WIFO

 

Mittelfristige Beschäftigungsprognose für Österreich

 

Entwicklung nach Berufen und Branchen bis 2016

 

Geprägt vom Wandel der Wirtschaftsstruktur und der Anforderungsprofile an Beschäftigte in den einzelnen Branchen ist der österreichische Arbeitsmarkt einer stetigen Veränderung der Nachfrage nach beruflichen Qualifikationen unterworfen. Die mittelfristige Beschäftigungsprognose schätzt diese Veränderungen disaggregiert nach 38 Branchen und 57 Berufsgruppen. Dabei zeigt sich ein Trend zu höheren Qualifikationsanforderungen sowie zunehmender Dienstleistungs- und Kundenorientierung der Tätigkeiten. Während einfache Tätigkeiten im produzierenden Bereich an Bedeutung verlieren, wird die Beschäftigung von Dienstleistungshilfskräften leicht zunehmen.

 

Begutachtung: Hedwig Lutz • Wissenschaftliche Assistenz: Stefan Fuchs, Silvia Haas • E-Mail-Adressen: Thomas.Horvath@wifo.ac.at, Kurt.Kratena@wifo.ac.at, Helmut.Mahringer@wifo.ac.at

 

INHALT

Methodenüberblick

Berufsprognose

Prognose der Berufsstruktur

Geschlechtsspezifisches Szenario

Beschäftigungsausblick bis 2016

Hauptergebnisse der Branchenprognose

Hauptergebnisse der Berufsprognose

Dekomposition in Branchen- und Berufseffekte

Regionalisierung

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Literaturhinweise

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Entwicklung der unselbständigen Beschäftigung 2010/2016. 8

Übersicht 2: Anteil der Leiharbeitskräfte nach Branchen. 10

Übersicht 3: Unselbständige Beschäftigung nach dem Niveau der Ausbildungsanforderungen (Skill-Level) 12

Übersicht 4: Unselbständige Beschäftigung nach Berufshauptgruppen. 13

Übersicht 5: Unselbständige Beschäftigung nach Bundesländern. 18

Übersicht 6: Beschäftigungsanteile und -entwicklung im Bundesländervergleich nach Qualifikationsanforderungen (Skill-Level) 19

Abbildung 1: Veränderung der unselbständigen Beschäftigung 2010/2016 in den 9 Berufshauptgruppen. 15

 

 

Der Strukturwandel, dem Österreichs Wirtschaft in den letzten Jahrzehnten unterworfen ist, hat erhebliche Konsequenzen für den Arbeitsmarkt. Technische und organisatorische Innovationen, die Zunahme der internationalen Arbeitsteilung und Änderungen des Konsumverhaltens verändern Ausmaß und Zusammensetzung der Produktion von Waren und Dienstleistungen. Dies schlägt sich in Wachstum und Schrumpfen von Unternehmen und Wirtschaftsbereichen nieder und bringt in weiterer Folge Anpassungen von Ausmaß und Struktur der Nachfrage nach Arbeitskräften mit sich. Neben dem laufenden Strukturwandel ist die Arbeitsmarktentwicklung derzeit von erhöhten internationalen Konjunkturrisiken betroffen. Die Finanzmarktkrise hatte im Jahr 2009 einen markanten Beschäftigungsrückgang besonders in exportorientierten Branchen zur Folge. Dieser wurde in der Folge zwar teilweise wieder aufgeholt, weiterhin bestehen aber große Unsicherheiten über die weitere Wirtschaftsentwicklung. Häufig beschleunigen Krisen den Prozess der Strukturanpassung, und Unsicherheit über die künftige Entwicklung verändert auch die Strategien der Akteure auf dem Arbeitsmarkt.

Um den Verschiebungen der Nachfrage nach Arbeitskräften Rechnung zu tragen, ist hohe Mobilität zwischen den Wirtschaftsbereichen erforderlich. Dem Verlust von Arbeitsplätzen etwa in der Industrie durch Produktivitätsgewinne (z. B. im Maschinenbau) oder durch die Verringerung der Produktion (z. B. in der Textil- und Bekleidungsindustrie) stehen Beschäftigungsgewinne im Dienstleistungsbereich gegenüber. Daraus ergeben sich unmittelbar auch Änderungen der Berufsstruktur, da Dienstleistungsbetriebe in der Regel andere Qualifikationen und Tätigkeiten benötigen als Industrieunternehmen. Zudem verändern sich die Berufsbilder innerhalb der Branchen. So trug etwa der Einsatz von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien zur Etablierung einer neuen Branche bei (Datenverarbeitungsdienste) und erhöhte zugleich den Einsatz von Datenverarbeitungskräften in vielen anderen Branchen.

Die Veränderung von Knappheitsrelationen (Arbeitslosigkeit und gleichzeitiger Mangel an Arbeitskräften) ist eine häufige Begleiterscheinung in Volkswirtschaften, die auf Änderungen der Rahmenbedingungen flexibel reagieren. Der Strukturwandel und der daraus folgende Anpassungsbedarf auf dem Arbeitsmarkt erfordern sowohl von Betrieben als auch von Arbeitskräften Flexibilität. Die Betriebe müssen ihre Belegschaft an geänderten Produktions-, Organisations- und Marktbedingungen ausrichten, Arbeitskräfte ihrem Qualifikationsprofil entsprechende Einsatzmöglichkeiten finden bzw. ihre Qualifikationen, ihre zeitliche oder örtliche Verfügbarkeit oder aber auch ihre Verdiensterwartungen anpassen. Solche Anpassungsprozesse sind immer dann kritisch, wenn die Anpassungsfähigkeit, vor allem die der Arbeitskräfte, mit dem Tempo des Wandels nicht Schritt halten kann. Für die Anpassung der Qualifikationen und der Berufsstruktur auf dem Arbeitsmarkt gilt das in besonderem Maße, da Aus- und Weiterbildung nicht nur zeitaufwendig und kostenintensiv sind, sondern deren Inanspruchnahme auch wesentlich von der Vorbildung abhängt. Zudem ist das Bildungsverhalten durch viele gesellschaftliche Einflüsse geprägt (z. B. geschlechts- und schichtspezifisches Berufswahlverhalten), die Rigiditäten in der Wahl des Ausbildungsganges zur Folge haben (z. B. Konzentration von weiblichen Lehrlingen auf wenige Lehrberufe). Die Wirkung des Erstausbildungssystems, das in Österreich traditionell das Bildungssystem dominiert, ist dabei beschränkt, da es nur den Neueintritt in das Beschäftigungssystem (Absolventen und Absolventinnen einer Ausbildung) beeinflusst, nicht aber die Qualifikation der bereits auf dem Arbeitsmarkt befindlichen Arbeitskräfte. Damit ist eine kurzfristige Änderung der Ausbildungsstruktur der erwerbsfähigen Bevölkerung insgesamt nur in äußerst geringem Ausmaß möglich.

Gerade dieser lange Reaktionszeitraum der Anpassung an neue Qualifikationsanforderungen stellt die Institutionen aus den Bereichen Bildung, Innovation, Struktur- und Arbeitsmarktpolitik vor hohe Anforderungen. Für eine vorausschauende Ausrichtung der Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik ebenso wie für die praktische Arbeit in der Bildungsberatung und der Planung und Durchführung von Weiterbildungsmaßnahmen ist es daher von großer Bedeutung, künftige Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt abschätzen zu können. Dadurch kann frühzeitig Einfluss auf das Angebot an Aus- und Weiterbildung, auf weitere arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sowie auf die Ausrichtung der Bildungsberatung, der betrieblichen Förderungsstrategien und sozialpolitischen Begleitmaßnahmen genommen werden.

Die vom WIFO im Auftrag des Arbeitsmarktservice Österreich erstellte mittelfristige Beschäftigungsprognose für Österreich gibt vor diesem Hintergrund Auskunft über die Entwicklungen im Zeitraum 2010/2016. Sie geht trotz der bestehenden Risiken nicht von einem massiven Wirtschaftseinbruch im Prognosezeitraum aus; Veränderungen der Struktur der Beschäftigungsnachfrage, die ihre Ursache auch in der Krise und der andauernden Unsicherheit haben mögen, werden jedoch berücksichtigt.

