WIFO

 

85 Jahre WIFO: Gedanken zu Geschichte und Zukunft des Institutes

 

Seit 85 Jahren fungiert das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung als "Brückenbauer" zwischen ökonomischer Theorie, Empirie und Wirtschaftspolitik, indem es Entscheidungsgrundlagen für eine evidenzbasierte Wirtschaftspolitik aufbereitet. Aus der Position als Qualitätsführer in der österreichischen Wirtschaftsforschung baut das WIFO seit den 1990er-Jahren über internationale Projekte und Netzwerke seine Expertise auch auf dem europäischen Markt aus. Es entwickelte sich von einem "Kronzeugen" der österreichischen Wirtschaftsentwicklung zu einem "Kompass" der österreichischen Wirtschaftspolitik. In der Zukunft soll es zu einem "Kompetenzzentrum" für ein dynamisches, sozial ausgewogenes und ökologisch nachhaltiges europäisches Wirtschaftsmodell werden.

 

Der Autor dankt Michael Böheim, Felix Butschek, Günther Chaloupek, Alois Guger, Heinz Handler, Angela Köppl, Helmut Kramer, Helmut Mahringer, Markus Marterbauer, Michael Peneder, Christoph Schneider, Margit Schratzenstaller, Hans Seidel, Franz Sinabell, Gertrude Tumpel-Gugerell und Gunther Tichy für Kritik und Anregungen. • Wissenschaftliche Assistenz: Dagmar Guttmann • E-Mail-Adresse: Karl.Aiginger@wifo.ac.at

 

INHALT

Gründungsidee als Nukleus der Sozialpartnerschaft

Erfolgreiche Beobachtung der Zeitreihen

Das komplexe Verhältnis zu Regierung und "Politik"

Resistenz gegen Modeströmungen und Neugierde für neue Entwicklungen

Der proaktive Ansatz und die frühe Rezeption von Umweltthemen

Politiksuche nach einfachen Lösungen und Meinungsbildungsprozess

Gegen den nationalen und internationalen Trend

Methodenmix und Defizite in der Scientific Community

Qualitätssicherung als Strategielinie des WIFO

Interne Organisation und Struktur, Kontinuität und Außenimpulse

Internationalität: von einer Notwendigkeit zu einem definierenden Strategieziel

Eine neue Wachstumsstrategie für Europa

WIFO-Spezialität Themenvernetzung und Synergien

Kompass für die österreichische Wirtschaftspolitik

Die Mission des WIFO vor drei Herausforderungen

Zusammenfassung

Literaturhinweise

 

Das WIFO ist heute Qualitätsführer in der österreichischen Wirtschaftsanalyse und -beratung und übernimmt auch zunehmend kompetitiv vergebene Studien und Aufträge in der europäischen Forschungs- und Beratungslandschaft. Schon die Gründung vor 85 Jahren erfolgte nach einem damals ungewöhnlichen Modell unabhängiger angewandter Forschung, und das Institut konnte frühzeitig u. a. durch die Kontakte des ersten Leiters, des späteren Nobelpreisträgers Friedrich A. von Hayek internationale Mittel über die Rockefeller Foundation und über Vermittlung von Gottfried Haberler Aufträge des Völkerbundes akquirieren. Heute besteht die Herausforderung, in einem sehr komplexen und anspruchsvollen Umfeld die Konjunktur sowie die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung und Wettbewerbsstärke Österreichs und Europas zu analysieren und Reformideen für ein sozioökonomisches Modell zu entwerfen, in dem neue Prioritäten der Offenheit, Dynamik, der sozialen Absicherung und Inklusivität sowie der ökologischen Nachhaltigkeit und Transformation immer wichtiger werden. Diese Aufgabe kann nur durch exzellente Forschung, Organisation sowie Vielfalt der Methoden und der Erkenntniswege erfüllt werden.

Gründungsidee als Nukleus der Sozialpartnerschaft

Die Gründungsidee des WIFO im Jahr 1927 (als "Institut für Konjunkturforschung") war nicht nur die Basis für das jahrzehntelange erfolgreiche Wirken in der Wirtschafts- und Politikberatung, sondern sie entwickelte ein Grundkonzept der österreichischen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg.

Ein zu gründendes Wirtschaftsforschungsinstitut müsse unabhängig sein, die Präsidenten der Handelskammer und der Arbeiterkammer sollten den "Aufsichtsrat" (im WIFO "Vorstand" genannt) bilden. Es dürfe keine Weisungsmöglichkeit durch die Regierung geben, die Unabhängigkeit der wirtschaftspolitischen Expertise müsse sich in der Ausgewogenheit des Vorstandes und des Kuratoriums heute würde man sagen der Stakeholder niederschlagen. Hinzu kam der Gedanke, dass die Unabhängigkeit durch eine "breite" Finanzierung mit einem großen Anteil der Sozialpartner, der Nationalbank und der Länder weiter ausgebaut werden sollte. Letztlich muss die Unabhängigkeit aber durch ein hervorragendes Forscherteam mit dem nötigen Widerspruchsgeist begründet in fachlicher Exzellenz abgesichert sein. Bewusst wurde schon 1927 als Organisationsmodell ein privatrechtlicher "Verein" gewählt. Die Idee, das WIFO als Abteilung einer Behörde zu gründen, wurde erwogen, aber verworfen.

Die sozialpartnerschaftliche Struktur und der parteiübergreifende Charakter waren in den 1920er-Jahren in Österreich alles andere als selbstverständlich. Das Modell der Zusammenarbeit von Sozialpartnern sollte sich als "Labor" für das österreichische Wirtschaftsmodell nach dem Zweiten Weltkrieg erweisen.

 

Curriculum

Prof. Dr. Karl Aiginger ist seit 2005 Leiter des WIFO. Er wurde am 23. Oktober 1948 in Wien geboren. Das Studium der Volkswirtschaftslehre absolvierte er an der Universität Wien und an der Purdue University in Indiana, USA. In seiner Dissertation befasste er sich mit dem Thema "Unternehmerverhalten bei Investitionsentscheidungen". Seine Habilitation erwarb er 1984 mit einer Arbeit über "Production Theory under Uncertainty" (diese ist auch als Buch bei Blackwell erschienen). Prof. Aiginger trat 1970 als Wirtschaftsforscher in das WIFO ein. Seine wissenschaftlichen Schwerpunkte sind Industrieökonomie und Wettbewerbsfähigkeit. Über viele Jahre betreute er für die Europäische Kommission die Berichterstattung über die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. In den Funktionsperioden 1984/1987, 1996/1998 und 2002/2005 übte er am WIFO die Funktion des stellvertretenden Leiters und Außenkoordinators aus. Prof. Aiginger absolvierte mehrmals Gastprofessuren und Forschungssemester in den USA (Stanford University, MIT, UCLA), ist Gastprofessor an der Wirtschaftsuniversität Wien und Honorarprofessor an der Universität Linz. Er ist (gemeinsam mit Marcel Canoy) Herausgeber des JICT (Journal of Industry, Competition and Trade). Seit 2012 ist er Koordinator des Forschungsprojektes "WWWforEurope Ein neuer Wachstumspfad für Europa", das das WIFO mit 32 Partner im Rahmen des 7. Rahmenprogrammes der EU durchführt.

 

Erfolgreiche Beobachtung der Zeitreihen

Die selbst gestellte Aufgabe der empirischen Analyse des Wirtschaftsgeschehens mit dem Ziel der Anwendbarkeit und wissenschaftlichen Politikberatung begleitet das WIFO in unterschiedlicher Intensität und Ausprägung über die Zeit, sie ist der konstante Unterschied zum Selbstverständnis vieler Universitäten (und später zu Unternehmensberatern und Consultants).

