Ausbau der Abgabenhoheit
der Gemeinden
Grundsätze und Optionen
Eine grundlegende Neuordnung
des österreichischen Finanzausgleichs müsste u. a. die kommunale Abgabenautonomie
erhöhen. Von einer Ausweitung der Gestaltungsfreiheit der Gemeinden für ihre eigenen
Einnahmen werden effizienzfördernde Wirkungen erwartet, da der Konnex zwischen Ausgaben-
und Einnahmenverantwortung gestärkt würde. Gemessen an wichtigen Kriterien für ein
gutes kommunales Abgabensystem erweist sich vor allem die Grundsteuer als wesentliche
Säule einer erweiterten kommunalen Abgabenhoheit. Grundsätzlich geeignet wären darüber
hinaus etwa Zuschläge auf die Einkommensteuer oder umweltbezogene kommunale Abgaben.
Der Beitrag basiert auf einer
Studie von WIFO und KDZ im Auftrag des Österreichischen Städtebundes: Hans Pitlik,
Margit Schratzenstaller (WIFO), Helfried Bauer, Peter Biwald, Anita Haindl (KDZ),
Optionen zur Stärkung der Abgabenautonomie der österreichischen Gemeinden (August
2012, 107 Seiten, 60 €, kostenloser Download: http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/44858). • Begutachtung: Michael Getzner (Technische Universität
Wien) • Wissenschaftliche Assistenz: Andrea Sutrich • E-Mail-Adressen: Margit.Schratzenstaller@wifo.ac.at, Andrea.Sutrich@wifo.ac.at
INHALT
Theoretische und empirische Grundlagen
Begriff und Begründungsansätze
Verteilungspolitische Überlegungen
Stabilisierungspolitische Überlegungen
Anforderungen an ein gutes kommunales
Abgabensystem
Lokale Gestaltungskompetenz, Ausmaß der
Abgabenautonomie
Anfälligkeit für Steuerwettbewerb
Regionale Streuung der Bemessungsgrundlage
Status-quo und längerfristige Trends in der
Gemeindefinanzierung durch eigene Steuern
Abgabenerträge und
Gemeindeabgaben 1990/2010
Ausmaß und Entwicklung der wichtigsten Gemeindesteuern
Qualitative
Analyse der kommunalen Abgabenautonomie
Optionen zur Stärkung der kommunalen
Abgabenautonomie
Kommunale Zuschlagsrechte auf die
Einkommensteuer
Ausbau der Kommunalsteuer in Richtung Wertschöpfungsabgabe
Umweltbezogene kommunale Abgaben
VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND
ABBILDUNGEN
Übersicht 1: Gesetzliche Änderungen der Gemeindeabgaben und Ertragsanteile seit 1990
Übersicht 2: Entwicklung der laufenden Einnahmen
Übersicht 3: Zusammensetzung der Abgabenerträge der Gemeinden
Übersicht 4: Einschätzung wichtiger abgabenpolitischer Optionen
Abbildung 2: Entwicklung der Grundsteuereinnahmen
Abbildung 3: Einnahmen aus Gewerbesteuer, Lohnsummensteuer und Kommunalsteuer
Die tendenziell zunehmenden
Aufgaben der Gemeinden zur Sicherung der Lebensqualität der Bevölkerung und zur
Erhaltung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit müssen derzeit mit gleichbleibenden,
teils sogar relativ sinkenden Einnahmen aus öffentlichen Abgaben geleistet werden.
Durch den Ausbau der Abgabenhoheit der Gemeinden könnten zur Finanzierung ihrer
Einrichtungen und Dienste verstärkt eigene Abgaben erschlossen werden; das würde
zugleich die fiskalische Äquivalenz stärken.
Eine Stärkung der Abgabenautonomie[a]) der Städte und Gemeinden wird im Zusammenhang
mit dem Fiskalföderalismus zur Aufteilung finanzpolitischer Kompetenzen in staatlichen
Mehrebenensystemen diskutiert (z. B. Oates,
1972, Pitlik, 1997). Die Abgabenautonomie
definiert sich aus ökonomischer Sicht vor allem über die Gesetzgebungshoheit (das
Recht, Bemessungsgrundlage und Sätze einer Steuer festzulegen) und die Ertragshoheit
(das Recht, den Ertrag aus einer Steuer zu vereinnahmen) sowie über das Verhältnis
dieser beiden "Hoheiten". Es geht primär um die Frage, wieweit die subnationalen
Gebietskörperschaften durch eigene abgabenpolitische Entscheidungen auf die ihnen
zur Verfügung stehenden Finanzmittel Einfluss nehmen können. Idealtypisch sind mehrere
Grade der Abgabenautonomie subnationaler Einheiten möglich. So wäre z. B. der Autonomiegrad
subnationaler Gebietskörperschaften, die über Tarif und Bemessungsgrundlage ihrer
eigenen Steuern frei bestimmen können, höher als im Fall der Festlegung durch den
Zentralstaat; noch geringer wäre der Autonomiegrad bei Regelungen zur Aufteilung
der Einnahmen aus dem Steuerverbund, wenn ein Konsens aller drei staatlichen Ebenen[b]) erforderlich ist.
Die theoretische Literatur,
die von einer subzentralen Abgabenautonomie Effizienzvorteile erwartet, bedient
sich "klassisch ökonomischer" und eher "politökonomischer" Argumente.
Aus der Perspektive der Aufteilung der Ressourcen auf Art und Umfang der Aufgaben
spielt das von Olson (1969) formulierte
Prinzip der fiskalischen Äquivalenz eine
zentrale Rolle für die Frage nach dem geeigneten Ausmaß der kommunalen Abgabenautonomie,
wonach der Kreis der Abstimmungsberechtigten, der Nutzer und der Kostenträger öffentlicher
Leistungen übereinstimmen sollen (Zimmermann
– Henke – Broer, 2009). Lokale öffentliche Leistungen sind daher
aus lokalen Einnahmen zu finanzieren, um "Ausgaben auf Kosten Dritter"
zu vermeiden (Zimmermann, 1999). Von der
Verwirklichung fiskalischer Äquivalenz durch die Schaffung institutioneller Kongruenz
werden effizienzfördernde Wirkungen erwartet, da der Grenznutzen zusätzlicher Ausgaben
höher sein sollte als die Grenzkosten in Form von höheren Steuern bzw. Nutzungsentgelten
für die Bevölkerung. Die Übereinstimmung von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung
(Konnexitätsprinzip) auf lokaler Ebene
erhöht die Effizienz der Aufgabenerfüllung, weil sich die Politikverantwortlichen
unmittelbar gegenüber den von höheren lokalen Abgaben betroffenen Steuerpflichtigen
verantworten müssen. Damit steigt der Druck zu einer präferenzgerechten und möglichst
kostengünstigen Erfüllung der Aufgaben.
