WIFO

 

Österreichs Wirtschaft im Jahr 2011: Erholung verstärkt sich

 

Im Jahr 2011 expandierte die heimische Wirtschaftsleistung real um über 3%. Nach einem Wirtschaftswachstum von 2,3% im Jahr 2010 verstärkte sich somit die Erholung nach der Krise 2008/09. Der Außenbeitrag lieferte in der ersten Jahreshälfte 2011 wichtige Impulse. Auch die Nachfrage nach Investitionen wurde erheblich gesteigert. Die anhaltende Rohstoffverteuerung ließen die Inflationsrate auf 3,3% und damit auf den höchsten Wert seit 1993 steigen. Die günstige Wirtschaftsentwicklung erlaubte eine kräftige Ausweitung der Beschäftigung.

 

Die einzelnen Kapitel dieses Berichts werden jeweils von den Autorinnen und Autoren gezeichnet.

 

INHALT

Finanzmarktturbulenzen belasten Entwicklung im Euro-Raum

Österreich: Verstärkte Erholung nach der Krise

Warenproduktion sehr dynamisch

Staatsschuldenkrise prägt geldpolitische Maßnahmen der EZB

Zusätzliche Liquidität nicht in den Geldkreislauf gelangt

Überdurchschnittlicher Kursverfall an der Wiener Börse

Neue EU-Institutionen zur Beaufsichtigung des Finanzsektors

Anzeichen für Belebung des inländischen Interbankenmarktes

EU-Scoreboard deutet hohen Verschuldungsgrad des Privatsektors an

Eigenkapitalrendite 2011 merklich geschrumpft

Abschwächung der Exportdynamik

Leichte Einbußen an preislicher Wettbewerbsfähigkeit

Handelsbilanz deutlich verschlechtert

Tourismus verliert weiterhin Marktanteile

Tourismus bleibt wichtige gesamtwirtschaftliche Wertschöpfungskomponente

Tourismus als bedeutender Beschäftigungsgenerator

Konsum wichtige Stütze der Wirtschaftsentwicklung

Sparquote weiter gesunken – Stabiles Konsumwachstum

Geldvermögen stagniert

Lebhafte Pkw-Nachfrage bei Eintrübung der Konsumentenstimmung

Überaus günstiger Geschäftsgang im Kfz-Handel

Inflationsverlauf durch Mineralölprodukte und Tourismusdienstleistungen geprägt

Herbstlohnrunde bringt für 2011 mäßige Lohnsteigerungen

Höhere Abschlüsse in der Frühjahrslohnrunde

2011 neuerlich kein Realeinkommenszuwachs

Reallohneinkommen steigen 2012

Weiterhin starker Beschäftigungsanstieg, Arbeitslosigkeit sinkt bis Jahresmitte

Selbständigenzahl steigt weiter

Ende der Übergangsfristen für Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern

Beschäftigungszuwachs in fast allen Wirtschaftsbereichen

Vollzeitbeschäftigung wächst rascher als Teilzeitarbeit

Arbeitslosigkeit trotz beträchtlicher Beschäftigungsausweitung nur wenig gesunken

Sachgüterkonjunktur lässt in der zweiten Jahreshälfte nach

Bauwirtschaft wächst 2011 kräftig

Witterungsbedingter Rückgang des Energieverbrauches

Verkehrswirtschaft 2011: Stabilisierung und Aufschwung

Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen von Transport und Verkehr

Entwicklung der Treibstoffpreise

Entwicklungen im Güterverkehr

Personenverkehr und Fahrzeugmarkt

Gutes Ergebnis der Landwirtschaft trotz Vorleistungsverteuerung

Einkommen nahe dem Höchstwert von 2007

Erhebliche Ausweitung des Produktionswertes in Pflanzenbau und Tierhaltung

Ausgaben für Vorleistungen 2011 wieder kräftig gestiegen

Agraraußenhandel weiterhin lebhaft

Landwirtschaftliche Einkommen auch in der EU deutlich gestiegen

Holzpreise neuerlich gestiegen

Holzverarbeitende Industrie expandiert

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. 8

Übersicht 2: Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen. 9

Übersicht 3: Außenhandel, Zahlungsbilanz. 10

Übersicht 4: Inländische Verwendung (laut ESVG 1995) 11

Übersicht 5: Verteilung des Nettonationaleinkommens. 12

Übersicht 6: Preise und Einkommen. 13

Übersicht 7: Arbeitsmarkt, Arbeitsstückkosten, Produktivität 14

Übersicht 8: Änderungen der Zinssätze des Eurosystems und der OeNB. 16

Übersicht 9: Ausgewählte Aktiva und Passiva des österreichischen Bankensystems. 21

Übersicht 10: Österreichs Außenhandel im Überblick. 24

Übersicht 11: Entwicklung des Außenhandels nach Ländern und Regionen 2011. 26

Übersicht 12: Österreichs Marktanteile im Außenhandel 29

Übersicht 13: Österreichs Energieimporte. 31

Übersicht 14: Entwicklung des Außenhandels nach Warengruppen 2011. 32

Übersicht 15: Übernachtungen in Österreich nach der Herkunft 34

Übersicht 16: Privater Konsum, persönlich verfügbares Einkommen, Konsumquote. 39

Übersicht 17: Geldvermögensbildung und Finanzierung des privaten Haushaltssektors. 41

Übersicht 18: Entwicklung des privaten Konsums im längerfristigen Vergleich. 44

Übersicht 19: Entwicklung der Umsätze im Handel 46

Übersicht 20: Preise und Beschäftigung im Handel 47

Übersicht 21: Entwicklung des Verbraucherpreisindex. 49

Übersicht 22: Entwicklung der Rohstoff- und Großhandelspreise. 53

Übersicht 23: Entwicklung des harmonisierten Verbraucherpreisindex. 55

Übersicht 24: Inflationsunterschiede 2011 zwischen Österreich, dem Durchschnitt des Euro-Raumes und Deutschland laut harmonisiertem Verbraucherpreisindex. 57

Übersicht 25: Lohnrunde 2011. 60

Übersicht 26: Tariflohnindex 2006. 62

Übersicht 27: Löhne und Einkommen. 63

Übersicht 28: Der Arbeitsmarkt im Überblick. 66

Übersicht 29: Ausländische Arbeitskräfte in Österreich. 68

Übersicht 30: Unselbständige Beschäftigung nach Branchen im Jahr 2011. 69

Übersicht 31: Atypische Beschäftigungsformen. 70

Übersicht 32: Arbeitslose und Personen in AMS-Kursmaßnahmen nach Geschlecht und Alter 71

Übersicht 33: Arbeitslose nach Geschlecht und höchster abgeschlossener Ausbildung. 72

Übersicht 34: Indikatoren für die Sachgütererzeugung. 74

Übersicht 35: Kennzahlen zur Konjunkturlage der Herstellung von Waren 2011. 75

Übersicht 36: Produktionswert des Bauwesens. 79

Übersicht 37: Auftragslage im Bauwesen. 80

Übersicht 38: Beschäftigte, offene Stellen und Arbeitslose in der Bauwirtschaft 81

Übersicht 39: Produktionswert der Bauzulieferbranchen. 82

Übersicht 40: Preisindex des Hoch- und Tiefbaus. 82

Übersicht 41: Entwicklung der Energiepreise. 85

Übersicht 42: Verbrauch von Mineralölprodukten. 86

Übersicht 43: Erdgas. 86

Übersicht 44: Elektrischer Strom.. 87

Übersicht 45: Güterverkehr 88

Übersicht 46: Arbeitslosigkeit im Verkehrssektor 89

Übersicht 47: Personenverkehr 94

Übersicht 48: Neu- und Gebrauchtzulassungen von Kraftfahrzeugen. 95

Übersicht 49: Erzeugung, Wertschöpfung und Einkommen in der österreichischen Landwirtschaft 99

Übersicht 50: Subventionen und Steuern in der österreichischen Landwirtschaft 100

Übersicht 51: Agraraußenhandel 2010. 101

Abbildung 1: Entwicklung des Zinsabstandes für Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark) zu Deutschland  18

Abbildung 2: Eigenkapitalquote der Kreditinstitute im internationalen Vergleich. 22

Abbildung 3: Aktuelle Entwicklung der realen Warenexporte laut VGR. 24

Abbildung 4: Beurteilung der Exportaufträge und Erwartungen der österreichischen Industrie. 25

Abbildung 5: Österreichs Handelsbilanz. 30

Abbildung 6: Entwicklung der internationalen Touristenankünfte weltweit und in Europa. 33

Abbildung 7: Entwicklung der Aufenthaltsdauer von in- und ausländischen Gästen in Österreich. 36

Abbildung 8: Österreichs Marktanteil am internationalen Tourismus. 37

Abbildung 9: Struktur der Veranlagungen des privaten Haushaltssektors. 42

Abbildung 10: Vermögensaufbau und Verschuldung des privaten Haushaltssektors. 43

Abbildung 11: Entwicklung des saisonbereinigten Vertrauensindex. 45

Abbildung 12: Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise. 51

Abbildung 13: Preisindizes für ausgewählte Nahrungsmittel in Österreich. 52

Abbildung 14: Verbraucherpreisindizes für Wohnungsaufwand und Haushaltsenergie. 54

Abbildung 15: Index der Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Geschäftslage. 77

Abbildung 16: Konjunkturbeurteilung der Unternehmen. 78

Abbildung 17: Gewichtete Heizgradsummen für Österreich. 84

Abbildung 18: Entwicklung des Güter- und Personenverkehrs. 90

Abbildung 19: Treibstoffpreise. 91

Abbildung 20: Faktoreinkommen in der Landwirtschaft und Anteil der Landwirtschaft an den Erwerbstätigen. 96

Abbildung 21: Holzversorgung und Holzpreise. 103

 

 

Die Weltwirtschaft wuchs 2011 abermals kräftig (knapp +4%), die Erholung nach der schweren Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 hielt damit an. Viele Volkswirtschaften erreichten jedoch nach wie vor nicht das vor der Krise gemessene Produktionsniveau. Geld- und Fiskalpolitik blieben in der Folge vielfach weiterhin expansiv ausgerichtet.

In den USA entwickelte sich die Wirtschaftsleistung 2011 vergleichsweise verhalten. Das BIP stieg im Jahresdurchschnitt um 1,7%, wobei sich die Dynamik im Jahresverlauf verstärkte. Einmal mehr erwies sich der Konsum der privaten Haushalte als wichtigste Triebfeder der Expansion. Er wurde real um 2,2% ausgeweitet und trug damit 1,5 Prozentpunkte zum Wirtschaftswachstum bei. Auch die Bruttoanlageinvestitionen wurden deutlich gesteigert (real +6,8%), ihr Wachstumsbeitrag erreichte 0,8 Prozentpunkte. Während der Nettoexport keinen Beitrag zum Wirtschaftswachstum lieferte, belasteten der Rückgang der Lagerinvestitionen wie auch die Einschränkung des öffentlichen Konsums das Ergebnis. Das Handelsbilanzdefizit der USA stieg auch 2011. Nachdem es sich im Zuge der Rezession 2008 deutlich verringert hatte, verschlechtert sich der Saldo seit dem Frühjahr 2009 wieder. 2011 erreichte der Fehlbetrag rund 560 Mrd. $, nach etwa 500 Mrd. $ im Jahr zuvor.

Das Platzen der Immobilienpreisblase ließ die Wohnbauinvestitionen das sechste Jahr in Folge sinken (2011 real 1,3%), jedoch war auf Basis von saisonbereinigten Daten im Jahresverlauf teilweise wieder eine Zunahme zu beobachten. Die Immobilienpreise waren anhaltend rückläufig. Zum Jahresende lag der Case-Shiller-Index um 4% unter dem Niveau des Vorjahres. Ebenfalls schleppend verlief die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt. Die um Saisoneffekte bereinigte Arbeitslosenquote lag Anfang 2011 bei 9,1% und zum Jahresende immer noch bei 8,5%. Seit ihrem Höchststand von 10% im Oktober 2009 ist sie damit um nur 1,5 Prozentpunkte gesunken. Auch die Beschäftigung profitierte bislang kaum von der Erholung der Wirtschaft. In den Jahren 2008 und 2009 gingen netto 8,6 Mio. Stellen verloren. 2010 und 2011 wurden in Summe 2,9 Mio. Arbeitsplätze geschaffen, das Beschäftigungsniveau vor der Krise wurde damit noch bei weitem nicht erreicht.

Da die Wirtschaft der USA die Folgen der Krise der Jahre 2008/09 auch 2011 noch nicht überwunden hatte, blieben Geld- und Fiskalpolitik über den gesamten Jahresverlauf expansiv ausgerichtet. Die Notenbank beließ den Leitzinssatz das dritte Jahr in Folge bei nahezu 0% und setzte auch ihr Wertpapierankaufsprogramm fort. Die Regierung verlängerte ihre konjunkturstimulierenden Maßnahmen über das Jahresende hinaus (z. B. Bezugsdauer von Arbeitslosengeld, Senkung der Sozialversicherungssteuer). Das Budgetdefizit sank 2011 nur marginal auf 8,7% des BIP. Die erhebliche Energieverteuerung ließ die Inflationsrate in den USA 2011 deutlich steigen. Nach 1,6% im Jahr 2010 erreichte sie 2011 3,1%.

Chinas Wirtschaft wuchs auch 2011 kräftig, während das BIP in Japan schrumpfte.

Die chinesische Wirtschaft wuchs 2011 um 9,2% und damit etwas schwächer als 2010. In der ersten Jahreshälfte zeigten sich Überhitzungserscheinungen in Form einer Beschleunigung der Inflation und eines raschen Anstieges der Immobilienpreise. Als Reaktion darauf schlug die Zentralregierung einen restriktiveren geldpolitischen Kurs ein. Gegen Jahresende ließ die Wirtschaftsdynamik jedoch wieder nach, und die Notenbank sah sich zu einer Lockerung der Geldpolitik veranlasst. Im Durchschnitt des Jahres 2011 stiegen die Verbraucherpreise um 5,5%, nach 3,3% 2010.

Für die japanische Wirtschaft war 2011 eine besonders schwierige Phase. Die Folgen der Erdbebenkatastrophe und der Flutwelle ließen die gesamtwirtschaftliche Produktion im 1. Halbjahr deutlich sinken. Nach real 1,8% im I. Quartal sank das BIP auch im II. Quartal um 0,3%. Die Wiederaufbauarbeiten bewirkten einen merklichen Produktionsanstieg (III. Quartal +1,7%), jedoch war gegen Jahresende erneut ein Rückschlag zu verzeichnen (IV. Quartal 0,2%). Für das gesamte Jahr ergibt sich ein Rückgang des BIP um real 0,7%. Trotz der Energieverteuerung sanken die Verbraucherpreise weiter (0,3%). Die Deflationsphase dauert damit schon über zehn Jahre.

Finanzmarktturbulenzen belasten Entwicklung im Euro-Raum

Die exportorientierten Volkswirtschaften des Euro-Raumes profitierten auch 2011 von der guten Konjunktur in Übersee, sodass die Erholung anhielt. In zahlreichen anderen Ländern der Währungsunion war nach wie vor keine Besserung der Wirtschaftslage zu verzeichnen.

Die bereits 2010 beobachtete Wachstumskluft zwischen den Ländern im Euro-Raum weitete sich 2011 aus. Während exportorientierte Volkswirtschaften wie Schweden, Finnland, Deutschland und Österreich am Aufschwung der Wirtschaft in Übersee teilhatten und Wachstumsraten des BIP von 3% und darüber erzielten, fehlten in vielen Ländern des Euro-Raumes Konjunkturimpulse. Daher ergab sich auch keine automatische Entlastung der öffentlichen Haushalte über die Einnahmenseite, sodass diese Länder eine Budgetsanierung durch diskretionäre Maßnahmen anstreben müssen. Dies belastete deren Wirtschaftsentwicklung abermals. Im Durchschnitt des Euro-Raumes verlangsamte sich das Wachstum 2011 gegenüber dem Vorjahr von 1,9% auf 1,5%. In den neuen EU-Ländern in Ostmitteleuropa (Beitritt 2007) verstärkte sich hingegen das Wirtschaftswachstum im Durchschnitt von 2,5% auf 3,2%.

Im Gegensatz zu den USA verlor die Wirtschaft des Euro-Raumes im Jahresverlauf  immer mehr an Dynamik. War das BIP im I. Quartal gegenüber der Vorperiode real noch um 0,7% gewachsen, so stagnierte die Wirtschaft im II. und III. Quartal nahezu (+0,1%) und schrumpfte gegen Jahresende sogar (0,3%). Für den Jahresdurchschnitt ergab sich ein Wirtschaftswachstum von 1,5%.

Sämtliche Hauptkategorien der Nachfrage waren von der Konjunkturschwäche betroffen. Der Konsum der privaten Haushalte expandierte 2011 im Euro-Raum real um nur 0,2%, und der öffentliche Konsum stagnierte. Das Wachstum wurde von den Bruttoinvestitionen (real +1,8%) und vom Außenbeitrag getragen. Gegen Jahresende schrumpften alle Komponenten im Vorperiodenvergleich. Weil jedoch der Import stärker zurückging als der Export, wirkte der Außenbeitrag positiv.

Die schwierige wirtschaftliche Lage verschärfte 2011 im Euro-Raum die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt. Während die Beschäftigung im Jahresdurchschnitt um 0,2% ausgeweitet wurde (EU insgesamt +0,3%), stieg die saisonbereinigte Arbeitslosenquote von 10,0% Anfang 2011 auf 10,6% zum Jahresende (EU insgesamt von 9,5% auf 10,0%). Auch hier divergierte die Entwicklung zunehmend zwischen den Euro-Ländern. Im Euro-Raum insgesamt betrug die Arbeitslosenquote 2011 10,2%. Am niedrigsten war sie mit 4,2% in Österreich, am höchsten mit 21,7% in Spanien. In Deutschland, dem größten Euro-Land, lag die Quote 2011 bei 5,9%. Besorgniserregend ist die Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit: Während sich die Arbeitslosenquote der unter 25-Jährigen 2011 im Euro-Raum insgesamt gegenüber dem Vorjahr sogar geringfügig verringerte (von 20,9% auf 20,8%), erreichte sie in einigen Ländern alarmierende Werte in Portugal und Italien lag sie bei rund 30%, in Griechenland bei 44,4% und in Spanien bei 46,4%.

Der bereits 2010 beobachtete Vertrauensschwund der Finanzmärkte in die Bonität einiger Mitgliedstaaten des Euro-Raumes verstärkte sich und griff auf weitere Länder über. In Griechenland trieb die Erwartung eines teilweisen Schuldenausfalls die Rendite für langfristige Staatsanleihen von 11,6% Anfang 2011 auf 36,6% zum Jahresende. In Portugal erhöhte sich der Zinssatz im selben Zeitraum von 6,8% auf 13,1% und in Italien von 4,6% auf 6,5%. In Irland ließ der deutliche Zinsauftrieb ab der Jahresmitte wieder nach. In Spanien blieb das Zinsniveau im Jahresverlauf 2011 indessen relativ konstant. Für Deutschland war in diesem Zeitraum sogar ein deutlicher Rückgang des langfristigen Zinssatzes um rund 1 Prozentpunkt zu beobachten. In einigen anderen Ländern, etwa Frankreich und Österreich, fiel der Rückgang etwas geringer aus (0,3 Prozentpunkte).

Die Krise im Finanzsektor konnte auch 2011 nicht überwunden werden. Die zweifelhaft gewordenen Forderungen einiger systemrelevanter Kreditinstitute gegenüber Staaten des Euro-Raumes belasteten deren Kreditwürdigkeit. In der Folge verloren die Aktien der betroffenen Institute im Jahresverlauf bis zu 70% ihres Wertes. Eine Kapitalaufstockung auf dem Kapitalmarkt zur Verbesserung der Eigenkapitalausstattung wurde dadurch behindert.

Die anhaltende Rohölverteuerung ließ 2011 auch die Verbraucherpreise in der EU deutlich steigen. Die Inflationsrate erhöhte sich um 1 Prozentpunkt auf einen Jahresdurchschnitt von 3,1% (Euro-Raum von 1,6% auf 2,7%). Auch die Kerninflationsrate stieg, wenngleich in geringerem Ausmaß, von 1,5% auf 2,1% (Euro-Raum von 1,0% auf 1,7%).

Die EZB erhöhte im Herbst 2011 den Leitzinssatz in zwei Schritten um jeweils 25 Basispunkte, sah sich aber in weiterer Folge gezwungen, diese Maßnahme noch vor Jahresende wieder zurückzunehmen. Die Probleme im Bankenbereich im Zusammenhang mit der Staatsschuldenkrise erforderten eine anhaltend expansive Geldpolitik. Die EZB stellte daher den Banken im Euro-Raum im Dezember 2011 und im Februar 2012 jeweils rund 500 Mrd. € an zusätzlicher Liquidität für mehrere Jahre zu einem günstigen Zinssatz zur Verfügung.

Österreich: Verstärkte Erholung nach der Krise

Das BIP stieg 2011 in Österreich um 3,1% und damit stärker als im Jahr zuvor. Der durch die Rezession 2008/09 entstandene Produktionsausfall wurde dadurch wieder wettgemacht.

Für die österreichische Wirtschaft verlief das Jahr 2011 überaus erfolgreich, die gesamtwirtschaftliche Produktion stieg real um 3,1%. Sämtliche Hauptkomponenten der Nachfrage lieferten positive Beiträge zum Wachstum. Der Export expandierte mit real +6,7% kräftig, jedoch nicht mehr so stark wie im Jahr zuvor. Besonders lebhaft entwickelte sich die internationale Nachfrage nach heimischen Waren (real +7,7%). Aufgrund des Nachlassens der Konjunktur im Ausland verlor der heimische Außenhandel im Verlauf des Jahres mehr und mehr an Schwung. Zum Jahresende war der Export gegenüber der Vorperiode bereits rückläufig.

 

Übersicht 1: Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage

Real

 

2008

2009

2010

2011

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Konsumausgaben insgesamt

+1,7

0,1

+1,5

+1,1

Private Haushalte1)

+0,8

0,3

+2,2

+0,6

Staat

+4,4

+0,2

0,2

+2,7

Bruttoinvestitionen

1,8

11,9

+3,6

+14,0

Bruttoanlageinvestitionen

+0,7

8,3

+0,1

+5,7

Ausrüstungen

0,7

9,7

+4,3

+11,3

Bauten

+1,0

7,6

2,9

+2,6

Inländische Verwendung

+0,6

2,9

+1,9

+3,1

Exporte

+1,4

14,3

+8,3

+6,7

Importe

±0,0

13,8

+8,0

+7,0

 

Bruttoinlandsprodukt

+1,4

3,8

+2,3

+3,1

Q: Statistik Austria, WIFO. 1) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

 

Ein weiterer wichtiger Wachstumstreiber waren 2011 die Bruttoanlageinvestitionen. Nach einem scharfen Rückgang im Jahr 2009 um real über 8% war die Investitionsnachfrage 2010 noch sehr zurückhaltend (+0,1%). Erst 2011 sprang die Nachfrage an, das Investitionsvolumen stieg um 5,7%. Besonders kräftig zogen die Ausrüstungsinvestitionen an (real +11,3%). Insbesondere in Fahrzeuge wurde deutlich mehr investiert. Hingegen entwickelten sich die Bauinvestitionen verhalten: Nach der empfindlichen Einschränkung 2009 und 2010 wurden sie 2011 um nur 2,6% ausgeweitet. Die Investitionen in Wohnbauten wuchsen mit +3,8% überdurchschnittlich.

 

Übersicht 2: Bruttowertschöpfung zu Herstellungspreisen

Real

 

2008

2009

2010

2011

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

+5,8

15,9

5,5

+4,1

Bergbau

+20,4

2,8

0,3

7,9

Herstellung von Waren

+0,9

15,3

+7,4

+10,4

Energie-, Wasserversorgung; Abfallentsorgung

2,5

+3,2

+3,8

+10,3

Bauwesen

1,1

7,5

3,0

+2,7

Handel

3,0

+0,7

+3,1

+0,1

Verkehr

+1,3

7,9

1,1

+2,9

Beherbergung und Gastronomie

+3,2

1,5

+1,8

0,5

Information und Kommunikation

+0,2

3,6

3,7

1,5

Kredit- und Versicherungswesen

+4,9

+9,5

+6,9

+6,0

Grundstücks- und Wohnungswesen

+3,0

0,7

0,6

0,1

Sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen1)

+5,8

5,5

+5,0

+2,8

Öffentliche Verwaltung2)

+2,9

0,1

+0,4

+1,2

Sonstige Dienstleistungen

+1,9

1,4

+1,7

+0,5

 

Wertschöpfung der Wirtschaftsbereiche3)

+1,6

4,2

+2,3

+3,2

Bruttoinlandsprodukt

+1,4

3,8

+2,3

+3,1

Q: Statistik Austria, WIFO. 1) Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen, technischen und sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (ÖNACE M bis N). 2) Einschließlich Sozialversicherung, Verteidigung, Erziehung, Unterricht, Gesundheits- und Sozialwesen (ÖNACE O bis Q). 3) Vor Abzug der Gütersubventionen und vor Zurechnung der Gütersteuern.

 

 

 

Übersicht 3: Außenhandel, Zahlungsbilanz

 

2008

2009

2010

2011

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Exporte, Waren

Nominell

+2,5

20,2

+16,7

+11,7

Real

+0,5

16,8

+12,8

+7,5

Importe, Waren

Nominell

+4,7

18,4

+16,5

+15,0

Real

+0,6

14,3

+10,3

+7,5

Terms-of-Trade

2,0

+0,7

2,0

2,9

Handelsbilanz (laut Statistik Austria)

Mrd. €

2,04

3,83

4,28

8,59

In % des BIP

0,7

1,4

1,5

2,9

Leistungsbilanz

Mrd. €

+13,76

+7,49

+8,62

+5,86

In % des BIP

+4,9

+2,7

+3,0

+1,9

Q: OeNB, Statistik Austria, WIFO.

 

Nachdem der private Konsum 2009 angesichts der Unsicherheit über die künftige Wirtschaftsentwicklung leicht rückläufig gewesen war, weiteten die privaten Haushalte ihre Konsumausgaben 2010 um 2,2% aus. 2011 folgte der Konsum der privaten Haushalte wieder einem flacheren Wachstumspfad (real nur +0,6%). Zwar stiegen die Haushaltseinkommen nominell merklich, jedoch war die Inflationsrate 2011 mit 3,3% die höchste seit 1993. Die Ausweitung des Konsums erforderte daher eine weitere Verringerung der Sparquote.

Aufgrund des Anstieges der Importpreise von Energierohstoffen und der regen Nachfrage nach Ausrüstungsinvestitionsgütern zog 2011 auch der Warenimportwert kräftig an. Die nominelle Wareneinfuhr (laut VGR) erhöhte sich mit knapp +15% ebenso stark wie 2010 (+15,3%) und wesentlich stärker als der Export (+11,9%). Das Warenhandelsdefizit laut Statistik Austria vergrößerte sich daher von 4,3 Mrd. € im Jahr 2010 auf 8,6 Mrd. €.

Warenproduktion sehr dynamisch

Auch 2011 expandierten die Warenproduktion und die Arbeitskräfteüberlassung in Österreich überdurchschnittlich. Die Wertschöpfung der Warenproduktion wurde mit über +10% sogar stärker gesteigert als 2010 (+7,4%) und erreichte damit wieder das Produktionsniveau vor der Krise (2009 15,3%). Die Beschäftigung stieg in der Warenproduktion 2011 kräftig (fast +2%), nachdem sie 2010 noch zurückgegangen war (1,3%). Hatten die Unternehmen 2010 angesichts der Konjunkturerholung ihre Personalkapazitäten zunächst überwiegend mit Leiharbeitskräften aufgestockt, so konnten viele dieser Stellen 2011 in die Stammbelegschaft übergeführt werden. Die Wertschöpfung der sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen, zu denen die Arbeitskräfteüberlassung zählt, expandierte 2011 mit knapp +3% etwas schwächer als 2010 (+5,0%).

 

Übersicht 4: Inländische Verwendung (laut ESVG 1995)

Zu laufenden Preisen

 

2011

2011

Mrd. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Bruttoinlandsprodukt

301,31

+5,3

Minus Exporte

170,64

+10,5

Plus Importe

161,66

+13,7

 

Inländische Verwendung

292,33

+6,7

Konsumausgaben insgesamt

219,73

+3,9

Private Haushalte1)

161,58

+3,5

Staat

58,15

+4,9

Bruttoinvestitionen

72,38

+16,9

Bruttoanlageinvestitionen

63,53

+8,4

Ausrüstungen

25,13

+13,2

Bauten

33,66

+6,0

Vorratsveränderung2)

8,85

Statistische Differenz

0,22

Q: Statistik Austria, WIFO. 1) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. 2) Einschließlich Nettozugang an Wertsachen.

 

 

 

Übersicht 5: Verteilung des Nettonationaleinkommens

Zu laufenden Preisen

 

2011

2011

Mrd. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Arbeitnehmerentgelte

149,67

+4,7

Betriebsüberschuss und Selbständigeneinkommen

118,94

+5,9

Produktionsabgaben minus Subventionen

32,70

+5,8

 

Bruttoinlandsprodukt

301,31

+5,3

Primäreinkommen an die übrige Welt

31,32

+9,4

Primäreinkommen aus der übrigen Welt

30,26

+11,6

 

Bruttonationaleinkommen

300,25

+5,5

Minus Abschreibungen

47,00

+2,0

 

Nettonationaleinkommen

253,25

+6,1

Laufende Transfers an die übrige Welt

4,90

+2,0

Laufende Transfers aus der übrigen Welt

2,56

+17,8

 

Verfügbares Nettonationaleinkommen

250,91

+6,3

Q: Statistik Austria, WIFO.

 

Der Tourismus entwickelte sich 2011 in Österreich verhalten. Zwar stieg die Zahl der Gästeankünfte aus dem In- und Ausland gegenüber dem Vorjahr um 3,7%, jedoch sank die durchschnittliche Aufenthaltsdauer. In der Folge erhöhte sich die Zahl der Nächtigungen um nur 0,9%. Weil sich die Ausgaben der Gäste gedämpft entwickelten, verringerten sich die Einnahmen im Reiseverkehr nach vorläufiger Rechnung real um 0,6%. Viele Tourismusbetriebe nahmen die in der Wirtschaftskrise 2008/09 gewährten Preisnachlässe 2011 zurück, sodass das durchschnittliche Preisniveau kräftig anzog. Dadurch ergab sich ein Zuwachs des nominellen Umsatzes von 3,6%.

Die Inflationsrate erreichte 2011 in Österreich gemessen am Verbraucherpreisindex mit 3,3% den höchsten Wert seit fast 20 Jahren (1993: 3,6%, 2008: 3,2%). Wie 2008 ging die kräftige Erhöhung des allgemeinen Preisniveaus insbesondere auf die erhebliche Verteuerung von Energieträgern zurück. Zwar gaben die Notierungen für Rohölprodukte ab dem Frühjahr 2011 wieder nach, zum Jahresende lagen sie aber noch weit über dem Vorjahresniveau. Im Jahr 2008 hatte der deutliche Anstieg des Euro-Dollar-Wechselkurses der Preissteigerung der in Dollar gehandelten Rohölprodukte entgegengewirkt. 2011 fiel dieser dämpfende Effekt hingegen geringer aus.

 

Übersicht 6: Preise und Einkommen

 

2008

2009

2010

2011

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Verbraucherpreise

+3,2

+0,5

+1,9

+3,3

Deflator des Bruttoinlandsproduktes

+1,8

+1,0

+1,8

+2,1

Exportpreise Waren

+2,0

4,1

+3,5

+3,9

Importpreise Waren

+4,0

4,7

+5,6

+7,0

Weltmarktrohstoffpreise (auf Dollarbasis)

+32,7

34,7

+28,9

+28,6

Terms-of-Trade

Waren und Dienstleistungen

1,4

+0,3

1,8

2,6

Waren

2,0

+0,7

2,0

2,9

 

Lohn- und Gehaltssumme1) in der Gesamtwirtschaft

+5,5

+0,8

+2,4

+4,7

Je Beschäftigungsverhältnis laut VGR

+3,2

+1,6

+1,2

+2,7

Q: Statistik Austria, WIFO. 1) Brutto, ohne Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung.