Zum Gründungszeitpunkt war die Wirtschaftswissenschaft von der deduktiven Wissenschaftstheorie dominiert. Theorie galt vielen als alleinige Quelle der Erkenntnis. Umso erstaunlicher ist, dass empirische Beobachtungen, Konstruktion und Nutzung von Zeitreihen einschließlich der Vorausschau in den ersten Jahrgängen der Monatsberichte zentral waren[a]). Noch erstaunlicher ist, dass Friedrich A. von Hayek, einer der renommiertesten politikökonomischen und wirtschaftswissenschaftlichen Theoretiker seiner Zeit, der Verfasser dieser Analysen war (gemeinsam mit einer "Hilfskraft" und später einem "Techniker", deren Namen nie erwähnt werden).

Schon in den ersten Jahren nach der Gründung war das Institut Kommunikationszentrum für hervorragende österreichische und internationale Nationalökonomen und konnte auch Gastwissenschafter und internationale Finanzierung gewinnen[b]). Es profitierte dabei indirekt von der Abgeschlossenheit der österreichischen Universitäten[c]).

Vielbeachtet ist ein Satz in den Monatsberichten vom Dezember 1928, der als Voraussage der Weltwirtschaftskrise gedeutet werden kann[d]). Formale Prognosen erstellte das WIFO in der Zwischenkriegszeit nicht, die Monatsberichte enthielten aber immer kurze Kommentare über die Wirtschaftsaussichten, die aus heutiger Sicht erstaunlich korrekt über die Vorkrisensituation, die Weltwirtschaftskrise, ihre Wellen und Dauer berichten. Wirtschaftspolitische Empfehlungen wurden großteils nicht ausgesprochen, nur einige vorsichtige Warnungen vor einer keynesianischen (zitiert als "inflationistischen") Fiskal- oder Geldpolitik, und das trotz lang anhaltender Unterauslastung der Kapazitäten[e]).

Das komplexe Verhältnis zu Regierung und "Politik"

Das Institut für Konjunkturforschung war zunächst vollständig grundfinanziert. Im Gegensatz zu Universitäten wurde eine Finanzierung aus mehreren Quellen angestrebt. Dies galt im Besonderen[f]), als Franz Nemschak das nunmehrige "Institut für Wirtschaftsforschung" nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufbaute[g]). In den 1980er-Jahren erreichte die Auftragsforschung dann einen immer größeren Anteil an der Finanzierung; heute machen die Eigeneinnahmen 35% des Gesamtbudgets aus. Eine Evaluierung (im Auftrag der Stakeholder) durch ein internationales Team empfahl 2002, den Anteil der Eigeneinnahmen zu begrenzen, weil die wissenschaftliche Qualität gefährdet sein kann, wenn sich Forschung vorrangig nach zahlungskräftiger kurzfristiger Nachfrage orientiert. Allerdings kann auch eine Grundfinanzierung, in der ein "Träger" einen sehr hohen Anteil an der Finanzierung einnimmt, eine Quelle der Einflussnahme sein, wie sich schon in den 1950er-Jahren zeigte: Die Warnung von Professor Nemschak vor der Beschleunigung der Inflation und später vor der mit der Stabilisierung verbundenen Arbeitslosigkeit stürzte das Institut in eine Krise, weil die Regierung diese Aussagen von einer von ihr finanzierten Institution unangebracht fand.

Die Diversifikation der Grundfinanzierung kann den Versuch der politischen Druckausübung eingrenzen. Die Garanten gegen Einflussnahme sind jedoch die Qualität der Institutsarbeit und die Anerkennung dieser Leistung durch Wissenschaft, nationale und internationale Auftraggeber und Öffentlichkeit. Die Vorstandsmitglieder (unter Führung des Präsidenten und der beiden Vizepräsidenten) können die Unabhängigkeit unterstützen. Starke Politiknähe verstärkt die Begehrlichkeit der Politik und ihre Einflussnahme, starke Politikferne allerdings verringert die gesellschaftliche Relevanz der Arbeit und die Präsenz in den Medien sowie deren Interesse an einer objektiven Instanz. Die Strategie des WIFO ist es heute, vor politischen Entscheidungen alle verfügbaren in- und ausländischen Erfahrungen und das Fachwissen des Hauses möglichst auf Basis eigener gesicherter Forschungsergebnisse für Empfehlungen zu nutzen, in den heißen Phasen der Entscheidung aber in der Öffentlichkeit zurückhaltend zu sein: Die Beratung von Entscheidungsträgern setzt auch Vertrauen voraus, und Empfehlungen sind generell einfacher ausgesprochen als umgesetzt.

Resistenz gegen Modeströmungen und Neugierde für neue Entwicklungen

Die Wirtschaftsanalysen des WIFO sind empirisch fundiert. Forschungsfragen, für die kein empirisches Datenmaterial vorliegt, werden wenig untersucht. Gegebenenfalls wird versucht, durch eigene Erhebungen und Befragungen empirische Grundlagen zu schaffen[h]). Seit der Ausbildung der ersten Ökonomen und Ökonominnen in Österreich durch IHS und Universitäten in den 1960er-Jahren werden empirische Daten vermehrt zur Überprüfung von Theorien verwendet. Das WIFO war immer offen für alle Theorieströmungen. Internationale Erfahrungen und neue Theorien wurden durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des WIFO, die im Rahmen der vom WIFO seit den 1970er-Jahren geförderten wissenschaftlichen Weiterbildung (Forschungssemester) im Ausland geforscht haben oder im Ausland ausgebildet wurden, in die laufende Institutsarbeit eingebracht bzw. rezipiert. Keynesianische Konzepte werden seit den 1960er-Jahren umfassend verwendet und empfohlen. Das WIFO verwies allerdings auch schon in den 1970er-Jahren auf die Grenzen von staatlichen Defiziten und Verschuldung (z. B. die "Seidel-Formel" in Seidel, 1978) und kritisiert wiederholt die Ausgliederung von Staatsschulden aus dem Budget.

Die "reine" Theorie hat keinen Platz im WIFO, jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter soll alle drei Interessen mitbringen: Theoriekenntnis, empirisches Forschungsinteresse und Streben nach wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen. Evidenzbasierte Politikberatung ist das Ziel. Die Anforderung der "Dreifachbegabung" an jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin ist anspruchsvoll. Die Kombination wird auch an den Universitäten nicht gelehrt und muss in der Regel durch zusätzliche Ausbildung sowie Eigeninteresse und Learning by Doing erarbeitet werden.

Das WIFO hat Modeströmungen in der Ökonomie nicht oder stark abgeschwächt mitgemacht. In einer Zeit nachfragedominierter Wirtschaftswissenschaften wurden Strukturprobleme analysiert, eine Umgestaltung der Wirtschaftsförderung nach Kriterien wie Forschungsquote, Ausbildung der Belegschaft, Unternehmensorganisation empfohlen (z. B. Wirtschaftsförderung durch die Top-Aktion). Zu einer Zeit, als eine Geldpolitik nach unveränderbaren Formeln ("regelgebundene Politik") die Mainstream-Empfehlung war oder als Pessimismus über makroökonomische Steuerung via Fiskalpolitik modern war, blieb das WIFO bei einem proaktiven Politikansatz auf Angebots- und Nachfrageseite. Diese Resistenz gegenüber Modeströmungen behindert aber nicht die Erneuerung der Methoden, die Offenheit für neue Forschungsfragen und neue Rahmenbedingungen. Die Ökonometrie fand in den 1960er-Jahren durch Franz Glinsner Einzug ins WIFO, der schon früh mit Gerhard Tintner zusammengearbeitet hatte. Seit den 1990er-Jahren wurden Theorien und Politikempfehlungen zunehmend durch die Analyse von Mikrodatensätzen untermauert zunächst im Bereich der Konsumanalysen, dann in der Arbeitsmarktforschung und später ebenso in der Innovations-, Regional- oder Außenhandelsforschung.