Kommunale Abgabenautonomie
ermöglicht über diese statische Perspektive hinaus einen fiskalischen Wettbewerb
zwischen Gemeinden um mobile Bürger und Bürgerinnen bzw. Unternehmen: Sie werden
sich im Rahmen einer "Abstimmung mit den Füßen" (Tiebout, 1956) in jener Gemeinde niederlassen, die entsprechend ihren
individuellen Präferenzen das günstigste Verhältnis zwischen den öffentlichen Leistungen
und den zu entrichtenden kommunalen Abgaben bietet. Dieser fiskalische Wettbewerb
soll präferenzgerechtere und kostengünstigere Angebote an öffentlichen Leistungen
hervorbringen (Zimmermann – Henke – Broer,
2009).
Die Argumente für eine
hohe kommunale Abgabenautonomie werden durch die Neue Politische Ökonomie weiter
gestützt (z. B. Brennan – Buchanan, 1980, Pitlik, 1997). Dahinter
steht etwa die Idee, dass Politik und Bürokratie durch den Wettbewerb um Wählerstimmen
nur unvollkommen in der Verfolgung eigennütziger Ziele beschränkt werden. Nicht
auf einem mobilitätsgetriebenen Wettbewerb der Gemeinden um mobile Bürger und Bürgerinnen
sowie Unternehmen, sondern auf Prozessen der demokratischen Willensbildung, beruht
der politökonomische Ansatz der Yardstick Competition (etwa "Vergleichsmaßstabs-Wettbewerb").
Die Möglichkeit des interkommunalen Leistungsvergleichs kann ein ineffizientes Ausgabenverhalten
der lokalen Politik eindämmen, indem die Wahlberechtigten ihrer Wahlentscheidung
auch Informationen über die Fiskalpolitik anderer (benachbarter) Gebietskörperschaften
zugrunde legen. Sie würden so politischen Druck auf die Politik ihrer Gemeinde ausüben,
wenn in den angrenzenden Gemeinden etwa ein gegebenes Niveau an öffentlichen Leistungen
mit geringerer Steuerbelastung oder mit derselben Steuerbelastung ein höheres Leistungsniveau
zur Verfügung gestellt wird. Notwendige Voraussetzungen für einen solchen Yardstick-Competition-Effekt
sind ein tendenziell hohes Maß an Ausgaben- und Abgabenautonomie der lokalen Einheiten
und die Verfügbarkeit von Informationen über die Fiskalpolitik anderer Gemeinden.
Effizienzgewinnen, die
sich aus einer dezentralen Bereitstellung und eigenverantwortlichen Finanzierung
öffentlicher Leistungen ergeben, stehen aber mögliche Ineffizienzen gegenüber, wenn
fiskalische oder räumliche Externalitäten (Spillovers) bzw. steigende Skalenerträge
im Konsum von öffentlichen Leistungen vorliegen (Feld, 2000). Ineffizienzen können sich auch aus einem ruinösen steuerlichen
Unterbietungswettbewerb ("race to the bottom") der zur Leistungsfinanzierung
erhobenen Steuern und Abgaben ergeben, wenn etwa ein in der Ausgangssituation optimales
Angebot an öffentlichen Leistungen nicht aufrecht erhalten werden könnte, weil die
Steuern gesenkt werden, um mobile Bemessungsgrundlagen anzulocken (Zodrow – Mieszkowski, 1986).
Wenn die personelle Einkommensverteilung
ungleich ist und es "ärmere" und "reichere" Gemeinden gibt,
könnte die Zuweisung von Steuern mit Umverteilungsfunktion an die Gemeindeebene
deren Effektivität als Umverteilungsinstrument aushöhlen (Wildasin, 1991, Zimmermann,
1999). Steuerpflichtige mit höherem Einkommen und/oder Vermögen würden sich in "reicheren"
Gemeinden konzentrieren. Diese könnten niedrigere Steuersätze als "arme"
Gemeinden anwenden: Einerseits ist der Bedarf der Wohlhabenden an öffentlichen Leistungen
geringer, da sie die betreffenden Leistungen teilweise auch privat beziehen können
(Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen, Freizeiteinrichtungen usw.) oder nicht benötigen
(z. B. Sozialleistungen und -einrichtungen). Andererseits ist die Bemessungsgrundlage
(Einkommen, Vermögen usw.) pro Kopf höher, sodass auch ein niedrigerer Steuersatz
vergleichsweise hohe Einnahmen erbringt. In regionaler Hinsicht hat lokale Abgabenautonomie
problematische Verteilungswirkungen, wenn die Bemessungsgrundlagen regional ungleich
verteilt sind, da dann die Finanzausstattung der Gemeinden entsprechend differiert.
Eine solche ungleiche Finanzausstattung kann bis zu einem gewissen Grad durch einen
horizontalen kommunalen Finanzausgleich gemildert werden.
Auch aus stabilisierungspolitischer
Perspektive könnte eine hohes Ausmaß an kommunaler Steuerautonomie problematische
Effekte haben (Zimmermann, 1999). Tragen
konjunkturreagible Steuern einen bedeutenden Anteil zur Finanzierung der öffentlichen
Leistungen bei, so würde ein Rückgang der Einnahmen aus diesen Steuern im Abschwung
– auch vor dem Hintergrund beschränkter kommunaler
Verschuldungsmöglichkeiten – eine entsprechende
Kürzung der Ausgaben erfordern, die den Abschwung weiter verschärft. Im Aufschwung
wiederum haben die Gemeinden geringe Anreize, zusätzliche Steuereinnahmen zur Bildung
von Reserven bzw. zum Schuldenabbau zu verwenden, sondern werden damit eher eine
Ausweitung ihrer Ausgaben finanzieren. Eine zentral angesiedelte Stabilisierungspolitik
auch unter Einsatz der Steuern (z. B. durch zeitlich befristete steuerliche Investitionsanreize)
ist insofern effektiver, als sie die Politikkoordination erleichtert (Fedelino – Ter-Minassian,
2010).