Methodenüberblick

Die mittelfristige Prognose der Beschäftigungsentwicklung nach Branchen, Berufen und Bundesländern erfordert den Einsatz einer Kombination von Prognoseinstrumenten, die sich an folgenden Anforderungen orientiert:

·          Die Arbeitsmarktentwicklung kann nicht unabhängig von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung betrachtet werden, da der wirtschaftliche Erfolg (Veränderung von Produktion, Produktivität und Wertschöpfung) wesentlich für die Arbeitskräftenachfrage ist. Daher soll die Beschäftigungsprognose auf einem Modell der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung basieren.

·          Die Veränderung der Berufslandschaft wird wesentlich vom Strukturwandel beeinflusst, daher muss die Modellierung der Ökonomie möglichst detailliert erfolgen und die Entwicklung von Beschäftigung, Produktion und Wertschöpfung in mehreren Branchen darstellen. Zudem sollen Unterschiede zwischen den Entwicklungstrends der Regionalwirtschaften sichtbar gemacht werden.

·          Neben den sektoralen Veränderungen wird die Nachfrage nach Beschäftigten auch von Veränderungen der Tätigkeitsprofile und Qualifikationsanforderungen innerhalb der Branchen getrieben. Eine geschlechtsspezifische Betrachtung soll zusätzlich den Aspekt der geschlechtsspezifischen Segregation von Arbeitskräften in einzelnen Branchen und Berufen beleuchten.

·          Die Prognosemethode soll sich an internationalen Erfahrungen orientieren.

·          Der Prognosehorizont soll weit genug in der Zukunft liegen, um Reaktionen auf die Prognoseergebnisse zu erlauben.

Die vorliegende mittelfristige Beschäftigungsprognose besteht deshalb aus vier Hauptbestandteilen: einem sektoralen Makromodell der österreichischen Wirtschaft, einem Modell der regionalen Wettbewerbsfähigkeit (Shift-Share-Modell), einem Berufsprognosemodell und einem geschlechtsspezifischen Szenario (auf Branchen-, Berufs- und Bundeslandebene). Das sektorale Makromodell für Österreich DEIO (siehe Kasten "Sektorales Makromodell für Österreich") modelliert die Wirtschaft in ihrer Branchenstruktur. Aus seinen Prognosewerten zur Beschäftigungsentwicklung nach 57 Branchen werden in einem Modell der regionalen Wettbewerbsfähigkeit (Shift-Share-Modell) die bundeslandspezifischen Branchentrends abgeleitet. Das Berufsprognosemodell beschreibt die Veränderung der Berufsstruktur innerhalb der einzelnen Branchen. Das geschlechtsspezifische Szenario analysiert Segregationstrends und extrapoliert sie in die Zukunft.

 

Sektorales Makromodell für Österreich

Das dynamische ökonometrische Input-Output-Modell des WIFO (Dynamic Econometric Input Output Model DEIO) wurde seit 2009 im Rahmen der Erstellung von Energieszenarien für Österreich entwickelt. Diese Arbeit wurde von der parallelen Entwicklung eines ähnlichen Modells für die EU 27 (Full Integrated Dynamic Econometric Input Output Model FIDELIO) in Kooperation mit dem IPTS (Institute for Prospective Technology Studies) befruchtet.

Eine erste Version des DEIO-Modells ist in Kratena Wüger (2010) dokumentiert; methodische Grundlagen für das Modell FIDELIO finden sich in Kratena Streicher (2009) und Kratena Mongelli Wüger (2009). Das DEIO-Modell orientiert sich sehr stark an der von Jorgenson et al. (Goettle et al., 2007) entwickelten Methode zur Konstruktion von dynamischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodellen. Das betrifft einerseits die Verwendung rezenter und relevanter ökonometrischer Analysen für die Modellkalibrierung und andererseits die Integration dynamischer Elemente in das Modell, vor allem im Bereich des privaten Konsums.

Den Kern bildet das System der Aufkommens- und Verwendungstabellen (Supply und Use), wie sie von allen EU-Ländern jährlich an Eurostat geliefert werden. Für Österreich liegen zusätzlich detaillierte Spannenmatrizen für Handelsspannen, Transportspannen und Steuern bzw. Subventionen vor, die den Übergang von Produzenten- zu Käuferpreisen darstellen. Dieser Kern wird ergänzt durch einen Modul für den privaten Konsum. Im Konsummodell wird zwischen dauerhaften und nichtdauerhaften Konsumgütern unterschieden; die Nachfrage nach beiden Kategorien wird in einem dynamischen Optimierungsmodell mit Liquiditätsbeschränkung ermittelt. In diesem Modell sparen Haushalte für die Anzahlung des Kaufs von dauerhaften Konsumgütern, deren Wert dann zusammen mit dem Finanzvermögen die Vermögensposition des Haushaltes bestimmt (Buffer-Stock-Modell; Carroll, 1997). Dabei wird ein Ansatz gewählt, der eine analytische Lösung und damit die Schätzung expliziter Nachfragefunktionen erlaubt (Chah Ramey Starr, 1995).

In einem Nachfragesystem ("Quadratic Almost Ideal Demand System") werden Gesamtausgaben und relative Preise der nichtdauerhaften Konsumgüter aufgespalten.

Die Produktionsseite ist ähnlich wie in Goettle et al. (2007) mit einem Translog-Modell für K (Capital), L (Labour), E (Energy), M (Materials) determiniert, wobei der Faktor M in heimische und importierte Vorleistungen und der Faktor L in drei verschiedene Qualifikationsstufen aufgespalten wird.

Eine noch weitergehende Modellierung des Arbeitsmarktes (Arbeitskräfteangebot, Lohngleichungen) ist in der vorliegenden Version des Modells noch nicht integriert und soll künftig entwickelt werden.

 

Berufsprognose

Im Rahmen der Berufsprognose wird die Veränderung des Anteils einzelner Berufsgruppen an der Gesamtbeschäftigung einer Branche ermittelt. In einem ersten Schritt wird dabei die Entwicklung der Beschäftigungsanteile prognostiziert und in einem zweiten Schritt mit der Branchenprognose verknüpft. Da Informationen zur beruflichen Tätigkeit der Beschäftigten nicht regelmäßig vollständig erhoben werden, müssen die Daten zur Berufsstruktur anhand des Mikrozensus ergänzt werden, der eine Zuordnung von Berufsgruppen und Branchen erlaubt.

Die vorliegende mittelfristige Beschäftigungsprognose unterscheidet 57 Berufsgruppen (auf Bundesländerebene 27 Gruppen) entsprechend der internationalen Berufssystematik (ISCO 88). Sie sind in 10 Berufshauptgruppen[a]) zusammengefasst, die wiederum nach der für diese Berufe typischerweise notwendigen Ausbildung zu vier Qualifikationsniveaus (Skill-Levels laut ISCED) aggregiert werden können.

Die Grundlage der Berufsprognose bildet die Berufsanteilsmatrix, die die Anteile der Berufsgruppen an der Gesamtbeschäftigung der Branchen erfasst. Anhand der historischen Berufsanteilsmatrizen für Österreich (1995 bis 2010) wird eine Berufsanteilsmatrix für das Jahr 2016 prognostiziert.

Da die Berufsprognose auf den Beschäftigungsdaten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger sowie der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung beruht, muss die Konsistenz zwischen den beiden Datenquellen gewährleistet werden. So divergiert die Branchenzugehörigkeit von Leiharbeitskräften zwischen Hauptverband (NACE-Zweisteller 78) und Mikrozensus (die Befragten ordnen sich großteils der Branche zu, in der sie tätig sind). Um die Berufsstruktur in der Branche "Überlassung von Arbeitskräften" adäquat zu erfassen, wurden die Daten laut Mikrozensus anhand der Berufsanteilsmatrizen der Leiharbeitskräfte für die Jahre 1995 bis 2010 korrigiert[b]). Dafür wurde die Berufsanteilsmatrix laut Mikrozensus (für alle Berufstätigen über der Geringfügigkeitsgrenze) mit dem Anteil der Leiharbeitskräfte an der Zahl der Beschäftigten in den unternehmensbezogenen Dienstleistungen (ÖNACE-Wirtschaftsabteilungen 73 und 74) laut Berufsgruppenmatrix und der Zahl der verliehenen Arbeitskräfte laut Ministerium gewichtet. Die so ermittelte Berufsstruktur der Leiharbeitskräfte je Branche wird von der Spaltensumme (Berufsvektor) wiedergegeben, deren Summe dem Anteil der Leiharbeitskräfte entspricht.