 

 

 

Übersicht 7: Arbeitsmarkt, Arbeitsstückkosten, Produktivität

 

2008

2009

2010

2011

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Arbeitskräfteangebot

Erwerbspersonen1)

+1,5

+0,1

+0,6

+1,7

Unselbständige2)

+1,3

±0,0

+0,5

+1,7

 

Arbeitslosenquote3)

5,9

7,2

6,9

6,7

 

Arbeitskräftenachfrage

Aktiv Erwerbstätige4)

+1,8

1,2

+0,9

+1,9

Unselbständig aktiv Beschäftigte4)

+1,7

1,5

+0,8

+1,9

Sachgütererzeugung5)

+1,7

5,3

1,3

+1,9

Ausländische Arbeitskräfte

+5,9

1,3

+4,6

+8,3

Geleistete Arbeitszeit pro Kopf (Beschäftigten), Sachgütererzeugung

0,5

3,6

+3,0

0,1

Beschäftigungsquote6)

65,7

64,7

65,0

65,9

 

Lohnstückkosten

Gesamtwirtschaft

+3,7

+4,7

0,3

+1,2

Sachgütererzeugung

+5,2

+15,1

5,7

4,5

 

Produktivität

BIP pro Kopf (Erwerbstätige; laut VGR)

0,7

2,9

+1,5

+1,4

Sachgütererzeugung je geleistete Beschäftigtenstunde

0,3

7,3

+5,6

+8,5

Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Arbeitsmarktservice Österreich, WIFO. 1) Unselbständig aktiv Beschäftigte (ohne Personen, die Kinderbetreuungsgeld beziehen, ohne Präsenzdiener + Selbständige + Arbeitslose. 2) Unselbständig aktiv Beschäftigte + Arbeitslose. 3) In % der unselbständigen Erwerbspersonen laut Arbeitsmarktstatistik. 4) Arbeitskräfteangebot ohne Arbeitslose. 5) Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. Bruch 2007/08 wegen Umstellung der Wirtschaftsklassifikation auf ÖNACE 2008; 2008: WIFO-Schätzung. 6) Anteil der aktiv Erwerbstätigen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre).

 

Obwohl die Wirtschaftsdynamik im Laufe des Jahres 2011 immer mehr abflachte, wurde die Beschäftigung kontinuierlich ausgeweitet. Im Jahresdurchschnitt stieg die Zahl der unselbständig aktiv Beschäftigten um 63.300 bzw. 1,9%. Auch gegen Jahresende blieb das Expansionstempo unverändert hoch. Sowohl in der Warenproduktion als auch im Dienstleistungsbereich wurden neue Stellen geschaffen. Wie in Aufschwungphasen üblich, nahm das Arbeitskräfteangebot zu. Dazu trug auch der Wegfall der Übergangsfristen für die Freizügigkeit der Arbeitskräfte aus einigen Ländern Ostmitteleuropas im Mai bei.

Wie in den letzten Jahren reagierte die Arbeitslosigkeit rasch auf die Veränderung der Konjunkturlage. Bereits Mitte 2011 begann die saisonbereinigte Zahl der Arbeitslosen zu steigen. Im Jahresdurchschnitt 2011 ergab sich dennoch gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang um 4.100 Personen. Die Arbeitslosenquote verringerte sich laut nationaler Berechnungsmethode von 6,9% im Jahr 2010 auf 6,7% im Jahr 2011. Die harmonisierte Arbeitslosenquote lag 2011 bei 4,2% und war damit die niedrigste in der gesamten EU. 2012 ist allerdings mit einem Anstieg der Arbeitslosenquote zu rechnen.

Marcus Scheiblecker (Marcus.Scheiblecker@wifo.ac.at)
Statistik: Christine Kaufmann (
Christine.Kaufmann@wifo.ac.at),
Roswitha Übl (
Roswitha.Uebl@wifo.ac.at)

Staatsschuldenkrise prägt geldpolitische Maßnahmen der EZB

Die geldpolitische Strategie der Europäischen Zentralbank (EZB) war 2011 durch den Gegensatz zwischen Stabilitätsorientierung nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank und der Unterstützung einiger Euro-Staaten geprägt, an deren Zahlungsfähigkeit die Anleger zunehmend zweifelten. Höhepunkte dieser Auseinandersetzung war der Rücktritt von Axel Weber (Februar 2011) und Jürgen Starck (September 2011) aus dem Direktorium der EZB, die sich vehement gegen den Direktankauf von Staatsanleihen durch die EZB gestellt hatten. Die EZB kaufte (Stand 23. März 2012) im Rahmen des Covered Bond Purchase Programme 1 seit 2. Juli 2009 Staatsanleihen um 57 Mrd. € direkt an, im Securities Market Programme folgten seit 14. Mai 2010 Ankäufe um 214 Mrd. € und im Covered Bond Purchase Programme 2 (seit 3. November 2011) sollen weitere 40 Mrd. € angekauft werden. Ziel dieser Operationen war die Beruhigung der Anleihemärkte für Staatspapiere der Länder an der Peripherie des Euro-Raumes. Dadurch sollte der jeweilige Zinsabstand zu deutschen Bundesanleihen vermindert und eine Stabilisierung der Schuldendynamik dieser Ländergruppe gesichert werden.

Die EZB versuchte 2011, die divergierenden Ziele einer restriktiven Zinspolitik und einer Stabilisierung des Kreditwesens in den Ländern an der Peripherie des Euro-Raumes zu vereinen.

Diese expansive Strategie wurde im II. Quartal 2011 um eine leicht restriktive Linie ergänzt, die an den günstigen Konjunkturindikatoren der ersten Jahreshälfte 2011 ausgerichtet war. Im April 2011 setzte die EZB eine geldpolitische Wende und steigerte erstmals seit Juli 2008 den Leitzinssatz für ihre Mengentender ausgehend von 1% für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte auf bis zu 1,5% (Übersicht 8). Die Zuteilung der Mengentender erfolgte weiterhin ohne Beschränkung. Doch schon im November machte die EZB diese Entwicklung unter der neuen Leitung von Mario Draghi mit einer Senkung der Leitzinssätze rückgängig. Begründet wurde diese Korrektur mit der erwarteten Rückkehr der Inflationsrate unter den Zielwert von höchstens 2% im Jahresverlauf 2012 sowie mit dem verlangsamten Geldmengenwachstum. Vermutlich waren jedoch die Turbulenzen auf den Anleihemärkten und der nur langsam voranschreitende Einigungsprozess über die Verlagerung fiskalpolitischer Kompetenzen von den Mitgliedsländern an die Europäische Union ausschlaggebend.

Auf dem europäischen Geldmarkt hielt Anfang 2011 der seit 2010 beobachtete Trend steigender Zinssätze für Taggeld und Dreimonatsgeld an. Der Taggeldsatz (EONIA) erhöhte sich bis zur Jahresmitte um etwa ½ Prozentpunkt. Erhöhte Zweifel über die Rückzahlungsfähigkeit der Finanzintermediäre entstanden vor allem im Gefolge der Staatsschuldenkrise. Der europäische Anleihemarkt war im 1. Halbjahr 2011 durch zunehmende Renditeabstände und Herabstufungen von Länderratings für die Peripherieländer geprägt. Am 6. Dezember 2011 setzte schließlich Standard & Poor's alle 15  Euro-Länder auf "negativen Ausblick" und weitete damit den Kreis der betroffenen Länder auf den gesamten Euro-Raum aus. Ein "negativer Ausblick" zeigt die mögliche Herabstufung des Länderratings innerhalb der nächsten drei Monate an[a]).

 

Übersicht 8: Änderungen der Zinssätze des Eurosystems und der OeNB

 

Einlagefazilität

Spitzenrefinanzierungsfazilität

Hauptrefinanzierungsgeschäft

Basiszinssatz

Referenzzinssatz

Mengentender

Zinstender

In %

 

14. März 2007

2,75

4,75

3,75

3,19

4,75

13. Juni 2007

3,00

5,00

4,00

3,19

5,25

 

9. Juli 2008

3,25

5,25

4,25

3,70

5,25

8. Oktober 2008

2,75

4,75

4,25

3,70

5,25

9. Oktober 2008

3,25

4,25

4,25

3,70

4,50

15. Oktober 2008

3,25

4,25

3,75

3,13

4,50

12. November 2008

2,75

3,75

3,25

2,63

4,00

10. Dezember 2008

2,00

3,00

2,50

1,88

3,25

 

21. Jänner 2009

1,00

3,00

2,00

1,38

3,25

11. März 2009

0,50

2,50

1,50

0,88

2,75

8. April 2009

0,25

2,25

1,25

0,88

2,75

13. Mai 2009

0,25

1,75

1,00

0,38

2,00

 

13. April 2011

0,50

2,00

1,25

0,38

2,00

13. Juli 2011

0,75

2,25

1,50

0,88

2,50

9. November 2011

0,50

2,00

1,25

0,88

2,50

14. Dezember 2011

0,25

1,75

1,00

0,38

2,00

Q: EZB, OeNB.

 

Diese Entwicklung brachte in ganz Europa Kreditinstitute in Bedrängnis, weil für einzelne Institute der damit verbundene Bedarf an Wertberichtigungen und die potentiellen Verlustrisiken aus Derivativgeschäften schwierig einzuschätzen waren. Die steigende Unsicherheit trocknete den Interbankenmarkt aus und hatte vor allem in Südeuropa Liquiditätsengpässe des gesamten Kreditwesens zur Folge. Die EZB begleitete daraufhin ihre Zinssenkungspolitik mit einer Ausweitung der Liquiditätsversorgung europäischer Kreditinstitute. Dazu setzte sie ein innovatives geldpolitisches Instrument ein: Am 8. Dezember 2011 wurden zwei langfristige Refinanzierungsoperationen (LTRO) angekündigt, in denen Kreditinstituten Wertpapierpensionsgeschäfte mit dreijähriger Laufzeit und unbeschränkter Zuteilung zu einem Zinssatz von 1% angeboten wurden. Noch im Dezember 2011 wurden so etwa 500 Mrd. € in das Kreditwesen geschleust. Vor allem Kreditinstitute aus den Peripherieländern versorgten sich zu diesen günstigen Bedingungen mit Liquidität, während sich die Kreditinstitute aus dem Norden Europas auf konventionellem Weg refinanzierten.

Der Transfer von Liquidität von der EZB in die Peripherieländer ließ deren Target-Verbindlichkeiten ab Mitte 2011 deutlich steigen. Target 2 ist das europäische System für den Zahlungsverkehr in Zentralbankgeld. Über dieses System werden Zentralbankoperationen, Euro-Überweisungen aus Großbetragszahlungssystemen im Interbankenverkehr sowie andere Euro-Zahlungen verrechnet. Als Spiegelbild der Leistungsbilanzdefizite und Kapitalexporte der Peripherieländer nahmen die Target-Forderungen der nördlichen Euro-Länder dramatisch zu. So stiegen etwa die Target-Forderungen der Deutschen Bundesbank von 256 Mrd. € Ende 2010 auf 463 Mrd. € im Dezember 2011; nach der zweiten LTRO-Zuteilung im Februar 2012 betrugen sie sogar 547 Mrd. €. In Österreich verschlechterte sich der Target-Saldo von 8,1 Mrd. € (2010) auf 41,3 Mrd. € (2011). In den ersten drei Monaten des Jahres 2012 kam ein weiterer Nettoabgang von 52,6 Mrd. € hinzu.

Zusätzliche Liquidität nicht in den Geldkreislauf gelangt

Die reichliche Versorgung des Kreditwesens mit Liquidität spiegelte sich vorwiegend in einer beträchtlichen Erhöhung der Bilanzsumme des konsolidierten Eurosystems (31. Dezember 2011 +36% gegenüber Ende 2010); gegenüber dem Vorkrisenniveau (Juni 2007) hat sich die Bilanzsumme mehr als verdoppelt (+146%). Die den Kreditinstituten zur Verfügung stehende Liquidität gelangte jedoch kaum in den Geldkreislauf. Im Vorjahresvergleich stiegen die Geldmengenaggregate M1, M2 und M3 um nur rund 2%, und die Inflationsrate lag im Jahresdurchschnitt 2011 mit 2,7% nur geringfügig über dem Zielwert der EZB. Wie die Zerlegung des Preisauftriebes in einzelne Komponenten zeigt, war der Preisdruck zudem überwiegend auf die Energieverteuerung (+11,9%) zurückzuführen.

Der europäische Anleihemarkt war 2011 durch heftige Turbulenzen gekennzeichnet. Während von Peripherieländern emittierte Staatsanleihen teilweise große Kursverluste verzeichneten (Abbildung 1), verfiel die Rendite auf langfristige deutsche Bundesanleihen von 3,1% zu Jahresbeginn auf 2% im Dezember (Benchmark). Die hohe Unsicherheit der Investoren über die Zahlungsfähigkeit öffentlicher Schuldner veranlasste Gläubiger zu einem Rückzug aus dem europäischen Markt oder zu einer Umschichtung in festverzinsliche Wertpapiere deutscher Emittenten. In Deutschland konnten im Dezember Geldmarktpapiere des Bundes mit einer Emissionsrendite von 0,001% abgesetzt werden (Handelsblatt, 9. Jänner 2012), sodass für die öffentliche Hand praktisch keine Finanzierungskosten entstanden. Im Gegensatz dazu stieg die Rendite österreichischer Staatsanleihen zunächst, diese Bewegung wurde allerdings wieder korrigiert, und die Benchmark-Rendite lag mit Jahresende bei 3,1%. Das Zinsdifferential zwischen österreichischen und deutschen Benchmark-Anleihen erreichte trotz des Rückganges in der zweiten Jahreshälfte im November mit 1,4 Prozentpunkten den höchsten Wert seit dem Eintritt in die Währungsunion. Diese Entwicklung war vor allem ein Ergebnis des langsamen Entscheidungsprozesses auf europäischer Ebene, mangelnder Aktivitäten zur Beseitigung des öffentlichen Defizits im österreichischen Staatshaushalt und des potentiellen Zuschussbedarfes österreichischer Kreditinstitute durch steigende Kreditausfälle in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Im europäischen Vergleich war das Zinsdifferential Österreichs ähnlich niedrig wie das der Niederlande. Länder mit höheren Staatsschulden mussten hingegen deutlich größere Aufschläge auf den deutschen Referenzsatz zahlen. Griechenland profitierte von den liquiditätssteigernden Aktionen der EZB nicht, die Renditen auf griechische Staatsanleihen nahmen auch gegen Jahresende unvermindert zu.

 

Abbildung 1: Entwicklung des Zinsabstandes für Staatsanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark) zu Deutschland

Q: OeNB.

 

Die Entwicklung der Geldmarktzinssätze, hoher Liquiditätsbedarf und der Abfluss von Sparguthaben wirkten sich 2011 positiv auf die Einlagenzinssätze aus. Die österreichischen Kreditinstitute boten Privathaushalten im Jahresverlauf 2011 immer attraktivere Zinssätze an. Diese Entwicklung betraf sowohl kurze als auch lange Bindungsfristen. Die Einlagenzinssätze waren zum Jahresende um etwa 0,5 Prozentpunkte höher als zu Jahresbeginn. Die Finanzierungskosten für einen Neukredit entwickelten sich 2011 uneinheitlich: Konsum- und Wohnbaukredite an private Haushalte verteuerten sich in der zweiten Jahreshälfte um bis zu 40 Basispunkte, zum Jahresende entsprachen die Zinssätze aber wieder dem Wert von Anfang 2011. Für die Kreditkosten nichtfinanzieller Unternehmen ergab sich ein widersprüchliches Bild: Während kurzfristige Unternehmenskredite teurer wurden, verbilligten sich langfristige Darlehen um ½ Prozentpunkt. Die Einlagenzinssätze lagen in Österreich um etwa 30 bis 70 Basispunkte, die Finanzierungskosten für Konsumkredite privater Haushalte um etwa 190 Basispunkte und für Wohnbaukredite um etwa 90 Basispunkte unter dem EU-Durchschnitt.

Überdurchschnittlicher Kursverfall an der Wiener Börse

Während die Preise festverzinslicher Wertpapiere Ende 2011 höher waren als zu Jahresbeginn, schlossen die Aktienmärkte 2011 mit Ausnahme der USA auf niedrigerem Niveau. In Frankfurt und Tokio waren Verluste von über 15% zu verzeichnen; die Wiener Börse erlitt mit 35% einen besonders empfindlichen Abschlag. Dafür war einerseits der große Anteil von Finanztiteln im ATX verantwortlich. Diese Titel wurden stark mit der Staatsschuldenkrise und potentiellen Kreditausfällen im Ausland verbunden. Andererseits bot die Eintrübung der Konjunktur in Europa allgemein ein schwieriges Umfeld. Der Kursverfall hatte gravierende Folgewirkungen für die Umsätze der Wiener Börse, sie lagen mit 61,9 Mrd. € um 18,5% unter dem Vorjahresniveau. Obwohl 2011 erstmals seit einigen Jahren zwei Neueinführungen und einige Kapitalerhöhungen gelangen, sank die Börsekapitalisierung von 40% des BIP auf 30%.

Im Jahr 2011 beeinflussten Wechselkursveränderungen die internationale Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft kaum. Der Dollar wertete im Jahresdurchschnitt zwar um knapp 5% ab, gleichzeitig gewann der Schweizer Franken der ebenfalls großes Gewicht im Wechselkursindex hat um 11% an Wert. Von den im Wechselkursindex vertretenen Währungen werteten vor allem jene von Weißrussland (85%), der Türkei (17%), Argentinien und Ägypten (12%) gegenüber dem Euro ab. Insgesamt blieb der nominelle effektive Wechselkurs Österreichs dadurch im Vorjahresvergleich stabil (+0,1%), real ergab sich wegen der vergleichsweise hohen Inlandsinflation eine Aufwertung um 0,7%.

Neue EU-Institutionen zur Beaufsichtigung des Finanzsektors

Die Maßnahmen zur Regulierung der Finanzmärkte standen 2011 nach wie vor unter dem Eindruck der Finanzmarktkrise. Mit Jahresbeginn nahmen die drei zentralen Aufsichtsbehörden der EU für Finanzdienstleistungen ihre Tätigkeit auf: Kreditinstitute werden in Zukunft von der European Banking Authority (EBA) beaufsichtigt, für Wertpapiermärkte ist die European Securities and Markets Authority (ESMA) zuständig und für Versicherungsunternehmen sowie Pensionskassen die European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA). Diese drei Institute kooperieren mit den nationalen Aufsichtsbehörden und haben für die Beaufsichtigung grenzüberschreitend tätiger und systemrelevanter Finanzinstitute besondere Befugnisse. Zudem wurde das European Systemic Risk Board (ESRB) aktiv, das vor allem makroökonomische Ungleichgewichte und Risiken rechtzeitig identifizieren soll. Gemeinsam mit den nationalen Aufsichtsbehörden bilden die vier neuen EU-Institutionen das European System of Financial Supervision (ESFS).

In seiner ersten Empfehlung an die Mitgliedsländer der EU, die nationalen Aufsichtsbehörden und die EBA wies das ESRB im Oktober auf die Risiken von Fremdwährungskrediten hin. Solange Fremdwährungskredite nicht durch Einnahmen in der entsprechenden Fremdwährung gedeckt sind, ist die finanzielle Lage privater Haushalte und nichtfinanzieller Unternehmen durch Wechselkursänderungen gefährdet. Die nationalen Aufsichtsbehörden wurden aufgefordert, die Kreditwürdigkeit der Schuldner genau überprüfen zu lassen. Kreditinstituten werden gegenüber Fremdwährungsschuldnern besondere Informationspflichten auferlegt, sie müssen Fremdwährungskredite eigens in ihrer internen Risikoanalyse berücksichtigen und mit mehr Eigenkapital hinterlegen. Die nationalen Aufsichtsbehörden wurden aufgefordert, spezielle Regeln zu erlassen, die die Vergabe von Fremdwährungskrediten einschränken. Zusätzlich müssen Kreditinstitute für Fremdwährungskredite nachhaltige Refinanzierungsstrukturen nachweisen. Im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs oder der Niederlassungsfreiheit tätige Kreditinstitute müssen künftig für Fremdwährungskredite die Vorgaben der Aufsichtsbehörde des Gastlandes anwenden.

Die ersten Aktivitäten der EBA konzentrierten sich auf die Koordination des dritten europaweiten Stresstests für 90 systemrelevante Kreditinstitute in Europa. Der Stresstest untersuchte die Reaktion der Eigenkapitalbasis systemrelevanter Kreditinstitute auf einen schweren und über zwei Jahre andauernden wirtschaftlichen Schock. Dabei berücksichtigte die EBA die Kritik an vorhergehenden Tests und spezifizierte größere Schocks bzw. höhere Eintrittswahrscheinlichkeiten für Kredit-, Markt- und ökonomische Risiken (einschließlich einer Verschärfung der Staatsschuldenkrise). Insgesamt ergab das Stress-Szenario im Euro-Raum eine Dämpfung des BIP-Wachstums um 4 Prozentpunkte über zwei Jahre; gleichzeitig wurde die Widerstandskraft der Kreditinstitute am harten Kernkapital gemäß Basel III (Core Tier 1) gemessen. In Österreich nahmen drei systemrelevante Kreditinstitute am Test teil, zwei davon bestanden ihn mit ausreichend hohem Eigenkapital, während die Volksbank AG mit einer Eigenkapitalquote von 4,5% den Schwellenwert von 5% knapp unterschritt. Schon vor dem Test hatte die Volksbank AG mit den österreichischen Aufsichtsbehörden Restrukturierungsmaßnahmen vereinbart, die eine Anhebung der Eigenkapitalquote zum Ziel hatten. Nach Veröffentlichung der Testergebnisse entbrannte eine Diskussion über die fehlende Anerkennung privaten Partizipationskapitals als Kernkapital durch die europäische Aufsicht. Anlässlich des Euro-Gipfels vom 26. Oktober 2011 wurde neben dem Schuldenschnitt für Privatgläubiger zur Verringerung der öffentlichen Verschuldung in Griechenland auch ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Wiederherstellung des Vertrauens auf den Finanzmärkten beschlossen. Dieses Paket schreibt für staatliche Garantien von Bankemissionen EU-weit einheitliche Bedingungen vor; die Erfüllung der laut Basel III erhöhten Eigenkapitalquote von 9% soll vorgezogen werden, Dividenden und Bonuszahlungen sollen nur eingeschränkt ausgeschüttet werden können, und Kreditinstitute sollen im Insolvenzfall vorrangig private Kapitalquellen beanspruchen, insbesondere wird die Umwandlung von Schuldtiteln in Eigenkapitalinstrumente erwähnt. Die EBA berechnete für die 70 größten europäischen Kreditinstitute einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 106 Mrd. €; davon entfielen 2,9 Mrd. € auf österreichische Institute. In einer Neuberechnung gegen Jahresende berücksichtigte die EBA die im III. Quartal veröffentlichten Verluste der Kreditinstitute und erhöhte die Schätzung des zusätzlichen Kapitalbedarfs auf 3,9 Mrd. €.

Ende November reagierte die österreichische Aufsicht auf die Empfehlungen des ESRB mit einem Maßnahmenpaket zur Stärkung der Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle österreichischer Geschäftsbanken in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Die Bankengruppen müssen die neuen Eigenkapitalvorschriften gemäß Basel III ohne Übergangsfrist bereits ab 1. Jänner 2013 vollständig erfüllen, wobei das private Partizipationskapital angerechnet wird. Ab 1. Jänner 2016 muss ein zusätzlicher, vom Risiko abhängiger Kernkapitalpuffer von bis zu 3% eingehalten werden. Zur Stärkung der Refinanzierungsstruktur darf die lokale Neuvergabe von Krediten 110% der lokalen Neueinlagen nicht überschreiten. Damit definierte die Aufsicht eine dynamische Kredit-Einlagen-Quote, die nur am Neugeschäft ausgerichtet ist. Zusätzlich müssen die Bankengruppen Abwicklungspläne vorlegen, die im Insolvenzfall eine rasche Abtrennung des volkswirtschaftlich schützenswerten Teils der Bankengruppe ermöglichen. Dieser Teil wird mit öffentlicher Unterstützung aufgefangen, während der Rest der Bankengruppe auf Kapitalzuführungen der Aktionäre angewiesen ist.

Anzeichen für Belebung des inländischen Interbankenmarktes

Die Bilanzsumme der österreichischen Kreditinstitute erhöhte sich 2011 wieder. Damit wurde die zwei Jahre andauernde Konsolidierungsphase überwunden. Positive Signale kamen vom österreichischen Interbankenmarkt, sowohl die inländischen Zwischenbankforderungen als auch die Verbindlichkeiten nahmen deutlich zu (Übersicht 9), obwohl seit Anfang 2011 keine neuen Bundesgarantien für Bankemissionen vergeben wurden. Von den bis 31. Dezember 2010 insgesamt garantierten Emissionen von 22,4 Mrd. € wurden bis zum Jahresende 2011 bereits 7,3 Mrd. € getilgt. Das gegenseitige Vertrauen der inländischen Kreditinstitute normalisierte sich 2011 wieder. Eine ähnliche Verbesserung der Vertrauensbasis war im Ausland zu beobachten. Das österreichische Bankensystem konnte sich dort wieder vermehrt finanzieren; die Auslandspassiva lagen dennoch deutlich unter dem Höchststand des Jahres 2008. Auf der Passivseite verschob sich die Struktur tendenziell von langfristigen Finanzierungsinstrumenten (Termin-, Spareinlagen bzw. Inlandsemissionen) zu täglich fälligen Sichteinlagen. Kursverluste auf dem Aktienmarkt und die allgemein hohe Volatilität auf den Finanzmärkten hielten Privathaushalte und Unternehmen von langfristigen Veranlagungen ab und erzeugten eine Flucht in hochliquide Veranlagungsformen mit geringem Verlustpotential. Die Eigenmittel wurden im Vorjahresvergleich um knapp 1% abgebaut. Zum Jahresende 2011 betrugen die öffentlichen Beteiligungen an Kreditinstituten in Form von Partizipationskapital und sonstigen Maßnahmen gemäß FinStaG insgesamt 8,8 Mrd. €.

  

Übersicht 9: Ausgewählte Aktiva und Passiva des österreichischen Bankensystems

 

2000

2005

2010

2011

2000

2005

2010

2011

2008

2009

2010

2011

Mrd. €

Anteile an der Bilanzsumme in %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Aktiva

Inländische Zwischenbankforderungen

88,7

105,6

170,6

182,1

15,8

14,6

17,4

18,0

+64,4

7,6

13,8

+6,7

Inländische Wertpapiere

53,0

60,1

85,2

82,6

9,4

8,3

8,7

8,1

+30,8

+11,3

1,7

3,0

Direktkredite

224,9

263,3

311,1

319,3

40,0

36,3

31,8

31,5

+7,4

1,3

+2,9

+2,6

An den öffentlichen Sektor

28,7

29,4

27,2

30,0

5,1

4,1

2,8

3,0

4,7

+4,2

+4,0

+10,2

An Unternehmen

112,3

109,3

133,3

136,9

20,0

15,1

13,6

13,5

+9,5

2,5

+2,4

+2,7

An private Haushalte

75,0

104,9

128,4

131,7

13,3

14,5

13,1

13,0

+5,5

0,1

+5,9

+2,6

Euro-Kredite

185,4

210,1

253,8

263,4

33,0

29,0

25,9

26,0

+5,2

0,3

+1,5

+3,8

Fremdwährungskredite

39,5

53,2

57,3

55,9

7,0

7,3

5,9

5,5

+19,0

5,6

+9,6

2,5

Auslandsaktiva

157,8

245,9

319,0

320,9

28,0

33,9

32,6

31,6

+7,3

10,3

5,5

+0,6

 

Passiva

Inländische Zwischenbankverpflichtungen

101,0

120,1

178,3

192,5

18,0

16,6

18,2

19,0

+69,4

13,8

16,1

+8,0

Sichteinlagen

34,5

58,1

87,0

94,2

6,1

8,0

8,9

9,3

+7,1

+15,2

+2,9

+8,4

Termineinlagen

18,3

22,1

34,2

34,5

3,3

3,0

3,5

3,4

+13,1

25,2

+5,6

+0,8

Spareinlagen

119,7

136,9

156,2

157,0

21,3

18,9

16,0

15,5

+6,3

+2,3

1,7

+0,5

Fremdwährungseinlagen

3,3

3,7

4,2

4,0

0,6

0,5

0,4

0,4

28,5

12,3

+24,7

5,5

Eigene Inlandsemissionen

64,7

84,1

158,3

153,0

11,5

11,6

16,2

15,1

+30,4

+2,4

2,1

3,4

Auslandspassiva

174,8

234,8

238,4

251,1

31,1

32,4

24,4

24,8

1,4

7,5

4,4

+5,3

 

Bilanzsumme

562,7

725,7

978,6

1.014,3

100,0

100,0

100,0

100,0

+18,8

3,7

4,9

+3,7

Q: OeNB.

 

 

 

Abbildung 2: Eigenkapitalquote der Kreditinstitute im internationalen Vergleich

Juni 2011

Q: EZB. Hartes Kernkapital der inländischen Kreditinstitute entsprechend der Basel-III-Definition (Tier 1 Capital) in % der risikogewichteten Aktiva.

 

Die inländischen Kreditinstitute erzielten Mitte 2011 eine harte Kernkapitalquote entsprechend der Basell-III-Definition von 10,4% der risikogewichteten Veranlagungen; einschließlich der ausländischen Kreditinstitute war diese Quote mit 10,3% nur knapp niedriger (Abbildung 2). Im europäischen Vergleich liegen die inländischen Kreditinstitute damit im unteren Drittel ähnlich den britischen, spanischen oder schwedischen Instituten. Die höchste Kernkapitalquote verzeichneten Kreditinstitute in Tschechien, Luxemburg und Estland. Interessanterweise sind die ostmitteleuropäischen Institute vergleichsweise gut kapitalisiert.

Auf der Aktivseite der Bankbilanz verringerten die Kreditinstitute 2011 bereits zum zweiten Mal ihren Bestand an Wertpapieren. Der aushaftende Betrag an Fremdwährungskrediten wurde trotz der starken Aufwertung des Schweizer Frankens etwas abgebaut. Bereinigt um Wechselkurseffekte sanken die Fremdwährungsausleihungen deutlich. Dieser Rückgang wurde durch den Anstieg des Euro-Kreditvolumens mehr als ausgeglichen. Getragen wurde die Ausweitung der Darlehen durch die Schuldenaufnahme des öffentlichen Sektors. Hingegen bauten nichtfinanzielle Unternehmen und private Haushalte ihre Schulden nur zurückhaltend auf. In einer Befragung durch die OeNB gaben Großunternehmen im Dezember niedrige Investitionsausgaben und ihre hohe Innenfinanzierungskraft als Gründe der schwachen Kreditnachfrage an. Der Finanzierungsbedarf der Privathaushalte dürfte wegen der gedämpften Wohnungsnachfrage trotz günstiger Finanzierungskosten niedrig sein. Die Kreditinstitute verschärften die Kreditrichtlinien im Firmenkundengeschäft in der zweiten Jahreshälfte leicht, für private Haushalte blieben die Bedingungen allerdings unverändert. Insgesamt waren 2011 kaum Hinweise auf eine Kreditklemme zu beobachten.

EU-Scoreboard deutet hohen Verschuldungsgrad des Privatsektors an

Diese Daten über die Ausweitung der Darlehen durch österreichische Kreditinstitute stehen im Widerspruch zu den Ergebnissen des Scoreboards der Europäischen Kommission[b]). Gemäß dem Scoreboard überschritt der Indikator über die Verschuldung des privaten Sektors in Österreich 2011 den Schwellenwert. Eine detaillierte Analyse der Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung zeigt jedoch, dass dafür vorwiegend Darlehen innerhalb von Unternehmensgruppen bestimmend waren, die erst seit 2006 in der Finanzierungsrechnung erfasst sind.

Eigenkapitalrendite 2011 merklich geschrumpft

Die Ertragslage der Kreditinstitute wurde durch die Niedrigzinspolitik der EZB gestützt. Günstige Refinanzierungsbedingungen bei der Zentralbank bildeten die Grundlage für die Steigerung des Nettozinsertrages. Alle anderen Komponenten der Betriebserträge waren im Vorjahresvergleich rückläufig. Die schwierigen Bedingungen auf dem Wertpapiermarkt drückten die Erträge aus Wertpapieren und Beteiligungen und beeinträchtigten auch die Provisionserträge. Zwar stiegen die Betriebsaufwendungen mit +1,5% nur mäßig, dennoch entstand vor allem durch Wertberichtigungen auf Wertpapiere und Beteiligungen ein Abschreibungsbedarf von 3,3 Mrd. €, der sich schließlich in einer Verminderung des EGT um 64% auf 1,7 Mrd. € niederschlug. Die Zunahme der Steuerbelastung des Kreditwesens durch die Einführung der Bankenabgabe hatte entsprechend negative Auswirkungen auf den erwarteten Jahresüberschuss (1,2 Mrd. €, 71,2% gegenüber dem Vorjahr). Der Return on Equity schrumpfte auf 1,7%. Im Kreditwesen waren in Österreich 2011 etwa 79.700 Personen beschäftigt, das entsprach 68.400 Vollzeitäquivalenten. Mit +1,4% gegenüber dem Vorjahr trug auch dieser Sektor zur allgemein hohen Beschäftigungsdynamik bei.