Ein hoher Autonomiegrad
der Gemeinden bezüglich ihrer Abgaben kann insbesondere mit Effizienzvorteilen begründet
werden. Bei der Auswahl kommunaler Steuern sollten aber unerwünschte Effekte vor
allem in Hinblick auf das Verteilungs- und Stabilisierungsziel möglichst minimiert
werden; den Gemeinden wären nur solche Steuern zuzuweisen, die tatsächlich die fiskalische
Äquivalenz stärken, sodass die erwarteten Effizienzvorteile auch realisiert werden
können. Zugleich müsste der Fokus auf eine eher immobile Steuerbasis gelegt werden.
Auch bieten Ausgleichsmechanismen – etwa
im Rahmen eines horizontalen kommunalen Finanzausgleichs – die Möglichkeit, mögliche unerwünschte Effekte
zu kompensieren.
Die Literatur zum fiskalischen
Föderalismus leitet auf Basis der theoretischen Erwägungen, die für den Ausbau der
subzentralen Abgabenautonomie im Allgemeinen und der lokalen Abgabenautonomie im
Besonderen sprechen, eine Reihe von Kriterien ab, deren Erfüllung eine "gute"
lokale Abgabe kennzeichnen (Musgrave,
1983, Blöchliger – Petzold, 2009).
Gute kommunale Steuern
betreffen die Gruppe der in einer Gemeinde angesiedelten Steuerpflichtigen, die
die kommunalen Leistungen in Anspruch nehmen (örtliche Radizierbarkeit). Zugleich
sollen durch die kommunale Abgabe keine Steuerpflichtigen außerhalb der Gemeinde
belastet werden, da sonst ein Anreiz besteht, die öffentlichen Leistungen über das
ökonomisch optimale Niveau hinaus zu finanzieren.
Fiskalische Äquivalenz
kann besser erreicht werden, wenn etwa das unternehmensnahe Infrastrukturangebot
von der Gruppe der ortsansässigen Unternehmen, die haushaltsnahe Infrastruktur hingegen
von privaten Haushalten am Wohnort finanziert wird. Eine Annäherung an diese Grundsätze
verringert überdies die Tendenz zu einem Abgabensenkungswettlauf. Insofern implizieren
die fiskalische Äquivalenz und das Bemühen um einen Interessenausgleich auch, dass
es auf kommunaler Ebene sowohl eine Besteuerung der Haushalte als auch der Unternehmen
geben sollte.
Gute kommunale Abgaben
müssen eine merkliche Belastung der Steuerpflichtigen bewirken (Merklichkeit), um
die angestrebte Bindung zwischen Steuerpflichtigen und Gemeinde sichtbar zu machen
und die Verantwortlichkeit der politischen Entscheidungsträger zu stärken. Voraussetzungen
sind Transparenz und eine gewisse quantitative Belastung der Steuerpflichtigen durch
die Abgabe.
Gute kommunale Abgaben
sollten langfristig ergiebig sein, d. h. eine langfristig ausreichende Finanzierung
der Erfüllung der lokalen Aufgaben sichern. Dazu sollten sie eine proportionale
Wachstumsreagibilität aufweisen (Broer,
2001). Auch aus Sicht des Äquivalenzprinzips ist die langfristige Ergiebigkeit kommunaler
Abgaben bedeutsam, um langfristig den Zusammenhang zwischen Leistungsbereitstellung
und Finanzierung aufrecht zu erhalten.
Die Konjunkturreagibilität
kommunaler Steuern sollte möglichst gering sein, um ein stetiges Aufkommen zu gewährleisten
(Donges et al., 2003). Da die Stabilisierungsaufgabe
aufgrund von Spillovers zentral angesiedelt sein sollte (Broer, 2001), spricht aus dieser Perspektive wenig für die Zuweisung
konjunktursensibler Steuern an die lokale Ebene.
Eine lokale Abgabenautonomie
ist nur gegeben, wenn die Gemeinden nicht nur über die Ertragshoheit, sondern auch
über Gesetzgebungskompetenz verfügen. Am weitesten geht die Abgabenautonomie, wenn
sowohl Bemessungsgrundlage als auch Steuersatz frei festgelegt werden können, die
geringste Autonomie ist mit Steuern verbunden, deren Bemessungsgrundlage für alle
Gemeinden einheitlich geregelt ist und für die die lokale Ebene den Steuersatz nur
innerhalb einer Bandbreite festlegen darf.
Die Immobilität der Bemessungsgrundlage
ist ein wichtiges Kriterium, weil sie Ausweichreaktionen zur Vermeidung der Steuerbelastung
verhindert. So wird ein im Extremfall ruinöser Steuerwettbewerb nach unten vermieden,
der die effektive Verwirklichung des Äquivalenzprinzips gefährden könnte (Blöchliger – Petzold, 2009). Allerdings kann auch ein Steuerwettbewerb
um eine immobile Steuerbasis wie etwa Grund und Boden geführt werden: Der ökonomische
Wert von Grund und Boden liegt in seiner Bewirtschaftung (landwirtschaftliche oder
gewerbliche Nutzung, Bereitstellung von Wohnraum usw.). Eine Grundsteuer, die nicht
eine reine Bodenrentensteuer ist, verzerrt den Kapitalmarkt, da sie die Investitionen
(z. B. Bau eines Wohnhauses) belastet. Wandern als Konsequenz die Aktivitäten zur
Bodennutzung oder die Nutzer und Nutzerinnen selbst ab, kann über diesen Kanal ein
Steuerwettbewerb stattfinden, wenn nicht durch Förderungen der Nutzer und Nutzerinnen
der Steuerwettbewerb verzerrt wird. Die neuere Literatur empfiehlt allerdings zunehmend
die Zuweisung von Steuern mit mobiler Bemessungsgrundlage an die subnationalen Ebenen,
da ein gewisser Steuerwettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften einer Ebene
als effizienzfördernd gesehen wird, indem der Druck auf die Steuereinnahmen die
Ausgabendisziplin erhöht.
Gute lokale Steuern sind
durch eine relativ geringe Streuung der Bemessungsgrundlage gekennzeichnet, um eine
allzu ungleiche kommunale Finanzausstattung zu vermeiden (Blöchliger – Petzold, 2009). Zwar kann innerhalb gewisser Grenzen ein
Ausgleich durch horizontale Mechanismen erfolgen, doch ist damit administrativer
Aufwand verbunden. Zudem sind bei deren Ausgestaltung sowohl für Zahler- als auch
für Empfängergemeinden zu starke negative Anreize zu vermeiden, damit die eigene
Bemessungsgrundlage adäquat ausgeschöpft wird.