Der proaktive Ansatz und die frühe Rezeption von Umweltthemen

Vergleicht man die wirtschaftspolitischen Empfehlungen des WIFO mit denen anderer empirischer Wirtschaftsforschungsinstitute, so fällt der stärkere proaktive Ansatz besonders auf. Negative Entwicklungen werden nicht als exogen und unverrückbar angenommen. Ein Anstieg der Arbeitslosigkeit wird nicht als "natürlich" erklärt, eine Verlangsamung des Wachstums nicht als Folge einer europäischen Wachstumsschwäche und damit als unveränderbar dargestellt. Die Nachfrageseite wird stärker als beschränkende Variable für die Wirtschaftsdynamik angesehen (z. B. Einfluss von Lohnerhöhungen auf Wettbewerbsfähigkeit und Nachfrage). Das Sozialsystem wird nicht primär als Kostenproblem gesehen, sondern auch als eine Produktivkraft, die Ausbildung und Weiterbildung verstärkt, die Wirtschaftsleistung erhöht und die Unsicherheit der Wirtschaftsakteure verringert. Die Analyse von Verteilungsfragen wird stärker forciert als in anderen Instituten, auf die Bedeutung von Bildung und Kinderbetreuung stärker hingewiesen. Mit der Forderung nach einem verpflichtenden Kindergartenjahr für Österreich im WIFO-Weißbuch (Aiginger Tichy Walterskirchen, 2006) wurde die Grenze zur Politikgestaltung "getestet".

Umweltthemen wurden früh in die Forschung aufgenommen (Köppl Kratena Pichl, 1994), das WIFO betont die Gefahren des Klimawandels und die Notwendigkeit der Einsparung von Energie und Rohstoffen stärker als wahrscheinlich jedes andere Wirtschaftsforschungsinstitut mit breitem Fokus[i]). Auch in den Empfehlungen bezüglich der Angebotsseite ist das WIFO proaktiver, so z. B. in der Betonung der Wachstums- und Beschäftigungseffekte hoher Forschungs- und Bildungsausgaben und ihrer effizienten Verwendung. Herausgestrichen wird auch die Notwendigkeit der Objektivierung der Innovationsförderung sowie der Intensivierung des Wettbewerbes und intelligenter Regulierung.

Als vielleicht wichtigstes Spezifikum der Politikempfehlungen des WIFO in der jüngeren Vergangenheit kann die Forderung nach Abstimmung aller wirtschaftspolitischen Teilstrategien gelten ("Synergien"), weil unkoordinierte Einzeleingriffe teuer und ineffizient sind (z. B. WIFO-Weißbuch: Aiginger Tichy Walterskirchen, 2006).

Politiksuche nach einfachen Lösungen und Meinungsbildungsprozess

Die Politik hat Bedarf an einfachen Lösungen und raschen Antworten. Wirtschaftspolitische Maßnahmen sollen schnell wirken, Reformen mit langem Horizont sind weniger attraktiv. Dies steht im Gegensatz zur Tatsache, dass nur abgestimmte Strategien wirkungsvoll sind und oft "Doppelstrategien" wirksamer als einfache. In der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik stehen teilweise widersprechenden Zielen dazu passende komplexe Strategien gegenüber. Den höchsten Ertrag haben Maßnahmen, die langfristig wirkungsvoll sind; dies gilt für Grundlagenforschung, aber auch für die Korrektur von Bildungsungleichgewichten im Kindesalter.

Die Politik wünscht auch besonders wenn sie selbst keinen politischen Lösungsansatz anzubieten hat eindeutige Empfehlungen. Hat sie aber eine "präferierte" Lösung, dann will sie keine Zwischenrufe der Wirtschaftsforschung. Für die Wirtschaftsforschung stellen sich zwei Fragen: erstens ob sie in einer komplexen unsicheren Situation mit nicht vollkommen empirisch begründeten und in der Wirkung nicht präzise abschätzbaren Empfehlungen eine Stellungnahme abgeben soll; zweitens ob sie dabei eher die Vielfalt des Meinungsspektrums darlegen soll oder den bestmöglichen Konsens, der nach Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Methoden erreicht wird. Letzteres könnte man Institutsmeinung nennen, ersteres Dokumentation des Möglichkeitsraumes oder auch der Unsicherheit.

Dieser Trade-off lässt sich auch an Prognosen erläutern: Entweder man gibt eine "Punktprognose" ab, wissend dass es einen Unsicherheitsspielraum gibt und die Zahl hinter dem Komma nicht prognostizierbar ist. Oder man gibt einen Unsicherheitsspielraum an, der oft so groß ist, dass die Wirtschaftspolitik daraus keine Schlussfolgerung ziehen kann (und manche Ereignisse tail risks trotzdem nicht abgedeckt sind). Das WIFO hat sich wie die meisten anderen Prognoseinstitutionen entschlossen, "Punktprognosen" zu erstellen und verbal jene Faktoren zu nennen, durch die die Prognose in die eine oder andere Richtung übertroffen bzw. unterschritten werden kann.

Die Meinungsvielfalt ist im WIFO groß; sie wird als sinnvoll angesehen und der Öffentlichkeit entsprechend kommuniziert. Empirische Forschung und Literaturkenntnis bieten aber die Möglichkeit, die Beliebigkeit der Aussage einzuschränken: Die Nicht-Nutzung empirischer Methoden oder das Verschweigen empirischer Ergebnisse ist für die Wirtschaftsforschung ethisch nicht zulässig (Rothschild, 1992). Im Sinne der Bildung einer Institutsmeinung wird versucht, in Bereichen mit Unsicherheit oder verschiedenen Lehrmeinungen zusätzlichen Aufwand für Forschung und Kommunikation zu tätigen. Forschungsergebnisse werden in einem internen und oft auch externen Gutachterprozess überprüft; dabei kommen nach Möglichkeit Persönlichkeiten zum Zug, die dem Ergebnis wahrscheinlich kritischer gegenüberstehen. Das Ergebnis von Forschung und Begutachtung wird dann mit einem gewissen Spielraum von allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vertreten. Wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin dennoch eine sehr unterschiedliche Meinung hat und auch nach Kommunikation mit den Studienautoren und -autorinnen oder den Gutachtern und Gutachterinnen nicht überzeugt werden kann, wird diese Meinung nicht als WIFO-Meinung publiziert, kann aber in Vorträgen oder Interviews als Privatmeinung dargelegt werden. Diese Vorgangsweise ist liberaler als in anderen Wirtschaftsforschungsinstituten, die Medienarbeit ist auch weniger auf die Leitung konzentriert, in der Regel präsentieren die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ihre Ergebnisse selbst und beantworten Medienanfragen selbständig, wobei allerdings auf andere Forschungsergebnisse im WIFO und in der Literatur Rücksicht zu nehmen ist. Interessanterweise kommt selbst aus den Medien oft Kritik an der liberalen Vorgangsweise, sie wollen nicht Vielfalt, sondern eine klare, einfache "WIFO-Position". Die Liberalität von "Privataussagen" wird von den Medien auch gelegentlich unterlaufen, indem das "Label" WIFO gegen den Wunsch der Mitarbeiterin bzw. des Mitarbeiters verwendet wird, um einem Interview oder einem Diskussionsbeitrag größere Aufmerksamkeit zu sichern.

Wenn die optimale wirtschaftspolitische Maßnahme von der genauen politischen Zielsetzung abhängt (und diese nicht klar definiert ist oder von Politik und Wirtschaftsforschung unterschiedlich eingeschätzt wird), dann versucht das WIFO, Szenarien zu entwickeln und Optionen darzustellen. So kann die Konsolidierung des Staatshaushaltes einerseits über Steuererhöhungen oder andererseits über Ausgabensenkungen durchgeführt werden für beide Wege werden in einer Analyse der Konsolidierungsnotwendigkeit in Österreich Optionen erarbeitet. Allerdings wird auch auf die Konsequenzen der Optionen hingewiesen, wenn es dafür wissenschaftliche Evidenz gibt. Beispiele für Studien mit einem klaren vom WIFO formulierten strategischen wirtschaftspolitischen Ziel, aber breiter Palette an Handlungsoptionen sind das "Weißbuch" (Aiginger Tichy Walterskirchen, 2006), die "Optionenstudie zur Steuerreform" (Aiginger et al., 2008) oder die "Konsolidierungsstudie" (Aiginger et al., 2010).