Thomas Url (Thomas.Url@wifo.ac.at)
Statistik: Ursula Glauninger (
Ursula.Glauninger@wifo.ac.at)

Abschwächung der Exportdynamik

Nach der deutlichen Erholung im Jahr 2010 verlangsamte sich das Wachstum der Warenexporte 2011. Maßgebend war dafür eine Verschlechterung der internationalen Rahmenbedingungen, insbesondere die Abschwächung der Nachfrage aus dem Euro-Raum, Österreichs wichtigstem Exportmarkt, welcher durch die Schuldenkrise belastet war. Auch das Nachlassen des Welthandels (2011 +5,6%, nach +14,9% im Jahr 2010) verringerte die Wachstumsimpulse für den österreichischen Warenexport. Gemäß den vorläufigen Werten von Statistik Austria lag der Wert der österreichischen Ausfuhr mit 122,2 Mrd. € um 11,7% über dem Vorjahresergebnis und deutlich über dem Niveau der Vorkrisenjahre 2007 und 2008. Real erhöhten sich die Warenexporte 2011 um 7,5%. Die Warenimporte stiegen 2011 real ebenfalls um 7,5%, nominell um 15,1%. Die Importpreise erhöhten sich insbesondere aufgrund der Energieverteuerung wesentlich stärker als die Exportpreise, somit ergaben sich 2011 erneut Terms-of-Trade-Verluste. Die österreichische Warenaußenhandelsbilanz verschlechterte sich 2011 um über 4 Mrd. € auf ein Defizit von 8,6 Mrd. [c]).

    

Übersicht 10: Österreichs Außenhandel im Überblick

 

Export

Import

Saldo

Terms-of-Trade1)

Werte

Real

Preise1)

Werte

Real

Preise1)

Werte

Veränderung gegen das Vorjahr

 

Mrd. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Mrd. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Mrd. €

Mrd. €

In %

 

2010

109,4

+16,7

+12,8

+3,5

113,7

+16,5

+10,3

+5,6

4,3

0,4

2,0

2011

122,2

+11,7

+7,5

+3,9

130,8

+15,1

+7,5

+7,0

8,6

4,3

2,9

 

2011,       I. Quartal

29,9

+23,9

+18,1

+4,9

32,0

+26,3

+17,5

+7,5

2,1

0,9

2,4

                II. Quartal

30,9

+12,3

+7,8

+4,2

32,5

+15,2

+7,0

+7,6

1,6

0,9

3,2

                III. Quartal

30,5

+8,4

+4,5

+3,7

33,1

+13,2

+6,3

+6,5

2,6

1,5

2,6

                IV. Quartal

30,9

+4,3

+1,2

+3,0

33,2

+7,5

+0,7

+6,7

2,3

1,0

3,4

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. 1) Preise laut VGR.

 

 

 

Abbildung 3: Aktuelle Entwicklung der realen Warenexporte laut VGR

Q: WIFO-Berechnungen basierend auf Werten von Statistik Austria.

 

 

 

Abbildung 4: Beurteilung der Exportaufträge und Erwartungen der österreichischen Industrie

Q: WIFO-Konjunkturtest. 1) Anteil der Unternehmen, die ihre Exportaufträge als "ausreichend" oder "mehr als ausreichend" beurteilen. 2) Anteil der Unternehmen, die in den kommenden 3 Monaten einen Anstieg der Exportaufträge erwarten, minus Anteil der Unternehmen, die in den nächsten 3 Monaten einen Rückgang der Exportaufträge erwarten.

 

Die Warenexportquote nahm 2011 erneut zu. Sie lag mit 40,5% des Bruttoinlandsproduktes leicht über dem Niveau des Jahres 2006, aber unter dem bisherigen Höchstwert aus dem Vorkrisenjahr 2007 (41,9%).

Parallel zum Konjunkturverlauf im Euro-Raum verlor der österreichische Warenexport 2011 an Schwung. Die zu Jahresbeginn noch sehr kräftige Dynamik (I. Quartal +23,9%) ließ im Laufe des Jahres nach, im IV. Quartal 2011 wurde ein Zuwachs der nominellen Warenausfuhr von nur mehr 4,3% verzeichnet.

Diese unterjährige Entwicklung spiegelt die Verschlechterung der internationalen Rahmenbedingungen wider und zeigt sich auch in den realen Exportwerten laut VGR (Abbildung 3). Nach dem kräftigen realen Zuwachs im I. Quartal (+2,5% gegenüber dem Vorquartal) und einer weiteren Verlangsamung der Dynamik im II. und III. Quartal wies der reale Export im IV. Quartal sogar einen Rückgang von 0,4% auf.

Diese rückläufige Tendenz zeigt auch der WIFO-Konjunkturtest: Der Saldo zwischen dem Anteil der Unternehmen, welche einen Anstieg bzw. einen Rückgang der Exportaufträge erwarteten, sank ab dem II. Quartal ständig und unterschritt auch den langfristigen Durchschnitt (Median der letzten 15 Jahre). Der Anteil jener Unternehmen, welche ihre Exportaufträge als ausreichend oder mehr als ausreichend beurteilten, verringerte sich ebenfalls ab Mitte 2011. Gemäß den Ergebnissen des WIFO-Konjunkturtests vom Jänner 2012 ist jedoch Anfang 2012 eine Verbesserung der Erwartungen der Auslandauftragsbestände zu erkennen.

 

Übersicht 11: Entwicklung des Außenhandels nach Ländern und Regionen 2011

 

Export

Import

Saldo

Anteile in %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Anteile in %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Mrd. €

Veränderung in Mrd. €

 

Intra-EU 27

69,7

+10,4

71,3

+13,2

8,0

2,8

Intra-EU 15

53,6

+9,7

57,9

+11,7

10,2

2,1

Deutschland

31,1

+10,2

38,2

+11,2

11,8

1,5

Italien

7,6

+8,6

6,5

+10,6

0,8

0,1

Frankreich

4,1

+10,2

2,9

+16,5

1,3

0,1

12 neue EU-Länder

16,1

+12,9

13,4

+20,5

2,2

0,7

MOEL 51)

13,6

+13,1

12,1

+20,5

0,9

0,8

Tschechien

3,9

+15,1

3,7

+16,9

0,1

0,1

Ungarn

3,1

+12,4

2,8

+16,0

0,1

0,1

Polen

2,8

+24,5

1,9

+27,8

1,0

+0,1

Baltikum

0,3

+28,5

0,1

+14,5

0,2

+0,1

Bulgarien, Rumänien

2,0

+9,1

1,2

+19,1

1,0

±0,0

Extra-EU 27

30,3

+14,7

28,7

+19,8

0,5

1,5

Extra-EU 15

46,4

+14,1

42,1

+20,0

1,6

2,2

EFTA

5,7

+14,8

6,0

+16,8

0,9

0,2

Schweiz

4,9

+15,1

5,4

+18,6

1,1

0,3

Andere MOEL2), Türkei

6,4

+11,1

6,3

+34,0

0,4

1,3

Westbalkanländer3)

1,9

+5,7

1,1

+22,3

0,9

0,1

GUS

3,6

+12,4

4,4

+40,7

1,5

1,2

Russland

2,4

+16,0

2,6

+45,8

0,4

0,7

Nordafrika4)

0,5

12,8

0,5

31,8

0,1

+0,2

NAFTA

6,2

+24,5

3,3

+13,6

3,2

+1,0

USA

5,2

+29,0

2,9

+15,5

2,6

+0,9

Südamerika

1,4

+3,6

0,9

+9,9

0,5

±0,0

Brasilien

0,8

+14,8

0,5

+18,6

0,4

±0,0

Asien

6,3

+15,0

7,8

+11,8

2,5

0,1

Japan

1,1

+26,5

1,5

+10,1

0,7

+0,1

China

2,4

+4,0

4,9

+17,7

3,5

0,8

Indien

0,7

+24,9

0,4

+15,6

0,3

+0,1

6 dynamische Volkswirtschaften in Asien5)

2,2

+20,7

1,6

+10,8

0,6

+0,3

 

Euro-Raum (17 Länder)

53,0

+9,2

58,7

+12,3

12,0

3,0

OPEC

1,7

+4,9

1,8

+40,9

0,3

0,6

BRIC6)

6,3

+11,8

8,4

+25,1

3,3

1,4

Schwarzmeerregion7)

1,8

+11,1

1,6

+14,3

0,1

±0,0

 

Insgesamt

100,0

+11,7

100,0

+15,0

8,6

4,3

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. 1) Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn. 2) Westbalkan, GUS. 3) Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien. 4) Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien. 5) Hongkong, Singapur, Südkorea, Taiwan, Thailand, Malaysia. 6) Brasilien, Russland, Indien, China. 7) Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, Ukraine, Türkei.

 

Die Eintrübung der Konjunktur in Europa, insbesondere im Euro-Raum spiegelte sich 2011 in niedrigeren Zuwachsraten. Die Exporte in den Euro-Raum überstiegen das Vorjahresniveau um nur mehr 9,2%, jene in die südlichen Länder des Euro-Raumes sogar nur 5,6%. Die Ausfuhr in die besonders von der Schuldenkrise betroffenen Länder Griechenland (14,7%) und Portugal (5,9%) war bereits stark rückläufig. Die Bedeutung dieser beiden Länder für die gesamte österreichische Ausfuhr ist jedoch gering (Exportanteil Griechenland 0,4%, Portugal unter 0,3%). Die größten Nachfrageimpulse kamen 2011 einerseits aus den USA (+29,0%) und andererseits aus Asien. Hier entwickelten sich die Exporte nach Japan, Indien und in die sechs dynamischen Volkswirtschaften in Asien besonders dynamisch. Der stark unterdurchschnittliche Zuwachs der Ausfuhr nach China ergab sich aufgrund des Rückgangs im II. und III. Quartal 2011 gegenüber einem außergewöhnlich hohen Vorjahresniveau. Die Exporte in die 12 neuen EU-Länder entwickelten sich 2011 heterogen: Während die Ausfuhr ins Baltikum und nach Polen kräftig und jene nach Tschechien und Ungarn leicht überdurchschnittlich gesteigert wurde, fielen die Ergebnisse in Slowenien (+3,2%) und in der Slowakei (+6,3%) mäßig aus.

Den größten Wachstumsbeitrag lieferte weiterhin der Export nach Deutschland (trotz unterdurchschnittlicher Wachstumsrate, aber aufgrund der Marktgröße) und in die USA. Ein beachtlicher Wachstumsbeitrag hier vor allem aufgrund der Dynamik ergab sich im Warenexport nach Asien. Trotz der nachlassenden Nachfrage auf dem italienischen Markt Italiens Wirtschaft schrumpfte bereits im III. und IV. Quartal trug aufgrund des hohen Exportanteils von fast 8% auch die Ausfuhr nach Italien im Jahresdurchschnitt erheblich zum Exportwachstum bei (fast +0,7 Prozentpunkte). Wachstumsimpulse kamen weiters aus Polen, Tschechien, Frankreich und Ungarn.

Leichte Einbußen an preislicher Wettbewerbsfähigkeit

Die Verlangsamung des Wachstums der Weltwirtschaft und das Nachlassen der Konjunkturdynamik in wichtigen Partnerländern Österreichs verringerten das Marktwachstum Österreichs von 11,4% im Jahr 2010 auf voraussichtlich 7,5% 2011. Die Lohnstückkosten sanken in der österreichischen Sachgütererzeugung 2011 um 4,5%; damit entwickelte sich die Lohnstückkostenposition in Österreich etwas günstiger als in Deutschland. In der Gesamtwirtschaft verschlechterte hingegen der Lohnstückkostenanstieg um 1,2% die Position im Vergleich zum wichtigsten Handelspartner Deutschland. Gemessen am real-effektiven Wechselkurs (Sachgütererzeugung und Gesamtwirtschaft +0,7%) waren leichte Einbußen an preislicher Wettbewerbsfähigkeit zu verzeichnen, der nominell-effektive Wechselkurs signalisierte hingegen kaum eine Aufwertung (Industriewaren +0,0%, Gesamtwirtschaft +0,1%).

Nominell ergab sich anhand der Daten bis einschließlich September 2011 ein Rückgang des Weltmarktanteils der Exporte um 1,1%, im Jahr 2010 waren Einbußen von 10,2% zu verzeichnen gewesen. Die nominelle Marktanteilsentwicklung auf Dollarbasis kann jedoch durch Wechselkursentwicklungen verzerrt sein, da eine Euro-Aufwertung eine höhere Bewertung der österreichischen Exporte auf Dollarbasis in internationalen Statistiken bedeutet. Die mit einer Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit einhergehenden Mengenveränderungen treten jedoch meist mit Verzögerung ein. Diese Verzerrung durch Wechselkurseffekte lässt sich weitgehend ausschalten, indem man nur die Anteile am Export des Euro-Raumes betrachtet (Übersicht 12). Demnach gewannen die österreichischen Exporteure sowohl 2010 also auch 2011 Marktanteile. Gemessen am Weltexportmarktanteil (vorläufige Daten bis September 2011) verbesserte sich die Position insbesondere in den USA und in Indien, während sie sich in den fünf dynamischen Volkswirtschaften in Asien sowie in China verschlechterte (Übersicht 12). Einbußen waren auch in der Schweiz, in den Westbalkanländern und der GUS sowie in der Gruppe der 12 neuen EU-Länder zu verzeichnen; innerhalb dieser Region war die Entwicklung jedoch heterogen (etwa Zugewinne in Polen und Ungarn).

Handelsbilanz deutlich verschlechtert

Kurz nach dem EU-Beitritt hatte ein längerfristiger Trend zur Handelsbilanzverbesserung eingesetzt; er dürfte seit dem Jahr 2007 gestoppt sein: Nach den Krisenjahren 2008 und 2009 war auch 2011 eine starke Verschlechterung der Handelsbilanz zu beobachten. 2011 betrug das Defizit 8,6 Mrd. € und war damit fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Der Großteil der Verschlechterung um 4,3 Mrd. € war dem Außenhandel innerhalb Europas zuzuschreiben. Allein auf den Warenaußenhandel mit der EU 15 entfiel eine Zunahme des Passivums um über 2 Mrd. €. Das Defizit im Warenhandel mit Deutschland, dem wichtigsten Handelspartner Österreichs, stieg vom bereits hohen Niveau im Jahr 2010 (10,3 Mrd. €) um 1,5 Mrd. €. Aber auch im Warenverkehr mit den 12 neuen EU-Ländern, mit der Region GUS-Europa und mit der EFTA verschlechterte sich der Saldo.

 

Übersicht 12: Österreichs Marktanteile im Außenhandel

 

Anteile am Export der Welt

Anteile am Export des Euro-Raums (17 Länder)

2010

2010

2011

2010

2010

2011

Jänner bis September

Jänner bis September

In %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Intra-EU 27

2,08

2,8

0,4

4,16

+1,4

+1,0

Intra-EU 15

1,80

2,5

+0,3

3,63

+1,9

+1,6

Deutschland

4,69

2,0

1,5

9,79

+1,4

+0,5

Italien

2,48

7,7

+2,3

5,37

1,9

+1,8

Frankreich

1,01

+6,4

+0,8

1,70

+9,1

+1,5

12 neue EU-Länder

4,13

6,1

5,6

7,80

2,4

3,9

MOEL 51)

4,71

5,1

4,0

8,30

1,4

3,0

Tschechien

5,16

3,3

7,1

8,13

+0,0

5,6

Ungarn

5,89

9,0

+2,0

10,89

5,8

+0,3

Polen

2,29

7,2

+6,3

3,97

3,5

+6,9

Baltikum

0,81

+0,8

4,1

2,49

0,0

+5,5

Bulgarien, Rumänien

3,93

13,2

9,8

7,98

9,2

9,5

Extra-EU 27

0,41

17,5

1,4

3,12

2,7

0,2

Extra-EU 15

0,64

14,7

1,6

4,09

1,2

0,9

EFTA

2,67

6,3

9,5

5,18

6,2

13,5

Schweiz

3,37

4,6

10,7

5,86

4,8

15,6

Andere MOEL2), Türkei

1,74

13,1

6,1

5,02

3,9

5,4

Westbalkanländer3)

5,82

9,1

4,3

11,05

+0,2

3,6

GUS

1,58

7,8

3,8

5,14

+1,8

4,0

Russland

1,73

14,0

2,6

4,71

+0,7

2,2

Nordafrika4)

0,51

14,0

13,5

1,23

7,4

11,5

NAFTA

0,27

20,4

+11,2

2,56

2,4

+12,7

USA

0,29

21,0

+15,7

2,52

2,1

+16,5

Südamerika

0,33

10,6

6,9

2,73

1,7

3,4

Brasilien

0,58

16,8

1,1

3,27

6,6

+5,9

Asien

0,25

18,3

+0,5

2,82

2,0

+3,9

Japan

0,19

13,1

+4,3

2,92

+8,3

+12,5

China

0,26

10,4

5,4

2,95

+6,7

5,5

Indien

0,26

22,4

+18,6

2,47

6,9

+15,2

5 dynamische Volkswirtschaften in Asien5)

0,18

9,3

0,4

2,86

+5,6

+2,9

 

Euro-Raum (17 Länder)

2,11

2,2

0,5

4,22

+2,1

+1,0

OPEC

0,45

25,4

6,9

2,09

14,0

+3,9

BRIC6)

0,45

14,6

+1,0

3,47

+1,0

0,1

Schwarzmeerregion7)

1,08

6,3

9,1

3,30

+0,1

8,2

 

Insgesamt

1,00

10,2

1,1

3,82

+0,4

+0,6

Q: IWF, DOT (Daten für EU-Länder am Eurostat-Konzept angelehnt); WIFO-Berechnungen. 1) Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn. 2) Westbalkan, GUS. 3) Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Kroatien, Mazedonien, Montenegro, Serbien. 4) Ägypten, Algerien, Libyen, Marokko, Tunesien. 5) Hongkong, Singapur, Südkorea, Thailand, Malaysia; für Taiwan keine Daten verfügbar. 6) Brasilien, Russland, Indien, China. 7) Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Moldawien, Ukraine, Türkei.

 

Eine Ursache dieses erneuten Anstiegs des Warenverkehrsdefizits war die Verschlechterung der Terms-of-Trade durch die starke Energieverteuerung. Wie die Aufspaltung der Handelsbilanzveränderung 2011 in einen Mengen- und einen Preiseffekt zeigt, spielten Preiseffekte eine signifikante Rolle. Sie gehen vorwiegend von den Importen aus. So belastete die Preishausse auf den internationalen Rohstoff- und Energiemärkten die Energierechnung 2011 erneut deutlich. Der österreichische Erdölimportpreis die wichtigste Komponente im Energieimport war 2011 auf Dollarbasis mit 112,5 $ je Barrel um 40,1% höher als im Vorjahr. Auf Euro-Basis kostete Erdöl aufgrund der Euro-Aufwertung im Import um 33,9% mehr als im Vorjahr. Die importierte Menge stieg ebenfalls (+8,7%), sodass der Erdölimport in Summe um 45,5% über dem Vorjahresniveau lag. Aufgrund seiner Rohstoffarmut ist Österreich auf Brennstoff- und Energieimporte angewiesen, 2011 betrug der Importwert 15,7 Mrd. € (12% aller österreichischen Warenimporte, 5,2% des BIP). Aufgrund der Steigerung des Importwertes um 28,8% verschlechterte sich die Handelsbilanz dieser Position (Brennstoffe und Energie) um über 2,8 Mrd. € auf ein Defizit von über 11 Mrd. €.

 

Abbildung 5: Österreichs Handelsbilanz

Mrd. €

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen.

 

 

 

Übersicht 13: Österreichs Energieimporte

 

2008

2009

2010

2011

2011

Absolut

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Erdöl

Menge               1.000 t

7.946

7.428

6.770

7.357

+8,7

Wert   Mrd. €

4,1

2,4

3,0

4,4

+45,5

Preis  € je t

517,5

329,0

450,3

603,0

+33,9

 

Erdöl und -produkte

Menge               1.000 t

14.899

14.159

14.547

14.548

±0,0

Wert   Mrd. €

9,1

5,8

7,7

9,7

+25,9

Preis  € je t

608,7

409,9

530,4

668,0

+25,9

 

Erdgas

Menge               1.000 TJ

389

408

474

506,1

+6,8

Wert   Mrd. €

2,9

2,2

2,9

3,8

+31,4

Preis  1.000 € je TJ

7,5

5,4

6,0

7,4

+23,1

 

Brennstoffe, Energie

Wert   Mrd. €

14,3

9,8

12,2

15,7

+28,8

           in % des BIP

5,1

3,6

4,3

5,2

.

Anteile am Gesamtimport in %

12,0

10,1

10,7

12,0

.

 

Importpreis Erdöl

$ je Barrel

102,9

61,7

80,3

112,5

+40,1

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen.

 

Wenngleich der Großteil der Handelsbilanzverschlechterung dem Bereich Brennstoffe und Energie zuzurechnen ist, trugen auch die Positionen Rohstoffe (insbesondere NE-Metalle 699 Mio. €, metallurgische Erze 516 Mio. €) und Transportmittel (Straßenfahrzeuge 532 Mio. €, andere Beförderungsmittel 387 Mio. €) deutlich dazu bei. Aufgrund der ungewöhnlich hohen Goldimporte (+34,0%) bei leicht rückläufigem Export von nicht monetärem Gold ergab sich in dieser Position 2011 ebenfalls eine Verschlechterung der Handelsbilanz um 612 Mio. €.

   

Übersicht 14: Entwicklung des Außenhandels nach Warengruppen 2011

 

Export

Import

Saldo

Anteile in %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Anteile in %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Mrd. €

Veränderung in Mrd. €

 

Nahrungsmittel

7,2

+17,1

6,7

+11,0

0,1

+0,4

Rohstoffe

3,3

+8,1

5,1

+15,7

2,7

0,6

Holz

1,2

+1,9

1,0

+9,8

0,2

0,1

Brennstoffe

3,4

+17,8

12,0

+28,8

11,5

2,9

Chemische Erzeugnisse

12,8

+10,1

12,4

+11,9

0,6

0,3

Bearbeitete Waren

23,3

+13,3

16,4

+18,8

7,1

0,0

Papier

3,3

+7,6

1,5

+7,6

2,1

+0,2

Textilien

1,3

+7,3

1,3

+10,4

0,1

0,1

Eisen, Stahl

6,0

+21,1

3,2

+24,4

3,2

+0,5

Maschinen, Fahrzeuge

37,7

+11,3

31,7

+12,3

4,5

+0,1

Autozulieferindustrie

7,0

+14,5

4,4

+21,0

2,8

+0,1

Pkw

3,1

+24,1

5,3

+16,7

3,2

0,3

Konsumnahe Fertigwaren

11,5

+8,4

13,8

+9,5

4,1

0,5

 

Insgesamt

100,0

+11,7

100,0

+15,1

8,6

4,3

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen.

 

Susanne Sieber (Susanne.Sieber@wifo.ac.at)
Statistik: Gabriele Wellan (
Gabriele.Wellan@wifo.ac.at)

Tourismus verliert weiterhin Marktanteile

Im Laufe der zweiten Jahreshälfte 2011 verschlechterte sich die internationale Konjunkturlage beträchtlich; insbesondere spitzte sich die Staatsschuldenkrise im Euro-Raum zu[d]). Aufgrund der relativ kräftigen Dynamik in der ersten Jahreshälfte war im Euro-Raum im Jahresdurchschnitt 2011 mit +1,7% aber noch ein hohes Wirtschaftswachstum zu verzeichnen. Da der Tourismus auf Konjunkturschwankungen im Allgemeinen verzögert reagiert, zeigt sich die Konjunktureintrübung in Europa noch nicht in den internationalen Tourismusdaten des Jahres 2011. Im Jahresdurchschnitt dürften die internationalen Touristenankünfte in Europa mit etwa +6% gegenüber dem Vorjahr relativ kräftig gestiegen sein[e]). Gegenüber dem Jahr 2010 hat sich die Wachstumsrate damit verdoppelt.

Die Dynamik des europäischen internationalen Tourismus war wesentlich stärker als im weltweiten Durchschnitt (+4,4%). Weltweit erreichten die internationalen Touristenankünfte 2011 ein Volumen von 980 Mio., in Europa von 503 Mio. (laut UNWTO).

Unter den im Welttourismus wichtigen Regionen stiegen die internationalen Touristenankünfte am stärksten in Europa (+6,0%) vor Asien (einschließlich des pazifischen Raumes, +5,6%) sowie Amerika und der Karibik (+4,2%). In Afrika stagnierten die internationalen Touristenankünfte, im Nahen Osten sanken sie um 7,9%.

Im österreichischen Tourismus belebte sich die Nachfrage im Zuge des Konjunkturaufschwunges nach der Rezession 2009 schwächer als die anderen wirtschaftlichen Aktivitäten wie Konsum, Ausrüstungsinvestitionen und Warenexporte, sodass die Entwicklung der Tourismuswirtschaft gegenüber der Gesamtwirtschaft zurückblieb. Nach dem kräftigen Rückgang der Gesamtumsätze im Jahr 2009 (real 6,1%) war 2010 trotz der Konjunkturerholung eine weitere leichte Abnahme zu verzeichnen (real 0,4%). Auch 2011 blieben die Umsätze entgegen der internationalen Entwicklung etwas unter dem Vorjahresergebnis (½%). Die realen Umsätze lagen damit weiter geringfügig unter dem Niveau im Rezessionsjahr 2009. Die Einnahmen im internationalen Reiseverkehr (Tourismusexporte) sanken 2011 real um rund ¾%, während in der EU insgesamt ein Anstieg um real etwa 5% verzeichnet wurde.

 

Abbildung 6: Entwicklung der internationalen Touristenankünfte weltweit und in Europa

Q: World Tourism Organization (UNWTO).

 

 

 

Übersicht 15: Übernachtungen in Österreich nach der Herkunft

 

2009

2010

2011

2010/11

Ø 2009/2011

In 1.000

Veränderung in % p. a.

 

Insgesamt

124.307

124.881

125.964

+0,9

+0,7

Inland

34.443

35.024

35.277

+0,7

+1,2

Ausland

89.864

89.857

90.687

+0,9

+0,5

EU 271)

79.706

78.767

78.211

0,7

0,9

EU 151)

72.873

71.838

70.874

1,3

1,4

Deutschland

48.857

48.156

47.390

1,6

1,5

Niederlande

9.452

9.071

8.899

1,9

3,0

Großbritannien

3.264

3.253

3.105

4,6

2,5

Italien

3.016

3.021

3.014

0,2

0,0

Belgien und Luxemburg

2.805

2.749

2.867

+4,3

+1,1

Frankreich

1.739

1.786

1.835

+2,7

+2,7

Dänemark

1.501

1.515

1.464

3,3

1,2

Schweden

690

755

747

1,1

+4,0

Spanien

617

666

741

+11,3

+9,6

Finnland

279

280

304

+8,3

+4,3

Griechenland

255

222

183

17,2

15,2

Irland

308

269

235

12,6

12,6

Portugal

90

94

90

4,3

+0,0

12 neue EU-Länder

6.833

6.930

7.337

+5,9

+3,6

Ungarn

1.499

1.510

1.598

+5,8

+3,2

Tschechien

1.955

1.972

2.079

+5,4

+3,1

Polen

1.386

1.423

1.519

+6,7

+4,7

Slowenien

310

317

355

+11,9

+7,0

Slowakei

424

465

499

+7,4

+8,5

Estland

61

68

59

13,3

1,4

Lettland

59

55

63

+14,0

+3,1

Litauen

105

93

97

+3,9

3,9

Zypern

28

30

25

18,1

6,6

Malta

17

22

22

+0,3

+12,9

Bulgarien

146

151

169

+12,1

+7,6

Rumänien

841

823

854

+3,7

+0,7

Schweiz und Liechtenstein

3.642

3.797

4.277

+12,6

+8,4

Übersee

2.010

2.200

2.231

+1,4

+5,4

USA

1.110

1.243

1.203

3,2

+4,1

Japan

407

412

438

+6,2

+3,7

Australien und Neuseeland

285

315

343

+9,0

+9,7

Kanada

207

229

247

+7,8

+9,1

China

222

267

370

+38,2

+29,0

Indien

97

110

159

+43,7

+28,0

Russland

969

1.195

1.501

+25,6

+24,5

Q: Statistik Austria. 1) Ohne Österreich.

 

Auch die Nächtigungsentwicklung verlief ungünstig: So lag das Nächtigungsvolumen 2011 zwar um 1,3% über dem Niveau im Rezessionsjahr 2009, die Steigerungsrate gegenüber dem Vorjahr blieb aber mit knapp 1% weit unter dem EU-Durchschnitt (laut Eurostat +4%) sowie unter dem Wirtschaftswachstum in Österreich und im Ausland[f]). Österreich gehörte damit zu den EU-Ländern mit der schwächsten Nächtigungsentwicklung[g]).

Im Kalenderjahr 2011 nahm die Nächtigungsnachfrage der inländischen Gäste um 0,7% zu, jene der ausländischen Gäste stieg mit +0,9% geringfügig stärker. Von den für Österreich wichtigen Herkunftsmärkten entwickelten sich die Übernachtungszahlen der Gäste aus Russland (+25,6%), der Schweiz (+12,6%), Polen (+6,7%), Ungarn (+5,8%), Tschechien (+5,4%), Belgien (+4,3%), Rumänien (+3,7%) und Frankreich (+2,7%) überdurchschnittlich. Ein Rückgang ergab sich für Großbritannien (4,6%), Dänemark (3,3%), die USA (3,2%), die Niederlande (1,9%), Deutschland (1,6%) und Schweden (1,1%). Die Nächtigungen der Reisenden aus Italien stagnierten.

Das Jahr 2011 war durch einen weiteren deutlichen Rückgang der Aufenthaltsdauer gekennzeichnet (Abbildung 7). Mit Ausnahme der Entwicklung im Burgenland und in Oberösterreich war die Tendenz in allen Bundesländern rückläufig.

Zwischen tourismusintensiven und tourismusextensiven Bundesländern sowie zwischen städtischen und ländlichen Gebieten zeigten sich 2011 erhebliche Entwicklungsunterschiede. So verzeichneten die tourismusextensiven Bundesländer Nieder- und Oberösterreich, Steiermark und Wien (nicht jedoch das Burgenland) relativ kräftige Zuwachsraten, während die Nächtigungen in den tourismusintensiven Bundesländern Tirol, Vorarlberg und Salzburg (nicht jedoch in Kärnten) stagnierten oder rückläufig waren. Die deutlichen Wachstumsdifferenzen zwischen den Landeshauptstädten und den ländlichen Gebieten verringerten sich zwar 2011, das Wachstum war aber in den Städten noch immer um rund 4 bis 5 Prozentpunkte höher als in den ländlichen Regionen (gegenüber etwa rund 9 Prozentpunkten im Jahr 2010). Insbesondere in Wien, Graz, Salzburg, Linz und Klagenfurt wuchs der Tourismus kräftig.

 

Abbildung 7: Entwicklung der Aufenthaltsdauer von in- und ausländischen Gästen in Österreich

Q: Statistik Austria.

 

Ähnlich wie 2010 entwickelten sich die Nächtigungen in der Sommersaison 2011 (mit einer mäßigen Steigerung) günstiger als in der Wintersaison 2010/11. Der geringfügige Rückgang gegenüber dem Vorjahr in der Wintersaison war auf die Verringerung der Nachfrage ausländischer Gäste zurückzuführen. Auch die nominellen Umsätze folgten weitgehend diesem Saisonmuster. In der Wintersaison übertrafen sie das Vorjahresniveau jedoch leicht, in der Sommersaison nahmen sie etwas deutlicher zu.

Im internationalen Vergleich verlor der österreichische Tourismus 2011 gemessen an den nominellen Tourismusexporten der EU 15 Marktanteile. Nach geringfügigen Zugewinnen im Jahr 2009 waren 2010 mäßige Einbußen zu verzeichnen, die sich 2011 deutlich verstärkten (Abbildung 8). 2011 lag der österreichische Markanteil mit rund 6% um nur mehr 0,6 Prozentpunkte über dem bisherigen Tiefstwert im Jahr 2000.