Das Kriterium der Transparenz
hat mehrere Dimensionen. Zunächst zielt es auf die Informationserfordernisse und
damit die Befolgungskosten der Besteuerung für die Steuerpflichtigen ab und hängt
daher eng mit der Administrierbarkeit zusammen. Darüber hinaus ist Transparenz eine
entscheidende Determinante der Merklichkeit und damit der Umsetzung des (individuellen)
Äquivalenzprinzips. Um Transparenz geht es auch, wenn die Belastung durch eine bestimmte
kommunal gestaltbare Steuer interkommunal vergleichbar sein soll (z. B. die Höhe
der Grundsteuerbelastung in den einzelnen Gemeinden). Dies ist eine entscheidende
Voraussetzung für einen Vergleichswettbewerb bzw. einen Steuerwettbewerb zwischen
den Gemeinden. Beeinträchtigt wird die Transparenz wohl durch eine ausgeprägte Gesetzgebungskompetenz
der Gemeinden bezüglich der Festlegung der Bemessungsgrundlage, da sie interkommunale
Vergleiche der effektiven Steuerbelastung erheblich erschwert. Bezieht sich die
Gesetzgebungskompetenz dagegen nur auf den Steuersatz, dann ist Transparenz wesentlich
leichter herzustellen.
Auch auf der lokalen Ebene
können Lenkungserwägungen eine Rolle spielen. Zahlreiche Umweltprobleme haben etwa
lokal oder regional begrenzte Wirkung. Hier können Steuern zur Eindämmung lokal
begrenzter negativer Externalitäten (umweltschädliche Produktions- oder Konsumaktivitäten)
oder demeritorischer Effekte (z. B. Alkoholkonsum) eingesetzt werden. Zu einem zukunftsfähigen
Gemeindesteuersystem gehört insbesondere eine stärkere Beachtung ökologischer Aspekte
und Anliegen (Junkernheinrich, 2003).
Schließlich ist auch die
Administrierbarkeit ein Kriterium für die Eignung als lokale Steuer. Gute Gemeindesteuern
sind einfach und kostengünstig einzuheben (Donges
et al., 2003). Dies wird umso mehr gegeben sein, je einfacher ihre Bemessungsgrundlage
festgelegt werden kann. Basiert die Steuer auf Sachverhalten oder Aktivitäten, die
die Grenzen der besteuernden Gebietskörperschaft überschreiten, dann sind Maßnahmen
zur Vermeidung einer Doppel- oder einer Nullbesteuerung erforderlich, die zusätzlichen
Verwaltungsaufwand verursachen. In kleinen Gemeinden mit geringer Verwaltungskapazität
dürfte die Administrierbarkeit größere Bedeutung haben als in Städten. Zentrale
Einheiten oder Gemeindeverbände können allerdings zahlreiche Tätigkeiten der Steuerverwaltung
abwickeln.
In den letzten 20 Jahren
waren im Bereich der Gemeindeabgaben[c]) und der Ertragsanteile der Gemeinden wesentliche
Zäsuren und Veränderungen zu verzeichnen (Übersicht 1).
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|
Übersicht 1: Gesetzliche
Änderungen der Gemeindeabgaben und Ertragsanteile seit 1990 |
|
|
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1992 |
Anhebung des Höchsthebesatzes der Grundsteuer
von 420% auf 500% Halbierung des Getränkesteuersatzes auf alkoholfreie
Getränke |
1993 |
Abschaffung der Gewerbesteuer und Lohnsummensteuer Aufnahme der Zweitwohnsitzabgabe in den Katalog
der ausschließlichen Gemeindeabgaben im FAG 1993 |
1994 |
Einführung der Kommunalsteuer |
1998 |
Umwandlung der Körperschaftsteuer von einer ausschließlichen
zu einer gemeinschaftlichen Bundesabgabe |
2000 |
Wegfall der Getränkesteuer Abschaffung der Ankündigungs- und Anzeigeabgabe Einführung der Werbeabgabe |
2005 |
Umwandlung von zahlreichen ausschließlichen Bundesabgaben
(Kapitalverkehrssteuern, Tabaksteuer, Energieabgaben, Versicherungssteuer, Normverbrauchsabgabe,
Konzessionsabgabe) zu gemeinschaftlichen Bundesabgaben (FAG 2005) Abflachung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels:
Anhebung des Multiplikators für Gemeinden mit einer Bevölkerung bis 10.000 Personen
von 11/3 auf 1½
(FAG 2005) Teilung der Erträge aus der Kommunalsteuer (§
17 FAG) |
2009 |
Umwandlung des Wohnbauförderungsbeitrages von
einer ausschließlichen zu einer gemeinschaftlichen Bundesabgabe |
2011 |
Abflachung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels:
Anhebung des Multiplikators für Gemeinden mit einer Bevölkerung bis 10.000 Personen
von 1½ auf 146/75
(FAG 2008) Entfall des § 17 NÖ WFG 2005, der die zeitliche
Grundsteuerbefreiung regelte |
Q: KDZ. |
|
|
Der Anteil der Gemeindeabgaben
verringerte sich von 1990 bis 2010 für die Gesamtheit der Gemeinden (ohne Wien)
von 4,9% auf 3,9% der insgesamt eingehobenen Abgaben; auch für Wien als Land und
Gemeinde sank er von 2,2% auf 1,6%.
Während der Anteil der
eigenen Steuern an den laufenden Einnahmen der Gemeinden (ohne Wien) von rund 28%
auf 21% der laufenden Einnahmen zurückging, erhöhten sich die Ertragsanteile von
35,5% auf 37% sowie die Einnahmen aus Gebühren von knapp 9% auf 12%.
In Gemeinden mit einer
Bevölkerung von weniger als 500 Personen betrug der Anteil der eigenen Steuern an
den laufenden Einnahmen 2010 nur 12%, in den größeren Gemeinden (mehr als 5.000
Personen) dagegen zwischen 20,2% und 24,6%.
Seit 1990 nahm die Bedeutung
der eigenen Steuern ab, während die Ertragsanteile an gemeinschaftlichen Bundesabgaben
und die Gebühren für die Gemeinden ohne Wien an Gewicht gewannen. Durch die Abschaffung
der Getränkesteuer sowie der Ankündigungs- und Anzeigeabgabe verringerte sich der
Anteil der Einnahmen aus eigenen Abgaben; dies wurde ab Juni 2000 über eine Anhebung
der Ertragsanteile teilweise ausgeglichen.
