31. Jänner 2000 • Wachstumsbeschleunigung in der EU, Abschwächung in den USA, Japan bleibt Nachzügler. Mittelfristige Prognose der Weltwirtschaft bis 2004 • Stephan Schulmeister

In den USA wächst die Wirtschaft zwischen 2000 und 2004 um durchschnittlich 2,5% pro Jahr und damit langsamer als in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. In der EU beschleunigt sich das mittelfristige Wachstum hingegen auf 2,6% pro Jahr. Die japanische Wirtschaft dürfte sich nur langsam erholen und bis 2004 um lediglich 2,1% pro Jahr expandieren. Insgesamt werden die Industrieländer ihr BIP in den kommenden 5 Jahren um 2,4% pro Jahr steigern. Die Erholung der Rohstoffpreise, ein sinkender Dollarkurs und niedrige Realzinsen für internationale Schulden lassen die Wirtschaft der anderen Ländergruppen kräftig wachsen (erdölexportierende Länder +3,5%, sonstige Entwicklungsländer +6,0%, Transformationsländer Osteuropas 3,8% pro Jahr).

In den USA wird sich das mittelfristige Wachstum bis 2004 leicht abschwächen. In den neunziger Jahren trug nämlich der anhaltende Aktienboom wesentlich dazu bei, dass der private Konsum merklich rascher expandierte als das BIP (1999 wurde die Sparquote der privaten Haushalte sogar negativ). Gleichzeitig nahm die Diskrepanz zwischen dem Unternehmenswert auf Basis von Aktienkursen und von Bilanzdaten zu: Zwischen 1989 und 1999 stieg der Aktienmarktwert des "corporate business" in den USA um 326%, der Wert seines Realkapitalstocks aber um nur 50%.

Die (zu) hohe Bewertung von Aktien aus der USA lässt eine Fortsetzung der Kurssteigerungen der letzten Jahre unwahrscheinlich erscheinen. Die Prognose nimmt deshalb an, dass das Kursniveau in den nächsten zwei Jahren "korrigiert" wird. Dies wird den Konsum und damit das Wirtschaftswachstum dämpfen, aus drei Gründen allerdings nur in geringem Ausmaß: Eine Lockerung der Geldpolitik wird die reale Investitionsnachfrage stützen, sinkende Dollarzinsen werden gemeinsam mit dem hohen Leistungsbilanzdefizit der USA eine Dollarabwertung nach sich ziehen (der Eurokurs dürfte bis 2002 auf 1,14 $ steigen), und schließlich wird die Fiskalpolitik auf die Wachstumsabschwächung mit expansiven Impulsen reagieren.

Nach einer Abschwächung im Jahr 2001 erholt sich das Wachstum in den USA wieder und beträgt im gesamten Prognosezeitraum (bis 2004) 2,5% pro Jahr.

In der EU setzt sich der Aufschwung fort, das Wirtschaftswachstum dürfte 2000 und 2001 auf 2,8% bzw. 3,0% steigen. Die vom Export ausgehenden Impulse dürften auf die Binnennachfrage überspringen (dies impliziert, dass die EZB die Eurozinsen nicht mehr deutlich erhöht). Nach einer zyklisch bedingten Dämpfung 2002/03 sollte das BIP der EU 2004 wieder um 2,5% zunehmen. Im gesamten Prognosezeitraum wird die Wirtschaft der EU-Länder um durchschnittlich 2,6% pro Jahr expandieren, merklich rascher als in den neunziger Jahren.

Die japanische Wirtschaft dürfte sich nur langsam erholen und bis 2004 um lediglich 2,1% pro Jahr wachsen. Insgesamt steigern die Industrieländer ihr BIP in den kommenden 5 Jahren um 2,4% pro Jahr.

Der Erdölpreis wird im Jahr 2000 von 25 $ auf 21 $ je Barrel sinken. In der Folge dürfte es aber den Erdölexporteuren gelingen, deutliche Ausweitungen des Erdölangebotes und damit einen Preisverfall wie 1997/98 zu vermeiden. Im Durchschnitt des gesamten Prognosezeitraums wird Erdöl etwa 22 $ je Barrel kosten, um 26% mehr als im Durchschnitt der vergangenen 15 Jahre.

Der sinkende Wechselkurs des Dollars und die Belebung der Weltkonjunktur haben auch einen Anstieg der Dollarpreise der Rohstoffe ohne Erdöl sowie der Industriewaren zur Folge, insgesamt dürften sich die Welthandelspreise bis 2004 um 2,9% pro Jahr erhöhen.