Prognose der Berufsstruktur

Um die Veränderung der Berufsstruktur abbilden zu können, muss die Berufsanteilsmatrix dynamisiert werden. In einem ersten Schritt wurde für jedes der 2.166 Elemente der Berufsanteilsmatrix (38 Branchen × 57 Berufe) durch Trendfortschreibung der Reihen eine Rohprognose für das Jahr 2016 erstellt. Für jede der 2.166 Reihen wurde dazu folgende Gleichung mittels eines ausreißerrobusten Verfahrens geschätzt:

 . . . Elemente der Berufsanteilsmatrix, trend . . . Trendvariable, mzalt . . . Dummyvariable für die Daten von 1995 bis 2003 (Zeitreihenbruch im Mikrozensus im Jahr 2004), ,  . . . zu schätzende Parameter,  . . . Störterm.

In einem zweiten Schritt wurden Restriktionen für die Berufsanteilsmatrix definiert, die sich etwa aus der Definition der Berufsanteilsmatrix ergeben (die Spaltensumme muss gleich 1 sein) oder Informationen in die Prognose integrieren, die in den Beschäftigungsdaten nicht enthalten sind (etwa die Entwicklung der Schülerzahlen als Restriktion für die Entwicklung der Berufsgruppen der Lehrkräfte). Mit einem Randausgleichsverfahren wurde die Berufsanteilsmatrix so angepasst, dass sie diese Restriktionen erfüllt und gleichzeitig möglichst genau der ursprünglichen Matrix entspricht.

Geschlechtsspezifisches Szenario

Die mittelfristige Beschäftigungsprognose für Österreich unterscheidet a priori nicht zwischen den Geschlechtern, da die Arbeitskräftenachfrage theoretisch nicht geschlechtsspezifisch ist. Aufgrund der starken Segmentierung des österreichischen Arbeitsmarktes wurde jedoch die prognostizierte Beschäftigungsentwicklung mit einem geschlechtsspezifischen Szenario unterlegt, das sich aus der Beobachtung der Veränderung des Geschlechterverhältnisses in den prognostizierten Beschäftigtengruppen ableitet.

Beschäftigungsausblick bis 2016

Die vorliegende mittelfristige Beschäftigungsprognose nach Branchen, Berufsgruppen, Bundesländern und Geschlecht deckt den Zeitraum 2010 bis 2016 ab. Die Übersichten 1 bis 3 fassen die Hauptergebnisse nach Branchen und Berufsgruppen für Österreich insgesamt zusammen.

Hauptergebnisse der Branchenprognose

Die Zahl der unselbständig Erwerbstätigen steigt in Österreich zwischen 2010 und 2016 um rund 0,9% pro Jahr auf 3,430.600 (+172.800); ein Großteil des Beschäftigungszuwachses entfällt auf Frauen (+112.700). Damit steigt der Frauenanteil von 46,1% 2010 auf 47,1% im Jahr 2016 (Übersicht 1).

Insgesamt zeigt sich ein nach wie vor deutlicher Strukturwandel: Dem markanten Zuwachs im Dienstleistungssektor (+193.300) steht eine Abnahme der Beschäftigung im Sachgüterbereich gegenüber (0,4% p. a., 20.600). Am stärksten erhöht sich die Beschäftigtenzahl in den Bereichen Gesundheits- und Sozialwesen (+59.300), Erziehung und Unterricht (+26.100) sowie in der Arbeitskräfteüberlassung (+25.200). Innerhalb des Dienstleistungsbereiches ergibt sich neben dem Verkehr (7.900) und dem Finanz-, Kredit- und Versicherungswesen (4.300) insbesondere für die Bereiche Nachrichtenübermittlung (4.900) und Telekommunikation (1.500) ein Rückgang.

 

Übersicht 1: Entwicklung der unselbständigen Beschäftigung 2010/2016

 

 

Insgesamt

Frauen

Insgesamt

Frauen

Insgesamt

Frauen

2010

Veränderung 2010/2016

Absolut

In % pro Jahr

 

Land- und Forstwirtschaft

18.857

6.796

+1.182

+611

+1,0

+1,4

Bergbau, Stein- und Glaswaren

36.717

7.263

+374

+254

+0,2

+0,6

Nahrungs- und Genussmittelherstellung

71.780

32.152

+77

+526

+0,0

+0,3

Textil und Bekleidung

18.943

11.455

1.615

1.089

1,5

1,7

Be- und Verarbeitung von Holz

29.991

5.198

678

+3

0,4

+0,0

Papier, Pappe, Herstellung von Druckerzeugnissen

29.742

7.034

1.689

204

1,0

0,5

Wasserversorgung, Abwasserentsorgung

14.045

3.208

+592

+151

+0,7

+0,8

Chemie und Erdölverarbeitung

29.252

10.190

1.628

521

0,9

0,9

Gummi- und Kunststoffwaren

27.194

7.036

+3.383

+894

+2,0

+2,0

Metallerzeugung

98.239

15.980

6.768

1.118

1,2

1,2

Elektrotechnik, Feinmechanik, Optik

62.095

15.564

5.063

1.335

1,4

1,5

Maschinenbau

67.655

9.440

1.998

142

0,5

0,3

Fahrzeugbau

36.190

6.120

3.018

546

1,4

1,5

Sonstiger produzierender Bereich

61.448

17.042

2.826

665

0,8

0,7

Energieversorgung

26.808

4.461

3.623

400

2,4

1,6

Bauwesen

241.805

30.187

+2.748

+827

+0,2

+0,5

Kfz-Handel, Reparatur

65.883

12.926

+6.728

+1.259

+1,6

+1,6

Großhandel

169.476

65.291

247

199

0,0

0,1

Einzelhandel

272.403

200.460

+22.818

+19.264

+1,3

+1,5

Verkehr

109.648

19.733

7.913

1.809

1,2

1,6

Lagerei

47.387

9.951

+3.053

+845

+1,0

+1,4

Nachrichtenübermittlung

26.466

9.150

4.940

1.656

3,4

3,3

Beherbergung und Gastronomie

181.096

107.966

+9.863

+4.760

+0,9

+0,7

Sonstige öffentliche und private Dienstleistungen

72.138

46.306

+6.539

+3.522

+1,5

+1,2

Informationstechnologie und -dienstleistungen

40.326

11.318

+9.227

+2.200

+3,5

+3,0

Finanz-, Kredit- und Versicherungswesen

117.810

59.788

4.270

1.509

0,6

0,4

Grundstücks- und Wohnungswesen

39.296

24.777

+2.809

+1.222

+1,2

+0,8

Gebäudebetreuung

64.634

39.166

+9.068

+5.018

+2,2

+2,0

Erziehung und Unterricht

272.188

178.614

+26.058

+16.135

+1,5

+1,5

Überlassung von Arbeitskräften

74.298

19.152

+25.207

+5.122

+5,0

+4,0

Öffentliche Verwaltung

248.937

112.537

+688

+521

+0,0

+0,1

Gesundheits- und Sozialwesen

330.254

257.889

+59.303

+45.262

+2,8

+2,7

Vereine, Interessenvertretungen

50.325

32.794

+4.541

+2.122

+1,5

+1,1

Verlagswesen, Medien

19.210

9.030

705

260

0,6

0,5

Rechts-, Steuer-, Unternehmensberatung, Werbung

85.716

54.538

+14.825

+9.440

+2,7

+2,7

Forschung sowie technische und freiberufliche Tätigkeiten

57.421

21.908

+10.087

+4.166

+2,7

+2,9

Telekommunikation

10.714

2.543

1.471

332

2,4

2,3

Sonstige Dienstleistungen für Unternehmen oder Privatpersonen

31.384

17.093

+2.091

+949

+1,1

+0,9

 

Insgesamt

3,257.771

1,502.056

+172.807

+110.749

+0,9

+1,2

Q: Branchen- und Berufsmodelle Österreich des WIFO. Rundungsdifferenzen möglich.

 

In der Sachgütererzeugung verringert sich die Beschäftigung insbesondere in der Textil- und Bekleidungsindustrie (1,5% p. a.), in der Elektrotechnik und im Fahrzeugbau (jeweils 1,4% p. a.). Der stärkste Beschäftigungsrückgang ist in der Metallerzeugung zu erwarten (6.800). Die Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren weitet als einzige Sachgüterbranche die Beschäftigung nennenswert aus (+3.400).