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Übersicht 2: Entwicklung der laufenden Einnahmen |
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Gemeinden ohne Wien |
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|
|
|
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|
1990 |
1995 |
2001 |
2005 |
2010 |
|
Mio. € |
||||
|
|
|
|
|
|
Eigene Steuern |
1.707 |
2.188 |
2.166 |
2.412 |
2.799 |
Ertragsanteile |
2.177 |
2.802 |
4.008 |
4.192 |
4.822 |
Gebühren |
542 |
857 |
1.229 |
1.369 |
1.602 |
Laufende Transfers von Trägern öffentlichen Rechts |
515 |
703 |
681 |
874 |
982 |
Sonstige laufende Transfers |
62 |
94 |
125 |
138 |
197 |
Einnahmen aus Veräußerungen und Leistungen |
904 |
1.485 |
1.578 |
1.705 |
1.979 |
Sonstiges |
232 |
340 |
482 |
601 |
665 |
|
|
|
|
|
|
|
Anteile in % |
||||
|
|
|
|
|
|
Eigene Steuern |
27,8 |
25,8 |
21,1 |
21,4 |
21,5 |
Ertragsanteile |
35,5 |
33,1 |
39,0 |
37,1 |
37,0 |
Gebühren |
8,8 |
10,1 |
12,0 |
12,1 |
12,3 |
Laufende Transfers von Trägern öffentlichen Rechts |
8,4 |
8,3 |
6,6 |
7,7 |
7,5 |
Sonstige laufende Transfers |
1,0 |
1,1 |
1,2 |
1,2 |
1,5 |
Einnahmen aus Veräußerungen und Leistungen |
14,7 |
17,5 |
15,4 |
15,1 |
15,2 |
Sonstiges |
3,8 |
4,0 |
4,7 |
5,3 |
5,1 |
Q: Statistik Austria, KDZ. |
|||||
|
|
Abbildung 1: Anteil
eigener Steuern und laufender Transfers von Trägern öffentlichen Rechts an den
laufenden Einnahmen nach Einwohnergrößenklassen |
Gemeinden ohne Wien, 2010 |
|
Q: Statistik Austria, KDZ. |
|
Verwaltungshoheit und Ertrag
aus der Grundsteuer stehen vollständig
den Gemeinden zu. Zu ihrer Bemessung werden veraltete Einheitswerte herangezogen,
die deutlich unter den Verkehrswerten liegen. Der reguläre Steuersatz von 0,2% wird
vom Bund festgelegt, den Hebesatz von höchstens 500% bestimmen die Gemeinden. Die
Einnahmen aus der Grundsteuer betrugen 2010 609 Mio. € oder 16,6% der gesamten Einnahmen
aus kommunalen Abgaben ohne Gebühren.
Die Gewerbesteuer und die Lohnsummensteuer wurden 1993 abgeschafft
und durch die Kommmunalsteuer ersetzt.
Der Kreis der Steuerpflichtigen wurde erweitert, die Bemessungsgrundlage ausgebaut
und der Steuersatz von 2% (Lohnsummensteuer) auf 3% (Kommunalsteuer) angehoben.
Die Ertragshoheit der Kommunalsteuer als ausschließliche Gemeindeabgabe liegt bei
den Gemeinden; allerdings liegt die Gesetzgebungshoheit beim Bund. Durch die Anhebung
des Steuersatzes erhöhte sich der Anteil der Einnahmen von 28% (Lohnsummensteuer
1993) auf 45% der eigenen Steuern (Kommunalsteuer 1994).
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Übersicht 3: Zusammensetzung
der Abgabenerträge der Gemeinden |
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|
|
1990 |
1995 |
2000 |
2005 |
2010 |
|
Anteile in % |
||||
Gemeinden ohne Wien |
|
|
|
|
|
Eigene Steuern |
38,6 |
37,4 |
32,5 |
30,3 |
30,3 |
Gebühren |
12,3 |
14,7 |
16,2 |
17,2 |
17,4 |
Ertragsanteile |
49,2 |
47,9 |
51,3 |
52,6 |
52,3 |
|
|
|
|
|
|
Wien |
|
|
|
|
|
Eigene Steuern |
26,2 |
25,9 |
22,2 |
20,7 |
18,9 |
Gebühren |
10,1 |
12,6 |
10,6 |
10,3 |
6,2 |
Ertragsanteile |
63,7 |
61,6 |
67,2 |
69,0 |
75,0 |
Q: Statistik Austria, KDZ. |
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Abbildung 2: Entwicklung der Grundsteuereinnahmen |
Gemeinden ohne Wien |
|
Q: Statistik Austria, KDZ. |
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Der Anspruch auf angemessene
Eigenmittel der Gemeinden, über die sie in Ausübung ihrer Zuständigkeiten frei verfügen
können, verringerte sich in den letzten 20 Jahren kontinuierlich: Der Anteil der
Gemeindesteuern am Gesamtsteuervolumen sank um 1 Prozentpunkt auf weniger als 4%
im Jahr 2010. Der Anteil der Gemeindesteuern an den laufenden Einnahmen ging um
7 Prozentpunkte zurück; zugleich erhöhte sich die Beteiligung der Gemeinden am Steuerverbund
entsprechend. Im Bereich der Gebühren bauten die Gemeinden ihre Steuerhoheit am
stärksten aus (+3 Prozentpunkte), jedoch dienen die Gebühreneinnahmen überwiegend
der Finanzierung der "technischen" Daseinsvorsorge in den Bereichen Abwasser,
Wasser und Abfall.
Die Vielfalt der Besteuerungstatbestände
schrumpfte mit dem Wegfall der Getränkesteuer, der Werbe-, Ankündigungs- und Anzeigeabgabe
spürbar, die Ergiebigkeit des kommunalen Steuersystems ist daher gesunken. Bedingt
durch die äußerst unzureichende Aktualisierung der Einheitswerte entwickelt sich
das Grundsteueraufkommen wenig dynamisch.
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Abbildung 3: Einnahmen aus Gewerbesteuer, Lohnsummensteuer
und Kommunalsteuer |
Gemeinden ohne Wien |
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Q: Statistik Austria, KDZ. |
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Die Autonomie der Gemeinden
im Bereich der bedeutenden ausschließlichen Gemeindeabgaben Grundsteuer und Kommunalsteuer
ist stark eingeschränkt, denn sie verfügen lediglich über die Ertragshoheit für
diese beiden Steuern. Der ohnehin geringe Grad an Steuerautonomie durch Beschließen
des Hebesatzes der Grundsteuer wird durch die Praxis der Länder weiter eingeengt,
die meist die volle Ausschöpfung des höchstmöglichen Hebesatzes verlangen, bevor
Förderungen geleistet werden. Zugleich wird der Ertrag der Grundsteuer von den Grundstücken
im Rahmen der Wohnbauförderung durch zeitlich beschränkte Grundsteuerbefreiungen
gekürzt[d]) (Arpa – Bauer, 2005). Den Kommunalsteuerertrag schmälern zahlreiche Befreiungen und Beschränkungen
der Bemessungsgrundlagen.