 

Abbildung 8: Österreichs Marktanteil am internationalen Tourismus

Gemessen an den nominellen Tourismusexporten der EU 15

Q: IWF, OeNB, UNWTO, WIFO, wiiw. Ohne internationalen Personentransport.

 

Tourismus bleibt wichtige gesamtwirtschaftliche Wertschöpfungskomponente

Einschließlich aller direkten und indirekten Wertschöpfungseffekte erwirtschaftete der Tourismus 2010 laut dem aktuellen Tourismus-Satellitenkonto 21,50 Mrd. € (+2,9%) und trug damit 7,5% zur gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung (BIP) bei[h]). 2011 dürfte diese Kenngröße mit 7,4% leicht darunter gelegen sein. Aus dem nichttouristischen Freizeitkonsum der Österreicher und Österreicherinnen am Wohnort ergaben sich weitere direkte und indirekte Wertschöpfungseffekte von 20,94 Mrd. € (+4,5%, 7,3% der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung). Auch dieser Indikator dürfte 2011 etwas niedriger gewesen sein (7,2%).

Die Gesamtbetrachtung der inlandswirksamen Aufwendungen für den nichttouristischen Freizeitkonsum am Wohnort und den touristischen Konsum zeigt die hohe Bedeutung der gesamten Tourismus- und Freizeitwirtschaft in Österreich:

·          Die direkten und indirekten Wertschöpfungseffekte erreichten 2010 insgesamt 42,44 Mrd. € (+3,7% gegenüber dem Vorjahr).

·          Damit blieb der Beitrag der gesamten Tourismus- und Freizeitwirtschaft zum BIP 2010 mit 14,8% weitgehend unverändert.

·          2011 war das geschätzte Gewicht des Sektors an der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung etwas niedriger als im Jahr davor.

Tourismus als bedeutender Beschäftigungsgenerator

Unter Berücksichtigung aller von der Tourismusnachfrage ausgelösten direkten und indirekten Effekte ergab sich für das Jahr 2010 ein Beschäftigungsvolumen von rund 344.300 Vollzeitäquivalenten. Der Beitrag des Sektors zur Gesamtbeschäftigung (Erwerbstätige in Vollzeitäquivalenten) betrug demnach wie im Vorjahr 9,9%.

Für eine erweiterte Sicht auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Beschäftigungseffekte der gesamten Tourismus- und Freizeitwirtschaft muss auch der nichttouristische Freizeitkonsum am Wohnort mit einbezogen werden. Die Berechnungen ergaben direkte und indirekte Beschäftigungseffekte des nichttouristischen Freizeitkonsums von etwa 287.300 Vollzeitäquivalenten (8,2% der gesamtwirtschaftlichen Beschäftigung).

Insgesamt waren der Tourismus- und Freizeitwirtschaft im Jahr 2010 direkt und indirekt rund 631.600 Vollarbeitsplätze zuzurechnen; der Sektor generiert somit knapp ein Fünftel der Vollarbeitsplätze in Österreich.

Egon Smeral (Egon.Smeral@wifo.ac.at)
Statistik: Susanne Markytan (
Susanne.Markytan@wifo.ac.at)

Konsum wichtige Stütze der Wirtschaftsentwicklung

Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/09 schien 2010 überwunden zu sein, doch kam kein selbsttragender Aufschwung in Gang. Vielmehr entstand eine Krise des Vertrauens in die öffentlichen Finanzen, deren Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung im Laufe des Jahres 2011 immer mehr sichtbar wurden.

Da die privaten Haushalte ihre Konsumpläne an Einkommensänderungen sinnvoller Weise erst anpassen, wenn sie diese als dauerhaft erachten, entwickelt sich die Konsumquote (Konsumausgaben in Prozent des Einkommens) normalerweise antizyklisch. Sie steigt in Phasen schwacher Konjunktur, weil die Haushalte ihre Ausgaben nicht so deutlich einschränken, wie es der Einkommensentwicklung entspräche, und sinkt in Phasen guter Konjunktur, weil sich die vorübergehend starken Einkommenszuwächse nicht voll in Verbrauchsausgaben niederschlagen. Dadurch stabilisiert der private Konsum die Wirtschaftsentwicklung im Konjunkturverlauf. In wirtschaftlich schwierigen Phasen kommt den privaten Konsumausgaben daher besondere Bedeutung zu.

Ein Einbruch wie die Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 kann jedoch ein Vorsichtssparen der privaten Haushalte auslösen. Um sich gegen künftige Einkommensverluste abzusichern, insbesondere wenn der Verlust des Arbeitsplatzes droht, können die Haushalte mit vermehrtem Sparen reagieren, sodass der Abschwung zusätzlich verschärft wird. Nach einer Studie des Internationalen Währungsfonds[i]) erhöhte sich die Sparquote[j]) in früheren schweren Finanzmarktkrisen innerhalb von zwei Jahren durchschnittlich um 5 Prozentpunkte.

Ein solcher Rückgang der Ausgabenbereitschaft der privaten Haushalte kann nicht zuletzt durch Gegensteuern der öffentlichen Hand verhindert werden. Die aktive konjunkturpolitische Gegensteuerung im In- und Ausland konnte in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte beeinflussen und trug so erheblich zur Vermeidung von Unsicherheit bei. In Österreich wurden im Gegensatz zu den meisten EU-Ländern die Konsumausgaben stabilisiert und Vorsichtssparen hintangehalten. Die Konsumquote stieg von 88,6% im Jahr 2008 auf 92,2% im Jahr 2010. Waren 2008 88,6% des Einkommens der privaten Haushalte in private Verbrauchsausgaben geflossen, so waren es 2010 92,2%. Durch diesen außerordentlich starken Anstieg der Konsumquote wurde die Wirtschaftsentwicklung in Österreich in der Krise gestützt.

Sparquote weiter gesunken – Stabiles Konsumwachstum

Im Durchschnitt des Jahres 2011 expandierte die österreichische Wirtschaft relativ kräftig. Der Investitionszyklus war im Jahr 2010 in Gang gekommen, verlor aber bereits Mitte 2011 wieder an Kraft. Die Konsumausgaben der privaten Haushalte wurden durch die hohe Inflation gedämpft: Trotz raschen Beschäftigungswachstums nahmen die real verfügbaren Haushaltseinkommen kaum zu (2011 +0,2%).

Die privaten Haushalte gaben in Österreich im Jahr 2011 gut 161 Mrd. € für Zwecke des privaten Konsums aus, um 3,5% mehr als ein Jahr davor (Übersicht 16). Deflationiert mit dem Deflator des privaten Konsums ergibt sich eine reale Konsumsteigerung von 0,6%. Dieses Konsumwachstum konnte aufgrund der schwachen Realeinkommensentwicklung nur durch einen weiteren Anstieg der Konsumquote bzw. Rückgang der Sparquote erreicht werden. Nach vorläufigen Berechnungen von Statistik Austria verringerte sich die Sparquote im Durchschnitt der ersten drei Quartale 2011 deutlich, nachdem sie schon in den Vorjahren merklich gesunken war. Diese Entwicklung steht im Widerspruch zu den oben genannten Ergebnissen einer Studie des Internationalen Währungsfonds. Der starke Anstieg der Konsumquote bzw. Rückgang der Sparquote ist neben beschäftigungssichernden Maßnahmen, die der Arbeitslosigkeit entgegenwirkten, auch in Zusammenhang mit der Zusammensetzung des Haushaltseinkommens zu sehen: Seit Ausbruch der Krise wird das Wachstum der gesamten Haushaltseinkommen nicht mehr in erster Linie von den Vermögens- und Selbständigeneinkommen sowie Betriebsüberschüssen, sondern von den Arbeitnehmerentgelten getragen, der Kategorie mit der höchsten Konsumneigung[k]).

 

Übersicht 16: Privater Konsum, persönlich verfügbares Einkommen, Konsumquote

 

 

 

 

 

 

 

Privater Konsum1)

Persönlich verfügbares Einkommen

Konsumquote2)

 

Nominell

Real3)

Nominell

Real3)

 

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

Ø 1997/2002

+3,1

+1,9

+3,0

+1,9

+0,0

Ø 2002/2007

+3,8

+1,7

+4,7

+2,5

0,8

2008

+3,0

+0,8

+3,0

+0,9

0,0

2009

+0,3

0,3

1,1

1,7

+1,5

2010

+4,3

+2,2

+1,7

0,3

+2,5

2011

+3,5

+0,6

+3,1

+0,2

+0,4

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. ¹) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. 2) Konsum in % des persönlichen verfügbaren Einkommens. 3) Berechnet auf Basis von Vorjahrespreisen.

 

2011 wuchs der private Konsum in Österreich stärker als im Durchschnitt des Euro-Raumes (+0,2%), jedoch schwächer als in Deutschland (+1,5%), wo die Ausgaben der privaten Haushalte 2011 deutlich zunahmen, nachdem sie in den letzten Jahren nur mäßig gestiegen waren.

In Österreich expandierte der Konsum im Jahresverlauf ziemlich stetig. Er übertraf im 1. Halbjahr das Vorjahresniveau um 0,9%, im zweiten um 0,3%. Konjunktur- und trendbedingt nahm die Nachfrage der privaten Haushalte pro Quartal um 0,2% zu.

Geldvermögen stagniert

Die geringe Sparneigung der privaten Haushalte zeigt sich auch in der Entwicklung des Geldvermögens, das 2011 durch einen empfindlichen Rückgang auf den Aktienmärkten beeinflusst wurde.

Nach Daten der Gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsrechnung der OeNB investierten die privaten Haushalte (einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck) von Jänner bis September 2011 7,8 Mrd. € in Finanzanlagen, um nur 0,6 Mrd. € mehr als im Vergleichszeitraum 2010 (Übersicht 17). Die Veranlagungsstruktur veränderte sich gegenüber dem Vorjahr (Abbildung 9): Die privaten Anleger investierten wesentlich mehr als 2010 in Bankeinlagen und nahmen nach Angaben der OeNB bei den meisten Einlagenprodukten sogar eine negative Realverzinsung in Kauf. Deutlich geringeres Interesse hatten sie an Wertpapieren; dafür waren vor allem die beträchtlichen Aktienkursverluste im III. Quartal bestimmend sowie eine schwache Nachfrage nach neuen Produkten aufgrund einer allgemeinen Verunsicherung. Das gesamte Wertpapierportefeuille entsprach nach Angaben der OeNB zum aktuellen Marktwert von Ende September nur dem Niveau vom März 2010. Ebenfalls geringer als in den ersten drei Quartalen 2010 war die Zunahme der privaten Ansprüche aus Lebensversicherungen und gegenüber betrieblichen und überbetrieblichen Pensionskassen.

 

Übersicht 17: Geldvermögensbildung und Finanzierung des privaten Haushaltssektors

Transaktionen

 

 

 

 

 

 

 

2009

2010

2009

2010

2011

 

 

 

I. bis III. Quartal

 

Mio. €

 

 

 

 

 

 

Geldvermögensbildung

15.279

12.094

14.009

7.199

7.835

Bargeld und Einlagen

8.897

2.032

8.841

1.156

3.816

Wertpapiere

237

915

484

315

1.573

Börsennotierte Aktien

661

1.231

630

201

267

Investmentzertifikate

948

2.901

126

1.461

1.323

Versicherungssparprodukte

4.481

4.264

4.215

3.501

2.491

Lebensversicherungen

2.856

2.969

2.664

2.330

1.220

 

 

 

 

 

 

Finanzierung

737

1.426

188

959

2.457

Nach der Laufzeit

 

 

 

 

 

Kurzfristige Kredite

388

533

129

178

1.023

Langfristige Kredite

1.450

660

672

864

3.314

Nach dem Zweck

 

 

 

 

 

Wohnbaukredite

1.888

2.274

1.102

1.541

2.475

Konsumkredite

842

912

186

390

644

Sonstige Kredite

16

169

372

109

461

 

 

 

 

 

 

Finanzierungssaldo

14.542

10.668

13.822

6.239

5.380

Q: OeNB. Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

 

 

 

Abbildung 9: Struktur der Veranlagungen des privaten Haushaltssektors

Transaktionen

Q: OeNB. Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

 

Dagegen erhöhte sich die Neuverschuldung der privaten Haushalte 2011 wieder, nach einer sehr schwachen Kreditausweitung in den Jahren 2009 und 2010 (Abbildung 10). Die Nettoposition aus Geldvermögen abzüglich der Verbindlichkeiten lag Ende September 2011 mit 302,7 Mrd. € nur auf dem Niveau vom September 2010, was die oben aufgezeigte geringe Sparneigung der privaten Haushalte im Jahr 2011 widerspiegelt.

 

Abbildung 10: Vermögensaufbau und Verschuldung des privaten Haushaltssektors

Transaktionen

Q: OeNB. Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

 

Lebhafte Pkw-Nachfrage bei Eintrübung der Konsumentenstimmung

Überdurchschnittlich wuchs 2011 die relativ konjunkturreagible Nachfrage nach dauerhaften Konsumgütern (Pkw, Möbel, elektrotechnische Erzeugnisse usw.; Übersicht 18). Der hohe Preis je Kaufeinheit dieser Güter erfordert in der Regel eine Anspar- und/oder Verschuldungsphase, sodass die Nachfrage relativ stark auf Einkommensschwankungen sowie auf Stimmungsänderungen reagiert.

 

Übersicht 18: Entwicklung des privaten Konsums im längerfristigen Vergleich

Real (berechnet auf Basis von Vorjahrespreisen)

 

 

 

 

 

 

 

 

Ø 1997/2002

Ø 2002/2007

2008

2009

2010

2011

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

 

Nahrungsmittel, alkoholfreie Getränke

+0,5

+1,5

1,9

+0,1

+2,1

+3,0

Tabakwaren, alkoholische Getränke

+1,5

+0,7

0,9

0,3

+0,7

3,4

Bekleidung, Schuhe

+0,4

+1,8

1,1

1,9

+7,5

3,5

Wohnen, Wasser, Strom, Gas und andere Brennstoffe

+1,6

+1,3

+3,0

1,4

+1,2

+1,1

Einrichtungsgegenstände, Haushaltsgeräte

+1,0

+2,7

+0,1

2,2

+2,8

+0,4

Gesundheitspflege

+2,0

+0,7

1,2

+1,3

+0,8

+0,6

Verkehr

+0,9

+0,2

1,0

0,6

+4,6

+2,7

Nachrichtenübermittlung

+17,1

+5,3

+5,7

3,2

4,5

1,4

Freizeit, Unterhaltung, Kultur

+4,4

+4,1

+4,3

+1,9

+1,8

+1,0

Bildungswesen

1,6

+1,1

+1,4

9,1

+3,1

+0,5

Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen

+2,9

+2,7

0,7

+4,0

+3,0

+1,8

Andere Waren und Dienstleistungen

+1,4

+1,2

+2,2

1,6

+1,4

+0,0

Ausgaben von Gebietsansässigen im Ausland

0,2

0,6

3,0

+2,3

1,7

5,2

Private Organisationen ohne Erwerbszweck

+2,7

+2,6

+1,4

+1,1

+4,6

0,1

 

 

 

 

 

 

 

Privater Konsum insgesamt

+1,9

+1,7

+0,8

0,3

+2,2

+0,6

Dauerhafte Konsumgüter

+2,7

+4,0

+3,8

+0,9

+5,8

+0,9

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck.

 

Die günstige Entwicklung dieser Kategorie war vor allem auf die kräftige Zunahme der Ausgaben für Pkw zurückzuführen (+2,3%), während die Nachfrage nach den anderen dauerhaften Konsumgütern real stagnierte. Nicht zuletzt die Verschlechterung des Konsumklimas dämpfte im 2. Halbjahr 2011 die Nachfrage nach Pkw. Nach einer von der Europäischen Kommission geförderten Erhebung von GfK Austria (Gesellschaft für Konsumforschung) ging der saisonbereinigte Vertrauensindex[l]) in der zweiten Jahreshälfte 2011 um 13% zurück (Abbildung 11).

 

Abbildung 11: Entwicklung des saisonbereinigten Vertrauensindex

Q: Eurostat. Arithmetisches Mittel der Salden aus positiven und negativen Antworten in % aller Antworten zur künftigen finanziellen Situation des Haushalts, zur Möglichkeit Geld zu sparen, zur Ansicht über die künftige allgemeine Wirtschaftslage und zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit (mit umgekehrtem Vorzeichen). Saisonbereinigung mit dem von Eurostat entwickelten Programm Dainties.

 

Die Ausgaben für nichtdauerhafte Konsumgüter (Güter des täglichen Bedarfs) entwickeln sich im Konjunkturverlauf eher gleichmäßig und prägen die konjunkturstabilisierende Wirkung des Konsums; sie nahmen 2011 real um 0,6% zu.

Überaus günstiger Geschäftsgang im Kfz-Handel

Der österreichische Handel verzeichnete im Jahr 2011 einen recht unterschiedlichen Umsatzverlauf. Dem hohen realen Zuwachs im Kfz-Handel standen eine mäßige Steigerung im Großhandel (ohne Kfz) und ein Rückgang im Einzelhandel (ohne Kfz) gegenüber (Übersicht 19).

Aufgrund der enormen Steigerung der Kfz-Neuzulassungen verzeichnete der Kfz-Handel einen äußerst günstigen Geschäftsgang. Er setzte 2011 27,8 Mrd. € um, nominell um 8,1% und real um 7,2% mehr als ein Jahr zuvor. Noch mehr als die privaten Haushalte trug die Investitionsnachfrage der Unternehmen zu diesem Ergebnis bei. Die gute Liquiditätslage wurde in diesem Bereich offenbar genutzt, um den Fuhrpark zu erneuern.

Der Geschäftsgang des Einzelhandels wird bestimmt von den einzelhandelsrelevanten Ausgaben der Bevölkerung im Inland[m]) und jenen der ausländischen Gäste in Österreich. Beide Komponenten entwickelten sich 2011 mäßig. Die kräftige Nachfrage nach Pkw ließ jedoch gewisse negative Effekte auf die Expansion der anderen Einzelhandelsbranchen erwarten. Der Einzelhandel (ohne Kfz) setzte 2011 57,1 Mrd. € um, nominell um 2,5% mehr, real jedoch um 1,1% weniger als 2010. Einem realen Zuwachs im Einzelhandel mit EDV-Geräten stand ein Rückgang im Handel mit Textilien, Bekleidung und Schuhen gegenüber.

 

Übersicht 19: Entwicklung der Umsätze im Handel

 

 

 

 

 

 

Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz

Kfz-Handel, Reparatur von Kfz

Handelsvermittlung und Großhandel (ohne Kfz)

Einzelhandel (ohne Kfz)

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

Nominell

 

 

 

 

2009

5,5

3,0

9,5

+1,1

2010

+7,6

+4,4

+10,4

+4,1

2011

+4,7

+8,1

+4,9

+2,5

1. Halbjahr

+7,8

+10,7

+9,5

+3,0

2. Halbjahr

+1,8

+5,8

+0,7

+2,0

I. Quartal

+9,1

+13,6

+12,0

+1,9

II. Quartal

+6,5

+8,2

+7,4

+4,0

III. Quartal

+2,3

+5,2

+1,8

+1,9

IV. Quartal

+1,3

+6,4

0,3

+2,0

 

 

 

 

 

Real

 

 

 

 

2009

1,8

4,4

2,7

+1,4

2010

+3,8

+4,0

+4,5

+2,3

2011

+1,1

+7,2

+0,9

1,1

1. Halbjahr

+2,9

+9,8

+3,1

0,7

2. Halbjahr

0,5

+4,6

1,2

1,6

I. Quartal

+3,8

+13,0

+4,5

1,7

II. Quartal

+2,1

+7,2

+1,8

+0,2

III. Quartal

0,8

+4,1

1,5

1,6

IV. Quartal

0,4

+5,1

1,0

1,5

Q: Statistik Austria.

 

Der Großhandel setzte 2011 113,5 Mrd. € um, nominell um 4,9% und real um 0,9% mehr als 2010. Aufgrund der in der ersten Jahreshälfte noch lebhaften Investitionsnachfrage wurde der Handel mit Maschinen, Ausrüstungen und Zubehör ausgeweitet, ebenso jener mit Geräten der Informations- und Kommunikationstechnik, während der Großhandel mit landwirtschaftlichen Grundstoffen und lebenden Tieren empfindliche Einbußen erlitt.

 

Übersicht 20: Preise und Beschäftigung im Handel

 

 

 

 

 

 

Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kfz

Kfz-Handel, Reparatur von Kfz

Handelsvermittlung und Großhandel (ohne Kfz)

Einzelhandel (ohne Kfz)

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

Preise (Ø 2005 = 100)

 

 

 

 

2009

4,0

+1,4

7,0

0,3

2010

+3,6

+0,4

+5,5

+1,7

2011

+3,6

+0,9

+4,1

+3,7

1. Halbjahr

+4,8

+0,7

+6,3

+3,7

2. Halbjahr

+2,4

+1,1

+2,0

+3,7

I. Quartal

+5,2

+0,5

+7,2

+3,7

II. Quartal

+4,3

+0,9

+5,4

+3,8

III. Quartal

+3,1

+1,0

+3,3

+3,7

IV. Quartal

+1,6

+1,2

+0,7

+3,6

 

 

 

 

 

Beschäftigung

 

 

 

 

2009

1,2

1,7

1,9

0,6

2010

+0,6

+1,1

0,1

+0,8

2011

+1,3

+1,1

+1,1

+1,3

1. Halbjahr

+1,3

+1,1

+0,9

+1,6

2. Halbjahr

+1,2

+1,1

+1,4

+1,0

I. Quartal

+1,1

+1,0

+0,7

+1,4

II. Quartal

+1,6

+1,2

+1,0

+1,8

III. Quartal

+1,2

+1,1

+1,2

+1,2

IV. Quartal

+1,1

+1,1

+1,6

+0,8

Q: Statistik Austria.

 

Insgesamt setzte der Handel 2011 nominell um 4,7% und real um 1,1% mehr um als ein Jahr zuvor. Die Beschäftigung nahm im Handel 2011 um 1,3% zu, leicht überdurchschnittlich im Einzelhandel (ohne Kfz). Die Produktivität gemessen als realer Umsatz je Arbeitskraft dürfte 2011 stabil geblieben sein, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die Beschäftigungsausweitung im Einzelhandel (ohne Kfz) überwiegend auf Teilzeitbasis erfolgte.

Die Preise stiegen im Handel 2011 um 3,6%, überdurchschnittlich im Großhandel (+4,1%, insbesondere wegen Verteuerung von landwirtschaftlichen Grundstoffen), unterdurchschnittlich im Kfz-Handel (+0,9%).

Michael Wüger (Michael.Wueger@wifo.ac.at)
Statistik: Martina Agwi (
Martina.Agwi@wifo.ac.at)

Inflationsverlauf durch Mineralölprodukte und Tourismusdienstleistungen geprägt

Die Inflationsrate erreichte im Jahresdurchschnitt 2011 auf Basis des Verbraucherpreisindex 3,3% (2009 +0,5%, 2010 +1,9%). Von knapp 2½% zu Jahresbeginn verstärkte sich der Preisauftrieb auf gut 3½% im Herbst und verlangsamte sich bis Februar 2012 auf 2,6%. Diese Entwicklung geht in erster Linie auf die Verteuerung von Mineralölprodukten zurück (+18,1%, Inflationsbeitrag 0,8 Prozentpunkte). Daneben trugen verarbeitete Nahrungsmittel (+4,7%) mit 0,5 Prozentpunkten, Tourismusdienstleistungen (Restaurants, Hotels, Flugreisen; +4,4%) mit 0,5 Prozentpunkten und Wohnungskosten (Ausgaben für Mieten und Wohnnebenkosten, Wohnungsinstandhaltung; +2,3%) mit 0,3 Prozentpunkten wesentlich zum Preisauftrieb bei (Übersicht 21, Abbildungen 12 bis 14). Dies schlägt sich auch in einem deutlichen Anstieg der Kerninflation (definiert als Gesamtinflation ohne unverarbeitete Nahrungsmittel und Energie, gemäß VPI) gegenüber dem Vorjahr von 1,2% auf 2,5% nieder.

 

Übersicht 21: Entwicklung des Verbraucherpreisindex

Gliederung nach dem Konsumzweck

 

2007

2008

2009

2010

2011

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Nationaler Verbraucherpreisindex (VPI)

+2,2

+3,2

+0,5

+1,9

+3,3

Kerninflationsrate des VPI1)

+1,8

+2,4

+1,6

+1,2

+2,5

Preisindex für Pensionistenhaushalte (PIPH)

+2,6

+3,4

+0,9

+2,0

+3,4

Mikrowarenkorb (täglicher Einkauf)

+5,0

+6,1

0,2

+0,6

+3,8

Miniwarenkorb (wöchentlicher Einkauf)

+2,8

+7,9

3,4

+3,4

+6,7

Gebühren und Tarife

+2,6

+2,7

+1,8

+0,9

+1,7

 

COICOP-Gruppen

Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke

+4,1

+6,3

+0,2

+0,5

+4,2

Alkoholische Getränke und Tabak

+2,2

+5,0

+1,2

+2,0

+4,1

Bekleidung und Schuhe

+2,1

+1,6

+1,5

+1,1

+3,0

Wohnung, Wasser, Energie

+4,6

+2,7

+1,8

+2,6

+3,2

Hausrat und laufende Instandhaltung des Hauses

+1,1

+2,6

+2,3

+1,2

+1,6

Gesundheitspflege

+1,8

+1,9

+2,1

+1,6

+2,0

Verkehr

+0,4

+5,3

4,3

+3,4

+5,6

Nachrichtenübermittlung

3,3

4,3

1,0

+1,9

+0,9

Freizeit und Kultur

+0,0

+0,9

+0,6

+0,8

+2,0

Erziehung und Unterricht

+1,9

+1,2

11,6

4,7

+4,0

Restaurants und Hotels

+2,6

+3,6

+2,3

+1,1

+3,5

Verschiedene Waren und Dienstleistungen

+2,5

+3,0

+3,4

+2,8

+3,2

 

Sondergliederung

Unverarbeitete Nahrungsmittel2)

+3,9

+4,3

+0,5

+2,0

+3,5

Verarbeitete Nahrungsmittel3)

+3,8

+7,0

+0,4

+0,1

+4,7

Energie

+4,2

+10,2

9,5

+7,6

+11,0

Industriegüter

+1,7

+1,9

+1,8

+1,2

+1,6

Dienstleistungen

+1,6

+1,8

+1,7

+1,5

+2,7

Q: Statistik Austria. 1) Ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel (Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse). 2) Saisonwaren, Fleisch- und Wurstwaren. 3) Einschließlich alkoholischer Getränke und Tabak.

 

Die Inflationsrate betrug im Jahr 2011 3,3%. Ihr Anstieg um 1,4 Prozentpunkte gegenüber 2010 war vor allem auf die Verteuerung von Mineralölprodukten zurückzuführen. Daneben trugen auch die Preise von verarbeiteten Nahrungsmitteln, die Wohnkosten und die Preise von Tourismusdienstleistungen maßgeblich zur Beschleunigung des Preisauftriebes bei.

Im Rahmen der Konsolidierungsmaßnahmen der öffentlichen Haushalte wurde 2011 die Anhebung einiger indirekter Steuern wirksam: Die Erhöhung der Mineralölsteuer auf Treibstoffe und der Tabaksteuer (beide ab 1. Jänner 2011) trugen im Jahresdurchschnitt knapp 0,2 Prozentpunkte bzw. 0,1 Prozentpunkte zur Inflationsrate bei. Die Anhebung der Normverbrauchsabgabe (ab 1. März 2011) und die Einführung der Flugticketabgabe (ab 1. April 2011) lieferten einen geringfügigen Beitrag von 0,05 Prozentpunkten. Insgesamt schätzt das WIFO, dass der Preisauftrieb 2011 durch die Steuererhöhungen um etwa 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte beschleunigt wurde.

Am stärksten (gereiht nach ihrem Inflationsbeitrag) verteuerten sich im Jahr 2011 die folgenden Indexpositionen: Dieseltreibstoff (Preise +20,4%, Beitrag zur Inflationsrate +0,42 Prozentpunkte), Superbenzin (+14,3%, +0,22 Prozentpunkte), Flugpauschalreisen (+9,6%, +0,19 Prozentpunkte), flüssige Brennstoffe (+21,4%, +0,17 Prozentpunkte), Wohnungsmieten (+3,3%, +0,14 Prozentpunkte), Zigaretten (+5,2%, +0,10 Prozentpunkte), Bohnenkaffee (+23%, +0,08 Prozentpunkte) und Gas (8,7%, +0,07 Prozentpunkte). Am deutlichsten inflationsdämpfend wirkten: Notebooks (Preise 10,6%, Beitrag zur Inflationsrate 0,03 Prozentpunkte), neue Personenkraftwagen (0,7%, 0,03 Prozentpunkte), Kosten für Eigentumswohnungen (5,3%, 0,02 Prozentpunkte), Zement (4,4%, 0,02 Prozentpunkte), Gesprächsentgelt für Handy (2,7%, 0,02 Prozentpunkte), Gartenpflanzen (5,8%, 0,02 Prozentpunkte), Mobiltelefongeräte (11%, 0,01 Prozentpunkte) und Wohn-Accessoires (14,4%, 0,01 Prozentpunkte).

 

Abbildung 12: Entwicklung der Rohstoff- und Energiepreise

1996 = 100, auf Euro-Basis

Q: HWWI, Statistik Austria. HWWI . . . Weltmarktpreisindex, VPI . . . Verbraucherpreisindex.

 

 

 

Abbildung 13: Preisindizes für ausgewählte Nahrungsmittel in Österreich

2000 = 100, auf Euro-Basis

Q: Eurostat, HWWI, Statistik Austria, Weltbank. VPI . . . Verbraucherpreisindex, HVPI . . . harmonisierter Verbraucherpreisindex, EPI . . . Erzeugerpreisindex, GHPI . . . Großhandelspreisindex, HWWI . . . Weltmarktpreisindex.

 

 

 

Übersicht 22: Entwicklung der Rohstoff- und Großhandelspreise

 

 

1991/1996

1996/2001

2001/2006

2006/2011

2007

2008

2009

2010

2011

 

Durchschnittliche jährliche Veränderung in %

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Weltmarktpreise insgesamt

Auf Dollarbasis

+1,6

+0,7

+19,0

+10,0

+12,3

+32,7

34,7

+28,9

+28,6

Auf Euro-Basis

+1,0

+8,0

+11,2

+7,7

+2,5

+22,5

30,7

+36,4

+22,4

Ohne Energierohstoffe

+2,4

+1,3

+6,6

+5,6

+6,5

1,3

19,1

+37,4

+12,4

Nahrungs- und Genussmittel

+6,4

3,2

+0,9

+13,5

+15,5

+24,6

8,7

+16,8

+22,8

Industrierohstoffe

+0,8

+3,3

+8,4

+3,2

+4,3

8,5

23,0

+46,6

+8,7

Agrarische Rohstoffe

+0,3

+1,6

+0,7

+4,8

+9,0

11,0

12,6

+41,8

+5,1

NE-Metalle

+1,1

+4,5

+11,5

1,1

+2,6

18,7

26,7

+45,3

+6,5

Energierohstoffe

+0,4

+11,1

+12,6

+8,3

+1,4

+29,3

33,2

+36,1

+25,0

Rohöl

+0,5

+11,5

+13,2

+7,9

+0,7

+26,9

32,8

+35,7

+25,5

 

Index der Großhandelspreise

+2,6

+1,9

+2,0

+2,7

+4,1

+6,4

7,5

+5,0

+8,3

Konsumgüter

+2,0

+1,9

+1,8

+2,5

+2,2

+4,8

1,4

+2,1

+10,0

Investitionsgüter

1,2

1,1

0,9

1,2

3,4

2,6

1,7

+1,2

3,1

Intermediärgüter

+4,5

+3,1

+3,3

+4,2

+8,5

+10,7

13,8

+8,8

+10,3

Q: HWWI, Statistik Austria.

 

Die öffentlichen Tarife und Gebühren wurden 2011 mit +1,7% etwas schwächer angehoben als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre (+2,0%).

Der Preisindex für Pensionistenhaushalte stieg im Jahresdurchschnitt um 3,4% (2010 +2,0%), um 0,1 Prozentpunkt stärker als der VPI.

 

Abbildung 14: Verbraucherpreisindizes für Wohnungsaufwand und Haushaltsenergie

2000 = 100, auf Euro-Basis

Q: Statistik Austria.