Insgesamt steigt damit der Anteil des Dienstleistungsbereiches an der Gesamtbeschäftigung von 73,3% auf 75,2%. Die Einbußen im Sachgüterbereich werden teilweise durch die starke Expansion der Arbeitskräfteüberlassung (+25.200) wettgemacht, deren Beschäftigte vorwiegend in der Sachgütererzeugung tätig sind, in der Branchengliederung aber dem Dienstleistungsbereich zugeordnet werden (vgl. Kasten "Einfluss der Zunahme der Leiharbeit auf die Beschäftigungsentwicklung nach Branchen").

 

Einfluss der Zunahme der Leiharbeit auf die Beschäftigungsentwicklung nach Branchen

Trotz rückläufiger Tendenz im Zeitraum 2005 bis 2010 konzentriert sich die Leiharbeit auf die Sachgütererzeugung: Mit Ausnahme des krisenbedingten Rückganges im Jahr 2009 waren über 50% in der Sachgütererzeugung tätig. Auf Sachgütererzeugung, Landwirtschaft und Bauwesen entfielen sogar 77% (Übersicht 2).

Von den insgesamt knapp 63.000 Leiharbeitskräften waren 2010 etwa 10.600 in der Metallerzeugung tätig, 9.200 im Bauwesen und knapp 7.200 in der Landwirtschaft. In diesen Branchen war die Beschäftigung daher tatsächlich in diesem Ausmaß höher als von der Statistik des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger ausgewiesen.

Die vorliegende Prognose erwartet einen kräftigen Anstieg der Leiharbeit. Der Beschäftigungsrückgang in einzelnen Bereichen der Sachgütererzeugung wird daher tatsächlich geringer ausfallen als gemäß der Branchengliederung des Hauptverbandes geschätzt, sofern die branchenspezifische Verteilung der Leiharbeitskräfte etwa jener des Jahres 2010 entspricht. Für die Metallerzeugung etwa steht dem prognostizierten Rückgang der Beschäftigung bis 2016 um 6.800 ein zu erwartender Anstieg der Zahl der Leiharbeitskräfte um 6.000 gegenüber. Für die gesamte Sachgütererzeugung ergibt sich so ein Beschäftigungsrückgang um nur etwa 3.000 (gegenüber 20.600 laut Branchengliederung des Hauptverbandes).

 

 

 

Übersicht 2: Anteil der Leiharbeitskräfte nach Branchen

 

2005

2006

2007

2008

2009

2010

 

 

 

 

 

 

 

Leiharbeitskräfte insgesamt

46.700

56.500

63.200

65.200

55.100

63.300

 

Anteile an allen Leiharbeitskräften in %

 

Sachgütererzeugung

57,7

58,7

58,1

53,6

46,7

50,7

Landwirtschaft, Bergbau, Sachgütererzeugung und Bauwesen

79,7

80,0

80,4

78,3

74,8

76,8

Metallerzeugung

23,3

20,5

20,7

19,5

14,3

16,7

Bauwesen

14,5

16,1

14,6

15,7

19,8

14,6

Elektrotechnik

11,9

12,0

11,8

10,6

9,9

9,9

Landwirtschaft

7,4

5,1

7,6

8,8

8,1

11,3

Maschinenbau

5,6

5,0

5,2

5,8

5,1

5,6

Q: Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, Stichtagserhebung jeweils vom 31. Juli, WIFO-Berechnungen.

 

Frauen profitieren besonders vom Wandel der Beschäftigungsstruktur, die geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes weicht sich aber kaum auf. So wächst die Beschäftigung insbesondere in jenen Branchen, die eine hohe Frauenquote aufweisen: 97% des prognostizierten Beschäftigungswachstums von Frauen würden sich auch bei unverändertem Frauenanteil an der Beschäftigung in den Branchen ergeben, für lediglich 3% des Beschäftigungszuwachses ist die Zunahme des Frauenanteils maßgebend. Gleichzeitig weisen diese Bereiche aber eine überdurchschnittliche Teilzeitquote auf, sodass das Beschäftigungswachstum in Vollzeitäquivalenten deutlich geringer ausfallen dürfte (vgl. Kasten "Teilzeitbeschäftigung").

 

Teilzeitbeschäftigung

Die Teilzeitbeschäftigung (mehr als 11, aber weniger als 36 Stunden pro Woche) gewinnt seit einigen Jahren deutlich an Bedeutung. Rund ein Fünftel (21,4%) der unselbständig Beschäftigten1) war 2010 teilzeitbeschäftigt, ein Großteil davon Frauen (rund 85%). Die Teilzeitbeschäftigung konzentriert sich stark auf bestimmte Wirtschaftsbereiche und Berufsgruppen. Am höchsten ist der Teilzeitanteil im Gesundheits- und Sozialbereich (41,3%), im Einzelhandel (40,5%) und in der Gebäudebetreuung (39,0%). Ein Viertel bis ein Drittel der Arbeitskräfte sind teilzeitbeschäftigt im Beherbergungs- und Gaststättenwesen (25,8%), im Grundstücks- und Wohnungswesen (25,5%), im Unterrichtswesen (28,2%), in der Rechts-, Steuer und Unternehmensberatung (31,5%), in sonstigen unternehmensbezogenen (25,6%) sowie sonstigen privaten und öffentlichen Dienstleistungen (30,1%).

Während der Teilzeitanteil im Handel, in den unternehmensbezogenen Dienstleistungen und in den sonstigen privaten und öffentlichen Dienstleistungen nur noch wenig zunimmt, erhöht er sich im Gesundheits- und Sozialwesen sowie im Unterrichtswesen noch deutlich.

Da gerade in den Bereichen mit hohem Teilzeitanteil die Beschäftigung überdurchschnittlich wächst, entfällt  schon unter der Annahme gleichbleibender Teilzeitanteile in den einzelnen Branchen und Berufen  mit knapp einem Drittel ein überproportionaler Teil des Beschäftigungswachstums auf die Teilzeitbeschäftigung. Alleine aufgrund dieses Strukturwandeleffektes würde daher der Teilzeitanteil an der Gesamtbeschäftigung im Prognosezeitraum um etwa ½ Prozentpunkt steigen.

Nehmen die geschlechtsspezifischen Teilzeitanteile weiter so zu wie in den Jahren 2004/2010, dann entfällt ein weiteres Drittel des Beschäftigungszuwachses (also insgesamt zwei Drittel) auf die Teilzeitbeschäftigung: Frauen werden ein höheres Beschäftigungswachstum verzeichnen als Männer (+1,2% pro Jahr gegenüber 0,6% pro Jahr), und zugleich erhöht sich ihr Teilzeitanteil stärker als jener der Männer. Der Teilzeitanteil an der Gesamtbeschäftigung würde sich somit 2010/2016 um 1,4 Prozentpunkte von 21,4% auf 22,8% erhöhen (Frauen +2,2 Prozentpunkte, Männer +0,8 Prozentpunkte).

               

1)  Die unselbständige Beschäftigung über der Geringfügigkeitsgrenze wird für diese Schätzung im Mikrozensus mit dem Lebensunterhaltskonzept angenähert. Da dafür nur Beschäftigungsverhältnisse im Ausmaß von über 11 Stunden pro Woche berücksichtigt werden, ist der hier ausgewiesene Teilzeitanteil geringer als der von Statistik Austria nach dem Labour-Force-Konzept berechnete (2010: 25,1%).

 

Hauptergebnisse der Berufsprognose

Auch in der Berufsstruktur spiegelt sich die zunehmende Dienstleistungsorientierung der Beschäftigung. Der Anteil der unselbständig Beschäftigten in Dienstleistungsberufen[c]) wird von 77,1% im Jahr 2010 auf 78,6% im Jahr 2016 steigen eine Entwicklung, die insbesondere der Beschäftigung von Frauen entgegenkommt.

Dabei ergibt sich ein deutlicher Trend zu höherqualifizierten Tätigkeiten: Mit +2,5% p. a. (kumuliert +52.000) entwickelt sich die Beschäftigung in den Berufen, die Hochschulabschluss erfordern (Skill-Level 4), mit Abstand am dynamischsten. Ebenfalls hohe Zuwächse sind im Bereich der Berufe auf Maturaniveau zu erwarten (Skill-Level 3: +1,2% p. a. bzw. +48.900). Dabei profitieren Beschäftigte in technischen Berufen auf Maturaniveau (Berufshauptgruppe 3) nicht zuletzt von technischen Innovationen und vom zunehmenden Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien. Im Bereich der nichttechnischen Berufe auf Maturaniveau (Berufshauptgruppe 4) wirken sich sowohl die demographische Alterung (Bedarf an Fachkräften in der medizinischen Versorgung und Pflege) als auch eine zunehmende Nachfrage nach Kinderbetreuungs- und Erwachsenenbildungseinrichtungen positiv aus.