Optionen zur Stärkung der
kommunalen Abgabenautonomie sind ein Ausbau der Grundsteuer, kommunale Zuschlagsrechte
auf die Einkommensteuer, ein Ausbau der Kommunalsteuer sowie umweltbezogene lokale
Abgaben. Entsprechende Wirkung hätte auch die Ermächtigung der Gemeinden zur Erhebung
einer Zweitwohnsitz- bzw. Ferienwohnungsabgabe, wie es sie bereits in zwei Bundesländern
gibt, die Besteuerung von Alkoholkonsum in der Gemeinde, eventuell in Verbindung
mit der Vergnügungssteuerpflicht (z. B. Tanzveranstaltungen), sowie die Einhebung
eines Gemeinde-Infrastrukturbeitrages von Unternehmen und privaten Haushalten für
Einrichtungen, die nicht über bestehende Gebühren oder Beiträge finanziert werden.
Die Expertenkritik an der
Grundsteuer bezieht sich vor allem auf die Bemessung am Einheitswert, durch die
Grundsteuerbasis und -einnahmen zunehmend erodieren. Deshalb wird für die Grundsteuer
B eine Reform des Bewertungsverfahrens vorgeschlagen. Eine Heranführung der steuerlichen
Einheitswerte an den Verkehrswert würde eine Steigerung der Grundsteuereinnahmen
bewirken. Die Stärkung der fiskalischen Autonomie der Gemeinden bezüglich der Steuersätze
wäre auf der formalen ebenso wie auf der faktischen Ebene zu diskutieren. Formal
kann die Gesetzgebungskompetenz der Gemeinden erhöht werden, indem die Höchstgrenze
für die Hebesätze an- oder aufgehoben wird. Eine faktische Ausdehnung der lokalen
Gesetzgebungskompetenz erforderte darüber hinaus die Entkopplung von Steuersätzen
und intragovernmentalen Transfers.
Die örtliche Radizierbarkeit als entscheidende
Voraussetzung für die Herstellung fiskalischer Äquivalenz ist bei der Grundsteuer
so hoch wie bei kaum einer anderen (kommunalen) Steuer, da sie nur das Grund- und
Immobilienvermögen betrifft, das in der besteuernden Gemeinde liegt. Die Konstruktion
der Grundsteuer als proportionale Steuer, wie sie in der Praxis zumeist anzutreffen
ist, ohne Freibeträge oder sonstige nennenswerte Ausnahmeregelungen, macht sie transparent. Die Grundsteuer trägt auch zum
Interessenausgleich bei, da sie grundsätzlich
das Grundvermögen der Betriebe, der Land- und Forstwirtschaft sowie der privaten
Haushalte erfasst. Unter diesem Gesichtspunkt ist die vielfach befürchtete und kritisierte
Möglichkeit der Überwälzung der Grundsteuer auf die Mieter und Mieterinnen – eine nach wie vor empirisch und theoretisch nicht
geklärte Erwartung – eher positiv zu beurteilen,
denn Mieter nutzen wie Eigenheimbesitzer kommunale Leistungen. Aus dieser Perspektive
schwächen Begünstigungen für Mieter und Mieterinnen die fiskalische Äquivalenz (Donges et al., 2003). Die langfristige Ergiebigkeit einer auf dem Verkehrs-
bzw. Ertragswert beruhenden Grundsteuer ist hoch, da ein positiver Zusammenhang
zwischen dem Wirtschaftswachstum und dem gesamten Bestand an Grund- und Immobilienvermögen
besteht. Die Konjunkturreagibilität einer
verkehrswertbasierten Grundsteuer dürfte in Österreich begrenzt sein. Der administrative Aufwand einer verkehrswertnahen
Besteuerung von Grund- und Immobilienvermögen wird allgemein als relativ hoch eingeschätzt.
Insgesamt erscheint die Grundsteuer als in hohem Maß geeignete Gemeindesteuer. Insbesondere
kann sie wie kaum eine andere Steuer fiskalische Äquivalenz herstellen.
Grundsätzlich sind die
österreichischen Gemeinden über die Ertragsanteile mit einem Anteil von derzeit
11,88% am Aufkommen der gemeinschaftlichen Bundesabgabe "Einkommensteuer"
beteiligt. Die Steuergestaltungsrechte (Tarif und Bemessungsgrundlage) liegen ausschließlich
beim Bund. Die Einführung von kommunalen Zuschlagsrechten auf die Einkommensteuer
würde die Gemeinden wie bisher an einer aufkommenstarken Steuer teilhaben lassen,
ihnen dabei aber gleichzeitig eine beträchtliche steuerpolitische Verantwortlichkeit
und Gestaltungsautonomie einräumen. Dies wird meist in Form eines kommunalen Abgabensatzes
diskutiert, wonach die Zentralebene – und
gegebenenfalls auch die regionale Ebene – eigene
Gestaltungsrechte bei der Einkommensteuer behalten. Dieser Satz kann von der Gemeinde
entweder frei oder innerhalb der von der Zentralebene festgelegten Bandbreite variiert
werden. Der von der Gemeinde fixierte Satz kann wiederum (Variante 1) als Zuschlag
(Prozentsatz) auf die bestehende Einkommensteuerschuld oder (Variante 2) als proportionaler
Satz auf die Bemessungsgrundlage angewendet werden. Während Variante 1 die progressiven
Verteilungseffekte der Bundeseinkommensteuer verstärkt, schwächt in Variante 2 die
Gemeindeeinkommensteuer die Gesamtprogression der Einkommensteuer ab. Wenn entsprechend
der Theorie des Fiskalföderalismus Umverteilungspolitik keine Aufgabe der Gemeinden
sein soll (z. B. Oates, 1972), wäre die
Variante 2 zu bevorzugen.