Gegen den nationalen und internationalen Trend

Wirtschaftspolitische Ziele vorzugeben, ist in der Regel nicht Aufgabe eines Forschungsinstitutes, sondern der Politik. In einem Graubereich, wenn die Ziele oder ihre Gewichtung nicht eindeutig sind, kann ein Wirtschaftsforschungsinstitut hier aber gefordert sein. Die frühe Rezeption der Umweltforschung am WIFO ist ein Beispiel für ein gewisses "Themensetting", der höhere Stellenwert von Vollbeschäftigung und Verteilungsfragen, aber auch der Rolle von Forschung, Bildung, Kinderbetreuung für den wirtschaftlichen Erfolg sind Prioritäten, die das WIFO stärker betont als andere Institute.

Gegen den innenpolitischen Konsens verstößt das WIFO nunmehr seit gut 60 Jahren in der Betonung der Vorteile der Öffnung der österreichischen Wirtschaft. Ob es die Liberalisierung des Außenhandels war, die Integration in die Europäische Union, die Öffnung der österreichischen Wirtschaft nach Osten, der Abbau des Importregimes im Agrarsektor oder zuletzt die Öffnung des Arbeitsmarktes gegenüber den neuen EU-Ländern das WIFO hat immer die Chancen betont (und die Möglichkeiten, diese zu stärken). Die Medien, die öffentliche Meinung und erhebliche Teile der Politik befürchteten Nachteile, obwohl die Leistungsbilanz sich im Gefolge aller Integrationsschritte von einem Defizit zu einem Überschuss drehte und Österreich heute die niedrigste Arbeitslosenquote in der EU aufweist.

In der Finanzmarktkrise und Wirtschaftskrise erkannte das WIFO erstens früher als andere in- und ausländische Institute den außergewöhnlichen Charakter der Krise allerdings auch erst nach dem "Lehman-Ereignis" am 15. September 2008 und sprach von der "größten Herausforderung unserer Generation" (ORF-Pressestunde, 12. Oktober 2008)[j]).  Zweitens forderte das WIFO schon Anfang Oktober 2008 ein wirtschaftspolitisches Gegensteuern, während andere Forschungsinstitute und die deutsche Regierung das bis Anfang 2009 ablehnten ("normale Konjunkturabschwächung"). Im Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen (Oktober 2008) konnte das WIFO Bundeskanzler und Vizekanzler von der Notwendigkeit des Gegensteuerns überzeugen[k]).

In seinen Analysen zur Budgetkonsolidierung kritisierte das WIFO schon früh die negativen Effekte einer Konsolidierung ohne Strukturkomponente. Es skizzierte das Konzept einer wachstums- und arbeitsplatzorientierten Konsolidierungsstrategie zu einer Zeit (Aiginger Schratzenstaller, 2010), in der Konzepte zur raschen Verringerung des Defizits ohne Rücksicht auf Verluste (und in Erwartung einer "expansiven Konsolidierung" über Erwartungseffekte) dominierten. Heute ist die Notwendigkeit der Ergänzung des Austeritätskurses durch eine Wachstumskomponente weitgehend unbestritten. Zum Thema der Finanztransaktionssteuer liefert das WIFO (Schulmeister Schratzenstaller Picek, 2008, Schulmeister, 2011) weltweit zitierte Unterlagen für die vielleicht doch einmal kommende Lösung, wieder gegen die Skepsis vieler Experten und Expertinnen aus den Finanzwissenschaften und der EU, des IWF oder anderer Forschungsinstitute.

Das WIFO forderte im Zusammenhang mit dem innerösterreichischen Stabilitätspakt und mit der "Schuldenbremse" einen größeren Spielraum für antizyklische Maßnahmen und hinsichtlich der langfristigen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte eine stärkere Umschichtung auf Zukunftsaufgaben und eine Beseitigung der Kompetenzüberschneidung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden.

Noch nicht erfolgreich ist das WIFO bisher mit seiner Empfehlung, die Belastung des Faktors Arbeit durch Steuern und Sozialbeiträge stark zu verringern, um Beschäftigung und Wachstum anzukurbeln. Die Öko- und Tabaksteuern sind in Österreich niedriger als in anderen Ländern. Vermögenszuwachssteuern wurden eingeführt bzw. erhöht, aber eine Umschichtung der Steuerbelastung von Einkommen zu Vermögen (vor allem Grundvermögen und hohe Erbschaften) erfolgte bisher nicht, obwohl hier die nationale und internationale Evidenz eindeutig für solche Maßnahmen spricht.

Methodenmix und Defizite in der Scientific Community

Das WIFO steht für Methodenvielfalt. Der Modellbau hielt in den 1960er-Jahren Einzug. Das WIFO entwickelt und nutzt eine Vielzahl von Modellen mit unterschiedlicher Fristigkeit, sektoralem Fokus und Länderspektrum. Die empirischen Methoden reichen von der Analyse aggregierter Daten bis zu Unternehmens- und Personendaten[l]).

Die Rekrutierung des wissenschaftlichen Nachwuchses erfolgt durch internationale Ausschreibungen. Die Nachfrage nach Ökonomen und Ökonominnen wächst rasch, und es ist nicht immer einfach, frei werdende oder neue Positionen zu besetzen. Besonders schwierig ist die Rekrutierung von Personen mit dem Profil der "Konjunkturforschung" oder mit Erfahrungen in der Analyse von Staatssektor und Regulierung. Eine Krise der Makroökonomie an den Universitäten ist nicht zu leugnen. Insbesondere ist kaum eine Rezeption der Erfahrungen der Finanzmarktkrise und der Folgen der Globalisierung in der volkswirtschaftlichen Forschung und Lehre an den Universitäten im deutschsprachigen Raum zu erkennen. Dies ist nicht nur ein Merkmal österreichischer und deutscher Universitäten, es spiegelt sich auch in den wissenschaftlichen Journals und Konferenzen. Auch haben Konjunktur- und Wachstumsforschung in der wissenschaftlichen Forschung noch nicht genügend zusammengefunden. Analysen der gegenseitigen Beeinflussung von Finanz- und Realwirtschaft sind selten und beziehen globalisierte Märkte und die neuesten "Finanzprodukte" noch nicht ein. Umweltökonomie, Arbeitsmarktökonomie und Makroökonomie haben unterschiedliche implizite Annahmen über den "besten" Wachstumspfad.

Qualitätssicherung als Strategielinie des WIFO

Das WIFO benötigt Wissenschafterpersönlichkeiten mit Dreifachbegabung: Theoriekenntnis, Interesse an Empirie und Politikverständnis. Da die Universitäten diese Kombination nicht ausbilden, erfolgt ein erheblicher Teil der Aus- und Weiterbildung von jungen Wissenschaftern und Wissenschafterinnen während der Berufslaufbahn. Dafür wird es immer wichtiger, junge Ökonomen und Ökonominnen während oder knapp nach der Ausbildung an das WIFO zu holen (Junior Fellowships, Dissertationsbetreuung, Projektmitarbeit), Forschungsaufenthalte von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen im Ausland zu ermöglichen sowie Gastforscher und Gastforscherinnen an das WIFO einzuladen und im WIFO zu betreuen.

Dem WIFO stehen ein internationaler wissenschaftlicher Beirat mit führenden Wissenschaftern und Wissenschafterinnen sowie ein internes Gutachterteam mit österreichischen Professoren und Professorinnen zur Verfügung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habilitieren sich und lehren an den Universitäten (wobei Professoren und Professorinnen am WIFO Teilzeitverträge haben können). Im Rahmen eines Kooperationsvertrages arbeitet das WIFO mit der Wirtschaftsuniversität Wien zusammen.

