärkten Zustrom an Direktinvestitio-nen, Rumänien, Albanien und Moldawien einen Rückgang. Die Attraktivität von Bul-garien als Investitionsstandort hat sich – trotz der Krise in Jugoslawien – dank wirtschaftli-cher Stabilisierung und Privatisierung verbessert. In Kroatien brachte die Telekom-Privatisierung mit einem Erlös von 850 Mio. $ mehr als die Hälfte der gesamten Direktinvestitio-nen (1,3 Mrd. $) ein. Schwierigkeiten der Schuldentilgung und Unsicherheiten über die rechtlichen Rahmenbedingungen erhöhen das Investitionsrisiko in Rumänien.

Übersicht 1: Direktinvestitionen in den Oststaaten

 

Neuinvestitionen1)

Bestände

 

1998

1999

1999

1993

1998

1999

1999

   

September

Prognose

   

September

Prognose

               

Tschechien

2.720

3.535

4.000

3.423

14.375

15.623

17.000

Slowakei

566

177

200

459

1.938

1.933

2.000

Ungarn

1.935

1.083

1.500

5.585

18.255

19.181

19.500

Polen

6.365

5.000 2)

6.500

2.307

22.479

27.000 2)

28.500

Slowenien

165

66

100

954

2.907

2.950 2)

3.000

               

Mitteleuropa

11.751

9.861

12.300

12.728

59.954

66.687

70.000

               

Albanien

45

15 3)

40

78

384

399 3)

420

Bulgarien

401

465

720

141

1.352

1.818

1.900

Rumänien

2.031

691

1.000

211

4.480

5.171

5.400

Kroatien

873

357

1.300

109

2.217

2.631

3.500

Mazedonien

118

21

30

.

173

194

200

               

Südosteuropa

3.468

1.549

3.090

539

8.606

10.213

11.420

               

Frühere UdSSR

8.603

4.902

6.560

2.916

35.502

40.574

44.190

Europäische UdSSR

5.606

3.217

4.310

2.260

24.174

27.561

30.590

  Baltikum

1.863

705

1.150

647

5.005

5.880

8.300

    Estland

581

231

350

419

1.822

2.241

2.300

    Lettland

356

168 4)

300

75

1.558

1.682 4)

3.900

    Litauen

926

306

500

153

1.625

1.957

2.100

  Europäische GUS

3.743

2.512

3.160

1.613

19.169

21.681

22.290

    Russland

2.762

1.977

2.200

1.211

15.744

17.721

17.900

    Ukraine

747

353

600

370

2.687

3.040

3.300

    Weißrussland

149

172 4)

190

18

465

637 4)

650

    Moldawien

85

10 4)

170

14

273

283 4)

440

  Asiatische GUS

2.997

1.685

2.250

656

11.328

13.013

13.600

               

10 MOEL

16.056

11.722

15.170

13.727

70.791

79.556

85.600

               

Oststaaten

23.822

16.312

21.950

16.183

104.062

117.474

125.610

Q: WIIW, WIFO. –  1)  Laut Zahlungsbilanz. –  2)  Schätzung. –  3)  März. –  4)  Juni.

Die Bestände an Direktinvestitionen in den Oststaaten erreichten Ende 1998 104 Mrd. $ und dürften 1999 auf 125 Mrd. $ gestiegen sein. Die meisten Mittel entfielen auf Polen (28,5 Mrd. $) vor Ungarn (19,5 Mrd. $), Russland (18 Mrd. $) und Tschechien (17 Mrd. $). An dem von der UNCTAD auf 4.088 Mrd. $ geschätzten Weltbestand an Direktinvestitionen (1998) waren die Oststaaten mit 2,5% beteiligt.

Im Jahr 2000 dürften die Direktinvestitionen in den Oststaaten dank Privatisierung, Investitionsförderung und Konjunkturaufschwung weiter zunehmen. In Polen, Rumänien, Tschechien und Bulgarien werden in bedeutendem Umfang Anteile an Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie an Banken zum Verkauf stehen. Multinationale Unternehmen werden diese Chance für strategische Investitionen wahrnehmen. Bevorzugter Standort für exportorientierte Direktinvestitionen wird weiterhin Ungarn sein. Der Wettbewerb um Neuinvestitionen nimmt zu, weil Tschechien und Slowenien die Investitionsförderung intensivieren.

Auch der Konjunkturaufschwung in der EU erhöht die Standortattraktivität Osteuropas als einer Region mit niedrigen Produktionskosten. Laut Erhebungen in Österreich ist für die in Osteuropa investierenden Unternehmen die Ausweitung der Gesamtproduktion, nicht die bloße Verlagerung der Herstellung in den Osten charakteristisch.

Der Zustrom von Direktinvestitionen nach Russland könnte sich in 2000 wieder beleben; Hinweise hiefür liefert die jüngste Zunahme von Portfolioinvestitionen.