Unter dem Gesichtspunkt
des Interessenausgleichs schneiden kommunale
Zuschlagsrechte auf die Einkommensteuer positiv ab. Grundsätzlich werden sowohl
Einkünfte der Unselbständigen als auch Unternehmereinkünfte erfasst. In einem Zuschlagssystem
ist die Transparenz der kommunalen Steuerlast
erheblich besser gegeben: Den Steuerpflichtigen wird eher bewusst, welcher Anteil
der Steuerbelastung auf Entscheidungen der Lokalpolitik zurückzuführen ist (Feld, 2003, Maiterth, 2004). Grundsätzlich sollte im Sinne der Äquivalenzbesteuerung
das steuerliche Zuschlagsrecht für gewerbliche und freiberufliche Einkünfte den
Betriebsstättengemeinden und nicht den Wohnsitzgemeinden zustehen (Feld, 2003). Daraus resultiert ein mäßiger
administrativer Mehraufwand. Da die Steuer
an eine bestehende Abgabe anknüpft, entsteht kein zusätzlicher Aufwand für die Ermittlung
der Bemessungsgrundlage. Die Anfälligkeit der Zuschläge zur Einkommensteuer für
einen interkommunalen Steuerwettbewerb
dürfte dagegen vergleichsweise hoch sein. Der Wettbewerb würde vor allem das Kernstadt-Umland-Verhältnis
betreffen. Das Zuschlagsmodell würde auch eine gewisse regional ungleichmäßige Streuung der Bemessungsgrundlagen bedeuten – abhängig von der Einkommens- und Beschäftigungssituation
in den Regionen. Langfristig sind die
Einkommensteuererträge eng mit der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung verbunden. Als problematisch wird dagegen die relativ hohe Konjunkturreagibilität der Bemessungsgrundlage
gesehen. Insgesamt ist ein kommunales Zuschlagsrecht auf die Einkommensteuer als
eine denkbare Variante zur Erhöhung der Abgabenautonomie der Gemeinden einzuschätzen.
Im Gegenzug müssten die Anteile der Gemeinden an der gemeinschaftlichen Bundesabgabe
entsprechend gesenkt werden.
Zentrale Ansatzpunkte für
einen Ausbau der Kommunalsteuer wären die Aufhebung von Steuerbefreiungen (von Bund,
Ländern, aber auch teilweise von öffentlichen Betrieben sowie von Non-Profit-Organisationen)
wie auch die Erweiterung der Bemessungsgrundlage etwa durch Einbeziehung der Abschreibungen
auf das Sachanlagevermögen von Unternehmen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, möglichst
die gesamte Wertschöpfung als Besteuerungsgrundlage heranzuziehen. Eine so umfassend
an die Produktion der Betriebe anknüpfende Besteuerung würde die Interessensklammer
zwischen Gemeinde und Wirtschaft gewährleisten (Schwarting, 2007, S. 79). Neben der Bemessungsgrundlage könnte auch
der Kreis der Steuerpflichtigen erweitert werden (z. B. freie Berufe). Mit der Aufhebung
der Befreiungen und der Ausweitung des Kreises der Steuerpflichtigen würden das
Äquivalenzprinzip und die örtliche Radizierbarkeit gestärkt; dies gilt
tendenziell auch für den Ausbau der Bemessungsgrundlage, da die Steuerleistung unabhängig
von der Lohn- oder Anlagenintensität der Produktion erfolgt. Die langfristige Ergiebigkeit ist bei der Kommunalsteuer
gegeben; dagegen müsste mit einer mäßigen Konjunkturreagiblität
gerechnet werden. In der bestehenden Konstruktion durch ein Bundesgesetz ist allerdings
keine lokale Gestaltungskompetenz hinsichtlich
der Bemessungsgrundlage und Abgabenhöhe gegeben; nur indirekt besteht ein Anreiz,
durch Erleichterung der Betriebsansiedlung und über regionale Kooperationen das
Aufkommen der Kommunalsteuer zu erhöhen. Die Administrierbarkeit ist in beiden Varianten im bestehenden System in
effizienter Form möglich, wobei der Ausbau in Richtung Wertschöpfungskomponente
die Anforderungen an die Abgabenadministration wesentlich erhöht und sich eine Kooperation
von Gebietskörperschaften zur Einhebung empfiehlt.
Je nach ihrer räumlichen
Reichweite sind negative ökologische Externalitäten in einem vertikal (föderal)
aufgebauten Staatswesen auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen durch Umweltabgaben
zu internalisieren (Boadway – Wildasin, 1984, Beirat für Wirtschafts- und Sozialfragen, 1992). Lokale negative ökologische
externe Effekte sollten folglich durch lokale Umweltabgaben eingedämmt werden, deren
Höhe im theoretischen Ideal den Grenzschadenskosten entspricht. In Österreich sind
die Parkometerabgaben der Städte (Transport), die Wassergebühren (Ressourcenverbrauch)
sowie die Abwasser- und Müllgebühren (Umweltverschmutzung) den umweltbezogenen Abgaben
zuzurechnen. Das Aufkommen der genannten Gebühren[e]) ist durchaus nennenswert, jenes der Parkometerabgaben
relativ gering (2010: 1,1% der gesamten kommunalen Abgaben einschließlich Gebühren
und Interessentenbeiträge). Neben der Parkometerabgabe werden jüngst weitere Mobilitätsabgaben
als preispolitische Instrumente zur Steuerung von Mobilität und Verkehr diskutiert
(VCÖ, 2009), nämlich Road Pricing bzw.
City Maut, d. h. eine Abgabe für das Befahren der Innenstadt mit dem Pkw (z. B.
in London, Singapur, Bergen, Trondheim, Oslo, Stockholm), sowie Parkplatz- bzw.
Verkehrserregerabgaben, wie sie etwa in Sydney, Perth oder Vancouver bestehen.
Mobilitätsabgaben sowie
weitere umweltbezogene Abgaben zeichnen sich durchwegs durch örtliche Radizierbarkeit aus, da sie nur
auf Wasserverbrauch, Abwasser- und Müllentsorgung sowie das Befahren der Innenstadt
oder die Nutzung bzw. das Angebot an Parkplätzen in der besteuernden Gemeinde erhoben
werden. Im Falle der verschiedenen Gebühren ist kein Steuerexport möglich, bei den betrachteten Mobilitätsabgaben dagegen
sehr wohl. Während das Kriterium der Merklichkeit
insbesondere für die Gebühren und weniger für die Mobilitätsabgaben zutrifft, wären
die umweltbezogenen Abgaben generell hinsichtlich der Transparenz, des Interessenausgleichs,
der Streuung der Bemessungsgrundlage,
der geringen Konjunkturempfindlichkeit
und des geringen administrativen Aufwandes
günstig einzuschätzen. Die langfristige Ergiebigkeit
umweltbezogener kommunaler Abgaben hängt von den Lenkungseffekten ab. Insgesamt
erscheinen umweltbezogene Abgaben zur Erhöhung der kommunalen Abgabenautonomie gut
geeignet, wenn auch ein möglicher Trade-off zwischen Aufkommensstabilität und effektiver
Lenkungswirkung zu berücksichtigen ist.