Ihren Erfahrungsschatz stellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder auch externe Expertinnen und Experten dem WIFO nach dem Abschluss der Berufskarriere als Emeriti Consultants zur Verfügung. Junior Fellows und temporäre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden in die Projektarbeit eingebunden, Gäste von Universitäten oder der Europäischen Kommission können die Infrastruktur und Kommunikationsstruktur für Forschungsaufenthalte nutzen. Kontroversielle Themen und die laufende Forschung werden in offenen Diskussionsveranstaltungen erörtert (interne und externe Seminare, themenorientierte Jour-fixes, WIFO-Ökonomenclub). Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des WIFO nehmen an Beratungsgremien und Beiräten teil, halten wissenschaftliche Vorträge, geben wissenschaftliche Zeitschriften heraus oder referieren in anderen Journals wissenschaftliche Artikel.

Interne Organisation und Struktur, Kontinuität und Außenimpulse

Die interne Organisation des WIFO ist von flacher Hierarchie und Rotation der Führungspositionen gekennzeichnet[m]). Gegliedert ist das Institut nicht in Abteilungen, sondern in fünf Forschungsbereiche[n]) und einen Dienstleistungsbereich, zwischen denen übergreifende Zusammenarbeit erwünscht ist. Die Funktion der Koordination eines Forschungsbereiches rotiert (mit einer Höchstdauer von vier Jahren). Der Leiter hat das Recht, das Leitungsteam selbst zu bestellen, und kommuniziert über diese Wahl mit der Belegschaft. Die interne Kommunikation ist vielfach formalisiert, teils informell. Die hohe Verantwortung der einzelnen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Expertinnen und Experten, fachliche Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner, in der Projektakquisition, wissenschaftlichen Analyse bis zum Vertreten der Ergebnisse in der Öffentlichkeit schlägt sich konsequent in starken Elementen der Mitbestimmung in Institutsentscheidungen nieder. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Haus als Projektmitarbeiter, Gäste, Junior Fellows usw. kennenlernen, betonen immer den extrem offenen Charakter der Kommunikation und der gegenseitigen Hilfe.

Kontinuität und Wandel sind im WIFO kein Widerspruch. Lange Berufskarrieren im WIFO sind die Regel, oft mit Unterbrechungen und Vielfalt der Tätigkeit. Kurt Rothschild war 62 Jahre mit dem WIFO verbunden, unterbrochen von einer Professur in Linz. Gunther Tichy wurde vor mehr als 50 Jahren WIFO-Mitarbeiter und ist jetzt Emeritus Consultant, dazwischen arbeitete er in führender Position in der Girozentrale, an der Universität Graz, im Institut für Technikfolgenabschätzung (der Akademie der Wissenschaften) sowie als Berater von Parteiobmännern und Landeshauptleuten. Hans Seidel war Berater von Finanzminister Hannes Androsch, Regierungsvertreter bei der OECD, dann Staatssekretär im Finanzministerium und Leiter des IHS, bevor er sich wieder im WIFO niederließ, hier Bücher schreibt und im 90. Lebensjahr und 65 Jahre nach seinem Eintritt ins WIFO wöchentliche Diskussionsrunden organisiert. Ich bin 42 Jahre im WIFO; anfangs war ich gleichzeitig noch Mandatar einer Studentenpartei, zwischendurch initiierte und gestaltete ich eine Fernsehserie über Persönlichkeiten in der Wirtschaftspolitik der Zweiten Republik, verfasste ein Politikkonzept für Umweltpolitik bei Wirtschaftswachstum, war im ORF Hörer- und Sehervertreter und gestaltete die Privatisierung von großen Industrieunternehmen als ÖIAG-Aufsichtsrat mit. Ich war während meiner WIFO-Tätigkeit insgesamt drei Jahre im Ausland, darunter für eine Zwei-Semester-Professur in Stanford und eine Vortragsreise in China, war Innovationsberater der finnischen Regierung, Gründer eines Nachbarschaftszentrums in Wien. Neugierde für nicht unmittelbar ökonomische Themen und der Versuch, Wissen für gesellschaftspolitische Anliegen zu nutzen, prägen offenbar die WIFO-Wissenschafterin und den WIFO-Wissenschafter. Sechs Regierungsmitglieder waren mit sehr unterschiedlicher Dauer ihrer Tätigkeit WIFO-Mitarbeiter (Reinhard Kamitz, Stephan Koren, Bruno Kreisky, Adolf Nussbaumer, Hans Seidel, Josef Taus), ebenso Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bei OECD, IWF, Weltbank, Europäischer Kommission, Professoren und Professorinnen an in- und ausländischen Universitäten, Präsidenten des österreichischen Statistischen Zentralamtes (heute Statistik Austria) usw.

Auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der wissenschaftlichen Assistenz und im Dienstleistungsbereich sind lange Karrieren im WIFO die Regel, ebenso kontinuierliche Weiterbildung und Übernahme neuer Aufgaben (z. B. Projektmanagement, Leitung interner Projekte, Organisation internationaler Konferenzen)[o]).

Internationalität: von einer Notwendigkeit zu einem definierenden Strategieziel

Internationalität der Analysen und Daten war immer ein Charakteristikum von WIFO-Studien, um die Qualität der empirischen Aussagen zu erhöhen[p]). Seit Mitte der 1990er-Jahre (mit dem EU-Beitritt Österreichs) übernimmt das WIFO in größerem Ausmaß internationale Aufträge, zunächst auch von der OECD, heute primär von der EU (von Direktoraten, Parlament, Rahmenprogrammen). Der erste größere Erfolg war die Beauftragung des WIFO mit den Analysen der Wettbewerbsfähigkeit Europas (Competitiveness Reports; derzeit wickelt das WIFO hier den vierten Mehrjahresauftrag ab). Es folgten Aufträge und Finanzierung durch EU-Rahmenprogramme u. a. für Umweltprojekte, zur Erstellung eines internationalen Input-Output-Modells und zur Evaluierung des Europäischen Strukturfonds. Einschließlich vieler kleinerer Projekte erzielt das WIFO heute 30% seiner Gutachten-Erlöse durch internationale Projekte.

Die internationalen Projekte dienen nicht zur Schließung einer Finanzierungslücke, sie erweitern den Horizont der Studien, sie ermöglichen andererseits den Transfer von Wissen und Problemlösungen nach Österreich. Sie forcieren die Konkurrenz und helfen, die eigene Qualität einzuschätzen. Dies ist besonders wichtig im Bereich der "angewandten Wirtschaftsforschung", in dem die Zählung von Journal-Artikeln und von Zitaten kein vollständiger Qualitätsausweis ist.

Die Internationalisierungsstrategie ist eine der Teilstrategien, mit denen das WIFO seit den 1990er-Jahren seine Stellung als führendes Wirtschaftsforschungsinstitut in Österreich ausbaut, um ein europäischer Spieler in fokussierten Forschungsbereichen zu werden[q]).

Eine neue Wachstumsstrategie für Europa

Das WIFO gewann 2012 im Rahmen einer Ausschreibung des 7. Rahmenprogrammes der Europäischen Kommission den Auftrag, einen neuen Wachstumspfad für Europa zu entwickeln[r]). Dieses Projekt "WWWforEurope" ist das größte in dieser Programmperiode neu vergebene sozialökonomische Forschungsprogramm der Europäischen Kommission. Dem WIFO obliegt die Koordination von 32 Partnerinstitutionen, das Projekt läuft vier Jahre und soll die Strategie "EU 2020" begleiten; darüber hinaus soll es die Transformation der EU zu einem sozialeren und ökologischeren Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell ermöglichen.