Übersicht 3: Unselbständige Beschäftigung nach dem Niveau der Ausbildungsanforderungen (Skill-Level)

 

 

Skill-Level

2010

2016

Veränderung 2010/2016

 

 

Absolut

In % pro Jahr

 

 

Berufe mit Leitungsfunktion und Berufe mit militärischem Charakter

0 1)

187.000

204.200

+17.100

+1,5

Hochschulabschluss

4

328.600

380.600

+52.000

+2,5

Matura

3

681.500

730.400

+48.900

+1,2

Lehr- oder Fachschulabschluss

2

1,691.000

1,744.000

+53.000

+0,5

Pflichtschulabschluss oder darunter

1

369.600

371.400

+1.800

+0,1

 

 

Insgesamt

 

3,257.800

3,430.600

+172.800

+0,9

Q: Branchen- und Berufsmodelle des WIFO. Rundungsdifferenzen möglich. 1) Keinem Ausbildungsniveau zuordenbar.

 

In Österreich dominieren nach wie vor Berufe, die einen Lehr- oder Fachschulabschluss erfordern (Skill-Level 2). Auf diese Berufe werden 2016 knapp 51% aller unselbständig Erwerbstätigen entfallen. Auch wenn die Beschäftigung hier mit +0,5% p. a. deutlich schwächer wächst als in den Berufen mit Hochschulabschluss, entstehen mit +53.000 bis 2016 die meisten neuen Arbeitsplätze. Dabei zeigt sich eine heterogene Dynamik: Hohen Zuwächsen in den Dienstleistungs- und Verkaufsberufen stehen Einbußen im Bereich der Anlagen- und Maschinenbedienung gegenüber.

 

Übersicht 4: Unselbständige Beschäftigung nach Berufshauptgruppen

 

2010

2016

Veränderung 2010/2016

Absolut

In % pro Jahr

 

 

 

 

 

 

1

Berufe mit Leitungsfunktion

174.500

191.600

+17.100

+1,6

2

Wissenschaftliche Berufe

328.600

380.600

+52.000

+2,5

3

Technische Berufe auf Maturaniveau

188.300

206.800

+18.500

+1,6

4

Nichttechnische Berufe auf Maturaniveau1)

493.200

523.600

+30.400

+1,0

5

Büroberufe, kaufmännische Tätigkeiten

479.600

496.800

+17.200

+0,6

6

Dienstleistungs- und Verkaufsberufe

494.800

548.300

+53.500

+1,7

7

Handwerksberufe2)

505.200

514.500

+9.300

+0,3

8

Anlagen- und Maschinenbedienung, Montage

211.500

184.400

27.000

2,3

9

Hilfstätigkeiten

369.600

371.400

+1.800

+0,1

0

Berufe mit militärischem Charakter3)

12.600

12.600

±0

±0,0

 

Insgesamt

3,257.800

3,430.600

+172.800

+0,9

Q: Branchen- und Berufsmodelle des WIFO. Rundungsdifferenzen möglich. 1) Gesundheitsfachkräfte, nichtwissenschaftliche Lehrkräfte, kaufmännische Fachkräfte sowie die Sozial- und Kreativberufe auf Maturaniveau. 2) Einschließlich Fachkräfte in der Land- und Forstwirtschaft. 3) Annahme: konstanter Beschäftigungsstand.

 

In den Produktionsberufen (Berufshauptgruppen 7 und 8) stagniert die Nachfrage nach Handwerksberufen, während die Beschäftigung von Arbeitskräften, die Anlagen und Maschinen bedienen, merklich sinken wird (2,3% p. a. bzw. 27.100).

Die Nachfrage nach Arbeitskräften, die geringqualifizierte Tätigkeiten ausüben (mit Pflichtschulabschluss oder darunter), stagniert. Während die Zahl der Hilfskräfte in der Produktion merklich abnehmen wird (1,2% p. a. bzw. 10.700), wächst die Nachfrage nach Dienstleistungshilfskräften kräftig (+1,1% p. a. bzw. +14.100). Nicht zuletzt begünstigt die Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit die Nachfrage nach personenbezogenen und sozialen Dienstleistungen, da herkömmliche Haushaltstätigkeiten vermehrt auf den Markt ausgelagert werden (Bosch Weinkopf, 2000, Bock-Schappelwein, 2006).

Dekomposition in Branchen- und Berufseffekte

Eine Zunahme der Nachfrage nach Arbeitskräften in einer Berufsgruppe kann auf den wachsenden Arbeitskräftebedarf einer Branche zurückgehen, in der diese Berufe stark vertreten sind, etwa weil bestimmte Güter oder Dienstleistungen verstärkt nachgefragt werden. Eine zweite mögliche Ursache liegt in der Veränderung der Produktionsprozesse in der Branche. So verändern der Einsatz neuer Technologien und die Intensivierung internationaler Beziehungen die Anforderungen an Beschäftigte. Tätigkeiten werden komplexer oder verlangen besseres Know-how. Dadurch kann sich die Nachfrage nach Arbeitskräften in Richtung höherer Ausbildung verschieben; einfache Tätigkeiten verlieren durch technischen Fortschritt und Automatisierung an Bedeutung.

Durch das Zusammenspiel zwischen der Nachfrage nach den Produkten einer Branche und Veränderungen des Produktionsprozesses ergeben sich vielfältige Einflüsse auf die Berufsstruktur. Die Trennung der Beschäftigungsentwicklung in Branchen- und Berufseffekte erlaubt eine nähere Analyse der Ursache der Beschäftigungsveränderung in den Berufsgruppen:

·          Der Brancheneffekt beschreibt die Veränderung der Beschäftigung in einer Berufsgruppe, die sich allein aufgrund der Veränderung der Branchen ergibt, in denen diese Berufe vertreten sind. Der Brancheneffekt wird daher unter der Annahme berechnet, dass sich die Berufsstruktur innerhalb der Branchen nicht verändert. Er kann somit als Einfluss des Wandels der Branchenstruktur auf die Berufsstruktur interpretiert werden. Der Strukturwandel drückt sich dabei in Beschäftigungsgewinnen und Beschäftigungsverlusten von Branchen aus. Etwa profitieren Gesundheitsberufe, die hauptsächlich in der wachsenden Branche "Gesundheits- und Sozialwesen" zum Einsatz kommen, unmittelbar vom Strukturwandel, während Berufe in der Textilindustrie durch den Beschäftigungsabbau in der Branche an Bedeutung verlieren. Die Summe der Brancheneffekte ergibt das prognostizierte Beschäftigungswachstum insgesamt.

·          Der Berufseffekt beschreibt die Veränderung der Nachfrage nach Berufsgruppen, die sich allein durch die Verschiebungen der Berufsstruktur innerhalb der Branchen ergibt. Da die Beschäftigungsanteile in Summe 100% ergeben, summieren sich die Berufseffekte insgesamt auf Null, d. h. einem positiven Berufseffekt in einzelnen Berufsgruppen stehen negative Effekte in anderen Berufsgruppen gegenüber. Etwa sinkt in vielen Branchen der Bedarf an einfachen, körperlich anstrengenden Hilfstätigkeiten, während der Bedarf an qualifizierten Tätigkeiten steigt.

Bei der Ermittlung des Brancheneffekts wird unterstellt, dass sich zwischen dem Basisjahr 2010 und dem Prognosejahr 2016 das Einsatzverhältnis der Berufsgruppen innerhalb der Branchen nicht verändert, d. h. die Berufsstruktur des Ausgangsjahres (2010) wird konstant gehalten. Die Berechnung des Berufseffektes geht hingegen davon aus, dass sich lediglich die Berufsstruktur d. h. das Einsatzverhältnis der Berufe in den einzelnen Branchen im Untersuchungszeitraum ändern kann (die Branchenbeschäftigung wird zu diesem Zweck auf dem Niveau des Jahres 2016 konstant gehalten).

Anhand dieser Zerlegung in Branchen- und Berufseffekte können Veränderungen innerhalb der Berufsgruppen erklärt werden etwa warum die Beschäftigung von Hilfskräften nicht sinkt, obwohl in allen Branchen ein Trend zu höherqualifizierten Tätigkeiten zu erkennen ist[d]).