 

 

 

Übersicht 23: Entwicklung des harmonisierten Verbraucherpreisindex

Gliederung nach dem Konsumzweck

 

 

 

 

 

 

2007

2008

2009

2010

2011

Österreich

Euro-Raum

Österreich

Euro-Raum

Österreich

Euro-Raum

Österreich

Euro-Raum

Österreich

Euro-Raum

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI)

+2,2

+2,1

+3,2

+3,3

+0,4

+0,3

+1,7

+1,6

+3,6

+2,7

Kerninflationsrate1)

+1,9

+2,0

+2,4

+2,4

+1,5

+1,3

+1,2

+1,0

+2,8

+1,7

HVPI zu konstanten Steuersätzen

+2,1

.

+3,1

.

+0,5

.

+1,7

.

.

.

COICOP-Gliederung

Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke

+4,2

+2,7

+6,4

+5,5

+0,3

0,0

+0,4

+0,4

+4,4

+2,5

Alkoholische Getränke und Tabak

+2,3

+3,4

+4,9

+3,3

+1,3

+4,0

+2,0

+3,7

+4,1

+3,5

Bekleidung und Schuhe

+2,2

+1,0

+1,5

+0,7

+1,5

+0,3

+1,1

+0,7

+3,0

+0,5

Wohnung, Wasser, Energie

+4,3

+2,7

+2,5

+5,2

+1,5

+0,0

+2,8

+2,0

+3,6

+4,9

Hausrat und laufende Instandhaltung des Hauses

+1,2

+1,7

+2,5

+2,1

+2,4

+1,7

+1,2

+0,7

+1,5

+1,1

Gesundheitspflege

+2,0

+1,7

+2,1

+1,9

+2,6

+1,3

+1,9

+0,8

+2,0

+1,6

Verkehr

+0,4

+2,4

+5,9

+4,5

4,8

2,8

+3,4

+4,7

+6,1

+5,5

Nachrichtenübermittlung

+4,5

1,9

8,6

2,2

1,2

1,0

+1,4

0,8

+0,7

1,3

Freizeit und Kultur

+0,2

+0,2

+0,5

+0,2

+0,2

+0,4

+0,9

0,2

+2,1

+0,3

Erziehung und Unterricht

+1,9

+7,8

+1,3

+4,3

9,6

+0,9

4,2

+1,7

+4,1

+1,4

Restaurants und Hotels

+2,2

+3,2

+3,7

+3,4

+2,2

+1,9

+0,9

+1,2

+3,7

+1,9

Verschiedene Waren und Dienstleistungen

+2,4

+2,3

+3,6

+2,4

+3,4

+2,3

+3,1

+2,1

+3,5

+2,5

 

Sondergliederung

Unbearbeitete Nahrungsmittel2)

+3,9

+3,0

+4,4

+3,5

+0,6

+0,2

+1,8

+1,3

+3,7

+1,8

Bearbeitete Nahrungsmittel3)

+3,8

+2,8

+6,9

+6,1

+0,4

+1,1

+0,1

+0,9

+4,7

+3,2

Energie

+4,0

+2,6

+10,7

+10,3

10,4

8,1

+7,6

+7,4

+11,3

+11,9

Industriegüter

+1,3

+1,0

+1,5

+0,8

+1,5

+0,6

+1,2

+0,5

+1,7

+0,8

Dienstleistungen

+1,9

+2,5

+2,0

+2,5

+1,8

+2,0

+1,4

+1,4

+3,1

+1,8

Q: Eurostat. 1) Ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel (Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse). 2) Saisonwaren, Fleisch- und Wurstwaren. 3) Einschließlich alkoholischer Getränke und Tabak.

 

Gemäß dem HWWI-Index auf Euro-Basis zogen die Weltmarktpreise von Rohstoffen im Jahr 2011 um 22,4% an (2010 +36,4%; Übersicht 22). Vor dem Hintergrund der Belebung der Weltwirtschaft und der politischen Unruhen in Nordafrika und im Mittleren Osten zu Jahresbeginn 2011 verteuerte sich Rohöl der Sorte Brent von 91 $ im Dezember 2010 auf 124 $ je Barrel im April 2011. Im weiteren Jahresverlauf entspannte sich die Situation etwas (Dezember 2011: 108 $); im Zuge des Konflikts der internationalen Staatengemeinschaft mit dem Iran über sein Atomprogramm (u. a. Öl-Embargo der EU) zu Jahresbeginn 2012 stieg der Rohölpreis jedoch über 125 $. Auf Euro-Basis lag der Preis für Brent im März 2012 bereits über dem Höchstwert des Jahres 2008 (Abbildungen 12 und 13). Die Weltmarktnotierungen von Nahrungs- und Genussmitteln stiegen 2011 auf Euro-Basis neuerlich kräftig (+22,8%, 2010 +16,8%). Hier spielte in erster Linie das anhaltende Wachstum der weltweiten Nachfrage eine Rolle.

Die Entwicklung der internationalen Energiepreise schlug sich im Großhandelspreisindex vor allem über die merkliche Verteuerung von Intermediärgütern nieder (+10,3%, 2010 +8,8%). Insgesamt stiegen die Großhandelspreise 2011 um 8,3% (2010 +5%).

Gemäß dem Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI), der für die EU-Länder nach weitgehend einheitlicher Methode erhoben wird, betrug die Inflationsrate in Österreich im Jahr 2011 3,6% und die Kerninflation (ohne Energie und unverarbeitete Lebensmittel) 2,8% (Übersicht 23).

 

Übersicht 24: Inflationsunterschiede 2011 zwischen Österreich, dem Durchschnitt des Euro-Raumes und Deutschland laut harmonisiertem Verbraucherpreisindex

 

 

 

 

 

 

 

 

Inflationsrate

Gewicht

Geschätzter Beitrag zur Inflationsrate

Differenz des geschätzten Beitrages

Euro-Raum

Deutschland

Österreich

Euro-Raum

Deutschland

Österreich

Euro-Raum

Deutschland

Österreich

Österreich–Euro-Raum

Österreich–Deutschland

In %

Anteile in ‰

Prozentpunkte

 

Harmonisierter Verbraucherpreisindex (HVPI)

+2,7

+2,5

+3,6

+0,88

+1,12

Kerninflation1)

+1,7

+1,5

+2,8

+1,02

+1,20

COICOP-Gruppen

Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke

+2,5

+2,9

+4,4

153

121

120

0,4

0,4

0,5

+0,14

+0,18

Alkoholische Getränke, Tabak und Narkotikum

+3,5

+1,3

+4,1

40

45

32

0,1

0,1

0,1

0,01

+0,07

Bekleidung und Schuhe

+0,4

+2,0

+3,0

67

53

63

0,0

0,1

0,2

+0,16

+0,08

Wohnung, Wasser, Elektrizität, Gas und andere Brennstoffe

+4,9

+4,1

+3,6

158

233

147

0,8

1,0

0,5

0,25

0,43

Hausrat und laufende Instandhaltung des Hauses

+1,1

+0,6

+1,5

68

60

80

0,1

0,0

0,1

+0,05

+0,09

Gesundheit

+1,6

+0,8

+2,0

42

43

53

0,1

0,0

0,1

+0,04

+0,07

Verkehr

+5,5

+4,3

+6,1

156

154

149

0,9

0,7

0,9

+0,06

+0,26

Nachrichtenübermittlung

1,3

2,7

+0,7

32

28

21

0,0

0,1

0,0

+0,05

+0,09

Freizeit und Kultur

+0,3

+1,1

+2,1

95

119

128

0,0

0,1

0,3

+0,24

+0,14

Bildungswesen

+1,5

+0,1

+4,1

12

10

13

0,0

0,0

0,1

+0,03

+0,05

Hotels, Cafés und Restaurants

+1,9

+1,5

+3,7

92

51

123

0,2

0,1

0,5

+0,28

+0,38

Verschiedene Waren und Dienstleistungen

+2,5

+1,7

+3,5

85

83

71

0,2

0,1

0,2

+0,03

+0,11

 

Sondergliederung

Lebensmittel einschließlich Alkohol und Tabak

+2,7

+2,5

+4,4

193

166

152

0,5

0,4

0,7

+0,14

+0,25

Unbearbeitete Nahrungsmittel2)

+1,8

+1,4

+3,7

74

53

49

0,1

0,1

0,2

+0,05

+0,11

Bearbeitete Lebensmittel einschließlich Alkohol und Tabak

+3,3

+3,0

+4,7

119

113

103

0,4

0,3

0,5

+0,09

+0,14

Energie

+11,9

+10,0

+11,3

104

123

89

1,2

1,2

1,0

0,23

0,23

Mineralölprodukte

+15,3

+13,8

+18,2

56

57

50

0,9

0,8

0,9

+0,05

+0,12

Elektrizität, Gas, feste Brennstoffe und Wärmeenergie

+7,9

+6,8

+2,8

47

66

39

0,4

0,4

0,1

0,27

0,34

Industrielle nichtenergetische Güter

+0,8

+1,0

+1,7

289

273

301

0,2

0,3

0,5

+0,30

+0,26

Gebrauchsgüter

+0,2

+0,0

+0,9

95

91

112

0,0

0,0

0,1

+0,08

+0,09

Verbrauchsgüter

+1,5

+1,3

+2,1

83

86

82

0,1

0,1

0,2

+0,05

+0,06

Halbgebrauchsgüter

+0,7

+1,5

+2,5

112

95

107

0,1

0,1

0,3

+0,19

+0,13

Dienstleistungen (Gesamtindex ohne Waren)

+1,8

+1,4

+3,1

414

438

458

0,8

0,6

1,4

+0,65

+0,82

Nachrichten

1,3

2,7

+0,7

32

28

21

0,0

0,1

0,0

+0,05

+0,09

Wohnung

+1,8

+1,3

+2,4

101

141

92

0,2

0,2

0,2

+0,04

+0,03

Verschiedenes

+2,1

+1,4

+2,5

70

73

75

0,1

0,1

0,2

+0,04

+0,08

Freizeit einschließlich Reparaturen

+1,9

+1,6

+2,7

116

76

155

0,2

0,1

0,4

+0,19

+0,30

Pauschalreisen, Beherbergung

+2,2

+2,4

+6,5

31

48

49

0,1

0,1

0,3

+0,25

+0,21

Verkehr

+2,9

+2,0

+3,3

65

72

65

0,2

0,1

0,2

+0,03

+0,07

Q: Eurostat, WIFO-Berechnungen. 1) Ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel (Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse). 2) Saisonwaren, Fleisch- und Wurstwaren.

 

Der Preisauftrieb war 2011 in Österreich deutlich lebhafter als im Durchschnitt des Euro-Raumes (+2,7%). Der Inflationsunterschied zum Euro-Raum erreichte mit 0,9 Prozentpunkten den höchsten Wert seit Veröffentlichung dieser Statistik. Er ist maßgeblich auf den gemäß HVPI weit überdurchschnittlichen Inflationsbeitrag der Tourismusdienstleistungen in Österreich zurückzuführen.

Zum Inflationsdifferential von +0,9 Prozentpunkten gegenüber dem Durchschnitt des Euro-Raumes (dem höchsten Wert, seit der HVPI durch Eurostat erstellt wird) trugen die Dienstleistungspreise insgesamt 0,65 Prozentpunkte bei. In erster Linie waren dafür höhere Preissteigerungen von Tourismusdienstleistungen (Restaurants und Cafés Österreich +3,2%, Euro-Raum +1,9%, Beherbergung +3,9% bzw. +1,6%, Pauschalreisen +6,8% bzw. +2,9%) und das um mehr als ein Drittel größere Gewicht dieser Kategorien maßgebend, das Inflationsdifferential gegenüber dem Durchschnitt des Euro-Raumes betrug in dieser Kategorie +0,4 Prozentpunkte. Die Preise industrieller Güter (ohne Energie) trugen 0,3 Prozentpunkte, jene von Nahrungsmitteln 0,14 Prozentpunkte zum Inflationsdifferential bei. Die Energiepreise dämpften das Inflationsdifferential zum Euro-Raum um 0,2 Prozentpunkte, die Strompreise stagnierten 2011 in Österreich (+0,1%), im Durchschnitt des Euro-Raumes stiegen sie jedoch um 7,5%.

Laut HVPI betrug die Inflationsrate 2011 im Durchschnitt des Euro-Raumes 2,7% (2010: 1,6%). In den einzelnen Ländern war die Preisdynamik sehr differenziert: In Irland stiegen die Verbraucherpreise rezessionsbedingt um nur 1,2%, in Estland betrug die Inflationsrate 5,1%. Mit 3,6% war der Preisanstieg in Österreich der vierthöchste innerhalb des Euro-Raumes. Die Inflationsdispersion (gemessen an der BIP-gewichteten Standardabweichung der Inflationsraten im Euro-Raum) lag 2011 unter dem mehrjährigen Durchschnitt.

Josef Baumgartner (Josef.Baumgartner@wifo.ac.at)
Statistik: Ursula Glauninger (
Ursula.Glauninger@wifo.ac.at)

Herbstlohnrunde bringt für 2011 mäßige Lohnsteigerungen

Die Entwicklung der Löhne und Gehälter im Jahr 2011 wurde maßgeblich von den Lohnabschlüssen aus dem Herbst 2010 bestimmt. Damals befand sich die österreichische Wirtschaft im Aufschwung nach dem Einbruch im Zuge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise. Ab Mitte 2010 hatte vor allem die Industriekonjunktur, die von der lebhaften Nachfrage nach Exportgütern profitierte, deutlich an Dynamik gewonnen. Gleichzeitig war das wirtschaftliche Umfeld nach wie vor durch anhaltende Unsicherheit gekennzeichnet, auch die hohen Staatsdefizite und der absehbare Konsolidierungsbedarf trübten das Konjunkturbild. Die Inflation hatte wieder steigende Tendenz, nachdem sie sich im Vorjahr spürbar verlangsamt hatte: Nach einem Anstieg des Verbraucherpreisindex um 0,5% im Jahr 2009 prognostizierte das WIFO im Herbst für 2010 eine Jahresinflationsrate von 1,8% und für 2011 von 2,1%.

Vor diesem Hintergrund vereinbarten die Tarifpartner in der Metallindustrie eine Erhöhung der Mindestlöhne und -gehälter um 2,5%. Die Ist-Löhne und -Gehälter wurden etwas schwächer angehoben (+2,3%). Damit fiel die nominelle Lohnanpassung um rund 1 Prozentpunkt stärker aus als im Vorjahr. Nach einer Unterbrechung im Krisenjahr 2009 sah der Abschluss erneut eine zusätzliche erfolgsabhängige Einmalzahlung vor (bei positivem Betriebserfolg 50 € bis 150 €). Die Lohnrunde der Metallindustrie, die unmittelbar etwa 165.000 Beschäftigte betrifft, hat traditionell eine starke Signalwirkung für die Lohnentwicklung in der gesamten Wirtschaft, insbesondere für jene Branchen, deren Kollektivverträge im Herbst verhandelt werden.

Die Herbstlohnrunde 2010 bildete in dieser Hinsicht keine Ausnahme, denn auch in den anderen Branchen wurden nominell höhere Lohnabschlüsse erzielt als im Jahr davor. Im Handel einigten sich die Tarifparteien auf eine Anhebung der Mindestlöhne um 2,2% (mindestens jedoch um 30 €). Die Mindestgehälter der Handelsangestellten wurden je nach Gehaltsgruppe um 2,0% bis 2,3% erhöht. Das Mindestgehalt in der Branche wurde damit auf 1.300 € festgesetzt, das entsprach einer Kernforderung der Arbeitnehmerseite. Zusätzlich wurde für Lehrlinge ein Prämiensystem von 100 € bei gutem und 150 € bei ausgezeichnetem Lehrabschluss eingeführt. Während für die Ist-Löhne der Arbeiter und Arbeiterinnen eine Fortschreibung des absoluten Überzahlungsbetrages (Parallelverschiebung) vereinbart wurde, enthielt der neue Kollektivvertrag keine Abmachung zur Anhebung der Ist-Gehälter der Angestellten, die den Großteil der 550.000 Beschäftigten dieser Branche ausmachen.

 

Übersicht 25: Lohnrunde 2011

 

 

Kollektivvertragsabschluss

Zeitpunkt

Mindestlöhne

Ist-Löhne

Erhöhung in %

Bedienstete

Öffentlicher Dienst

Jänner 2011

+1,03 1)

 

Arbeiter und Arbeiterinnen

Metallindustrie

November 2010

+2,5 2)

+2,3 3)

Metallgewerbe

Jänner 2011

+2,45

+ 2,2

Gesundheits- und Sozialberufe

Februar 2011

+2,0

+1,85

Handel

Jänner 2011

+2,2 4)

5)

Mineralölindustrie

Februar 2011

+2,7 6)

+2,5

Elektrizitätsversorgungsunternehmen

Februar 2011

+2,65 bis +2,7

+2,5

Graphisches Gewerbe

April 2011

+2,2

5)

Stein- und keramische Industrie

Mai 2011

+2,83

+2,68

Bauhilfs- und -nebengewerbe

Mai 2011

+2,9

5)

Bauindustrie und Baugewerbe

Mai 2011

+2,95

5)

Chemische Industrie

Mai 2011

+3,15

+3,05 7)

Elektro- und Elektronikindustrie

Mai 2011

+2,8 bis +3,2 8)

+2,8

Holz- und kunststoffverarbeitendes Gewerbe

Mai 2011

+2,45 bis +2,65

Hotel- und Gastgewerbe

Mai 2011

+2,05

Textilindustrie

April 2011

+2,75

+2,1 bis +2,55 9)

Glasbe- und -verarbeitung

Juni 2011

+3,05

+2,85 10)

Papierindustrie und Pappenindustrie

Mai 2011

+3,1

+2,7 11)

Papier- und pappeverarbeitende Industrie

März 2011

+2,4 12)

5)

Holz- und Sägeindustrie

Mai 2011

+2,9

+2,7

 

Mindestgehälter

Ist-Gehälter

Angestellte

Stein- und keramische Industrie

November 2010

+2,1

+1,9

Metallindustrie

November 2010

+2,5 2)

+2,3 3)

Metallgewerbe

Jänner 2011

+2,45

+2,2

Gesundheits- und Sozialberufe

Februar 2011

+2,0

+1,85

Handel

Jänner 2011

+2,0 bis +2,3 13)

Mineralölindustrie

Februar 2011

+2,7 6)

+2,5

Elektrizitätsversorgungsunternehmen

Februar 2011

+2,6 bis +2,7

+2,5

Finance

April 2011

+2,3

Graphisches Gewerbe

April 2011

+2,2

5)

Bauindustrie und Baugewerbe

Mai 2011

bis +2,5

Chemische Industrie

Mai 2011

+3,15

+3,05 7)

Elektro- und Elektronikindustrie

Mai 2011

+2,8 bis +3,2 8)

+2,8

Hotel- und Gastgewerbe

Mai 2011

+2,05

Textilindustrie

April 2011

+2,75

+2,1 bis +2,55 9)

Glasindustrie

Juni 2011

+3,05

+2,85 10)

Papierindustrie

Mai 2011

+3,1

+2,7 7)

Papier- und pappeverarbeitende Industrie

März 2011

+2,4 12)

+2,2

Holz- und Sägeindustrie

Mai 2011

+2,9

+2,7

Q: Gewerkschaften. 1) Erhöhung der Gehälter um 0,85%, mindestens jedoch +25,50 €. 2) Einmalzahlung bei positivem Betriebserfolg. 3) Mindestens jedoch +24 €. 4) Mindestens jedoch +30 €. 5) Parallelverschiebung. 6) Überstundenregelung bei All-In-Verträgen. 7) Mindestens jedoch +56 €. 8) Verteilungsoption und Einmalzahlungsoption. 9) Ist-Löhne und -Gehälter bis 2.100 € pro Monat +2,55%, von 2.101 € bis 4.200 € +2,3%, ab 4.201 € +2,1%. 10) Mindestens jedoch +45 €. 11) Mindestens jedoch +56 € (Papierindustrie) bzw. +45 € (Pappenindustrie). 12) Einmalzahlungen von 50 € bei positivem EBIT, das über dem Niveau von 2009 liegt. 13) Kollektivvertragsgehälter bis 1.500 € +2,3%, zwischen 1.501 € und 1.800 € +2,1%, ab 1.801 € +2,0%.

 

Anfang 2011 traten auch zahlreiche andere Kollektivvertragsabschlüsse in Kraft. Im Metallgewerbe mit rund 110.000 Beschäftigten hatten sich die Tarifpartner stark am Abschluss der Metallindustrie orientiert und im Herbst eine Erhöhung der Kollektivvertragslöhne und -gehälter um 2,45% und der Ist-Entgelte um 2,2% vereinbart. In vielen Dienstleistungsbereichen lagen die Abschlüsse etwas darunter. Der Abschluss der Gesundheits- und Sozialberufe, der im Februar 2011 wirksam wurde, sah eine Steigerung der Mindestlöhne und Mindestgehälter um 2,0% vor, die Ist-Löhne und -Gehälter wurden um 1,85% erhöht. Auch für die privaten Bildungseinrichtungen, für den Forschungsbereich und für die IT-Branche einigten sich die Sozialpartner auf Erhöhungen um oder leicht über 2%, die somit unter der von der Metallindustrie vorgegebenen Marke blieben. Im Energiesektor lagen die Abschlüsse dagegen am oberen Ende des Spektrums: Die Mineralölindustrie und die Elektrizitätsversorgungsunternehmen einigten sich auf eine Anhebung der Kollektivvertragsbezüge um 2,65% bis 2,7% sowie der Ist-Bezüge um 2,5%. Im öffentlichen Dienst fiel die Lohnrunde für 2011 angesichts des anstehenden Budgetkonsolidierungsbedarfs deutlich schwächer aus als im privatwirtschaftlichen Sektor. Der stark gestaffelte Anstieg betrug für niedrige Monatseinkommen bis zu 2,1%, für die höchsten Einkommen 0,85%. Die durchschnittliche Erhöhung lag damit knapp über 1%.

Höhere Abschlüsse in der Frühjahrslohnrunde

In den ersten Monaten 2011 verstärkte sich der Aufschwung, gleichzeitig beschleunigte sich die Inflation aufgrund der Rohstoff- und Energieverteuerung erheblich. Diese Entwicklungen schlugen sich in den Abschlüssen nieder, die im Frühjahr und Sommer verhandelt wurden. Die Mindestentgelte der Angestellten im Finanzbereich wurden im März um durchschnittlich 2,3% angehoben, jene der Versicherungsangestellten um 2,5% (Innendienst) bzw. 2,6% (Außendienst). In der Textilindustrie stiegen die Mindestlöhne um 2,75%, in der Holzindustrie um 2,9% (mit 1. Mai). Im Mai trat außerdem eine Erhöhung der Kollektivvertragsbezüge für die Beschäftigten der Papierindustrie um 3,1% und für die 45.000 Beschäftigten der Chemieindustrie um 3,15% in Kraft. Die Mindestlöhne und -gehälter der rund 50.000 Beschäftigten in der Elektro-und Elektronikindustrie wurden gestaffelt um 2,8% bis 3,2% erhöht. Die Ergebnisse der Frühjahrslohnrunde 2011 waren zum Teil bereits durch mehrjährige Abschlüsse festgelegt worden: Im Hotel- und Gastgewerbe hatten die Sozialpartner 2010 einen zweijährigen Abschluss verhandelt, wonach die Kollektivvertragslöhne und -gehälter im Mai 2011 um 2,05% angehoben wurden. Die Vertreter der Arbeiter und Arbeiterinnen in der Bauindustrie und im Baugewerbe hatten sich auf einen an die Entwicklung des VPI gebundenen dreijährigen Abschluss geeinigt. Demnach wurden am 1. Mai 2011 die Mindestlöhne um 2,95% angehoben. Das entsprach dem Verbraucherpreisanstieg in der Referenzperiode (März bis Februar) und einem Zuschlag von 0,85 Prozentpunkten. Für 2012 ist eine Anhebung um 0,9 Prozentpunkte über der Inflationsrate vorgesehen. Diese Vereinbarung gilt auch für das Bauhilfs- und Baunebengewerbe.

Die Entwicklung der Arbeitnehmerbezüge in den einzelnen Branchen spiegelt sich auch in den aggregierten Daten des Tariflohnindex. Die Mindestlöhne stiegen 2011 im Durchschnitt über alle Branchen um 2,0%, d. h. um rund ½ Prozentpunkt stärker als im Vorjahr (Übersicht 26). Die Dynamik der Bezüge im öffentlichen Dienst blieb gegenüber 2010 unverändert (+1,1%), obwohl die Inflationsrate um 1½ Prozentpunkte höher war. Am stärksten stieg der Tariflohnindex in der Industrie, sowohl die Löhne als auch die Gehälter erhöhten sich um 2,6%. Im Gewerbe und im Handel fiel die Steigerung mit +2,3% bzw. +2,2% deutlich niedriger aus. Die Steigerung der Mindestbezüge der Beschäftigten von Banken und Versicherungen sowie in der Land- und Forstwirtschaft (jeweils +2,1%), im Verkehrssektor und im Tourismus (+2,0%) blieb etwas unter dem Durchschnitt aller privatwirtschaftlichen Bereiche (+2,2%). Am schwächsten erhöhten sich die Kollektivvertragsgehälter der Angestellten im Bereich der Freien Berufe (+1,5%); in diesem Bereich ist der kollektive Lohnfindungsprozess nicht sehr ausgeprägt, nicht alle Kollektivverträge werden jährlich erneuert oder angepasst.

 

Übersicht 26: Tariflohnindex 2006

 

Arbeiter und Arbeiterinnen

Angestellte

Beschäftigte insgesamt

2010

2011

2010

2011

2010

2011

 

Tariflohnindex insgesamt

+1,5 1)

+2,0

Ohne öffentlichen Dienst

+1,7

+2,3

+1,6

+2,2

+1,6

+2,2

Gewerbe

+1,7

+2,3

+1,6

+2,3

+1,7 1)

+2,3 1)

Baugewerbe

+2,3

+2,5

+2,1

+2,1

+2,2

+2,3

Industrie

+1,7

+2,6

+1,7 1)

+2,6 1)

+1,7

+2,6 1)

Handel

+1,6

+2,2

+1,6

+2,2

+1,6

+2,2

Transport und Verkehr

+1,2

+2,3 1)

+1,22)

+1,9

+1,3 2)

+2,0

Tourismus und Freizeitwirtschaft

+1,9

+1,9

+1,4 1)2)

+2,1

+1,8 1)2)

+2,0

Banken und Versicherungen

+2,5

+2,8

+1,6

+2,1

+1,6

+2,1

Freie Berufe

+1,5

+2,3

+1,6

+1,5

+1,6

+1,5

Land- und Forstwirtschaft

+1,3

+2,1

+1,5

+2,1

+1,4 1)

+2,1 1)

Öffentlicher Dienst

+1,1

+1,1

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. 1) Durch Rundungen geringfügige Abweichungen gegenüber den Indexwerten laut Statistik Austria. 2) Revisionen von Statistik Austria seit April 2011.

 

2011 neuerlich kein Realeinkommenszuwachs

Die Zahl der aktiv Beschäftigten lag 2011 mit 3,323 Mio. um knapp 40.000 über dem Niveau im Vorkrisenjahr 2008. Aufgrund des Beschäftigungswachstums von 1,9% und der oben diskutierten Lohnabschlüsse erhöhte sich die gesamtwirtschaftliche Lohn- und Gehaltssumme (brutto) 2011 auf 121,2 Mrd. €, mit +4,7% um 0,6 Prozentpunkte stärker als das nominelle Bruttoinlandsprodukt.

Die nominellen Pro-Kopf-Löhne und -Gehälter (brutto) entwickelten sich mit +2,7% besser als in den Vorjahren. Dabei stiegen die Leistungseinkommen pro Kopf um 0,7 Prozentpunkte stärker als der Tariflohnindex für die Gesamtwirtschaft. Die Lohndrift war somit erstmals seit 2008 wieder positiv.

Der Verlauf der realen Einkommen wird von der Preisentwicklung bestimmt. Gemessen wird der Preisauftrieb entweder mit dem Verbraucherpreisindex (VPI) oder dem Deflator des privaten Konsums. Der Konsumpreisdeflator berücksichtigt die Verbrauchsmengen des Berichtsjahres, der VPI hingegen jene des Basisjahres. Veränderungen der Konsumstruktur bildet der Konsumpreisdeflator deshalb besser ab. Der Vorteil des VPI besteht darin, dass er auch imputierte Mieten (hypothetische Mieten für selbstbewohnte Immobilien) berücksichtigt. Die Differenz zwischen den Indizes beträgt 0,2 bis 0,3 Prozentpunkte, bei deutlicher Veränderung der Mietpreise fällt die Preisentwicklung laut VPI und laut Konsumpreisdeflator weiter auseinander.

Unter Anwendung beider Indizes ergibt sich für 2011 keine reale Steigerung von Löhnen und Gehältern (brutto und netto): Die Bruttorealeinkommen sanken um 0,2% (Konsumpreisdeflator) bzw. 0,5% (VPI), die Nettoeinkommen (nach Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge) um 0,5% bzw. 0,8%. Die Realeinkommen waren damit 2011 sowohl brutto als auch netto das zweite Jahr in Folge rückläufig. Die Abschlüsse für das Jahr 2012 lassen erstmals wieder reale Zuwächse der Löhne und Gehälter erwarten.

Die exportorientierte Sachgüterproduktion wurde 2011 kräftig ausgeweitet, die Beschäftigten verzeichneten einen überdurchschnittlichen Anstieg der Verdienste. Der Bruttoverdienst stieg um 2,9% auf ein durchschnittliches Monatseinkommen von 3.286,80 €. In der Industrie erzielten die Beschäftigten ein Monatseinkommen von durchschnittlich 3.572,70 €. Der WIFO-Konjunkturtest liefert Detailinformationen zur Arbeitszeit und erlaubt somit eine Einschätzung der Stundenverdienste der Beschäftigten in der Sachgütererzeugung und in der Industrie (Fachverbandsgliederung). Im Gegensatz zu den Vorjahren entwickelten sich die geleistete und die bezahlte Arbeitszeit pro Kopf im Jahr 2011 wieder gleichförmig. Die Stundenverdienste erhöhten sich in der Sachgütererzeugung um 2,7% auf 20,10 € und in der Industrie um 2,9% auf 21,70 €.

 

Übersicht 27: Löhne und Einkommen

 

2009

2010

2011

2011

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In €

 

Löhne und Gehälter insgesamt, brutto1)

+0,8

+2,4

+4,7

 

Löhne und Gehälter pro Kopf1)

Brutto nominell

+1,6

+1,2

+2,7

Brutto real (deflationiert mit dem VPI)

+1,1

0,6

0,5

Brutto real (deflationiert mit dem Konsumdeflator)2)

+1,0

0,8

0,2

Netto nominell

+3,4

+1,0

+2,4

Netto real (deflationiert mit dem VPI)

+2,9

0,8

0,8

Netto real (deflationiert mit dem Konsumdeflator)2)

+2,8

1,1

0,5

 

Bruttoverdienst der Beschäftigten pro Kopf

Sachgüterproduktion (ÖNACE)

Pro Monat

+0,6

+2,5

+2,9 3)

3.287 3)

Pro Stunde

+2,4

+1,6

+2,7 3)

20,1 3)

Industrie (Fachverbandsgliederung)

Pro Monat

+0,9

+2,4

+3,0 3)

3.573 3)

Pro Stunde

+2,9

+1,3

+2,9 3)

21,7 3)

Q: Statistik Austria, Konjunkturstatistik. 1) VGR-Revision (ab 1988). 2) Deflationiert mit dem Deflator der Konsumausgaben der privaten Haushalte. 3) Jänner bis November.

 

Reallohneinkommen steigen 2012

Die Entwicklung der Verdienste ist 2012 vom hohen Verbraucherpreisanstieg geprägt. 2011 betrug die Inflationsrate 3,3%. Gemeinsam mit der kräftigen Produktionssteigerung und dem deutlichen realen Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes von 3,1% lassen die vorliegenden Abschlüsse 2012 eine Reallohnsteigerung erwarten. Die traditionell wichtige Herbstlohnrunde der Metallindustrie brachte für die rund 165.000 Beschäftigten Ist-Lohnabschlüsse von +4,0% bis +4,4%. Auch die folgenden Abschlüsse sehen Lohnerhöhungen zwischen 3,5% und 4% vor. Gemäß dem ersten Abschluss der Frühjahrslohnrunde in der Industrie steigen die Ist-Löhne der 12.700 Beschäftigten der Textilindustrie mit 1. April 2012 um 3,3% bis 4%. Obwohl die Entwicklung der Bezüge im öffentlichen Dienst mit durchschnittlich 2,95% geringer ausfallen wird als in der Gesamtwirtschaft, sollten auch hier leichte Reallohnzuwächse möglich sein.