Das WIFO hat diese Ausschreibung gewonnen, weil erstens der Inhalt des Projektes genau der Spezialisierung des WIFO entspricht (jeder der fünf Schwerpunkte des Projektes spiegelt einen Forschungsbereich des WIFO wider), zweitens weil das WIFO auf Basis seiner Internationalisierungsstrategie bereits über die Netzwerke verfügt, die für das Projekt notwendig sind, und drittens weil die internen Organisationsstrukturen so professionalisiert sind, dass die Bewerbung in einer extrem kurzen Frist und hoher Qualität vorgelegt werden konnte.

Inhaltlich geht es um das zentrale wirtschaftspolitische Problem der EU: Die EU-Länder können mit dem Wachstum in den Schwellenländern nicht mithalten, während innerhalb der Industrieländer noch immer die USA Technologieführer sind. Der soziale Zusammenhalt ist ein Ziel der EU-Politik, durch die großen innereuropäischen Ungleichgewichte und die hohe Arbeitslosigkeit aber gefährdet. Die europäische Klimastrategie setzt bis 2050 eine drastische Verringerung der CO2-Emissionen voraus, obwohl das Ziel der Verringerung der Emissionen bisher trotz der zuletzt mäßigen Dynamik der Wirtschaft nicht erreicht wurde.

Der Auftrag, in diesem Projekt einen neuen europäischen Wachstumspfad zu entwerfen, ist ein Erfolg der Internationalisierungsstrategie, zugleich aber eine große Herausforderung für das WIFO und eine Chance für Österreich, sein gesellschaftspolitisches Modell zu untermauern und auszubauen und zusätzlich Erkenntnisse für die mittel- bis langfristige Entwicklung zu gewinnen. Forschung und Politikberatung für Österreich sollten durch dieses Projekt entscheidend verbessert werden.

WIFO-Spezialität Themenvernetzung und Synergien

Ein definierendes Charakteristikum des WIFO ist die Fähigkeit, Themen zu vernetzen und scheinbar widersprüchliche Tendenzen zu einer Strategie umzuformen. Die Fähigkeit, das Thema der Wettbewerbsfähigkeit mit der nachhaltigen Nutzung der Ressourcen und dem stärkeren sozialen Zusammenhalt glaubwürdig zu verbinden, war wohl auch entscheidend für den Zuschlag für das Forschungsprogramm "WWWforEurope" an das WIFO.

·          Die Umweltökonomie fordert ein Nullwachstum, weil noch nie Wachstum ohne Zunahme von Ressourcen- und Energieverbrauch möglich war und weil die Energiestrategie der  EU eine Verringerung aller CO2-Emissionen bis 2050 um 80% erfordert.

·          Die Sozialsysteme brauchen ein Wachstum der Wirtschaftsleistung, um Arbeitslosigkeit zu verhindern und das Pensionssystem zu finanzieren (bisher steigt die Arbeitslosigkeit, wenn das BIP um weniger als 2% wächst).

·          Die Armutsbekämpfung braucht eine Absicherung von Risiken (Krankheit, Alter, Arbeitslosigkeit) und auch Umverteilung zumindest der Bildungsressourcen; wahrscheinlich benötigt sie auch eine Begrenzung der Ungleichheit der Einkommen und Vermögen.

·          Exzellenz und Konkurrenzfähigkeit bleiben nur erhalten, wenn die EU attraktiv für "die besten Köpfe" ist.

Die wissenschaftliche Forschung entwickelt sich in Richtung immer größerer Spezialisierung. Um zu Ergebnissen zu kommen, die in Journals publiziert werden können, müssen oft die Annahmen solange geändert werden, bis eine eindeutige Antwort auf eine nicht immer interessante Frage gefunden wird. Die Wirtschaftspolitik benötigt aber im Gegenteil eine annähernd gute Antwort auf ein breites Spektrum von Herausforderungen. In einer komplexen internationalen Umgebung mit immer heterogeneren Bedürfnissen und technologischen Möglichkeiten ist nur die Gesamtanalyse imstande, die Richtung der Problemlösung aufzuzeigen. Interdisziplinarität ist gefragt, wenn es auch hier schwieriger ist, methodisch exakte Ergebnisse zu liefern und wissenschaftliche Qualität zu beweisen. Wahrscheinlich ist es nicht sinnvoll, den Forscherstab im WIFO selbst interdisziplinär zu gestalten, wichtig ist die Kooperationsbereitschaft und -willigkeit und das gegenseitige Verstehen anderer Wissenschaften zu forcieren (Projektzusammenarbeit).

Intern erfordern Großprojekte und die gleichzeitige Forschung an österreichischen und internationalen Themen eine exzellente Organisation und Projektabwicklung. Das WIFO führte schon vor Jahren professionelles Forschungsmanagement und Projektplanung ein; nur so konnte es innerhalb von 60 Tagen einen Projektantrag für das 7. Rahmenprogramm mit 32 Partnern konzipieren und sich verpflichten, das Projekt mit höchstem Qualitätsanspruch abzuwickeln.

Kompass für die österreichische Wirtschaftspolitik

Das WIFO behandelt systematisch Themen mit längerfristigem Horizont auch wenn es für diese Forschungsfragen keinen Auftraggeber findet und übernimmt damit die Aufgabe, wirtschaftspolitische Fragen und ihre Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen (Funktion eines "Kompasses" für die Wirtschaftspolitik). Im "WIFO-Weißbuch" (Aiginger Tichy Walterskirchen, 2006) wurden Elemente einer langfristigen österreichischen Wirtschaftspolitik zu einer Strategie zusammengeführt. Die Studie über die "Optionen der Steuerreform" (Aiginger et al., 2008) legte einen Vorschlag zur Umgestaltung des Steuersystems unter Nutzung internationaler Erfahrungen vor. In einer Studie über eine "Wachstumsorientierte Budgetkonsolidierung" zeigte das WIFO Wege auf, um trotz Konsolidierung Wachstum und Vollbeschäftigung zu erhalten (Aiginger et al., 2010). Im Gegensatz zu anderen Institutionen rät das WIFO, nicht primär im Sozialsystem zu sparen, und betont die Notwendigkeit, Zukunftsinvestitionen auch in der langen Konsolidierungsperiode deutlich zu steigern.

Das europäische Wachstumsprojekt "WWWforEurope" rückt das WIFO in Richtung europäischer Politikgestaltung. Es ermöglicht allerdings auch, die Wirtschaftspolitik Österreichs noch stärker wissenschaftlich zu untermauern und aus dem Vergleich mit anderen Ländern und Regionen zu lernen, ebenso wie es gelingen sollte, erfolgreiche Politik und erfolgreiche Maßnahmen stärker in die europäische Diskussion einzubringen. Im selben Ausmaß wie die österreichische Wirtschaft durch Internationalisierung immer gewonnen hat, sollte die österreichische Wirtschaftspolitik durch die internationale Perspektive profitieren. Da Österreich bezüglich der drei Schwerpunkte Wachstum, Umwelt und sozialer Zusammenhalt jeweils im Spitzenfeld eines europäischen Rankings liegt, kann es auch als "Testlabor" für ein neues weltoffenes europäisches Wohlfahrtsmodell dienen (das auch der "Beyond-GDP"-Philosophie entspricht). Das WIFO kann diesen Punkt und damit wahrscheinlich auch einen Wettbewerbsvorteil Österreichs in die internationale Diskussion einbringen. Nationale Satellitenprojekte ("Österreich 2025") können bzw. sollten den Transfer von der europäischen Ebene auf die österreichische Wirtschaftspolitik verstärken.

Die Mission des WIFO vor drei Herausforderungen

Die Kernaufgabe (Mission) des WIFO ist es, Brücken zu bauen zwischen Theorie, Empirie und Politik. Aus theoretischen Modellen sollen auf Grundlage bestmöglicher empirischer Evidenz Empfehlungen für die Wirtschaftspolitik abgeleitet werden. Evidenzbasierte Wirtschaftspolitik wird damit ermöglicht. Das WIFO ist Qualitätsführer in der österreichischen Wirtschaftsforschung und will diese Position auch bei zunehmender nationaler und internationaler Konkurrenz ausbauen und gleichzeitig durch seine Expertise in fünf bis zehn Feldern auf dem europäischen Markt bekannt sein.