Der Brancheneffekt ist aufgrund des Beschäftigungswachstums von durchschnittlich 0,9% pro Jahr in Summe positiv. Er leistet in allen Berufshauptgruppen mit Ausnahme der Anlagen- und Maschinenbedienung einen zumindest kleinen positiven Beitrag zur Beschäftigungsveränderung. Am größten ist er für Tätigkeiten auf wissenschaftlichem Niveau, für nichttechnische Berufe auf Maturaniveau und für Dienstleistungsberufe (auf mittlerem Ausbildungsniveau), aber auch für Hilfsberufe.

Der Berufseffekt ist besonders für die höherqualifizierten Berufe positiv, etwa für wissenschaftliche Berufe[e]) (Berufshauptgruppe 2) und technische Berufe auf Maturaniveau (Berufshauptgruppe 3). Mehr als die Hälfte des Beschäftigungswachstums in den technischen Berufen ist allein auf Verschiebungen der Berufsstruktur zurückzuführen. Diese Zuwächse gehen zulasten von Berufen mit geringeren Qualifikationsanforderungen, insbesondere der Hilfskräfte (Berufshauptgruppe 9) und der Maschinen- und Anlagenbedienung (Berufshauptgruppe 8).

 

Abbildung 1: Veränderung der unselbständigen Beschäftigung 2010/2016 in den 9 Berufshauptgruppen

Q: Branchen- und Berufsmodelle des WIFO.

 

Leitende Tätigkeiten ebenso wie Tätigkeiten auf wissenschaftlichem Ausbildungsniveau profitieren sowohl vom Branchenwachstum als auch von der Veränderung der Berufsanteile in den Branchen.

Für die wissenschaftlichen Berufe (Berufshauptgruppe 2) wird insgesamt ein Beschäftigungszuwachs von 2,5% prognostiziert (kumuliert 2010/2016 +52.000). Davon ist rund +1 Prozentpunkt auf den Berufseffekt zurückzuführen, +1,5 Prozentpunkte gehen auf den Brancheneffekt zurück. Besonders deutlich positiv sind die Berufseffekte für die technischen und naturwissenschaftlichen Berufsgruppen (Naturwissenschaften, Ingenieurwesen und Architektur). Negative Berufseffekte verzeichnen die Lehrkräfte im Primar- und Sekundarbereich. Dies ist auf die zunehmende Bedeutung von vorschulischer und tertiärer Bildung sowie der Erwachsenenbildung zurückzuführen, die einen Anstieg anderer Berufsgruppen im Bildungswesen zur Folge hat. Der Brancheneffekt begünstigt alle wissenschaftlichen Berufsgruppen und dabei besonders jene, die in den stark wachsenden Bereichen des Gesundheits-, Sozial- und Unterrichtswesens zum Einsatz kommen.

Die technischen Berufe auf Maturaniveau (Berufshauptgruppe 3) profitieren besonders von der Verschiebung zugunsten höherer Ausbildung. Der überwiegende Teil (1,2 Prozentpunkte, +13.500 Beschäftigte) des prognostizierten jährlichen Wachstums von 1,6% geht auf den Berufseffekt zurück. Der Brancheneffekt fällt dagegen mit +0,4 Prozentpunkten (+5.000 Beschäftigte) unterdurchschnittlich aus, diese Berufsgruppen werden somit überdurchschnittlich in langsamer wachsenden Branchen der Sachgütererzeugung eingesetzt.

Die nichttechnischen Berufe auf Maturaniveau (Berufshauptgruppe 4) zählen aufgrund des hohen positiven Brancheneffektes und trotz eines leicht negativen Berufseffektes zu den in absoluten Zahlen am stärksten wachsenden Berufshauptgruppen. In diesem Bereich verlieren besonders kaufmännische und administrative Tätigkeiten an Bedeutung, in erster Linie zugunsten von Berufsgruppen auf akademischem Qualifikationsniveau. Gesundheits- und Sozialberufe weisen zumeist deutlich positive Berufseffekte auf. Lediglich für die medizinischen Fachkräfte (außerhalb der Pflegeberufe) ist ein leicht negativer Berufseffekt zu erkennen, der mit dem hohen positiven Berufseffekt der Gesundheitsberufe auf wissenschaftlichem Ausbildungsniveau zusammenhängt. Auf Ebene der Berufshauptgruppe überwiegt der positive Brancheneffekt den leicht negativen Berufseffekt jedoch bei weitem.

Das prognostizierte Wachstum der Beschäftigung in Büroberufen von jährlich 0,6% (kumuliert +17.200) ist fast ausschließlich auf positive Brancheneffekte zurückzuführen. Die Bedeutung der Büroberufe innerhalb der Branchen bleibt dagegen insgesamt weitgehend unverändert. Ein hoher positiver Berufseffekt ergibt sich jedoch für die "sonstigen Büroangestellten", während etwa Sekretärinnen und Sekretäre oder Angestellte im Rechnungs- und Finanzwesen einen negativen Berufseffekt aufweisen. Die Aufgabenprofile der Büroberufe werden offenbar komplexer, die Spezialisierung auf einzelne Tätigkeiten (z. B. Schreibarbeit) ist weniger gefragt.

In den Dienstleistungsberufen auf Lehr- oder Fachschulniveau (Berufshauptgruppe 6) fällt der Brancheneffekt aufgrund des Beschäftigungswachstums stark positiv aus. Er leistet einen Wachstumsbeitrag von +1,4 Prozentpunkten (+42.900) pro Jahr. Alle betrachteten Berufsgruppen in dieser Hauptgruppe profitieren vom Branchenwachstum. Auch der Berufseffekt ist insgesamt positiv und trägt 0,4 Prozentpunkte zum jährlichen Beschäftigungswachstum in der Berufshauptgruppe bei. Dies weist auf die zunehmende Bedeutung dieser Dienstleistungstätigkeiten mit Kundenkontakt vor allem auf Kosten von Hilfstätigkeiten hin.

Ebenfalls einen leicht negativen Berufseffekt weisen die Handwerksberufe auf (Berufshauptgruppe 7). Positive Brancheneffekte ergeben sich einerseits für die Bau- und Metallberufe und andererseits für die unternehmensbezogenen Dienstleistungen. Besonders in Metall- und Elektroberufen ist auch ein leicht positiver Berufseffekt zu verzeichnen: Facharbeiter und Facharbeiterinnen ersetzen zunehmend angelernte Arbeitskräfte und Hilfsarbeit. Dadurch werden negative Berufseffekte in den meisten anderen Handwerksberufen kompensiert. Die Beschäftigungsveränderung der Handwerksberufe insgesamt resultiert ausschließlich aus einem leicht positiven Brancheneffekt (+0,3% p. a., +9.300).

Für die Anlagen- und Maschinenbedienung (Berufshauptgruppe 8) hauptsächlich Tätigkeiten in der einfachen industriellen Fertigung und im Transport ergibt sich die rückläufige Beschäftigung fast ausschließlich durch einen negativen Berufseffekt: 2,2 Prozentpunkte des jährlichen Beschäftigungsrückganges um 2,3% (kumuliert 27.000) entfallen auf den Berufseffekt. Auch der Brancheneffekt ist mit 0,1 Prozentpunkt negativ, da diese Berufsgruppe vor allem in der Sachgüterproduktion und der Transportwirtschaft konzentriert ist, in der sich die Beschäftigung insgesamt schwach entwickelt.

Die Prognose der Beschäftigung in Hilfsberufen zeigt insgesamt ein leichtes Wachstum der Tätigkeiten, die keine speziellen Ausbildungsanforderungen stellen (+0,1% pro Jahr, +1.800 Beschäftigte). Dabei unterscheidet sich die Entwicklung in Verkauf und Dienstleistungen markant von der Sachgütererzeugung und der Landwirtschaft. Die negativen Berufseffekte für die Beschäftigung von Hilfskräften in der Sachgütererzeugung und der Landwirtschaft werden durch die geringen positiven Brancheneffekte nicht kompensiert. Für Verkaufs- und Dienstleistungshilfskräfte überwiegt das starke Branchenwachstum in den betroffenen Dienstleistungsbranchen den negativen Berufseffekt deutlich. In den Hilfsberufen manifestiert sich daher ein markanter Strukturwandel zulasten von Produktionsberufen und zugunsten von Verkaufs- und Dienstleistungstätigkeiten. Dennoch zeigt der negative Berufseffekt in allen Hilfstätigkeiten den Trend zu höheren Qualifikationsanforderungen auf dem Arbeitsmarkt. Allein aufgrund des Berufseffektes gehen jährlich per Saldo 1,0% der Arbeitsplätze für Hilfstätigkeiten verloren (22.200 Beschäftigte). Hingegen profitieren Hilfstätigkeiten leicht überdurchschnittlich vom Brancheneffekt (+1,1% pro Jahr oder +24.000 Beschäftigte).