Thomas Leoni (Thomas.Leoni@wifo.ac.at),
Christine Mayrhuber (
Christine.Mayrhuber@wifo.ac.at)
Statistik: Doris Gabriel (
Doris.Gabriel@wifo.ac.at)

Weiterhin starker Beschäftigungsanstieg, Arbeitslosigkeit sinkt bis Jahresmitte

Die Konjunkturlage ermöglichte 2011 eine ähnlich starke Ausweitung der Beschäftigung wie zuletzt im Hochkonjunkturjahr 2007. Der Beschäftigungszuwachs war jedoch nur mit einer geringfügigen Verringerung der Arbeitslosigkeit verbunden. Hintergrund dafür ist die deutliche Ausweitung des Arbeitskräfteangebotes.

Die Konjunkturlage ermöglichte 2011 einen ähnlich starken Beschäftigungsanstieg wie zuletzt im Hochkonjunkturjahr 2007. Im Jahresdurchschnitt 2011 stieg die Zahl der aktiven unselbständigen Beschäftigungsverhältnisse um 63.312 oder 1,9% auf 3,323.325. Die registrierte Arbeitslosigkeit verringerte sich um 4.080 oder 1,6%. Die Schulungsteilnahmen Arbeitsloser wurden merklich eingeschränkt (9.959 oder 13,6%). Die Erwerbsquote der aktiv Erwerbstätigen erhöhte sich um 0,7 Prozentpunkte auf 70,2%, die Beschäftigungsquote nahm um fast 1 Prozentpunkt auf 65,9% zu.

Aufgrund ihrer Konzentration auf die exportorientierten Wirtschaftsbereiche war die Männerbeschäftigung von der Beschäftigungsausweitung bevorzugt (+36.919 oder +2,1% auf 1,812.437), insbesondere Anfang 2011. Aber auch die dienstleistungsorientierte Frauenbeschäftigung gewann verzögert an Dynamik und wuchs in der zweiten Jahreshälfte ähnlich stark wie die der Männer. Im gesamten Jahresverlauf erhöhte sich die Frauenbeschäftigung um 26.393 oder 1,8% auf 1,510.888. Der Frauenanteil an der Aktivbeschäftigung betrug unverändert 45,5%.

Die Zahl der Personen mit Kindergeldbezug aus einem unselbständigen Beschäftigungsverhältnis sank im Jahresdurchschnitt 2011 neuerlich (1.833 oder 2,0% auf 91.220). Dies ist in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme kürzerer Bezugsvarianten zu sehen, die ab 1. Jänner 2008 möglich wurden.

Selbständigenzahl steigt weiter

Die Zahl der Selbständigen erhöhte sich im Jahresverlauf 2011 laut WIFO-Berechnungen[n]) um 7.200 oder 1,7% auf 433.600. Wie in den letzten Jahren beruht diese Entwicklung überwiegend auf dem Anstieg der Zahl selbständig erwerbstätiger Frauen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft und war überwiegend eine Folge der anhaltenden Expansion der selbständigen Tätigkeit von Frauen aus den neuen EU-Ländern, die persönliche Dienstleistungen erbringen.

Ende der Übergangsfristen für Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern

Die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte entwickelte sich bereits Anfang 2011 sehr dynamisch (I. Quartal +30.374 oder +7,0% gegenüber dem Vorjahr). Mit 1. Mai 2011 erhielten nach Ablauf der Übergangsfristen Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern (Beitritt 2004) unbeschränkten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Die Beschäftigungsausweitung verstärkte sich in der Folge abermals deutlich. Im Jahresdurchschnitt waren um 37.658 Personen mehr unselbständig beschäftigt als im Vorjahr (+8,3%). Rund 20.000 davon waren Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern, die nach der Arbeitsmarktöffnung erstmals in Österreich arbeiteten. Insbesondere Personen aus der Slowakei und Ungarn kamen verstärkt nach Österreich (neue EU-Länder von 2004 insgesamt +19.474 oder +28,2%). Aber auch Personen aus den Ländern, die der EU 2007 beigetreten waren, fanden in Österreich vermehrt Beschäftigung (+3.178 oder +15,5%). Mäßig entwickelte sich dagegen die Zahl der Arbeitskräfte aus der EU 15 (ohne Österreich, einschließlich EFTA und Schweiz; +6.796 oder +6,6%) und aus Drittländern (+8.209 oder +3,2%).

 

Übersicht 28: Der Arbeitsmarkt im Überblick

 

2008

2009

2010

2011

Veränderung 2010/11

Absolut

In %

 

Unselbständig Beschäftigte insgesamt1)

3,388.617

3,339.051

3,360.238

3,421.748

+61.510

+1,8

Männer

1,824.712

1,776.508

1,786.206

1,822.970

+36.764

+2,1

Frauen

1,563.905

1,562.543

1,574.032

1,598.778

+24.746

+1,6

Unselbständig aktiv Beschäftigte2)

3,283.003

3,234.488

3,260.013

3,323.325

+63.312

+1,9

Männer

1,814.047

1,766.186

1,775.518

1,812.437

+36.919

+2,1

Frauen

1,468.956

1,468.301

1,484.495

1,510.888

+26.393

+1,8

Unselbständig aktiv beschäftigte inländische Arbeitskräfte

2,845.948

2,802.936

2,808.737

2,834.391

+25.654

+0,9

Männer

1,551.393

1,511.328

1,509.498

1,522.793

+13.295

+0,9

Frauen

1,294.555

1,291.607

1,299.239

1,311.598

+12.358

+1,0

Unselbständig aktiv beschäftigte ausländische Arbeitskräfte

437.055

431.552

451.276

488.934

+37.658

+8,3

Männer

262.654

254.858

266.020

289.644

+23.624

+8,9

Frauen

174.401

176.694

185.256

199.290

+14.034

+7,6

Selbständige und Mithelfende3)

416.100

420.600

426.400

433.600

+7.200

+1,7

Männer

261.900

260.200

261.100

262.700

+1.600

+0,6

Frauen

154.200

160.400

165.300

170.900

+5.600

+3,4

Aktiv Erwerbstätige

3,699.103

3,655.088

3,686.413

3,756.925

+70.512

+1,9

Männer

2,075.947

2,026.386

2,036.618

2,075.137

+38.519

+1,9

Frauen

1,623.156

1,628.701

1,649.795

1,681.788

+31.993

+1,9

Vorgemerkte Arbeitslose4)

212.253

260.309

250.782

246.702

4.080

1,6

Männer

118.811

153.583

145.106

139.095

6.011

4,1

Frauen

93.442

106.726

105.676

107.607

+1.931

+1,8

Personen in Schulungen4)

50.509

64.063

73.190

63.231

9.959

13,6

Männer

23.804

31.689

36.641

30.833

5.808

15,9

Frauen

26.705

32.374

36.549

32.398

4.151

11,4

Erwerbspersonen5)

3,911.356

3,915.397

3,937.195

4,003.627

+66.432

+1,7

Männer

2,194.758

2,179.969

2,181.724

2,214.232

+32.508

+1,5

Frauen

1,716.598

1,735.427

1,755.471

1,789.395

+33.924

+1,9

Bevölkerung 15 bis 64 Jahre6)

5,629.109

5,646.432

5,668.068

5,700.846

+32.778

+0,6

Männer

2,818.007

2,825.697

2,835.997

2,851.554

+15.557

+0,5

Frauen

2,811.102

2,820.735

2,832.071

2,849.292

+17.221

+0,6

Beim Arbeitsmarktservice gemeldete sofort verfügbare offene Stellen

37.498

27.165

31.009

32.310

+1.301

+4,2

 

In %

 

Erwerbsquote5)

69,5

69,3

69,5

70,2

Männer

77,9

77,1

76,9

77,7

Frauen

61,1

61,5

62,0

62,8

 

Beschäftigungsquote7)

65,7

64,7

65,0

65,9

Männer

73,7

71,7

71,8

72,8

Frauen

57,7

57,7

58,3

59,0

 

Arbeitslosenquote

Laut AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger

5,9

7,2

6,9

6,7

Männer

6,1

8

7,5

7,1

Frauen

5,6

6,4

6,3

6,3

Laut Eurostat

3,8

4,8

4,4

4,2

Männer

3,6

5,0

4,6

4,0

Frauen

4,1

4,6

4,2

4,3

Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Arbeitsmarktservice Österreich, WIFO-Berechnungen. 1) Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. 2) Unselbständige laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ohne Präsenzdienst, ohne Personen mit Bezug von Karenzgeld bzw. Kinderbetreuungsgeld, und arbeitslose Schulungsteilnehmer im Beschäftigungsstand; WIFO-Berechnungen. 3) WIFO-Berechnungen. 4) Laut Arbeitsmarktstatistik. 5) Aktiv Erwerbstätige und vorgemerkte Arbeitslose. 6) Bevölkerung zur Jahresmitte laut Statistik Austria; 2011 vorläufig. 7) Aktive Erwerbstätige.

 

Insgesamt entfielen 14,7% der gesamten Aktivbeschäftigung auf ausländische Arbeitskräfte. Aus den neuen EU-Ländern von 2004 kamen 18,1% (+2,8 Prozentpunkte) aller ausländischen Arbeitskräfte, aus den neuen EU-Ländern von 2007 4,8% (+0,3 Prozentpunkte). Einschließlich der EU 15 (ohne Österreich, einschließlich EFTA und Schweiz) entfielen 2011 bereits 45,5% der gesamten Ausländerbeschäftigung auf Personen aus EU und EWR (einschließlich Schweiz).

Beschäftigungszuwachs in fast allen Wirtschaftsbereichen

Im Jahresdurchschnitt 2011 sank die Beschäftigung nur im Bergbau, im Verkehrssektor und im Bereich der Finanz- und Versicherungsdienstleistungen[o]), in allen anderen Wirtschaftsbereichen war dagegen ein Anstieg zu verzeichnen. Überdurchschnittlich ausgeweitet wurde die Beschäftigung im Bereich der sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen und hier hauptsächlich im Arbeitskräfteverleih, aber auch in der Land- und Forstwirtschaft, in der Wasserversorgung, im Handel, Tourismus, im Bereich Information und Kommunikation, im Gesundheitswesen und im Kunstbereich. Einen hohen Zuwachs verzeichnete nach den empfindlichen krisenbedingten Einbußen auch der produzierende Bereich, insbesondere in der zweiten Jahreshälfte. Überdurchschnittliche Steigerungsraten waren in der Herstellung von Kraftwagen und -teilen, von Gummi- und Kunststoffwaren, von elektrischer Ausrüstung und Geräten sowie von Metallerzeugnissen, chemischen und pharmazeutischen Erzeugnissen zu verzeichnen.

 

Übersicht 29: Ausländische Arbeitskräfte in Österreich

 

 

2006

2007

2008

2009

2010

2011

Veränderung 2010/11

Absolut

In %

 

Insgesamt

390.695

412.578

437.055

431.552

451.276

488.934

+37.658

+8,3

Männer

234.937

247.447

262.654

254.858

266.020

289.644

+23.624

+8,9

Frauen

155.758

165.131

174.401

176.694

185.256

199.290

+14.034

+7,6

Herkunft

14 EU-Länder, EFTA, Schweiz

73.282

82.962

94.150

96.851

103.743

110.540

+6.796

+6,6

Neue EU-Länder

Beitritt 2004

49.202

54.427

61.055

63.442

69.019

88.493

+19.474

+28,2

Beitritt 2007

13.814

15.450

17.809

18.405

20.458

23.636

+3.178

+15,5

Übriges Ausland

254.397

259.740

264.041

252.854

258.056

266.265

+8.209

+3,2

Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

 

Die Dynamik der Beschäftigungsnachfrage in der Sachgütererzeugung kam besonders dem Arbeitskräfteverleih zugute. Laut Arbeitskräfteüberlassungsstatistik des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz waren zum Stichtag 31. Juli 2011 74.783 Arbeitskräfte überlassen, um 8.729 oder 13,2% mehr als ein Jahr zuvor. Davon wurden 29.504 oder 39,5% in der Industrie eingesetzt (+6.115 oder +26,1%), 36,1% im Gewerbe, Handwerk und in den Dienstleistungen. Der Männeranteil an den Leiharbeitskräften war mit rund 77% unverändert hoch.

Vollzeitbeschäftigung wächst rascher als Teilzeitarbeit

In den Jahren 2009 und 2010 passten die Unternehmen ihre Arbeitskapazitäten an den Konjunktureinbruch in hohem Maße über eine Verringerung der Arbeitszeit an. Dies äußerte sich u. a. in einem markanten Anstieg der Teilzeitbeschäftigung und in der weiteren Zunahme der Zahl geringfügiger Arbeitsverhältnisse. 2011 nahm die Teilzeitbeschäftigung zwar ebenfalls zu, aber wesentlich weniger dynamisch als in den Jahren zuvor und in absoluten Zahlen viel schwächer als die Vollzeitbeschäftigung. Laut Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung erhöhte sich die Teilzeitbeschäftigung zwischen 2010 und 2011 nur mäßig (+7.800 oder +1,0% auf 757.300). Wie im Vorjahr waren 85,8% der Teilzeitarbeitskräfte Frauen. Die ebenso frauendominierte geringfügige unselbständige Beschäftigung wuchs dagegen laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ähnlich kräftig wie 2010 (+11.278 oder +3,8%). Der Frauenanteil lag bei 64,5% (0,5 Prozentpunkte gegenüber 2010). Nur die Zahl der freien Dienstverträge, die ebenfalls mehrheitlich auf Frauen entfallen, war abermals deutlich rückläufig (1.887 oder 8,7%).

 

Übersicht 30: Unselbständige Beschäftigung nach Branchen im Jahr 2011

ÖNACE-2008-Abschnitte

 

2010

2011

Veränderung 2010/11

Absolut

In %

 

Land- und Forstwirtschaft; Fischerei

18.796

20.712

+1.916

+10,2

Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden

5.802

5.741

61

1,1

Herstellung von Waren

563.121

573.564

+10.443

+1,9

Energieversorgung

26.813

25.649

1.164

4,3

Wasserversorgung; Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen

14.017

14.352

+335

+2,4

Bauwesen

241.668

245.370

+3.702

+1,5

Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen

507.511

518.182

+10.671

+2,1

Verkehr und Lagerei

183.355

183.046

309

0,2

Beherbergung und Gastronomie

180.964

184.550

+3.586

+2,0

Information und Kommunikation

70.494

73.755

+3.261

+4,6

Erbringung von Finanz- und Versicherungsdienstleistungen

117.955

117.448

507

0,4

Grundstücks- und Wohnungswesen

39.394

39.601

+207

+0,5

Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen

144.747

153.275

+8.528

+5,9

Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen

170.472

183.503

+13.031

+7,6

Öffentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherung

528.665

529.970

+1.305

+0,2

Erziehung und Unterricht

92.360

93.927

+1.567

+1,7

Gesundheits- und Sozialwesen

229.094

233.996

+4.902

+2,1

Kunst, Unterhaltung und Erholung

32.319

33.391

+1.072

+3,3

Erbringung von sonstigen Dienstleistungen

86.415

87.855

+1.440

+1,7

Hauspersonal in privaten Haushalten, Herstellung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen durch private Haushalte für den Eigenbedarf ohne ausgeprägten Schwerpunkt

3.162

3.166

+4

+0,1

Exterritoriale Organisationen und Körperschaften

648

660

+12

+1,9

Wirtschaftsklasse unbekannt

2.242

1.613

629

28,1

Aktiv unselbständig Beschäftigte

3.260.013

3.323.325

+63.312

+1,9

Präsenzdiener

7.172

7.203

+31

+0,4

Personen mit Bezug von Karenzgeld bzw. Kinderbetreuungsgeld

93.053

91.220

1.833

2,0

Unselbständig Beschäftigte

3.360.238

3.421.748

+61.510

+1,8

Q: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger.

 

 

 

Übersicht 31: Atypische Beschäftigungsformen

 

 

 

 

 

 

2008

2009

2010

2011

Personalverleih

 

 

 

 

Männer

54.639

43.893

51.079

57.919

Frauen

13.442

13.337

14.975

16.864

Insgesamt

68.081

57.230

66.054

74.783

Freie Dienstverträge

 

 

 

 

Männer

12.157

11.194

10.228

9.503

Frauen

13.209

12.543

11.544

10.381

Insgesamt

25.366

23.737

21.771

19.884

Geringfügige Beschäftigung

 

 

 

 

Männer

89.795

97.479

103.640

109.113

Frauen

183.299

187.809

192.823

198.627

Insgesamt

273.093

285.288

296.463

307.741

Teilzeitbeschäftigung1)

 

 

 

 

Männer

95.400

107.200

106.600

107.700

Frauen

602.600

628.500

642.900

649.600

Insgesamt

698.000

735.700

749.500

757.300

Q: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, Statistik Austria. 1) Unselbständig Erwerbstätige (Labour-Force-Konzept), Wochenarbeitszeit 12 bis 35 Stunden.

 

Arbeitslosigkeit trotz beträchtlicher Beschäftigungsausweitung nur wenig gesunken

In den ersten vier Monaten 2011 verringerte sich die Arbeitslosigkeit rasch (I. Quartal 16.149 oder 5,4%), im August kam dieser Rückgang aber zum Stillstand. Im Jahresdurchschnitt lag die Arbeitslosigkeit daher nur geringfügig unter dem Vorjahresniveau (4.080 oder 1,6%). Ein stärkerer Abbau wäre aufgrund der beträchtlichen Beschäftigungsausweitung zu erwarten gewesen, doch wirkte dem eine merkliche Zunahme des Arbeitskräfteangebotes entgegen, die insbesondere institutionelle Ursachen hatte (Auslaufen der Übergangsfristen für den Arbeitsmarktzugang für Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern von 2004, Verringerung der Schulungstätigkeit des AMS, Zurechnung von arbeitsfähigen Personen, die bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen, zum AMS-Bestand an registrierten Arbeitslosen).

Die Schulungsmaßnahmen des AMS werden seit dem IV. Quartal 2010 eingeschränkt; insgesamt wurden im Jahresdurchschnitt 2011 um 9.959 oder 13,6% weniger Schulungsteilnahmen verzeichnet als im Vorjahr. Die Summe aus registrierten Arbeitslosen und Personen in AMS-Kursmaßnahmen verringerte sich somit um 14.039 oder 4,3%. Dieser Wert unterschätzt allerdings den tatsächlichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen laut bisheriger Berechnung, denn 2011 dämpfte die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung (September 2010) den Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 5.200 und den der Schulungsteilnahmen um 1.000.

Die Arbeitslosigkeit von Männern war von der Angebotsausweitung viel weniger betroffen als jene der Frauen, sie war 2011 mit Ausnahme der Monate September bis November durchwegs rückläufig, insbesondere in den ersten vier Monaten des Jahres. Insgesamt sank die Männerarbeitslosigkeit im Jahresdurchschnitt 2011 um 6.011 oder 4,1%. Dagegen stieg die Frauenarbeitslosigkeit fast im gesamten Jahresverlauf zumindest geringfügig (außer im Jänner und April), insbesondere in der zweiten Jahreshälfte. Im Jahresdurchschnitt erhöhte sich die Zahl der arbeitslosen Frauen um 1.931 oder 1,8%.

Die Arbeitslosenquote verringerte sich 2011 auf Basis der Registerdaten von AMS und Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger um 0,2 Prozentpunkte auf 6,7% (Männer 0,4 Prozentpunkte auf 7,1%, Frauen unverändert 6,3%). Laut Eurostat (Labour Force Survey) lag die Arbeitslosenquote bei 4,2% (Männer 4,0%, Frauen 4,3%). Die erweiterte Arbeitslosenquote, die neben den registrierten Arbeitslosen auch Personen in AMS-Kursmaßnahmen, sofort verfügbare Lehrstellensuchende, Personen mit Pensionsvorschuss und Übergangsgeld berücksichtigt, lag 2011 bei 9,1% (2010: 9,6%).

Unter ausländischen Arbeitskräften sank die Arbeitslosigkeit bereits im I. Quartal 2011 nicht mehr, vor allem weil die Arbeitslosigkeit ausländischer Frauen seit 2010 kontinuierlich zunimmt. Aber auch ausländische Männer profitierten unterdurchschnittlich von der Arbeitsmarktentwicklung; nach einem schwächeren Arbeitslosigkeitsabbau im 1. Halbjahr stieg die Arbeitslosigkeit im 2. Halbjahr immer rascher. Insgesamt erhöhte sich die Arbeitslosigkeit ausländischer Arbeitskräfte um 2.388 oder 5,0% auf 50.555 (Männer +415 oder +1,4% auf 29.920, Frauen +1.973 oder +10,6% auf 20.635). Bedingt durch die starke Beschäftigungsausweitung sank ihre Arbeitslosenquote dennoch um 0,2 Prozentpunkte auf 9,4%, war damit allerdings weiterhin um 3,1 Prozentpunkte höher als die der österreichischen Staatsangehörigen.

 

Übersicht 32: Arbeitslose und Personen in AMS-Kursmaßnahmen nach Geschlecht und Alter

 

 

 

 

 

 

 

Arbeitslose

Personen in Schulung

2010

2011

Veränderung 2010/11

2010

2011

Veränderung 2010/11

Absolut

In %

Absolut

In %

 

Männer

145.106

139.096

6.010

4,1

36.641

30.833

5.808

15,9

Bis 24 Jahre

23.233

21.946

1.287

5,5

15.103

13.494

1.609

10,7

25 bis 49 Jahre

88.253

83.180

5.073

5,7

17.419

13.736

3.683

21,1

50 Jahre oder älter

33.621

33.970

+349

+1,0

4.121

3.603

518

12,6

Frauen

105.676

107.608

+1.932

+1,8

36.549

32.399

4.150

11,4

Bis 24 Jahre

16.851

16.902

+51

+0,3

12.915

11.651

1.264

9,8

25 bis 49 Jahre

70.000

70.788

+788

+1,1

20.840

18.227

2.613

12,5

50 Jahre oder älter

18.826

19.918

+1.092

+5,8

2.794

2.521

273

9,8

Insgesamt

250.782

246.703

4.079

1,6

73.190

63.232

9.958

13,6

Bis 24 Jahre

40.084

38.847

1.237

3,1

28.018

25.144

2.874

10,3

25 bis 49 Jahre

158.253

153.968

4.285

2,7

38.259

31.963

6.296

16,5

50 Jahre oder älter

52.447

53.888

+1.441

+2,7

6.915

6.125

790

11,4

Q: Arbeitsmarktservice Österreich.

 

Die bereits 2010 beobachtete Verbesserung der Situation auf dem Jugendarbeitsmarkt hielt an (Arbeitslose zwischen 15 und 24 Jahren 2011 1.237 oder 3,1%). Nicht nur die registrierte Arbeitslosigkeit Jugendlicher war rückläufig, sondern auch die Schulungsteilnahmen. Flankiert wird diese Entwicklung vom Jugendbeschäftigungspaket, das seit Mitte 2008 in Kraft ist und Jugendlichen, die nach Beendigung der Pflichtschule keine geeignete Lehrstelle finden, Lehrausbildungsplätze in überbetrieblicher Form bzw. über spezielle Ausbildungseinrichtungen zur Verfügung stellt. Außerdem erhalten jugendliche Arbeitslose zwischen 19 und 24 Jahren im Rahmen der Aktion "Zukunft Jugend" innerhalb von sechs Monaten ein Angebot für einen Arbeitsplatz, eine zielgerichtete Schulung oder eine geförderte Beschäftigung.

Im Gegensatz zur Entwicklung auf dem Jugendarbeitsmarkt nahm die Arbeitslosigkeit Älterer weiter zu (z. B. über 50-Jährige +1.441 oder +2,7%). Die Wiederbeschäftigungschancen älterer Arbeitsloser sind geringer als die der Jüngeren. Zudem gehören nicht nur stärker besetzte Jahrgänge nun dieser Altersgruppe an, auch die Erwerbsbeteiligung nahm in den letzten Jahren nicht zuletzt infolge der vergangenen Pensionsreformen markant zu. In der Altersgruppe der 60- bis 64-Jährigen erhöhte sich die Beschäftigung weniger stark als die Arbeitslosigkeit; die Arbeitslosenquote stieg von 10,0% auf 10,5%.

 

Übersicht 33: Arbeitslose nach Geschlecht und höchster abgeschlossener Ausbildung

 

 

2010

2011

Veränderung 2010/11

Absolut

In %

Männer

145.106

139.095

6.011

4,1

Keine abgeschlossene Ausbildung

8.240

8.766

+526

+6,4

Pflichtschule

55.773

54.242

1.531

2,7

Lehre

58.671

54.264

4.407

7,5

Berufsbildende mittlere Schule

4.888

4.677

211

4,3

Allgemeinbildende oder berufsbildende höhere Schule

11.292

10.813

479

4,2

Akademie

230

235

+5

+2,2

Fachhochschule, Bakkalaureatsstudium, Universität

5.363

5.430

+67

+1,2

Unbekannt

649

668

+19

+2,9

Frauen

105.678

107.607

+1.929

+1,8

Keine abgeschlossene Ausbildung

6.217

6.971

+754

+12,1

Pflichtschule

42.713

43.498

+785

+1,8

Lehre

29.537

29.250

287

1,0

Berufsbildende mittlere Schule

9.353

9.219

134

1,4

Allgemeinbildende oder berufsbildende höhere Schule

11.080

11.194

+114

+1,0

Akademie

615

622

+7

+1,1

Fachhochschule, Bakkalaureatsstudium, Universität

5.504

6.119

+615

+11,2

Unbekannt

659

734

+75

+11,4

Insgesamt

250.783

246.702

4.081

1,6

Keine abgeschlossene Ausbildung

14.457

15.737

+1.280

+8,9

Pflichtschule

98.486

97.740

746

0,8

Lehre

88.208

83.514

4.694

5,3

Berufsbildende mittlere Schule

14.241

13.896

345

2,4

Allgemeinbildende oder berufsbildende höhere Schule

22.372

22.007

365

1,6

Akademie

845

857

+12

+1,4

Fachhochschule, Bakkalaureatsstudium, Universität

10.867

11.549

+682

+6,3

Unbekannt

1.308

1.402

+94

+7,2

Q: Arbeitsmarktservice Österreich.

 

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit konzentrierte sich 2011 auf Personen mit abgeschlossener Lehrausbildung (4.694 oder 5,3%), während die Arbeitslosigkeit unter den Personen mit höchstens Pflichtschulausbildung anders als 2010 wieder stieg. Auch die Zahl der Arbeitslosen mit akademischer Ausbildung nahm abermals zu allerdings weiterhin von einem sehr niedrigen Niveau aus. Insgesamt verfügten 46,0% der registrierten Arbeitslosen höchstens über einen Pflichtschulabschluss, 39,5% hatten eine Lehre oder mittlere berufsbildende Schule absolviert.

Die durchschnittliche Verweildauer in der Arbeitslosigkeit verharrte 2011 bei knapp über 93 Tagen (1 Tag gegenüber 2010), und auch die Zahl der langzeitbeschäftigungslosen Arbeitslosen[p]) (44.346, 194 oder 0,4%) und der Langzeitbeschäftigungslosen[q]) insgesamt (73.629, 274 oder 0,4%) war unverändert hoch. Einzig die Zahl der registrierten Arbeitslosen mit einer Vormerkdauer von mindestens einem Jahr verringerte sich um mehr als ein Viertel auf 4.900 (1.796 oder 26,8%).

Im 1. Halbjahr, vor allem aber im I. Quartal (+5.306 oder +20,5%) erhöhte sich die Zahl der beim Arbeitsmarktservice gemeldeten sofort verfügbaren offenen Stellen deutlich. In der zweiten Jahreshälfte, insbesondere gegen Jahresende, zeichnete sich dagegen ein Rückgang ab. Insgesamt wurde das Stellenangebot im Jahresdurchschnitt 2011 um 1.301 oder 4,2% auf 32.310 ausgeweitet. Die Stellenandrangziffer verringerte sich zwar weiter von 8,1 auf 7,6 registrierte Arbeitslose je offene Stelle, lag damit allerdings weiterhin deutlich über dem Vorkrisenniveau. Die Stellenangebote in den Printmedien[r]), die neben Teilzeittätigkeiten auch befristete Dienstverhältnisse (ab einer Beschäftigungsdauer von 2 Monaten), geringfügige Beschäftigung, selbständige Tätigkeiten und freie Dienstverträge umfassen, erhöhten sich mit +10,8% deutlich stärker als die Zahl der beim Arbeitsmarktservice gemeldeten offenen Stellen.

Julia Bock-Schappelwein (Julia.Bock-Schappelwein@wifo.ac.at),
Hedwig Lutz (
Hedwig.Lutz@wifo.ac.at)
Statistik: Stefan Fuchs (
Stefan.Fuchs@wifo.ac.at)

Sachgüterkonjunktur lässt in der zweiten Jahreshälfte nach

In der Sachgütererzeugung erwirtschafteten im Jahr 2011 rund 533.000 Beschäftigte (Durchschnitt 2011) eine nominelle Wertschöpfung von rund 157 Mrd. €. Die Produktivität war mit einer durchschnittlichen Wertschöpfung je unselbständige Arbeitskraft von etwa 296.000 € wesentlich höher als im Vorjahr, während die Beschäftigung noch leicht zurückging. Der Nettoproduktionswert wurde im Vorjahresvergleich deutlich gesteigert (+10,4%).

2011 insbesondere im I. und II. Quartal expandierte die Sachgütererzeugung im Vorquartalsvergleich sehr stark, im weiteren Jahresverlauf ließ die Dynamik jedoch merklich nach. Dieses Konjunkturmuster folgte im Wesentlichen der internationalen Konjunktur und der Exportdynamik des österreichischen Warenhandels. Im I. Quartal wurde ein reales Wachstum gegenüber dem Vorjahr von 21% verzeichnet, im II. Quartal von 10,9%, im III. Quartal von 8,8% und im IV. Quartal von 2,9%. Kumuliert ergab sich aus dieser Entwicklung eine reale Steigerung des Nettoproduktionswertes gegenüber dem Vorjahr um 10,4%. Die saisonbereinigten Werte zeigen die Trendumkehr noch deutlicher: Während sich gegenüber dem Vorquartal in den ersten zwei Quartalen noch eine Steigerung ergab (I. Quartal +3,6%, II. Quartal +0,8%), war der Nettoproduktionswert ab der Jahresmitte rückläufig (III. Quartal 0,2%, IV. Quartal 1,4%).

Nach einem Rückgang um 2,0% im Jahr 2010 wurde die Beschäftigung in der Sachgütererzeugung 2011 deutlich ausgeweitet (+2,5%). Auch unterjährig verlor die Entwicklung der Kernbelegschaft nicht an Dynamik (I. Quartal +1,9%, II. Quartal +1,7%, III. Quartal +2,1%, IV. Quartal +1,7% gegenüber dem Vorjahr). Die geleistete Arbeitszeit je Arbeitskraft nahm mit +0,2% nur unwesentlich zu, während sich die Produktivität insgesamt erheblich verbesserte (+8,2%). Auch die Exportdaten zeigen eine deutliche Expansion: Insgesamt stiegen die Exporte der Sachgütererzeugung gegenüber 2010 beträchtlich (+11,3%). Für die relativen Lohnstückkosten der österreichischen Sachgütererzeugung im Jahr 2011 liegen noch keine Daten vor.

Die meisten Branchen (ÖNACE-2008-Zweisteller; Übersicht 35) steigerten ihre Produktion 2011 kräftig: Die höchsten Wachstumsraten verzeichneten die Branchen Herstellung von sonstigen Waren (+38,3%), Kokerei und Mineralölverarbeitung (+28,3%), Metallerzeugnisse und -bearbeitung (+18,9%), Maschinenbau (+14,6%) und Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren (+14,1%), während die Herstellung von Bekleidung schrumpfte (17,5%). Die Entwicklung war von branchen- und unternehmensspezifischen Effekten geprägt. So erholte sich der Maschinenbau erst 2011 signifikant vom Einbruch während der Wirtschaftskrise, während die enorme Steigerung des Produktionswertes von Kokerei und Mineralölverarbeitung auch die Erdölverteuerung widerspiegelt.

 

Übersicht 34: Indikatoren für die Sachgütererzeugung

 

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

Nettoproduktionswert real1)

+4,9

+7,7

+8,3

+0,9

15,3

+7,4

+10,4

Beschäftigte2)

0,8

+0,2

+2,6

+1,7

5,3

1,3

+1,9

Stundenproduktivität3)

+6,3

+7,4

+5,9

0,3

7,3

+5,6

+8,2

Relative Lohnstückkosten4)

+0,4

1,5

1,0

3,7

+3,7

0,7

.