Österreichische Unternehmen bauen Anteil an Direktinvestitionen im Osten aus

Österreichische Unternehmen haben im Jahr 1999 ihre Position in den Oststaaten weiter verstärkt: Die österreichischen Direktinvestitionen in dieser Region erreichten in der ersten Jahreshälfte 816 Mio. $ (10 Mrd. S) und dürften bis zum Jahresende auf 1,5 bis 2 Mrd. $ (19 bis 25 Mrd. S) gestiegen sein. Dies ergibt eine kräftige Zunahme gegenüber 1997 und 1998 (jeweils 1,1 Mrd. $). Der österreichische Marktanteil an den Neuinvestitionen in den Oststaaten vergrößerte sich von jeweils weniger als 5% in den Jahren 1997 und 1998 auf über 8% im 1. Halbjahr 1999.

Übersicht 2: Österreichische Direktinvestitionen in den Oststaaten im 1. Halbjahr 1999

 

Direktinvestitionen

Marktanteile

 

Neuinvestitionen

Bestände

Neuinvestitionen

Bestände

 

Mio. $

In %

         

Tschechien

222

1.487

16,9

11,0

Slowakei

14

514

10,9

29,3

Ungarn

126

1.722

18,7

9,4

Polen

132

611

4,1

2,4

Slowenien

79

473

-

16,3

         

Mitteleuropa

574

4.807

10,6

7,8

         

Bulgarien

33

57

11,6

3,5

Rumänien

15

124

2,5

2,4

Kroatien

32

291

11,8

13,0

         

Südosteuropa

81

486

6,8

5,1

         

Baltische Staaten

3

14

0,4

0,2

Russland

159

340

11,7

2,0

Frühere UdSSR

162

381

4,8

1,0

         

Oststaaten

816

5.691

8,2

5,1

         

10 EU-Beitrittskandidaten

624

5.002

9,1

6,7

Q: WIIW, WIFO.

Im Jahr 2000 ist ein neuer Spitzenwert zu erwarten. Die Erste Bank übernahm zu Jahresbeginn für 19 Mrd. CZK (0,6 Mrd. $) einen Anteil von 52% an der Tschechischen Sparkasse, mit der sie bereits in der österreichisch-ungarischen Monarchie verbunden gewesen war. Zahlreiche weitere Projekte stehen zur Diskussion.

Der Bestand an österreichischen Direktinvestitionen in den Oststaaten betrug Mitte 1999 5,7 Mrd. $ (75,8 Mrd. S), er hat sich somit gegenüber 1990 mehr als verzehnfacht. Am Gesamtbestand aller ausländischen Direktinvestitionen in den Oststaaten war Österreich mit 5,1% beteiligt. Österreichs Direktinvestitionen sind stark auf die Nachbarstaaten konzentriert: Ende 1998 entfielen 32,6% der Direktinvestitionsbestände im Osten auf Ungarn, 26% auf Tschechien, 10,2% auf die Slowakei und 8,1% auf Slowenien. Die 10 EU-Beitrittskandidaten waren mit fast 90% an den Direktinvestitionen im Osten beteiligt.

Übersicht 3: Österreichische Direktinvestitionen in den Oststaaten seit 1993

 

Direktinvestitionen: Werte

Marktanteile

 

Mio. $

Mrd. S

In %

 

Neuinvestitionen

Investitionsbestände

Neuinvestitionen

Investitionsbestände

Neuinvestitionen

Investitionsbestände

             

Oststaaten

           

1993

489,7

2.183

5,7

26,5

6,4

13,5

1994

445,1

2.957

5,1

32,4

6,3

12,3

1995

547,7

3.334

5,5

33,6

3,4

8,0

1996

540,5

3.606

5,7

39,5

3,5

6,3

1997

1.062,4

4.091

13,0

51,7

4,7

5,4

1998

1.117,4

5.577

13,8

65,5

4,7

5,4

1999, 1. Halbjahr

816,1

5.691

10,3

75,8

8,2

5,1

             

Mitteleuropa1)

           

1993

478,2

2.104

5,6

25,6

9,6

16,5

1994

376,7

2.820

4,3

30,9

8,8

16,1

1995

530,3

3.219

5,4

32,5

4,8

10,7

1996

470,2

3.474

5,0

38,1

5,6

9,1

1997

819,7

3.638

10,0

46,0

9,3

8,3

1998

874,8

4.835

10,8

56,8

7,4

8,1

1999, 1. Halbjahr

573,6

4.807

7,3

64,0

10,6

7,8

Q: OeNB, WIFO, WIIW. –  1)  Tschechien, Slowakei, Ungarn, Polen, Slowenien.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der folgenden Studie von WIIW und WIFO: Gábor Hunya (WIIW), Jan Stankovsky (WIFO), WIIW-WIFO Database: Foreign Direct Investment in Central and East European Countries and the Former Soviet Union (50 Seiten, erscheint halbjährlich, ATS 650,– bzw. EUR 27,24; Bestellungen bitte an Christine Kautz, Tel. (1) 798 26 01/282, E-Mail Christine.Kautz@wifo.ac.at, oder an das WIIW, Tel. (1) 533 66 10-0).