Regionalisierung

Von den Prognoseergebnissen für Österreich insgesamt wurden in einem Modell der regionalen Wettbewerbsfähigkeit (Shift-Share-Modell) Entwicklungspfade der Beschäftigungsentwicklung in den Bundesländern abgeleitet. Shift-Share-Analysen kommen in der Regionalökonomie häufig zum Einsatz, da sie regionale Unterschiede in der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Branchen modellieren und dabei gesamtwirtschaftliche wie regionale Faktoren berücksichtigen können.

Der traditionelle Shift-Share-Ansatz zerlegt die Veränderungsrate der Beschäftigung einer Branche in einer Region in drei Komponenten: einen Wachstumseffekt in Relation zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (share effect), einen Struktureffekt (proportional shift) und einen Standortfaktor (regional shift). Dabei wird der Standortfaktor häufig als Maß für die regionale Wettbewerbsfähigkeit interpretiert.

Das hier verwendete Modell erweitert den traditionellen Ansatz, indem zusätzliche Interaktionseffekte zwischen regionalen und Branchenfaktoren zugelassen werden (siehe Fritz Streicher, 2005). Für 38 Branchen in den 9 Bundesländern wird folgende Gleichung mittels OLS-Regression geschätzt:

 . . . Veränderungsrate der Beschäftigung der Branche i im Bundesland n im Jahr t,  . . . branchenspezifischer Beschäftigungstrend (ohne regionale Differenzierung),  . . . zeitinvarianter Branchentrend im Bundesland n,  . . . gesamtwirtschaftliche Abweichungen vom langjährigen Trend (Konjunkturterm),  . . . branchenspezifische zyklische Bewegungen (ohne regionale Differenzierung),  . . . Veränderung der Beschäftigung im Bundesland n zum Zeitpunkt t,  . . . Fehlerterm; i = 1, . . ., I, n = 1, . . ., N, t = 1, . . ., T.

Die Koeffizienten der Gleichung werden für die Basisperiode 1995 bis 2010 geschätzt, um Prognosewerte für die Jahre 2011 bis 2016 zu generieren.

Übersicht 5 fasst die Ergebnisse der Regionalisierung der Beschäftigungsprognose zusammen. In allen Bundesländern nimmt demnach die Beschäftigung bis 2016 zu, am schwächsten in Kärnten (+0,75% p. a.), am stärksten im Burgenland und in Tirol (+1,05% p. a.). Mit Ausnahme von Kärnten fällt das Beschäftigungswachstum durchwegs schwächer aus als in der Vergleichsperiode 2004/2010.

 

Übersicht 5: Unselbständige Beschäftigung nach Bundesländern

 

 

 

 

 

 

Sachgütererzeugung

Dienstleistungen

Insgesamt

Insgesamt

Frauen

Anteile an der Gesamtwirtschaft in %

Insgesamt

Frauen

Anteile an der Gesamtwirtschaft in %

Insgesamt

Frauen

 

2010

 

 

 

 

 

 

 

 

Österreich

870.800

189.200

26,7

2,387.000

1,312.900

73,3

3,257.800

1,502.500

Wien

107.900

22.500

14,4

639.000

346.700

85,6

746.900

369.200

Niederösterreich

156.700

35.100

28,8

387.700

209.500

71,2

544.300

244.100

Burgenland

26.000

6.200

29,4

62.600

35.700

70,6

88.600

41.900

Steiermark

141.000

29.900

31,2

310.300

173.000

68,8

451.300

202.900

Kärnten

54.500

11.000

27,7

142.300

80.200

72,3

196.800

91.300

Oberösterreich

201.900

43.900

35,1

373.400

206.900

64,9

575.300

250.800

Salzburg

56.700

12.300

24,9

171.000

94.000

75,1

227.700

107.000

Tirol

76.100

16.000

26,5

211.200

116.800

73,5

287.300

133.200

Vorarlberg

50.000

12.200

35,8

89.600

50.200

64,2

139.600

62.200

 

2016

Österreich

850.200

187.800

24,8

2,580.400

1,425.300

75,2

3,430.600

1,615.200

Wien

102.400

21.700

13,1

680.100

368.000

86,9

782.500

390.700

Niederösterreich

153.600

35.100

26,8

419.400

227.900

73,2

573.000

264.600

Burgenland

25.900

6.200

27,5

68.400

39.600

72,5

94.300

45.600

Steiermark

136.700

28.700

28,8

338.100

190.100

71,2

474.800

219.300

Kärnten

52.700

10.800

25,6

153.100

86.600

74,4

205.800

97.600

Oberösterreich

198.600

43.400

32,7

408.500

227.600

67,3

607.100

270.600

Salzburg

55.600

12.400

23,2

184.600

102.200

76,8

240.300

114.900

Tirol

75.600

16.300

24,7

230.200

128.500

75,3

305.800

145.200

Vorarlberg

49.000

11.700

33,4

97.900

54.800

66,6

146.900

66.700

Q: Branchen- und Berufsmodelle des WIFO, geschlechtsspezifisches Szenario. Rundungsdifferenzen möglich.

 

In allen Bundesländern zeigt sich die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors, der maßgeblich zum Beschäftigungswachstum beiträgt. Besonders stark wächst die Dienstleistungsbeschäftigung in Regionen mit hohem Beschäftigungsanteil der Sachgütererzeugung (Oberösterreich, Steiermark und Vorarlberg).

Gleichzeitig sind alle Bundesländer vom Beschäftigungsrückgang in der Sachgütererzeugung betroffen, am stärksten Wien, am wenigsten das Burgenland, Oberösterreich und Tirol. Der Strukturwandel schreitet demnach in allen Bundesländern voran, auch wenn der Sachgüterbereich in industrieorientierten Regionen wie Oberösterreich nach wie vor große Bedeutung haben wird.

 

Übersicht 6: Beschäftigungsanteile und -entwicklung im Bundesländervergleich nach Qualifikationsanforderungen (Skill-Level)

 

 

Hochschulabschluss

Matura

Lehr- und Fachschulabschluss

Pflichtschulabschluss oder darunter

Berufe mit Leitungsfunktion

Berufe mit militärischem Charakter1)

Insgesamt

Skill-Level 4

Skill-Level 3

Skill-Level 2

Skill-Level 1

Skill-Level 02)

Skill-Level 02)

 

Anteile 2010 in %

 

Wien

15,1

23,0

45,3

10,0

6,5

0,2

100

Niederösterreich

7,3

21,4

55,6

11,1

4,1

0,5

100

Burgenland

7,6

18,7

55,6

12,6

5,0

0,5

100

Steiermark

9,6

20,1

52,1

13,0

4,6

0,6

100

Kärnten

9,5

19,7

53,6

11,5

4,8

0,8

100

Oberösterreich

9,0

21,6

53,4

11,0

4,8

0,3

100

Salzburg

8,5

18,9

55,1

11,8

5,1

0,6

100

Tirol

8,7

18,1

53,4

12,1

7,3

0,3

100

Vorarlberg

8,5

20,1

53,1

12,2

6,0

0,1

100

 

 

Veränderung 2010/2016

 

Wien

+18.500

+9.900

+4.100

300

+3.400

+35.600

Niederösterreich

+5.700

+7.700

+11.800

+1.100

+2.500

+28.700

Burgenland

+800

+1.300

+2.800

+300

+500

+5.700

Steiermark

+6.400

+6.700

+8.200

±0

+2.200

+23.500

Kärnten

+2.400

+2.400

+2.800

+500

+1.000

+9.000

Oberösterreich

+8.600

+11.100

+9.200

+100

+2.700

+31.800

Salzburg

+3.700

+3.200

+4.300

100

+1.400

+12.600

Tirol

+4.300

+4.500

+7.800

200

+2.300

+18.600

Vorarlberg

+1.500

+2.100

+2.000

+500

+1.200

+7.300

 

 

Veränderung 2010/2016 in % p. a.