Warenexporte (SITC 5 bis 8)

+3,4

+12,3

+9,8

+1,4

20,9

+16,3

+11,3

Q: WIFO-Datenbank, WIFO-Berechnungen. 1) Laut VGR. 2) Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger; 2005 bereinigt um Umschichtungen vom Fahrzeugbau zum Bereich Verkehr (unbereinigt: 2,1%). Bruch 2007/08 wegen Umstellung der Wirtschaftsklassifikation auf ÖNACE 2008; 2008: WIFO-Schätzung. 3) Nettoproduktionswert je geleistete Beschäftigtenstunde. 4) In einheitlicher Währung gegenüber 26 Handelspartnern; Minus bedeutet Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

 

 

 

Übersicht 35: Kennzahlen zur Konjunkturlage der Herstellung von Waren 2011

Nach ÖNACE 2008

 

 

 

 

 

Produktionswert

Beschäftigung

Produktion pro Kopf

Erzeugerpreisindex

Mio. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Personen

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

2005 = 100

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln

13.494,7

+10,2

54.105

+2,0

249.419

+8,0

105,5

+5,5

Getränkeherstellung

4.603,0

+8,1

8.113

0,9

567.338

+9,1

100,4

+0,4

Herstellung von Textilien

1.316,0

+5,4

7.890

+1,9

166.786

+3,4

108,0

+8,0

Herstellung von Bekleidung

811,8

17,5

5.804

4,3

139.875

13,8

103,9

+3,9

Herstellung von Leder, -waren und Schuhen

768,5

+11,6

3.478

+2,8

220.934

+8,5

101,2

+1,2

Herstellung von Holz-, Flecht-, Korb- und Korkwaren

7.168,8

+8,7

28.098

+3,6

255.140

+4,9

103,4

+3,4

Herstellung von Papier, Pappe und Waren daraus

6.217,5

+5,6

16.382

0,0

379.542

+5,7

102,7

+2,7

Herstellung von Druckerzeugnissen, Vervielfältigung von Ton-, Bild- und Datenträgern

2.314,4

7,6

11.419

3,5

202.683

4,3

98,6

1,4

Kokerei und Mineralölverarbeitung

10.171,5

+28,3

1.335

11,8

7,619.577

+45,5

.

.

Herstellung von chemischen Erzeugnissen

6.497,0

+9,9

16.059

+1,4

404.571

+8,4

108,5

+8,5

Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen

3.233,0

+2,3

11.705

+3,4

276.201

1,1

98,0

2,0

Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren

5.673,4

+14,1

26.301

+5,8

215.714

+7,8

104,3

+4,3

Herstellung von Glas und Glaswaren, Keramik, Verarbeitung von Steinen und Erden

6.353,6

+3,9

29.982

+1,3

211.914

+2,6

102,2

+2,2

Metallerzeugung und -bearbeitung

16.508,6

+18,9

33.657

+3,4

490.503

+15,0

109,9

+9,9

Herstellung von Metallerzeugnissen

12.724,8

+9,2

62.570

+3,5

203.370

+5,5

102,0

+2,0

Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen

4.325,0

0,4

19.059

+2,9

226.932

3,2

99,9

0,1

Herstellung von elektrischen Ausrüstungen

10.841,7

+8,3

40.733

+2,5

266.163

+5,6

100,3

+0,3

Maschinenbau

17.449,5

+14,6

67.086

+4,8

260.107

+9,4

101,5

+1,5

Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen

13.116,3

+14,0

29.367

+4,4

446.635

+9,2

100,4

+0,4

Sonstiger Fahrzeugbau

2.084,2

+5,9

5.537

+1,9

376.408

+3,9

101,7

+1,7

Herstellung von Möbeln

2.367,2

+2,8

18.893

+0,9

125.297

+1,8

102,3

+2,3

Herstellung von sonstigen Waren

5.263,1

+38,3

11.855

+2,1

443.972

+35,4

100,7

+0,7

Reparatur und Installation von Maschinen und Ausrüstungen

4.259,8

1,2

22.912

+0,5

185.919

1,7

101,3

+1,3

Q: Statistik Austria, WIFO-Berechnungen.

 

Die Beschäftigung wurde 2011 in den meisten Branchen ausgeweitet, am deutlichsten in der Herstellung von Gummi- und Kunststoffwaren (+5,8%), im Maschinenbau (+4,8%) und in der Herstellung von Kraftwagen und Kraftwagenteilen (+4,4%). Beträchtliche Einbußen waren in der Branche Kokerei und Mineralölverarbeitung (11,8%) und in der Herstellung von Bekleidung (4,3%) zu verzeichnen. Aufgrund der divergierenden Entwicklung von Nettoproduktionswert (+18,9%) und Beschäftigung (11,8%) erhöhte sich die Beschäftigtenproduktivität in der Kokerei und Mineralölverarbeitung um fast die Hälfte (+45,5%). Auch die Herstellung von sonstigen Waren (+35,4%) und die Metallerzeugung und -bearbeitung (+15%) verzeichneten einen überdurchschnittlichen Produktivitätsanstieg. Eine Verringerung der Produktivität war vor allem in den Branchen mit Produktionseinbußen zu verzeichnen: Herstellung von Bekleidung (13,8%), Herstellung von Druckerzeugnissen und Vervielfältigung von Ton-, Bild- und Datenträgern (4,3%) und Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen (3,2%).

Die Erzeugerpreise stiegen insbesondere in der Metallerzeugung und -bearbeitung (+9,9%), Herstellung von chemischen Erzeugnissen (+8,5%) sowie der Herstellung von Textilien (+8%), während sie in der Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen (2,0%) und Herstellung von Druckerzeugnissen und Vervielfältigung von Ton-, Bild- und Datenträgern (1,4%) im Vorjahresvergleich zurückgingen.

Mit rund 67.000 Beschäftigten waren auch 2011 der Maschinenbau vor der Produktion von Metallerzeugnissen (rund 62.500) sowie der Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln (rund 54.100) die beschäftigungsstärksten Branchen in der Sachgütererzeugung. Diese drei Branchen stellen rund 35% der Beschäftigung und 28% der Sachgüterproduktion. Insgesamt betrug 2011 der Anteil der Sachgütererzeugung an der Entstehung des realen BIP 18,9%, der Anteil an der gesamtwirtschaftlichen unselbständigen Beschäftigung 16,5%, der Anteil an den Erwerbstätigen 14,5%.

 

Abbildung 15: Index der Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Geschäftslage

Q: WIFO-Konjunkturtest. 0 . . . geringste Unsicherheit, 100 . . . höchste Unsicherheit.

 

Im internationalen Vergleich hatte die Wirtschaftskrise in Österreich geringe Auswirkungen auf die Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen. 2009 stieg die Zahl der Insolvenzen in der Gesamtwirtschaft von niedrigem Niveau um 9,3%, das Insolvenzvolumen erhöhte sich um 33,3%. 2010 verringerte sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 7,6%, das Volumen nahm aber um 17,5% zu. 2011 schätzt der Kreditschutzverband von 1870 die Zahl der Insolvenzen auf 5.869 Fälle (8% gegenüber 2010; 3.260 eröffnete und 2.609 mangels Masse nicht eröffnete Verfahren), das damit verbundene Insolvenzvolumen auf 2,8 Mrd. € (40,4%). Dieser Rückgang ist insbesondere auf die gute Konjunkturlage zurückzuführen. Die Zahl der eröffneten Insolvenzen von Industrieunternehmen war um rund ein Viertel niedriger als im Vorjahr (2010: 19, 2010: 14 Fälle). Die seit 2010 geltende neue sanierungsfreundliche Insolvenzordnung hat, wie die Daten zeigen, positive Auswirkungen: 2010 waren rund 10,5% der eröffneten Konkursverfahren Sanierungsverfahren (371 Fälle), 2011 stieg der Anteil auf 22,3% (728 Fälle). Somit ist mittlerweile fast jedes fünfte eröffnete Verfahren ein Sanierungsverfahren, in dem versucht wird, das Unternehmen zu retten.

Allerdings steht diesen positiven Zahlen eine zunehmende Unsicherheit in der Einschätzung der künftigen Geschäftslage gegenüber (Abbildung 15). Dieser Indikator war vor der Wirtschaftskrise weit unter dem langfristigen Durchschnitt gelegen und stieg im Zuge der Krise deutlich. 2010 und bis zum II. Quartal 2011 hatte er sinkende Tendenz. Im III. und IV. Quartal 2011 erhöhte sich die unternehmerische Unsicherheit im Zuge der Schuldenkrise empfindlich.

 

Abbildung 16: Konjunkturbeurteilung der Unternehmen

Q: WIFO-Konjunkturtest. –100 . . . pessimistische Meldungen, +100 . . . optimistische Meldungen.

 

Die Branchenklimaindizes "Index der aktuellen Lagebeurteilungen" und "Index der unternehmerischen Erwartungen" werden vom WIFO auf Basis der Unternehmensbefragungen des WIFO-Konjunkturtests für die Sachgütererzeugung insgesamt sowie für die drei Branchengruppen Vorprodukt-, Investitionsgüter- sowie Konsumgütererzeugung erstellt. Die Indizes haben einen Wertebereich von 100 bis +100. Negative Werte stehen für eine negative Einschätzung, positive Werte für überdurchschnittliche Einschätzungen.

Der Index der aktuellen Lagebeurteilungen der Sachgütererzeugung insgesamt wies ab April 2011 einen deutlichen Abwärtstrend auf, der sich erst zum Jahresende stabilisierte. Der Index der unternehmerischen Erwartungen begann bereits im Februar 2011 zu sinken, eine Stabilisierung und Trendwende zeichnete sich erst gegen Ende des III. Quartals ab. In der Erzeugung von Vorprodukten hatten beide Indizes eine relativ hohe Dynamik. In den Investitionsgüterbranchen entwickelte sich die Lagebeurteilung deutlich günstiger als der Erwartungsindex. In den Konsumgüterbranchen wiesen beide Indizes eine viel geringere Dynamik aus. Auch in den drei Branchengruppen zeigte der Index der unternehmerischen Erwartungen erst zum Jahresende eine Stabilisierung und Trendumkehr der Konjunktur an.

Werner Hölzl (Werner.Hoelzl@wifo.ac.at)
Statistik: Elisabeth Neppl-Oswald (
Elisabeth.Neppl@wifo.ac.at)

Bauwirtschaft wächst 2011 kräftig

Nach den Produktionseinbußen der Vorjahre verzeichnete die österreichische Bauwirtschaft im Jahr 2011 ein kräftiges Wachstum. Die reale Bruttowertschöpfung stieg um 2,7%, die realen Bauinvestitionen um 2,6%. Das Niveau des Vorkrisenjahres 2008 wurde damit aber noch nicht wieder erreicht. Sowohl Wohnbauinvestitionen als auch sonstige Bauinvestitionen (sonstiger Hochbau, Tiefbau) entwickelten sich 2011 dynamisch. Dieses VGR-Aggregat verdeckt jedoch die Diskrepanz zwischen der positiven Entwicklung im sonstigen Hochbau und der schwachen Tiefbaukonjunktur. Dieses Muster hängt eng damit zusammen, dass Impulse für die Bauwirtschaft 2011 insbesondere aus der privaten Nachfrage kamen.

 

Übersicht 36: Produktionswert des Bauwesens

 

2010

2011

2011

I. Quartal

II. Quartal

III. Quartal

IV. Quartal

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Laut ÖNACE1)

2,2

+4,9

+1,8

+6,0

+3,2

+7,4

Hoch- und Tiefbau

4,6

+4,9

1,0

+6,7

+2,4

+8,9

Baunebengewerbe2)

+0,7

+5,0

+4,6

+5,1

+4,2

+5,8

 

Laut GNACE3)

4,6

+2,9

4,0

+5,0

+1,3

+6,6

Hochbau

1,5

+7,9

+1,5

+11,1

+8,7

+8,0

Wohnhaus- und Siedlungsbau

0,5

+6,2

3,6

+6,3

+9,5

+8,4

Sonstiger Hochbau

5,9

+11,9

+4,7

+20,0

+8,2

+12,9

Adaptierungen im Hochbau

+3,9

+4,7

+12,1

+10,3

+3,5

2,5

Tiefbau

8,9

3,2

12,3

2,6

7,0

+5,6

Verkehrswegebau4)

12,0

8,0

26,9

6,5

11,5

+5,2

Sonstiger Tiefbau5)

5,3

+1,8

+17,7

+1,6

1,8

+6,0

Vorbereitende Baustellenarbeiten

3,2

2,8

6,8

+0,9

5,2

1,5

Q: Statistik Austria. 1) Klassifikation laut EU, Wert der abgesetzten Produktion. 2) Bauinstallation, Aus- und Bauhilfsgewerbe. 3) Güterklassifikation, Wert der technischen Produktion (reine Bauleistung nach Spartengliederung, ähnlich der früheren Baustatistik). 4) Brücken- und Hochstraßenbau, Straßenbau, Eisenbahnoberbau, Tunnelbau. 5) Rohrleitungs-Kabelnetzbau, Wasserbau, Spezial- und sonstiger Tiefbau.

 

Aufschluss über die aktuelle Entwicklung der österreichischen Bauproduktion liefert in erster Linie die Konjunkturstatistik. Die abgesetzte Produktion im Bauwesen nahm demnach 2011 um 4,9% zu (ÖNACE). Das Baunebengewerbe setzte um 5% mehr um als im Vorjahr, der Hochbau um 1,6% und der Tiefbau um 10,6% diese Klassifikation bezieht sich auf die Haupttätigkeit der Betriebe bzw. Unternehmen. Jedoch gibt es Hinweise auf eine Strukturverschiebung der Haupttätigkeit, vermehrt sind Tiefbaubetriebe in Hochbausparten tätig[s]): Gemessen an der technischen Produktion nach GNACE (Güterklassifikation), erhöhte sich der Produktionswert von Hochbauten um 7,9%, während jener von Tiefbauten um 3,2% zurückging. Für das Baunebengewerbe stehen Daten in dieser Klassifikation nicht zur Verfügung. Insgesamt übertraf die technische Produktion das Vorjahresniveau im Bauhauptgewerbe um 2,9%. Die Produktionstätigkeit für öffentliche Auftraggeber (GNACE) ging dabei insgesamt neuerlich zurück (4%), und zwar im Tiefbau stärker als im Hochbau; sie wurde in nur wenigen Sparten ausgeweitet, etwa im Bereich der Adaptierungen im Hochbau (z. B. thermische Sanierung).

 

Übersicht 37: Auftragslage im Bauwesen

 

Auftragsbestände

Auftragseingänge

Mio. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Mio. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

2010

8.344

6,5

24.083

+0,5

I. Quartal

8.663

6,2

5.442

0,7

II. Quartal

8.655

8,0

6.031

+1,0

III. Quartal

8.337

7,6

6.150

3,8

IV. Quartal

7.720

3,8

6.459

+5,8

 

2011

8.629

+3,4

24.858

+3,2

I. Quartal

8.213

5,2

5.036

7,5

II. Quartal

9.035

+4,4

6.410

+6,3

III. Quartal

8.770

+5,2

6.561

+6,7

IV. Quartal

8.498

+10,1

6.851

+6,1

Q: Statistik Austria, ÖNACE.

 

Im Hochbau expandierten alle Sparten, am stärksten der Industrie- und Ingenieursbau sowie der sonstige Hochbau. Diese Sparten befriedigen eine große private (insbesondere gewerbliche) Nachfrage und profitierten daher am meisten vom Konjunkturaufschwung. Nach mäßigen Zuwächsen im I. Quartal 2011 war insbesondere im II. Quartal eine kräftige Aufwärtstendenz zu verzeichnen. Der milde Winterbeginn begünstigte zudem die Entwicklung im IV. Quartal 2011.

 

Übersicht 38: Beschäftigte, offene Stellen und Arbeitslose in der Bauwirtschaft

Jahresdurchschnitt

 

Absolut

Veränderung gegen das Vorjahr

Absolut

In %

Arbeitskräfte insgesamt1)

20082)

247.112

2009

243.099

4.014

1,6

2010

241.668

1.430

0,6

2011

245.370

+3.702

+1,5

 

Arbeitslose nach Wirtschaftsklassen (ÖNACE)

20082)

24.518

2009

30.544

+6.026

+24,6

2010

30.570

+26

+0,1

2011

27.928

2.642

8,6

 

Arbeitslose nach Bauberufen

2008

21.865

2.237

9,3

2009

26.662

+4.796

+21,9

2010

26.212

449

1,7

2011

24.698

1.514

5,8

 

Offene Stellen

2008

2.926

414

12,4

2009

2.439

486

16,6

2010

2.592

+153

+6,3

2011

2.379

213

8,2

Q: Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. 1) Einschließlich Baunebengewerbe. 2) Aufgrund der Umstellung der ÖNACE-Klassifikation mit dem Vorjahr nicht vergleichbar.

 

Im Tiefbau wurde nach den empfindlichen Einbußen im Vorjahr die Produktion von Wasserbauten und in geringerem Ausmaß auch von Brücken und Hochstraßen ausgeweitet. Vom I. bis zum III. Quartal 2011 blieb die Tiefbauproduktion aber insgesamt unter dem Vorjahresniveau, wobei die Einbußen im II. Quartal mit 2,6% mäßig waren. Erst im IV. Quartal zeichnete sich auch im Tiefbau eine leichte Erholung ab (+5,6%).

Die Bauzulieferindustrie profitierte bereits im I. Quartal 2011 mit Wachstumsraten von über 10% vom Aufschwung der österreichischen Bauwirtschaft. Während die holzverarbeitende Industrie ihre Produktion auch im weiteren Jahresverlauf zum Teil kräftig ausweitete (2011 +8,8%), verlor die Entwicklung der Stein- und keramischen Industrie und der Glasindustrie ab dem II. Quartal deutlich an Dynamik. In der Glasindustrie ergab sich gegenüber dem außergewöhnlich hohen Vorjahresniveau (+17%) 2011 ein Rückgang des Produktionswertes um 2,3%. Etwas stabiler verlief die Entwicklung in der Stein- und keramischen Industrie: Nach sehr geringen Wachstumseinbußen im Jahr 2010 wuchs die Produktion 2011 nur mäßig (+1,5%).

 

Übersicht 39: Produktionswert der Bauzulieferbranchen

 

Stein- und keramische Industrie1)

Glasindustrie

Holzverarbeitende Industrie

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

2009

12,8

25,0

17,2

2010

0,5

+17,0

+13,2

2011

+1,5

2,3

+8,8

I. Quartal

+11,3

+15,8

+17,6

II. Quartal

+0,7

+0,6

+13,0

III. Quartal

2,7

4,8

+2,5

IV. Quartal

+0,8

18,0

+3,8

Q: Statistik Austria, ÖNACE. 1) Gliederung laut Wirtschaftskammer.

 

Die aktuelle Entwicklung der Baupreise spiegelt ebenfalls die unterschiedliche Dynamik in Hoch- und Tiefbau wider: Gegenüber der schwachen Preissteigerung 2010 beschleunigte sich der Preisauftrieb in den Hochbausparten 2011 etwas, insbesondere im II. Quartal 2011. Im Tiefbau hatten die Preise in den Vorjahren aufgrund der Baukostensteigerung durch die Rohstoff- und Energieverteuerung merklich angezogen (2010 über +6%). 2011 fielen die Preiserhöhungen geringer aus (+3,5%), allerdings stärker als im Hochbau. Insgesamt blieb der Anstieg der Baupreise somit 2011 (+3,2%) erstmals seit Jahren unter der Inflationsrate (Verbraucherpreisindex +3,3%).

 

Übersicht 40: Preisindex des Hoch- und Tiefbaus

2000 = 100

 

2008

2009

2010

2011

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

Hochbau

+4,8

+2,2

+1,7

+2,8

Wohnhaus- und Siedlungsbau

+4,8

+2,0

+1,5

+2,8

Baumeisterarbeiten

+4,7

+2,3

+1,8

+2,8

Sonstige Bauarbeiten

+4,6

+1,8

+1,3

+2,3

Sonstiger Hochbau

+4,8

+2,8

+2,1

+3,2

 

Tiefbau

+5,1

+4,6

+6,2

+3,5

Straßenbau

+4,7

+3,9

+5,4

+3,2

Brückenbau

+5,0

+2,0

+2,9

+3,6

Sonstiger Tiefbau

+5,3

+6,1

+7,6

+3,8

 

Hoch- und Tiefbau

+5,0

+3,3

+3,8

+3,2

Q: Statistik Austria.

 

Die Steigerung der Bauproduktion erlaubte 2011 eine Ausweitung der unselbständigen Beschäftigung im Bauwesen um 1,5% (+3.700 Personen). Im Jahresdurchschnitt 2011 waren 245.370 Unselbständige beschäftigt. Überdurchschnittlich war der Anstieg im I. Quartal (vor allem im Hochbau). Gleichzeitig sank die Zahl der Arbeitslosen (sowohl nach Bauberufen als auch nach ÖNACE-Klassifikation) 2011 wieder beträchtlich. Jedoch deutet der Rückgang der Zahl der offenen Stellen (213, 8,2%) auf eine Abschwächung der Beschäftigungsdynamik hin.

Entsprechend der Produktionsentwicklung war auch die Auftragslage 2011 äußerst günstig. Die Auftragsbestände wurden, nach einem merklichen Rückgang im Jahr 2010 und im I. Quartal 2011, wieder leicht ausgeweitet (Jahresdurchschnitt 2011 +3,4%, IV. Quartal +10,1%). Auch die Auftragseingänge übertrafen das Vorjahresniveau insgesamt um 3,2%. Nach den Einbußen im I. Quartal 2011 erreichten die Zuwächse im II. bis IV. Quartal 2011 6% bis 7%. Gegliedert nach der Haupttätigkeit der Betriebe (ÖNACE) erhöhten sich sowohl die Bestände als auch die Eingänge am stärksten im Tiefbau, während sie im Hochbau leicht abnahmen. Wie erwähnt war dies teilweise auf eine Umstrukturierung der Haupttätigkeit zurückzuführen.

Der WIFO-Konjunkturtest von März 2012 bestätigt die stabilen Aussichten für die österreichische Bauwirtschaft: Nach einer Eintrübung Mitte 2011 weisen die Beurteilung der aktuellen Bautätigkeit und der Auftragsbestände und ähnlich die Beschäftigungs- und Preiserwartungen (saisonbereinigt gegenüber Februar 2012) eine Aufwärtstendenz auf. Dämpfend könnten sich die angekündigten Sparmaßnahmen der öffentlichen Haushalte im Bereich der Infrastrukturinvestitionen auswirken.

Andrea Kunnert (Andrea.Kunnert@wifo.ac.at)
Statistik: Michael Weingärtler (
Michael.Weingaertler@wifo.ac.at)

Witterungsbedingter Rückgang des Energieverbrauches

Aufgrund der Witterungsbedingungen (Heizgradtage 12,4%) und der neuerlichen starken Rohölverteuerung (+33,3% auf Euro-Basis) verringerte sich der Energieverbrauch im Jahr 2011 nach vorläufigen Schätzungen deutlich (3% bis 5%). Weil sich der Gaspreis anhaltend vom Rohölpreis entkoppelte, verteuerte sich Erdgas (+8,7%) schwächer als die Rohölprodukte (z. B. Heizöl +21,4%). Aufgrund der geringen Wasserführung der Flüsse erzeugten die Wasserkraftwerke um 9,7% weniger Strom als im Vorjahr. Die Einfuhr von elektrischem Strom stieg folglich um 26,5%, der Saldo im Außenhandel mit Strom war negativ.

Nachdem der Energieverbrauch im Jahr 2009 aufgrund des Konjunktureinbruches gegenüber dem Vorjahr um rund 5,4% gesunken war, stieg er 2010 bedingt durch die Konjunkturerholung und die Zunahme der Heizgradtage deutlich (+6,7%). Nach den vorläufigen Daten und ersten Schätzungen verringerte er sich 2011 gegenüber dem Vorjahr um 3% bis 5%, bei einem Wachstum des realen BIP von 3,1%. Dieser Rückgang war vor allem auf die geringere Zahl der Heizgradtage und auf eine deutliche Verteuerung von Rohöl- und Erdgasprodukten zurückzuführen. Das Wetter beeinflusst die Energienachfrage insbesondere über die Veränderung der Heizgradtage in der Heizperiode. Insgesamt war die Zahl der Heizgradtage 2011 um 12,4% und in der Heizperiode um 6,2% niedriger als im Vorjahr (Abbildung 17). Langfristig (seit 1980) hat sie sinkende Tendenz. Dies spiegelt den Trend der weltweiten Klimaerwärmung wider.

 

Abbildung 17: Gewichtete Heizgradsummen für Österreich

Q: Statistik Austria nach Daten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik. 1) Heizperiode: Jänner, Februar und März, November und Dezember des betreffenden Kalenderjahres. Um den Einfluss des Wetters auf den Energieeinsatz beurteilen zu können, kann man den saisonalen Temperaturverlauf anhand der "Heizgradsummen" darstellen. Sie werden als Summe der Heizgradtage eines Zeitabschnittes berechnet. Die Heizgradtage oder Gradtagszahl (GTZ) ergeben sich als Summe der Temperaturdifferenzen zwischen einer konstanten Raumtemperatur (BT = 20°C) und dem Tagesmittel der Lufttemperatur (Tn), falls diese gleich oder niedriger als eine angenommene Heizgrenztemperatur von 12° C ist: .

 

Neben dem Wetter und der Wirtschaftsentwicklung gelten die Veränderungen der Energiepreise als zentrale Einflussfaktoren des Energieverbrauches. Die Energiepreise zogen 2011 deutlich an: Rohöl verteuerte sich im Jahresdurchschnitt 2011 auf Dollarbasis um 40% und auf Euro-Basis um 33,3%, von 79,5 $ auf 111,3 $ je Barrel. Der kontinuierliche Preisanstieg hält seit dem Jahr 2000 an und wird in erster Linie auf den weltweiten Anstieg der Nachfrage nach Erdöl insbesondere in den schnell wachsenden Schwellenländern sowie auf einen Engpass an Raffineriekapazitäten zurückgeführt.

 

Übersicht 41: Entwicklung der Energiepreise

 

 

 

 

 

 

2009

2010

2011

2011

 

2000 = 100

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

Heizöl, extra leicht

136,3

167,0

202,7

+21,4

Strom

126,9

128,2

128,3

+0,1

Gas

158,1

151,1

164,2

+8,7

Feste Brennstoffe

129,7

131,4

136,2

+3,7

 

 

 

 

 

Kraftstoffe

 

 

 

 

Benzin (Normal und Super)

112,3

128,0

146,3

+14,3

Dieselkraftstoff

126,6

143,7

172,9

+20,4

Q: Statistik Austria, Verbraucherpreisindexgruppe "Energie".

 

Der Gaspreis stieg für den Endverbrauch im Jahresverlauf 2011 mit +8,7% viel schwächer als der Erdölpreis, während der Preis von leichtem Heizöl um 21,4% anzog. Dieses Muster ist auf eine anhaltende Entkoppelung von Gas- und Mineralölpreisen zurückzuführen, wie auch die Entwicklung in den Vorjahren zeigt (Rückgang des Gaspreises bei gleichzeitigem Anstieg der Heizölpreise). Weltweit werden Gaskontrakte zunehmend auf der Basis von Angebot und Nachfrage geschlossen. Damit ist die Indexierung an die Rohölpreisentwicklung rückläufig. Die Zunahme der technologischen Möglichkeiten zur Förderung von Gas, auch aus unkonventionellen Ressourcen, sorgt für eine Angebotserweiterung und somit für eine preisliche Entspannung auf dem Gasmarkt[t]). Die Entwicklung der Kraftstoffpreise (Superbenzin  +14,3%, Dieselkraftstoff +20,4%) folgt im Trend dem Anstieg der Rohölpreise und setzt sich ebenfalls fort. Die Preise fester Brennstoffe (Kohle, Biomasse) stiegen nur mäßig (+3,7%), der Strompreis blieb nahezu konstant.

 

Übersicht 42: Verbrauch von Mineralölprodukten

 

 

 

 

 

 

2009

2010

2011

2011

 

1.000 t

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

Insgesamt

11.332

11.650

11.036

5,3

Flüssiggas

143 

161

137

14,9

Normalbenzin

150

111

35

68,3

Superbenzin

1.692  

1.710

1.720

+0,6

Flug- und Leuchtpetroleum

633 

675

675

+0,0

Dieselkraftstoff

5.952  

6.227

6.065

2,6

Gasöl für Heizzwecke

1.457  

1.449

1.271

12,2

Heizöle

658

721

474

34,2

Sonstige Produkte der Erdölverarbeitung

646

596

657

+10,3

Q: Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend.

 

Der Verbrauch von Mineralölprodukten nahm folglich in Zusammenhang mit der Preisentwicklung und der geringeren Zahl der Heizgradtage um 5,3% ab; insbesondere an Heizölen (34,2%), Gasöl für Heizzwecke (12,2%) und Flüssiggas (14,9%) wurde weniger verbraucht als im Vorjahr. Aber auch die Nachfrage nach Dieselkraftstoff blieb 2011 aufgrund der Preissteigerungen um 2,6% unter dem Vorjahresniveau. Das Wetter beeinflusste auch den Verbrauch von Erdgas (6,3%).

 

Übersicht 43: Erdgas

 

 

 

 

 

 

2009

2010

2011

2011

 

Mio. m³

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

Förderung

1.578

1.713

1.594

7,0

+ Saldo zwischen Importen und Exporten

7.563

7.133

9.270

+30,0

– Speicherbewegung

428

–709

1.972

.

= Inlandsverbrauch

8.802

9.558

8.981

6,0

– Eigenverbrauch, Fernleitungsverluste

585

441

435

1,4

= Abgabe an Verbraucher

8.217

9.117

8.546

6,3

Q: Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend.

 

 

 

Übersicht 44: Elektrischer Strom

 

 

 

 

 

 

2009

2010

2011

2011

 

GWh

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

Erzeugung

68.852

70.827

65.481

7,5

Wasserkraft

38.673

37.318

33.716

9,7

Wärmekraft

20.750

24.753

23.135

6,5

Sonstige

9.428

8.755

8.630

1,4

Einfuhr

19.542

19.745

24.980

+26,5

Ausfuhr

18.762

17.531

16.751

4,4

Verbrauch1)

65.667

68.477

68.651

+0,3

Q: E-Control. 1) Ohne Pumpstrom.

 

Bei einer Abnahme der Erzeugung von elektrischer Energie um insgesamt 7,5% und unverändertem Verbrauch (+0,3%) wuchsen die Importe laut vorläufigen Zahlen der E-Control um 26,5%. Die Exporte nahmen um 4,4% ab. Die Erzeugung von Wasserkraft sank gegenüber dem Vorjahr um 9,7%. Dies ist auf eine geringe Wasserführung der Flüsse im Jahr 2011 zurückzuführen. So lag die Wasserführung im Bereich des Verbundes in den ersten neun Monaten um 12% unter dem Durchschnitt der letzten 30 Jahre. Auch die Wärmekrafterzeugung war rückläufig (6,5%). Daher war der Saldo im Außenhandel mit elektrischem Strom 2011 negativ. Während der Verbrauch von elektrischer Energie weitgehend konstant war und der Verbrauch an Mineralölprodukten und Erdgas sank, wuchs das reale BIP um 3,1%, d. h. die Entwicklung des Energieverbrauches entkoppelte sich witterungs- und preisbedingt vom Wirtschaftswachstum.

Ina Meyer (Ina.Meyer@wifo.ac.at)
Statistik: Dietmar Weinberger (
Dietmar.Weinberger@wifo.ac.at)

Verkehrswirtschaft 2011: Stabilisierung und Aufschwung

Vor dem Hintergrund der guten Konjunktur des Jahres 2011 entwickelten sich die Rahmenbedingungen der Verkehrswirtschaft und die Indikatoren der Mobilitäts- und Transportnachfrage fast ausnahmslos positiv. Der Aufschwung wurde durch den merklichen Anstieg der Kraftstoffpreise aufgrund der Mineralölsteuererhöhung Anfang 2011 und insbesondere der Rohölverteuerung nicht nachdrücklich beeinträchtigt.