Das WIFO fokussiert sich auf fünf Forschungsbereiche und passt die Schwerpunkte innerhalb dieser Bereiche den aktuellen Herausforderungen an. So sind heute das Zusammenwirken von Finanzsektor und Realwirtschaft, die Positionierung Österreichs in einer globalisierten heterogenen Weltwirtschaft, die hohe Jugendarbeitslosigkeit, die Alterung in den Industriegesellschaften sowie Klima- und Energieprobleme stärker in den Mittelpunkt der Analyse zu rücken.

Wettbewerbsvorteile des WIFO sind die herausragende Qualität des Humankapitals, insbesondere die Kombination von Theorie- und Datenkompetenz, sowie die gesamtwirtschaftliche Sicht und die Beachtung des öffentlichen Interesses. Mit dem Ausbau der wirtschaftspolitischen Kompetenz in Banken, Ministerien und außeruniversitären Institutionen wird es notwendig, die Qualität ständig weiter zu steigern und nationale wie internationale Kooperationen zu forcieren.

Inhaltlich wird die Vernetzung der Themenbereiche "Reformstrategie für Österreich" und "Neuer Wachstumspfad für Europa" die Arbeit der nächsten Jahre prägen.

Die europäische Wirtschaft steht heute zwischen dem Technologieführer USA und den rasch aufholenden Schwellenländern. Sie ist wenig dynamisch, von großen Ungleichgewichten geprägt, durch hohe Arbeitslosigkeit (Arbeitslosenquote über 10%, Jugendarbeitslosenquote von 20%) und einen Staatssektor belastet, der fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung beansprucht, aber oft weniger steuert als die Finanzmärkte. Wegen der nationalen Zersplitterung ist die Gestaltungskraft der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik in Europa gering, die Zinssätze z. B. für Staatsschulden, Risikokapital und Zukunftsinvestitionen sind hoch. Das Gesellschaftsmodell Europas ist wieder mit nationalen Ausprägungen tendenziell sowohl dem Modell der USA als auch Asiens überlegen, weil es sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Zielen einen höheren Stellenwert beimisst und weil immaterielle Ziele wie aus "Nutzenfunktionen" und Umfragen bekannt ist mit Erfüllung materieller Bedürfnisse gegenüber der Steigerung der Einkommen immer wichtiger werden. Die Forcierung sozialer und ökologischer Innovationen für eine dynamische und offene Gesellschaft würde auch die Akzeptanz des europäischen Modells unter der Jugend und seine Vorbildwirkung außerhalb Europas stärken.

Vor diesem Hintergrund können die drei großen Herausforderungen, denen sich das WIFO in Zukunft wird stellen müssen, zusammengefasst werden:

·          die Fähigkeit, Synergien zwischen den Themen und wirtschaftspolitischen Zielen zur Formulierung einer Strategie zu nutzen,

·          die gegenseitige Befruchtung von nationaler und internationaler Forschung zu stärken und

·          die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaftswissenschaften und anderen wissenschaftlichen Disziplinen zu forcieren.

Die Aufgabe des WIFO verändert sich mit der Zunahme der in- und ausländischen Konkurrenz, der Expertise in universitären und außeruniversitären Forschungsinstituten, bei Statistik Austria, in Ministerien und Banken. War das Institut zunächst "Kronzeuge" der österreichischen Wirtschaftsentwicklung (Hans Seidel) und ist es heute ein "Kompass" der Wirtschaftspolitik (Christoph Leitl), so könnte es künftig zum "Kreativzentrum" für die Entwicklung eines Wirtschaftsmodells werden, das dynamisch, sozial ausgewogen und ökologisch nachhaltig ist.

Das Humankapital im WIFO, seine professionelle interne Organisation und der Diskurs mit den Stakeholdern garantieren, dass das Institut diese Herausforderungen und die neue Aufgabe bewältigen kann.

Zusammenfassung

Die Gründungsideen des Institutes im Jahre 1927 waren aus der damaligen Sicht revolutionär: eine Zusammenarbeit von Unternehmensvertretung und Arbeiterkammer einerseits und der Gedanke andererseits, dass ein wissenschaftliches Institut unabhängig von der Regierung sein müsse. Beide Ideen sollten sowohl die Eigenständigkeit des Institutes als auch seinen wissenschaftlichen Ruf langfristig sichern und ein Vorbild für das österreichische Wirtschaftsmodell nach dem Zweiten Weltkrieg werden. Friedrich A. von Hayek und Oskar Morgenstern leiteten das "Institut für Konjunkturforschung" vor dem Krieg: Spitzenwissenschafter, die in Österreich keine Professur erhielten, organisierten das Institut als Stätte des Austausches wissenschaftlicher Ideen, sie ermöglichten den Kontakt mit der angelsächsischen Wissenschaftsgemeinde und vermittelten auch die Finanzierung durch die Rockefeller Foundation und mit Gottfried Haberler verbunden durch Studien für den Völkerbund. Dennoch lag der Beginn der Arbeit in der Suche nach geeigneten Daten für die Einschätzung der Konjunktur. Viel beachtet wurden Zitate im Monatsbericht vom Dezember 1928, die als Prognose der Weltwirtschaftskrise gewertet werden können.

Nach einer Zeit geringerer Bedeutung als Zweigstelle des deutschen Instituts für Konjunkturforschung in Berlin ("Wiener Institut für Wirtschaftsforschung") in der Periode 1938/1945 durchlebte das 1945 als "Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung" wiederhergestellte Institut nach dem Krieg eine sehr politiknahe Phase, in der es Notariats- oder "Kronzeugenfunktion" für die Entwicklung in Österreich übernahm. Das Institut zeichnet sich dann durch eine frühe Rezeption des Keynesianismus aus, aber auch von strukturpolitischen Erwägungen, modernen ökonometrischen Methoden und Modellbau. Gegenüber anderen Forschungsinstitutionen sind ein stärkerer proaktiver Ansatz der Politikberatung und eine stärkere Betonung von Beschäftigungs- und Verteilungsfragen zu erkennen sowie eine frühe Analyse von Umweltthemen.

Die 1990er-Jahre waren geprägt durch eine Internationalisierung von Auftraggebern und Themen, durch die starke Vernetzung mit ausländischen Institutionen und Universitäten, wobei das WIFO mit Themen wie Wettbewerbsfähigkeit, Innovationen, Input-Output-Modell und der Umweltbereich ein Vorreiter war. In der Periode von EU-Beitritt, Osterweiterung und Globalisierung befürwortete das Institut immer die Öffnung der österreichischen Wirtschaft. Es betont auch, dass in der globalisierten Wirtschaft eine nationale Wirtschaftspolitik notwendig und möglich ist. Heute entwickelt das WIFO Strategien, wie in Österreich Wachstum und Vollbeschäftigung gesichert werden können, welche Optionen in der Steuerstruktur gegeben sind und wie die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte erfolgen kann. Das Institut übernimmt dabei "Kompassfunktion", allerdings mit der Betonung, dass die Ziele von der Politik vorgegeben werden müssen und die Forschung nur Optionen nennen kann.

Heute ist das WIFO in fünf Forschungsbereiche gegliedert, die ihm erlauben, sich auf die zentralen wirtschaftspolitischen Probleme Österreichs und Europas zu konzentrieren. Diese Fokussierung der Forschung und ein professionelles Projektmanagement waren die Grundlage dafür, 2012 das größte sozialökonomische Forschungsprogramm der EU als Koordinator von 32 Partnerinstitutionen zu übernehmen. Die Konkurrenz für das Institut wächst durch Internationalisierung ebenso wie durch die Ausweitung der ökonomischen Expertise an Universitäten, Ministerien und Banken, sodass das WIFO in seiner Rolle als Qualitätsführer immer wieder gefordert ist, die wissenschaftliche Qualität weiter zu steigern.