 

Wien

+2,6

+0,9

+0,2

0,1

+1,1

+0,8

Niederösterreich

+2,3

+1,1

+0,6

+0,3

+1,7

+0,9

Burgenland

+2,0

+1,2

+0,9

+0,4

+1,8

+1,1

Steiermark

+2,3

+1,2

+0,6

±0,0

+1,7

+0,8

Kärnten

+2,0

+1,0

+0,4

+0,4

+1,6

+0,8

Oberösterreich

+2,6

+1,4

+0,5

±0,0

+1,6

+0,9

Salzburg

+3,0

+1,2

+0,6

±0,0

+1,9

+0,9

Tirol

+2,7

+1,4

+0,8

0,1

+1,7

+1,1

Vorarlberg

+2,0

+1,2

+0,4

+0,5

+2,2

+0,9

Q: Branchen- und Berufsmodelle des WIFO. Rundungsdifferenzen möglich. Beschäftigungsanteile anhand von Mikrozensus und Daten des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger geschätzt. 1) Annahme: konstanter Beschäftigtenstand. 2) Keinem Ausbildungsniveau zuordenbar.

 

Basierend auf den regionalen Branchenprognosen lassen sich analog zur Berufsprognose für Österreich Entwicklungspfade der Berufsstruktur in den Bundesländern ableiten[f]). Dabei zeigen sich für die einzelnen Bundesländer ähnliche Trends, die sich gemäß den regionalwirtschaftlichen Besonderheiten unterschiedlich auswirken (Übersicht 6): In allen Bundesländern wird die Beschäftigung in akademischen Berufen am stärksten steigen (zwischen +2,0% in Kärnten und Vorarlberg und +3,0% in Salzburg). Dabei fällt der absolute Zuwachs in Wien mit +18.500 besonders deutlich aus. In Bundesländern mit stärkerer Konzentration auf die Sachgüterproduktion (Oberösterreich und Vorarlberg) erhöht sich die Beschäftigung in Berufen auf Maturaniveau (Skill-Level 3; insbesondere technische Berufe auf Maturaniveau) und Handwerksberufen auf Lehr- und Fachschulniveau (Skill-Level 2) überdurchschnittlich.

Im Bereich der Geringqualifizierten (Personen mit Pflichtschulabschluss oder darunter) weisen lediglich das Burgenland, Kärnten, Niederösterreich und Vorarlberg Wachstumsraten auf. Insgesamt zeigt sich in allen Bundesländern ein eindeutiger Trend zu höherqualifizierten Tätigkeiten.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Gemäß der vorliegenden mittelfristigen Prognose steigt die Beschäftigtenzahl in Österreich bis 2016 insgesamt um durchschnittlich 0,9% pro Jahr auf etwa 3,430.600. Der Strukturwandel der Wirtschaft hält dabei an, bis 2016 erhöht sich der Beschäftigungsanteil des Dienstleistungsbereiches auf 75,2%. Gleichzeitig sinkt die Beschäftigung in der Sachgütererzeugung; dieser Rückgang wird aber zumindest teilweise durch die starke Expansion der Leiharbeitsbranche kompensiert, deren Beschäftigte zum Großteil in der Sachgütererzeugung (einschließlich Bauwesen) tätig sind.

Die prognostizierte Entwicklung kommt insbesondere Frauen entgegen, da die Beschäftigung vor allem in jenen Branchen zunimmt, die einen hohen Frauenanteil aufweisen. Insgesamt entfallen knapp zwei Drittel der erwarteten Beschäftigungszuwächse bis 2016 auf Frauen. Ein Großteil davon wird aber Teilzeitarbeit betreffen. Auch zeigt sich keine nennenswerte Abnahme der geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes, da neue Stellen für Frauen vorwiegend in Bereichen entstehen, die bereits einen hohen Frauenbeschäftigungsanteil verzeichnen.

Der deutliche Trend zu höherqualifizierten Tätigkeiten spiegelt sich in überdurchschnittlichen Zuwachsraten für die Berufe mit Hochschulabschluss und auf Maturaniveau. Gleichzeitig bleibt das mittlere Qualifikationssegment (Berufe, die den Abschluss einer Lehre oder einer berufsbildenden mittleren Schule erfordern) von zentraler Bedeutung für den österreichischen Arbeitsmarkt hier ist der (in absoluten Zahlen) größte Stellenzuwachs zu erwarten. Im Bereich der geringqualifizierten Tätigkeiten (Pflichtschule) zeigt sich eine heterogene Entwicklung: Während durch das kräftige Wachstum im Dienstleistungsbereich auch Dienstleistungshilfskräfte vermehrt nachgefragt werden, ist der Trend für Hilfskräfte in der Produktion deutlich negativ.

Die Veränderung der Nachfrage nach einzelnen Berufen wird neben dem Strukturwandel von der Veränderung der Tätigkeitsprofile innerhalb der Branchen getrieben. Eine Zerlegung der Beschäftigungsentwicklung in einen Brancheneffekt und einen Berufseffekt gibt Aufschluss über die relative Bedeutung der beiden Faktoren für die Veränderung der Nachfrage nach Arbeitskräften in einer Berufsgruppe. Demnach profitieren insbesondere Berufe auf wissenschaftlichem Niveau, nichttechnische Berufe auf Maturaniveau und Dienstleistungsberufe vom Strukturwandel (positiver Brancheneffekt). Gleichzeitig profitieren höherqualifizierte Berufe von positiven Berufseffekten, also einer zunehmenden Bedeutung dieser Berufe innerhalb der Branchen. Diese Zuwächse gehen zulasten von Berufen mit geringen Qualifikationsanforderungen.

Literaturhinweise

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Medium-term Employment Forecast for Austria and its Länder

Development up to 2016 Broken Down by Occupations and Sectors Summary

WIFO regularly produces employment forecasts, broken down by occupations, sectors and gender, for use as a basis for medium-term projections of future skills requirements. The current figures cover the period from 2010 to 2016 and offer an ample set of forecasts for 38 sectors and 57 occupations. On the level of the nine Länder we provide estimates for 38 sectors and 27 occupations. According to these estimates, employment will grow by 0.9 percent p.a., with a clear trend towards services-sector employment, higher skills levels and customer-oriented occupations. Demand for unskilled workers is decreasing sharply in the manufacturing sector but increasing in the services sector, driven by high employment growth expected in the services industries. Overall, women are projected to profit more from this development insofar as almost two thirds of all new jobs will be taken up by females. Despite increasing female employment, gender-specific labour market segregation will not decline significantly because these new employment opportunities for women are due to rising demand for labour in female-dominated sectors rather than to women entering male-dominated sectors.

 

 

 



[a])  Abweichend von den ISCO-88-Definitionen wird hier die Berufshauptgruppe 3 in die technischen und die nichttechnischen Berufe auf Maturaniveau geteilt. Die zahlenmäßig kleine Gruppe der Fachkräfte in der Landwirtschaft und Fischerei wird den Handwerksberufen in der Berufshauptgruppe 7 zugeschlagen.

[b])  § 13 Abs. 4 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz schreibt jedem Überlasser vor, einmal jährlich bestimmte Daten, z. B. die Zahl der überlassenen Arbeitskräfte, an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen zu übermitteln. Die statistische Auswertung dieser Daten für die Bundesländer und für Österreich wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit jährlich publiziert.

[c])  Die Abgrenzung der Dienstleistungsberufe erfolgt analog zu Mesch (2005): Berufe mit militärischem Charakter (Berufshauptgruppe 0), Berufe mit Leitungsfunktion (Berufshauptgruppe 1), Berufe auf akademischem Niveau (Berufshauptgruppe 2), Berufe, zu deren Ausübung Maturaniveau verlangt wird (Berufshauptgruppen 3 und 4), Bürotätigkeiten (Berufshauptgruppe 5), Dienstleistungsberufe (Berufshauptgruppe 6) sowie Hilfstätigkeiten im Verkaufs- und Dienstleistungsbereich (Berufsgruppe 54), Bedienung mobiler Anlagen und Fahrzeugführer bzw. -führerinnen (Berufsgruppe 53).

[d])  Die Detailergebnisse für alle 57 prognostizierten Berufsgruppen sind Horvath et al.(2011) zu entnehmen.

[e])  In die Hauptgruppe der wissenschaftlichen Berufe fallen alle Berufe, deren Ausübung typischerweise einen Hochschulabschluss erfordert. Dazu zählen technische und naturwissenschaftliche Berufe (Mediziner bzw. Medizinerin, Architekt bzw. Architektin usw.), Lehrberufe im Primar-, Sekundar- und Hochschulbereich sowie sonstige wissenschaftliche Berufe wie z. B. in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften und im juristischen Bereich.

[f])  Auf Ebene der Bundesländer erfolgt die Berufsprognose wegen der geringeren Fallzahlen auf Basis von 27 Berufsgruppen.