Bei einem durchschnittlichen Eurodollarzins von 4,6% wird der Realzins für internationale Dollarschulden zwischen 2000 und 2004 nur 1,7% betragen (1997/98 ließen sinkende Welthandelspreise den Realzins auf über 11% steigen, was wesentlich zum Ausbruch der internationalen Finanzkrisen beitrug).

Die Erholung der Rohstoffpreise und die Verringerung der Finanzierungskosten ihrer Auslandsschulden ermöglichen den Entwicklungsländern und den früheren Planwirtschaften eine kräftige Ausweitung ihrer Importe. Aufgrund der Erdölverteuerung werden die Erdölexporteure ihre Importnachfrage mit +10,4% pro Jahr besonders stark steigern, die anderen Entwicklungsländer dürften um 8,5% p. a. und die Oststaaten um 8,3% mehr importieren. Die Industrieländer weiten ihre Einfuhr hingegen um nur 5,7% aus, in erster Linie infolge einer deutlichen Verschlechterung ihrer Terms-of-Trade.

Das gesamte Welthandelsvolumen expandiert unter diesen Bedingungen zwischen 2000 und 2004 um 6,6% pro Jahr.

Nicht zuletzt aufgrund der Zunahme der Exporterlöse wächst das BIP in den erdölexportierenden Ländern bis 2004 um 3,5% pro Jahr und damit merklich rascher als in den neunziger Jahren. In den anderen Entwicklungsländern bleibt das mittelfristige Wachstum annähernd unverändert (+6,0% pro Jahr). Erstmals seit dem Zusammenbruch des planwirtschaftlichen Systems ist für alle wichtigen Volkswirtschaften des früheren RGW mittelfristig eine Expansion zu erwarten (+3,9%), die in den Reformstaaten Ost-Mitteleuropas merklich stärker ausfällt (+4,5%) als in Russland (+3,2%).

Die gesamte Weltwirtschaft dürfte demnach zwischen 2000 und 2004 um 4,0% pro Jahr expandieren, wesentlich rascher als in den neunziger Jahren.

Übersicht 1: Die wichtigsten Prognoseergebnisse im Überblick

 

2000

2001

2002

2003

2004

Ø 1999/2004

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

             

Wechselkurs Dollar je Euro

1,10

1,12

1,14

+ 1,12

+ 1,10

+ 1,12

Eurodollarzins in %

5,5

4,5

4,0

+ 4,3

+ 4,5

+ 4,6

Erdölpreis $ je Barrel

21,0

21,0

21,5

+ 22,3

+ 23,5

+ 21,9

Welthandelspreise insgesamt

+ 5,8

+ 3,1

+ 2,3

+ 1,6

+ 1,7

+ 2,9

Realzins für internationale Schulden1) in %

- 0,3

1,4

1,7

2,7

2,8

1,7

Welthandel, real

+ 5,9

+ 5,9

+ 6,3

+ 7,0

+ 7,7

+ 6,6

Welt-BIP, real

+ 3,7

+ 3,8

+ 4,0

+ 4,1

+ 4,6

+ 4,0

  Industrieländer

+ 2,6

+ 2,4

+ 2,3

+ 2,3

+ 2,6

+ 2,4

    USA

+ 3,0

+ 2,0

+ 2,2

+ 2,5

+ 2,7

+ 2,5

    Japan

+ 1,3

+ 2,0

+ 2,2

+ 2,4

+ 2,7

+ 2,1

    EU

+ 2,8

+ 3,0

+ 2,5

+ 2,0

+ 2,5

+ 2,6

  Oststaaten

+ 2,8

+ 3,2

+ 4,1

+ 4,6

+ 5,1

+ 3,9

    Ost-Mitteleuropa

+ 3,3

+ 4,0

+ 4,5

+ 5,0

+ 5,5

+ 4,5

    Russland

+ 2,0

+ 2,0

+ 3,5

+ 4,0

+ 4,5

+ 3,2

  Erdölexporteure

+ 4,0

+ 4,5

+ 3,5

+ 2,5

+ 3,0

+ 3,5

  Sonstige Entwicklungsländer

+ 5,0

+ 5,5

+ 6,0

+ 6,5

+ 7,0

+ 6,0

Q: WIFO-Datenbank. –  1)  Eurodollarzins, deflationiert mit den Welthandelspreisen insgesamt.

Nähere Informationen entnehmen Sie bitte dem WIFO-Monatsbericht 1/2000!