Das WIFO wurde vom "Kronzeugen" der Entwicklung in Österreich zum "Kompass" einer vorausschauenden Wirtschaftspolitik und sollte künftig "Kreativzentrum" für die Entwicklung eines Wirtschaftsmodelles sein, das wirtschaftliche Effizienz und Dynamik mit sozialem Ausgleich, Vollbeschäftigung und ökologischer Nachhaltigkeit verbindet. Auch müssen Ideen entwickelt werden, um die Stabilität des Wirtschaftssystems zu erhöhen, der Realwirtschaft wieder eine stärkere Rolle zukommen zu lassen und dies in einer offenen solidarischen Gesellschaft mit stark differenzierten Bedürfnissen.

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Tintner, G., Handbuch der Ökonometrie, Springer, Berlin, 1960.

 

WIFO's 85th Anniversary: Considerations on the History and Future of the Institute – Summary

Today, WIFO is the quality leader in the field of Austrian economic analysis and policy consulting, and is increasingly undertaking competitively awarded studies and contracts for the European research scene. Already at its foundation 85 years ago the Institute employed a model of independent applied research with a broad spectrum of stakeholders including the social partners that was unusual for its time, and it was able from its earliest days to obtain international funds through the Rockefeller Foundation, i.a., through contacts by Friedrich A. von Hayek, its first head and later Nobel laureate, and contracts awarded by the League of Nations through the agency of Gottfried von Haberler. Today the challenge is to analyse cyclical and medium term growth as well as the competitive strength of Austria and Europe in an open and globalising environment, and to draw up reform concepts for a socio-economic model where ever greater importance is accorded to the new priorities of openness, dynamics, social security and inclusivity, as well as ecological sustainability and transformation. This remit can be served only through excellent human capital, competent organisation and a multiplicity of methods and paths to knowledge.

 

 

 



[a])  Auch die Absicht, die Kreditwürdigkeit Österreichs (durch ein "Länder-Rating") objektiv zu analysieren, zählte zu den Gründungsideen. Eine Ausstellung des Österreichischen Institutes für Konjunkturforschung in London 1930 präsentierte den Gläubigerstaaten die Leistungsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und festigte Österreichs Kreditwürdigkeit (Mautner Markof - Nemschak, 1952, S. 13).

[b])  Eine Finanzierung durch die Rockefeller Foundation führte zur Herausgabe einer Buchreihe mit zehn theoretischen Abhandlungen zur theoretischen Konjunkturforschung ("Beiträge zur Konjunkturforschung", publiziert im Julius Springer Verlag mit Arbeiten von Hayek (2), Machlup (2), Morgenstern, Schiff, Strigl, Tintner, Wald, Nurkse; vgl. Mautner Markhof - Nemschak, 1952).

[c])  Wie Steindl (1988) betont, konnten viele der besten österreichischen Nationalökonomen nicht erwarten, eine Professur an einer österreichischen Universität zu bekommen.

[d])  "Das Bild, das sich so darbietet, entspricht der typischen Konstellation der Kurven am Beginn einer Depressionsperiode"; WIFO-Monatsberichte, 1928, 2(12), S. 188. Die Schlussfolgerung wurde aus der Beobachtung von drei Indikatoren gezogen: einem Rückgang des Aktienkursindex als Indikator für den "Effektenmarkt", dem Rückgang des Index des Geschäftsganges als Indikator für den "Warenmarkt" und einem Anstieg des Kreditzinssatzes (einem Indikator, der wieder aus drei Komponenten bestand).

[e])  Die Aufnahme zusätzlicher Kredite wird kritisiert, weil diese für unproduktive Staatsaufgaben verwendet werden könnten; dies würde die Grundlage der Erholung zerstören. Dieser Weg, der ähnlich jenem in den USA wäre, sei eine "subtilere Inflationslösung" (Tichy, 1973, S. 87).

[f])  Schon in der Zwischenkriegszeit gab es Finanzierung durch die Rockefeller Foundation sowie Auftragsarbeiten für den Völkerbund, nach dem Krieg im Rahmen der ERP-Programme.

[g])  Mit der Zeit zwischen 1938 und 1945 befasst sich Butschek (2012), in diesem Heft.

[h])  Das WIFO betreibt strategische Datenentwicklung in Bereichen, in denen es Defizite erkennt, in denen Analysebedarf besteht, aber keine Information verfügbar ist, und in denen in Österreich internationale Defizite bestehen. Es begegnet Defiziten durch eigene Umfragen (die auch über Konjunkturfragen hinausgehen) und aktualisiert Daten mit modernen Zeitreihenanalysen und Schnellschätzungen.

[i])  Das DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung) hat ebenfalls einen Schwerpunkt im Umweltbereich.

[j])  Die Finanzmarktkrise schwelte nach der "Subprime-Krise" im Immobiliensektor der USA über ein Jahr, bis sie nach dem Konkurs von Lehman Brothers den Realsektor und den Weltmarkt voll erfasste. Das WIFO hatte schon früh auf die Risiken der Immobilienpreisblase in den USA hingewiesen und Anfang 2008 von der Verschlechterung der Konjunktur berichtet. Allerdings wuchsen Beschäftigung und Produktion im 1. Halbjahr 2008 noch, sodass die Prognose für 2008 im Juni noch geringfügig angehoben wurde (Podcast der ORF-Pressestunde vom 12. Oktober 2008: http://karl.aiginger.wifo.ac.at/index.php?id=23#c232).

[k])  Das WIFO stellte Anfang Oktober neben die "Standardprognose" für das BIP von +0,9% eine "Risikoprognose" von -0,3% und betonte in allen Beratungen, dass jedenfalls von der Risikoprognose ausgegangen werden sollte, weil die Gefahr bestünde, dass auch sie von der Realität laufend überholt werden könnte. Im Dezember wurde ein Rückgang der Wirtschaftsleistung um 0,5% prognostiziert. Auch das war niedriger als die tatsächliche Rate von -3,8%, aber zum ersten Mal überhaupt prognostizierte das WIFO im laufenden Jahr einen Rückgang des BIP für das kommende Jahr.

[l])  Methodische Ansätze sind u. a. makroökonomische, sektorale, regionale Modelle, Mikrosimulationen, Zeitreihenanalyse, mikroökonomische Wirkungsanalysen. Die experimentelle Ökonomie wird bisher nicht angewandt.

[m])  Zwei der Leitungspositionen sind temporär (mit einer Obergrenze von vier Jahren), der Leiter und der Finanzkoordinator haben Fünfjahresverträge mit der Möglichkeit der Verlängerung (ohne Obergrenze).

[n])  Die fünf Forschungsbereiche sind: "Makroökonomie und europäische Wirtschaftspolitik", "Arbeitsmarkt, Einkommen und soziale Sicherheit", "Industrieökonomie, Innovation und internationaler Wettbewerb", "Strukturwandel und Regionalentwicklung", "Umwelt, Landwirtschaft und Energie" (http://www.wifo.ac.at).

[o])  Aus einer "Hilfskraft" - wie der erste Mitarbeiter oder wahrscheinlich die erste Mitarbeiterin von Friedrich A. von Hayek (im "Institut für Konjunkturforschung") genannt wurde - wurden durch Weiterbildung und Neugestaltung des Anforderungsprofils "Wissenschaftliche Assistentinnen und Assistenten", "Verwaltungskräfte" entwickelten sich zu hochqualifizierten Dienstleisterinnen und Dienstleistern.

[p])  Schon früher wurden Projekte von WIFO-Mitarbeitern und Konsulenten durch die Rockefeller Foundation und den Völkerbund finanziert.

[q])  Die anderen Strategieelemente sind: Qualitätssicherung (einschließlich der Datenqualität) und Fokussierung der Forschungsthemen.

[r])  "WWWforEurope: Europe moving towards a new path of economic growth and social development" (SSH.2011.1.2-1).