Die einzelnen Optionen
zur Steigerung der Abgabenautonomie der Gemeinden (Übersicht 4) haben unterschiedliche
Vor- und Nachteile; keine der Alternativen wäre aber grundsätzlich ungeeignet, um
die kommunale Abgabenautonomie zu stärken.
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Übersicht 4: Einschätzung
wichtiger abgabenpolitischer Optionen |
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Grundsteuer |
Zuschläge zur Lohn-und Einkommensteuer |
Abschaffung der Kommunalsteuerbefreiungen |
Wertschöpfungskomponenten in der Kommunalsteuer |
Umweltbezogene kommunale Abgaben |
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|
Örtliche Radizierbarkeit |
++ |
+ |
++ |
++ |
++ |
Transparenz |
++ |
++ |
++ |
++ |
++ |
Langfristige Ergiebigkeit |
++ |
++ |
+ |
++ |
+ |
Konjunkturunempfindlichkeit |
++ |
– |
– |
– |
++ |
Lokale Gestaltungskompetenz |
+ |
++ |
– |
– |
++ |
Anfälligkeit für Steuerwettbewerb |
Gering |
Hoch |
+ |
+ |
Gering bis mittel |
Regionale Streuung der Bemessungsgrundlage |
+ |
0 |
– |
– |
++ |
Lenkungspotential |
0 |
? |
+ |
+ |
++ |
Administrierbarkeit |
+ |
0 |
++ |
+ |
++ |
Q: KDZ. ++ . . . besonders geeignet, + . . . bedingt
geeignet, 0 . . . keine Aussage möglich, – . . . nicht geeignet. |
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Der Mangel an Flexibilität,
Innovationsbereitschaft und Transparenz in der Fiskalpolitik ergibt sich aber weniger
aus einem Mangel an Optionen, sondern eher aus den herrschenden Verflechtungen in
der Trägerschaft von Aufgaben, aus Missverständnissen hinsichtlich des grundlegenden
Aufbaus des Finanzausgleichs oder aus politischen Befürchtungen (Thöni, 2011). Grundsätzlich erfordert ein
Ausbau der kommunalen Abgabenautonomie einen verstärkten Dialog zwischen Kommunalpolitik,
Bürgerschaft und Unternehmen über örtliche Präferenzen, gegebene Leistungen und
erforderliche Abgabenerhebung sowie Adaptierungen des Gesamtsystems des Finanzausgleichs.
Wenn, wie die empirischen Ergebnisse von Bröthaler
– Getzner (2011) nahelegen, bislang in Österreich kein positiver Zusammenhang zwischen
subnationaler Abgabenautonomie und Ausgabeneffizienz zu beobachten war, muss ein
Ausbau der kommunalen Abgabenhoheit in eine effizienzfördernde umfassende Reform
der Gesamtarchitektur des Finanzausgleichs eingebettet werden[f]). Auch hat eine stärkere Abgabenautonomie der Gemeinden
Rückwirkungen auf das gesamte Abgabensystem, da sie angesichts der in Österreich
bereits relativ hohen Abgabenquote aufkommensneutral zu erfolgen hätte, andere gemeinschaftliche
Bundesabgaben mithin also entsprechend zu senken wären.
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Increasing the Fiscal Autonomy of Municipalities. Principles and Options – Summary |
One of the focal points of the discussion on the reform of Austrian public finances and the system of fiscal equalisation is the question of how to reform the municipal tax system. The accordance of spending and financial responsibilities (principle of connectivity) at the local level increases the pressure to execute tasks as structurally and cost-efficient as possible, as the responsible politicians are held directly accountable by tax payers. Municipal tax autonomy also enables fiscal competition between communities seeking to attract mobile citizens and firms that "vote by feet" by moving to municipalities offering the most attractive relation between public services and municipal taxes, based on their individual preferences. If, however, there are differences in framework conditions (density, centrality, income levels in the region), tax competition can be problematic. An effective municipal tax system must fulfil various criteria, including the political competence to decide on tax rates and/or tax bases, discernability and transparency, as well as insensitivity to business cycles and to tax competition and a rather equal regional distribution of the tax base. Long-term tax revenue elasticity relative to economic growth, the balancing of interests among individual groups of users of public municipal services, administratibility and steering potential are further criteria. Various options for the expansion of municipal fiscal autonomy (expansion of property tax, municipal tax or second home tax, municipal surcharge on income tax, environmental municipal taxes, contribution for communal infrastructure, taxes on alcoholic beverages) have advantages and disadvantages with respect to different criteria. In principle, however, each of these options is suitable to play a role in the expansion of municipal fiscal autonomy. |
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[a]) In der Folge werden die Begriffe "Steuern" und "Abgaben" synonym verwendet. Sie schließen auch Gebühren, Beiträge und Sozialbeiträge ein, nicht jedoch Preise marktlicher Leistungen, die vom Staat erbracht werden.
[b]) Dies ist die österreichische Praxis (Paktieren von Neuregelungen des Finanzausgleichsgesetzes des Bundes durch Vertreter von Bund, Ländern und Gemeinden).
[c]) Unter Gemeindeabgaben wird in der Folge die Summe aus den gemeindeeigenen Steuern und den Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen verstanden.
[d]) Diese in Landesgesetzen geregelten Grundsteuerbefreiungen zur Schaffung von Wohnraum wurden in der Wiederaufbauzeit als Anreiz eingeführt. Ihre seit Jahren geforderte Aufhebung ist bisher nur in Niederösterreich erfolgt.
[e]) Wie punktuelle finanzstatistische Informationen für die österreichischen Gemeinden zeigen, dürfte der Kostendeckungsgrad bzw. der Grad der Kosten-Überdeckung der Gebühren für Wasser, Abwasserbeseitigung sowie Abfallsammlung und -beseitigung mit sinkender Siedlungsdichte und Gemeindegröße abnehmen. Eine Option zur Stärkung der Einnahmen aus Gemeindeabgaben besteht deshalb in einer verstärkten Ausschöpfung der insgesamt möglichen Gebühreneinnahmen durch Anheben des Kostendeckungsgrades.
[f]) Vgl. dazu auch die anderen Beiträge in diesem Heft.