Die fachliche Diskussion war in Österreich von den Auswirkungen dieser Preiserhöhungen auf private Haushalte und Unternehmen sowie von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten der großen Transport- und Verkehrsdienstleister Rail Cargo Austria (RCA) und Austrian Airlines (AUA) geprägt. Mit Spannung wurde darüber hinaus der Beginn des Wettbewerbs im österreichischen Schienenpersonenverkehr durch den Markteintritt des Unternehmens "Westbahn" erwartet (Dezember 2011). Auswirkungen auf die Verkehrswirtschaft haben auch die Maßnahmen von Verkehrsministerium und ÖBB als Beitrag der Infrastrukturpolitik zur Budgetkonsolidierung. Das aktuelle Sparpaket der Bundesregierung, das Anfang 2012 konkretisiert wurde, sieht nunmehr im Bereich des Bahnausbaus Einsparungen von über 900 Mio. € über den Zeitraum von fünf Jahren vor. Davon sind einzelne kleinere Ausbauprojekte betroffen (etwa die Elektrifizierung der Strecke GänserndorfMarchegg), aber auch die Großprojekte Semmering-, Koralm- und Brennerbasistunnel. Hier sollen eine Änderung des Auftragsvergabezeitpunktes, eine Redimensionierung und eine Effizienzsteigerung der Bauleistungen deutliche Einsparungen und damit eine Minderbelastung für das Bundesbudget gewährleisten. Auch die Asfinag hat inzwischen bekanntgegeben, dass sie einzelne Autobahn- und Schnellstraßenprojekte zwecks Kosteneinsparung redimensionieren wird.

Auf dem Arbeitsmarkt des Bereiches Verkehr und Lagerei, der von der Wirtschaftskrise 2008/09 aufgrund der hohen Konjunkturabhängigkeit der Transportnachfrage besonders negativ betroffen war, setzte sich der Aufschwung fort: In den Wirtschaftsabschnitten Landverkehr und Transport in Rohrfernleitungen, Schifffahrt, Luftfahrt, Lagerei, Erbringung von sonstigen Dienstleistungen für den Verkehr sowie Post-, Kurier- und Expressdienste sank die Arbeitslosigkeit aggregiert um 5,9%. Im gesamten Dienstleistungssektor (Wirtschaftsabschnitte G bis O) war dagegen eine leichte Zunahme der Arbeitslosenzahl zu verzeichnen (+0,7%).

 

Übersicht 45: Güterverkehr

 

 

 

 

 

2011

2011

Ø 2007/2011

 

Absolut

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Veränderung in %

 

 

 

 

ÖBB        Mio. n-t-km

14.723

+4,0

0,5

Inland               Mio. n-t-km

4.089

4,1

+2,3

Einfuhr              Mio. n-t-km

4.485

+8,9

+0,3

Ausfuhr             Mio. n-t-km

3.193

+5,4

0,2

Transit              Mio. n-t-km

2.956

+7,4

5,1

Lkw und Anhänger (neuzugelassene Nutzlast)                in t

158.648

+23,9

0,9

Rohrleitungen, Mineralöl    Mio. n-t-km

7.219

+3,5

0,0

Einfuhr und Inland          Mio. n-t-km

3.004

+10,0

+0,5

Transit              Mio. n-t-km

3.915

1,5

+0,4

Luftfahrt1)              1.000 t

172 2)

7,92)

+1,4

Q: Adria-Wien Pipeline GmbH, OMV, Statistik Austria, Transalpine Ölleitungen in Österreich GmbH, WIFO-Berechnungen. 1) Fracht, An- und Abflug. 2) Jänner bis Oktober.

 

 

 

Übersicht 46: Arbeitslosigkeit im Verkehrssektor

 

 

 

 

2011

2011

 

Absolut

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

Arbeitslose insgesamt

246.702

1,6

Produzierender Bereich

52.871

11,3

Dienstleistungssektor

180.814

+0,7

Verkehrssektor

12.334

5,9

Q: AMS.

 

Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen von Transport und Verkehr

Das für den internationalen Transport relevante Wachstum des Außenhandels war im Jahr 2011 mit +3,2% überdurchschnittlich, die Tonnage übertraf das Vorjahresniveau mit 149,4 Mrd. t um 4,3%. Die Einfuhr entwickelte sich dabei dynamischer (+4,8%) als die Ausfuhr (+3,6%). Die transportintensiven und verstärkt international ausgerichteten Branchen der Sachgütererzeugung steigerten ihre Wertschöpfung arbeitstagsbereinigt gegenüber 2010 um 5,8%.

Jene Branchen, die Leistungen des Inlandsgüterverkehrs nachfragen, verzeichneten im Jahr 2011 fast ausnahmslos und zum Teil deutliche Umsatzsteigerungen. So stieg etwa die Wertschöpfung der Mineralölindustrie und der Metallerzeugung um 20% bzw. 10,3% (Be- und Verarbeitung von Holz arbeitstagsbereinigt +6,9%, Herstellung von Papier und Pappe +3,5%, Chemie +3,0%, Nahrungs- und Genussmittelindustrie +1,3%, Glasindustrie +0,5%). Unter dem Vorjahresergebnis blieben die Umsätze im österreichischen Bergbau (6,4%). Aufgrund der weiterhin äußerst robusten Konsumnachfrage der österreichischen Haushalte expandierte der Umsatz des Einzelhandels gegenüber 2010 um 2,0%.

 

Abbildung 18: Entwicklung des Güter- und Personenverkehrs

Q: Adria-Wien Pipeline GmbH, ÖBB, OMV, Statistik Austria, Transalpine Ölleitungen in Österreich GmbH, Wiener Linien.

 

Dank der guten Konjunktur entwickelte sich 2011 auch der Arbeitsmarkt als wichtige Determinante des Berufs- bzw. Pendelverkehrs günstig: Die Zahl der unselbständig Beschäftigten stieg um 1,8%, die Arbeitslosigkeit sank im Jahresdurchschnitt um 1,6% auf 246.700 Personen.

Die Gäste- und Nächtigungszahlen erhöhten sich im österreichischen Tourismus gegenüber dem hohen Vorjahresniveau neuerlich. Dies sollte zum Wachstum des Reise- und Freizeitverkehrs beigetragen haben. Die Ankünfte erreichten mit fast 35 Mio. (+3,7%) einen neuen Höchstwert, die Zahl der Nächtigungen (126 Mio., +0,9%) war bisher in nur vier Jahren höher gewesen. Die Nachfrage aus dem Ausland entwickelte sich dabei dynamischer als die Inlandsnachfrage (Ankünfte +4,6% bzw. +2,0%).

Entwicklung der Treibstoffpreise

Einer der wesentlichen Treiber der deutlichen Inflation im Jahr 2011 (+3,3%) waren die Ausgaben für den Verkehr und darunter vor allem für Treibstoffe. Über alle Kraftstoffarten betrug die Teuerung gegenüber 2010 im Jahresmittel 18%. Dieselkraftstoff verteuerte sich sogar um 21%, Ottokraftstoff (Eurosuper, Super Plus und Normalbenzin) laut Wirtschaftsministerium um etwa 15%. Der in Österreich aufgrund der unterschiedlichen Besteuerung traditionell wesentlich niedrigere Dieselpreis hat sich inzwischen fast dem Benzinpreis angeglichen. Die enorme Verteuerung aller Treibstoffarten resultiert vor allem aus der weltweit anhaltend hohen Nachfrage nach fossilen Energieträgern, den geopolitischen Unsicherheiten in verschiedenen Erdöl-Erzeugerregionen (Nordafrika, Naher und Mittlerer Osten) und dem Wertverlust des Euro gegenüber dem Dollar seit April 2011 aufgrund der europäischen Staatsschuldenkrise. Auch die Mineralölsteuererhöhung im Jahr 2011 hatte Einfluss auf die Preissteigerung im Inland.

 

Abbildung 19: Treibstoffpreise

Q: Bundesministerium für Wirtschaft, Familie und Jugend, Statistik Austria.

 

Wegen der empfindlichen Verteuerung sank die Nachfrage nach Kraftstoffen für Straßenfahrzeuge und mobile Maschinen 2011 leicht. Bis zum November 2011 wurde gemessen an der Kraftstoffmenge um 3,1% weniger Benzin und um 1,4% weniger Dieselkraftstoff abgesetzt als im Vorjahr. Welche Nachfragegruppe wieweit zum Rückgang beigetragen hat, wird aktuell diskutiert[u]). Nach wie vor ist das Preisniveau in Österreich niedriger als in Deutschland und Italien (derzeit um bis zu 0,25 € je Liter), sodass in den letzten Jahren häufig "Arbitragetanken"[v]) im Personen- wie auch im Güterverkehr zu beobachten ist. Mit der Anhebung der Mineralölsteuer Anfang 2011 verringerten sich die Kraftstoffpreisunterschiede zwischen Österreich und den großen Nachbarländern etwas. Aufgrund der tendenziell höheren Preiselastizität im Arbitragetanken sollte die zeitweilige[w]) Annäherung der österreichischen Preise an das Niveau der Nachbarländer die Nachfrage hier stärker gedämpft haben als im Inlandsverkehr.

Entwicklungen im Güterverkehr

Die Nutzung des hochrangigen Straßennetzes durch den Güterverkehr stieg aufgrund der günstigen Rahmenbedingungen für den Warentransport stärker als das Bruttoinlandsprodukt in Österreich und deutlich stärker als das BIP im Euro-Raum (+3,2%) und in der EU insgesamt (+1,7%). Die Fahrleistungen von schweren Nutzfahrzeugen (höchstzulässiges Gesamtgewicht über 3,5 t) auf dem Autobahn- und Schnellstraßennetz waren im Jahr 2011 um 3,6% höher als im Vorjahr[x]). Überdurchschnittliche Zuwächse wurden auf dem Donaukorridor (+5,1%) und im Großraum Wien (+4,5%) gemessen. Aus der fahrleistungsabhängigen Lkw-Maut erlöste die Asfinag 2011 mit 1,1 Mrd. € um knapp 2% mehr als im Jahr zuvor. Mit dem Verkauf von Pkw-Vignetten setzte der Straßenerhalter 373 Mio. € um (+5% gegenüber 2010). Maut- und Vignettentarife wurden gegenüber 2010 um 1,1% bzw. 0,5% angehoben.

Das Straßengüterverkehrsgewerbe reagierte auf die allgemein gute Konjunktur der letzten zwei Jahre mit einer Ausweitung der Transportkapazitäten (neu zum Verkehr zugelassene Lkw- und Anhängernutzlast) um 13,9% gegenüber 2010. Die Neuzulassungen von Pkw und Lkw nahmen im gewerblichen Bereich kräftig zu (Kleintransporter und Fiskal-Pkw mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht unter 3,5 t +33.000 bzw. +15,6%, mittlere Lkw mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von unter 12 t +1.900 bzw. +22,1%, schwere Lkw mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 12 t +1.400 bzw. +16,5%, Sattelzugfahrzeuge +3.800 bzw. +74,4%).

Das Transportaufkommen der österreichischen Eisenbahnverkehrsunternehmen auf dem heimischen Schienennetz stieg in den ersten drei Quartalen des Jahres 2011 gegenüber dem Vorjahr um 1,5%, die Transportleistung[y]) um 4,0%. Die Transportleistung im Binnenverkehr war rückläufig (4,1%), offenbar aufgrund der Anhebung der Inlandstarife und der Serviceanpassungen im Zuge der Sanierung der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria (RCA)[z]), während für die weiteren Verkehrsarten ein zum Teil deutliches Wachstum zu beobachten war (grenzüberschreitender Empfang +9%, Versand +5%, Transit +7%).

Das Transportaufkommen auf der Donau nahm 2011 nach dem deutlichen Zuwachs im Vorjahr etwas ab (Jänner bis Oktober 5,7%), die Transportleistung blieb sogar um 10,6% unter dem Vorjahresergebnis. Der gemessen am Aufkommen weniger bedeutende Inlandsverkehr wurde wie im Vorjahr ausgeweitet (+25,6%), während der bilaterale Verkehr und der Transit zum Teil deutlich schrumpften (Transportleistungen 9,3% bzw. 13,9%).

Der Güterverkehr mittels Rohrleitungen auf österreichischem Gebiet (Erdöl und Erdgas) nahm im Jahr 2011 vor allem aufgrund der Steigerung des Erdgastransportes kräftig zu, die Transportleistung stieg um 9,1% auf fast 1,6 Mrd. tkm (Erdöl +3,3%, Erdgas +14,6%).

Auf den österreichischen Flughäfen erreichte das Aufkommen der Luftfracht nicht das Niveau des Vorjahres. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2011 wurden insgesamt 172.000 t Fracht umgeschlagen, nach 187.000 t im Vergleichszeitraum 2010. Dabei wurde das Ergebnis für die Verkehrsbereiche Versand ins Ausland und Transit zum Teil erheblich gesteigert (+17,3% bzw. 12,6%), im Import und im gemessen am Aufkommen kleinen Inlandsverkehr sank die Tonnage um 14,3% bzw. 20,8%. Austrian Cargo, die inzwischen weitgehend in Lufthansa Cargo integrierte Luftfracht-Tochter der Austrian Airlines, erzielte 2011 eine Transportleistung von 2.159 Mio. tkm (+1,6% gegenüber 2010).

Personenverkehr und Fahrzeugmarkt

Im öffentlichen Personennahverkehr wurden im Jahr 2011 erneut mehr Fahrgäste befördert als im Vorjahr[aa]). Neben dem Bevölkerungszuwachs in den Agglomerationen als natürlicher Determinante war dies auch auf die wachsende Attraktivität des Angebotes von Bus und Bahn angesichts der Treibstoffverteuerung zurückzuführen. Die städtischen Verkehrsbetriebe verzeichneten Wachstumsraten von 0,2% (Graz) bis 4,5% (Salzburg).

Trotz der Unsicherheiten über die internationale Wirtschaftsentwicklung und der anhaltenden Probleme des größten heimischen Carriers Austrian Airlines nahmen die Passagierzahlen im österreichischen Flugverkehr zu. Der Flughafen WienSchwechat verzeichnete um 7,2% mehr Fluggäste als im Vorjahr, wobei das Marktsegment Osteuropa erneut eine überdurchschnittliche Steigerungsrate aufwies (+14,9%). Die AUA und ihre Tochterunternehmen als Teil des Lufthansa-Konzerns beförderten 11,2 Mio. Fluggäste, um 3,4% mehr als 2010.

 

Übersicht 47: Personenverkehr

 

 

 

 

 

2011

2011

Ø 2007/2011

 

Mio. Personen

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Veränderung in %

 

 

 

 

Verkehrsbetriebe insgesamt

1.145

+3,6

+1,7

Salzburger Verkehrsbetriebe

25

+4,5

+0,3

Innsbrucker Verkehrsbetriebe

47

+2,3

+1,3

Linzer Verkehrsbetriebe

98

+1,2

+0,7

Grazer Verkehrsbetriebe

100

+0,2

+0,3

Wiener Verkehrsbetriebe

875

+4,3

+2,0

Luftfahrt1)

21.955 2)

+5,92)

+1,92)

Q: ÖBB-Geschäftsberichte, Wiener Linien, Statistik Austria, Austrian Airlines Group. 1) Linien- und Charterverkehr, An- und Abflug. 2) Jänner bis Oktober.

 

Nach dem Höchstwert im Jahr 2010 wurden 2011 neuerlich wesentlich mehr Pkw neu zum Verkehr zugelassen (356.000 Fahrzeuge, +8,4% gegenüber 2010). Damit waren zum Stichtag 31. Dezember 2011 österreichweit mehr als 4,5 Mio. Pkw in Betrieb. Auch 2011 war der Anteil der Tageszulassungen groß (6,2%), was auf eine Verstetigung dieses Trends hindeutet. Die Nachfrage nach neuen Fahrzeugen tendierte im Jahr 2011 vermehrt zu leistungsstarken Modellen mit großem Hubraum: Mit +19,8% stieg der Anteil der Fahrzeuge in der Klasse ab 89 kW stärker als in allen anderen Kategorien. Der Anteil der schwächer motorisierten Pkw (41 kW bis 67 kW) ging dagegen leicht zurück (4,1%). Ähnlich stiegen die Neuzulassungen von Pkw mit großem Hubraum (über 1.500 cm³ +10,8%) wesentlich stärker als jene von Pkw mit kleinerem Motor (bis 1.500 cm³ +5,1%). Die Nachfrage nach neuen Fahrzeugen mit sehr kleinem Motor (Hubraum 501 cm³ bis 1.250 cm³) wächst zwar ebenfalls seit Jahren, der Marktanteil an den Neuzulassungen blieb aber auch im Jahr 2011 gering (23%).

Der Anteil der Dieselfahrzeuge an den neuzugelassenen Pkw erhöhte sich 2011 auf 55% (2010: 51%), die Diesel-Pkw-Flotte wuchs auf mehr als 2,5 Mio. Fahrzeuge. Erwartungsgemäß war noch keine (kurzfristige) Nachfragereaktion auf die Tendenz zur Angleichung der Diesel- an die Benzinpreise infolge der Steuer- und Marktentwicklung zu beobachten. Auch aufgrund der bisher deutlichen Steuerbegünstigung von Dieselkraftstoff ist der Anteil der Diesel-Pkw in Österreich wesentlich höher als in anderen europäischen Ländern (z. B. Deutschland 27%, Italien 37% oder Schweiz 17%). Die Nachfrage nach gebrauchten Pkw stieg leicht um 0,5%.

Nach wie vor äußerst gering sind die Verkaufszahlen von Pkw mit alternativem Antrieb (Elektro-, Erdgas- oder Hybridantrieb). Ihr Anteil an den Neuzulassungen betrug 2011 nur 0,7%. Die Zahl der neuzugelassenen reinen Elektrofahrzeuge, die seit einigen Jahren besonders in der öffentlichen und fachlichen Diskussion stehen und seit kurzem von großen Herstellern als Serienfahrzeuge angeboten werden, verfünffachte sich gegenüber dem Vorjahr (631). Um die Verkaufszahlen erheblich zu steigern und damit dem Ziel eines energieeffizienteren und weniger erdölabhängigen Verkehrssystems näher zu kommen, bedarf es jedoch noch großer Anstrengungen auf der Anbieterseite, aber auch auf Seiten der Politik. Letztere steht vor der Aufgabe, die Rahmenbedingungen für den E-Pkw-Erwerb (Förderungen, gesetzliche Regelungen) der aktuellen Marktsituation und ihren eigenen Zielen (z. B. Energiestrategie Österreich) anzupassen.

 

Übersicht 48: Neu- und Gebrauchtzulassungen von Kraftfahrzeugen

 

 

 

 

 

2011

2011

Ø 2007/2011

 

Stück

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Veränderung in %

Neuzulassungen

 

 

 

Pkw

356.145

+8,4

+3,6

Hubraum bis 1.500 cm³

144.968

+5,1

+6,6

Hubraum 1.501 cm³ oder mehr

211.178

+10,8

+1,8

 

 

 

 

Lkw

36.123

+16,0

0,3

Gesamtgewicht bis 3.499 kg

32.892

+15,6

+0,1

Gesamtgewicht 3.500 bis 11.999 kg

1.853

+22,1

3,2

Gesamtgewicht 12.000 kg oder mehr

1.378

+16,5

4,7

 

 

 

 

Anhänger

28.189

+11,4

+2,9

Nutzlast bis 2.999 kg

22.483

+6,3

+3,9

Nutzlast 3.000 bis 6.999 kg

299

+2,4

+2,0

Nutzlast 7.000 kg oder mehr

5.407

+39,8

0,8

 

 

 

 

Sattelfahrzeuge

3.785

+74,4

1,4

 

 

 

 

Gebrauchtzulassungen

 

 

 

Pkw

798.652

+0,5

+1,5

Lkw

44.772

3,8

+2,1

Q: Statistik Austria.

 

Stefan Schönfelder (Stefan.Schoenfelder@wifo.ac.at)
Statistik: Michael Weingärtler (
Michael.Weingaertler@wifo.ac.at)

Gutes Ergebnis der Landwirtschaft trotz Vorleistungsverteuerung

Einkommen nahe dem Höchstwert von 2007

Seit 2006 setzt sich eine für die Landwirtschaft vorteilhafte Entwicklung durch: Günstige Marktbedingungen für Agrargüter, die von einer beständig steigenden Nachfrage getragen werden, haben einen Anstieg der Agrareinkommen zur Folge. Stärker als in der Vergangenheit, als die Agrarmärkte von Maßnahmen der Agrarpolitik bestimmt wurden, schlägt sich jedoch die Volatilität der internationalen Rohstoffpreise in großen Einkommensschwankungen nieder. 2011 war für die österreichische Landwirtschaft ein gutes Jahr: Nominell überschritt das Einkommen den bisherigen Höchstwert von 2007, real erreichte es nahezu dasselbe Niveau. Gemäß den Ergebnissen der zweiten Vorausschätzung der Landwirtschaftlichen Gesamtrechnung von Statistik Austria mit Stand Februar 2012 stiegen die realen Faktoreinkommen je JAE (Jahresarbeitseinheit; dies entspricht einem Vollzeitäquivalent) in der Landwirtschaft 2011 gegenüber dem Vorjahr um 16,1%, nachdem 2010 bereits eine Steigerung um 13,6% gegenüber 2009 verzeichnet worden war. Der Zuwachs des nominellen Faktoreinkommens je JAE gegenüber 2010 betrug 18,7%, nach fast +16% im Vorjahr.

Ein Teil des Einkommenszuwachses war 2011 auf die Verringerung des Arbeitseinsatzes um 1,5% zurückzuführen (Abbildung 20). Der Rückgang der Beschäftigung in der Landwirtschaft ist im internationalen Vergleich gering. Der seit einem Jahrzehnt beobachtete Trend einer Zunahme der Zahl entlohnter Arbeitskräfte in der Landwirtschaft hielt auch 2011 an (+8,9% gegenüber 2010). Das Arbeitsvolumen von unselbständig Erwerbstätigen (gemäß LGR-Terminologie "entlohnter Arbeitseinsatz") betrug 17.400 JAE. Dies entsprach 12,4% des Arbeitseinsatzes in der Landwirtschaft insgesamt.

 

Abbildung 20: Faktoreinkommen in der Landwirtschaft und Anteil der Landwirtschaft an den Erwerbstätigen

Q: Statistik Austria, Landwirtschaftliche Gesamtrechnung 2011, Stand Februar 2012. JAE . . . Jahresarbeitseinheit (Vollzeitäquivalent).

 

 

 

Schrittweise Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik in den kommenden Jahren absehbar

Die Europäische Kommission legte am 12. Oktober 2011 Vorschläge zur weiteren Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vor. Diese sehen eine neue Partnerschaft zwischen der EU und der Landwirtschaft vor, um den Herausforderungen Ernährungssicherheit, nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und Wachstum zu begegnen. Die Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit soll in den kommenden Jahren so gestärkt werden, dass der Agrarsektor dem Klimawandel und der internationalen Konkurrenz standhalten kann und zugleich den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht wird. Dazu formulierte die Kommission vier Vorschläge für neue Grundverordnungen des Europäischen Parlaments und des Rates zur Gemeinsamen Agrarpolitik über Direktzahlungen, die gemeinsame Marktorganisation (einheitliche GMO), die Entwicklung des ländlichen Raumes sowie eine horizontale Verordnung über die Finanzierung, Verwaltung und das Kontrollsystem der GAP.

Die reformierte GAP schafft gemäß den Vorstellungen der Kommission neue Voraussetzungen, um Innovationen voranzutreiben, die wirtschaftliche wie auch die ökologische Wettbewerbsfähigkeit des Agrarsektors zu stärken, den Klimawandel zu bekämpfen sowie Beschäftigung und Wachstum zu fördern. Sie wird damit einen Beitrag zur Strategie "Europa 2020" leisten.

Tiefergehende Konsequenzen der Reform für Österreich sind vor allem in drei Bereichen abzusehen:


·       Der Übergang vom historischen Modell der Bemessung von Betriebsprämien zu einem Modell regional einheitlicher Prämien wird eine Verlagerung von EU-Förderungen innerhalb des Agrarsektors zur Folge haben.

·       Die mit dem Bezug von Betriebsprämien verbundenen Auflagen für eine umweltgerechte Produktion dürften verschärft werden; dies wird einige Betriebe veranlassen, auf Agrarförderungen zu verzichten.

·       Die Kürzung der Mittel für das Programm der ländlichen Entwicklung wird wahrscheinlich mit einer Verringerung der Agrarumweltförderungen einhergehen.

Eine ursprünglich noch als Option diskutierte weitgehende Beseitigung agrarpolitischer Instrumente dürfte nicht umgesetzt werden. Gleichwohl wird der nominelle Betrag des EU-Agrarbudgets im neuen Finanzrahmen um 12% gekürzt werden. Das finanzielle Gewicht der Landwirtschaft als Politikfeld der EU wird daher abnehmen. Damit wird dem anhaltenden Strukturwandel in der Landwirtschaft Rechnung getragen, der sich in den kommenden Jahren beschleunigen dürfte, da zwei Drittel der aktiven Landwirte und Landwirtinnen älter als 55 Jahre sind.

 

Erhebliche Ausweitung des Produktionswertes in Pflanzenbau und Tierhaltung

Im Jahr 2008 hatte die Landwirtschaft in Österreich eine außerordentlich gute Ernte erzielt. 2011 wurde nach zwei eher ertragsschwachen Jahren wieder eine hohe Erntemenge eingebracht. Im Pflanzenbau übertraf das Ergebnis den Vorjahreswert um 19,5%. Besonders hoch war der Anstieg der Weinernte (+56,7%) gegenüber dem von einer Missernte geprägten Jahr 2010. Die Getreideernte (+21,1%) und der Ertrag von Frischgemüse (+14,4%), Erdäpfeln (+19,3%) und Obst (+19,9) lagen ebenfalls deutlich über dem Vorjahresniveau, und auch die Erträge von Zuckerrübe (+9,8%) sowie Ölsaaten und Ölfrüchten (+9,0%) waren 2011 höher als im Jahr zuvor. Der Mangel an Niederschlägen in den Grünlandgebieten begrenzte das Wachstum von Feldfutter, dessen Erntemenge nur geringfügig höher war als 2010 (+3,2%).

Als "natürliches Hedging" in der Landwirtschaft bezeichnet man den Umstand, dass in Jahren mit hohen Erntemengen häufig niedrige Preise zu beobachten sind. Für die pflanzliche Produktion insgesamt traf dies 2011 zu. Die Erzeugerpreise über alle Pflanzenbauprodukte waren im Durchschnitt um 0,7% niedriger als im Jahr zuvor. Besonders deutlich verfielen die Preise von Frischgemüse (13%), Erdäpfeln (13,2%) und Wein (9,7%). Auch die Getreidepreise waren 2011 niedriger als 2010 (5,6%). In den anderen Produktkategorien wurden jedoch neben steigenden Erntemengen auch höhere Preise als im Jahr 2010 verzeichnet. Stark ausgeprägt war der Preisanstieg auf dem Zuckermarkt; dies hatte eine signifikante Verteuerung von Zuckerrüben zur Folge (+25,7%).

Die größte Steigerung des Produktionswertes gemessen zu Erzeugerpreisen war für Eiweißpflanzen (+58,2%), Zuckerrüben (+38,0%), Wein (41,4%) und Obst (27,6%) gemeldet. Im Gemüsebau ging der Produktionswert trotz guter Ernte leicht zurück (0,5%). In den anderen Produktionszweigen waren zumindest leichte Zuwächse zu beobachten. Der Produktionswert der pflanzlichen Erzeugung gemessen zu Erzeugerpreisen betrug im Jahr 2011 3,4 Mrd. € und war um 18,6% höher als 2010.

Im Pflanzenbau schwanken die Erträge häufig aufgrund der Wetterbedingungen, während die Entwicklung in der Tierhaltung eher gleichmäßig verläuft, da die Produktion unter kontrollierten Bedingungen erfolgt. Die Fleischerzeugung nahm im Jahr 2011 geringfügig ab (Rindfleisch  0,2%, Schweinefleisch 1,5%), während die Produktionsmenge von Milch (+3,1%) und Eiern (+7,5%) zunahm. Mit Ausnahme der Erzeugerpreise von Eiern (0,7% gegenüber 2010) zogen die Preise durchwegs deutlich an. Die Erzeugerpreise stiegen in der Tierhaltung insgesamt um 10,3%; dazu trug vor allem die Verteuerung von Rindfleisch bei (+15,3%). Insgesamt erhöhte sich der Produktionswert gemessen zu Erzeugerpreisen um 12% auf 3,2 Mrd. €.

Der Produktionswert der landwirtschaftlichen Güter betrug im Jahr 2011 6,7 Mrd. € (zu Herstellungspreisen; zu Erzeugerpreisen 6,6 Mrd. €). Er war somit erstmals höher als in den Jahren der Hochpreispolitik vor dem EU-Beitritt Österreichs. 1990 und 1991 hatte der nominelle Produktionswert landwirtschaftlicher Güter (zu Herstellungspreisen) rund 6 Mrd. € betragen, 1999 und 2005 sogar unter 5 Mrd. €.

Auch der Umfang landwirtschaftlicher Dienstleistungen und die Produktion nichtlandwirtschaftlicher Nebentätigkeiten waren 2011 höher als im Jahr zuvor. Einschließlich der landwirtschaftlichen Güter betrug der Wert der Erzeugung des landwirtschaftlichen Wirtschaftsbereiches zu Herstellungspreisen 7,3 Mrd. € (+13,5% gegenüber 2010).

Ausgaben für Vorleistungen 2011 wieder kräftig gestiegen

Der Wert des Vorleistungsbezuges der Landwirtschaft stieg bereits 2007 gegenüber dem Vorjahr um beinahe 9% und wurde 2008 neuerlich um über 9% ausgeweitet. 2009 war eine leichte Verringerung zu verzeichnen, 2010 jedoch wieder eine Ausweitung. 2011 erhöhte sich der Vorleistungsbezug neuerlich stark (+10,9%). Vor allem für Düngemittel (+31%), Energie und Schmiermittel (+21,2%) sowie Futtermittel (+15,6%) wurde 2011 deutlich mehr ausgegeben als im Jahr zuvor. Der Wert der Vorleistungen betrug 2011 insgesamt 4,2 Mrd. €.

Die Bruttowertschöpfung der österreichischen Landwirtschaft zu Herstellungspreisen erhöhte sich 2011 das zweite Jahr in Folge (auf 3,1 Mrd. €, +17,1% gegenüber 2010). Der beträchtliche Rückgang des Jahres 2009 (17% gegenüber 2008) wurde somit mehr als wettgemacht. Die Abschreibungen nahmen ebenfalls zu, jedoch in viel geringerem Ausmaß (+3,2% auf 1,7 Mrd. €). Die Nettowertschöpfung zu Herstellungspreisen stieg gegenüber 2010 um 38,4% auf 1,5 Mrd. €.

Das nominelle Faktoreinkommen war 2011 um 16,9% höher als im Vorjahr, da der Saldo aus sonstigen Produktionsabgaben und Subventionen positiv war. Die an den Agrarsektor ausgezahlten Förderungen umfassen zwei wesentliche Komponenten: Gütersubventionen und sonstige Subventionen. Deren relatives Gewicht blieb in den letzten Jahren nahezu unverändert (Übersicht 50). Die Agrarförderungen wurden 2011 leicht verringert (1,4%) und erreichten einen Wert von 1,7 Mrd. €.

 

Übersicht 49: Erzeugung, Wertschöpfung und Einkommen in der österreichischen Landwirtschaft

 

 

 

 

 

 

 

Wert

Volumen

Preise

 

2010

2011

2011

2011

2011

 

Mio. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

2010 = 100

 

 

 

 

 

 

Zu Erzeugerpreisen

 

 

 

 

 

                Pflanzenbau1)

2.901

3.442

+18,6

119,5

99,3

+              Tierproduktion

2.840

3.181

+12,0

101,5

110,3

=              Erzeugung landwirtschaftlicher Güter

5.742

6.623

+15,4

110,6

104,3

+              Erzeugung landwirtschaftlicher Dienstleistungen

243

260

+6,8

102,5

104,2

=              Landwirtschaftliche Erzeugung

5.985

6.883

+15,0

110,3

104,3

+              Nicht trennbare nichtlandwirtschaftliche Nebentätigkeiten

378

386

+2,3

98,8

103,5

=              Erzeugung des landwirtschaftlichen Wirtschaftsbereichs

6.363

7.270

+14,3

109,6

104,2

 

 

 

 

 

 

Zu Herstellungspreisen

 

 

 

 

 

                Pflanzenbau

2.897

3.439

+18,7

119,5

99,3

+              Tierproduktion

2.921

3.224

+10,4

101,5

108,8

=              Erzeugung landwirtschaftlicher Güter

5.819

6.663

+14,5

110,4

103,7

+              Erzeugung landwirtschaftlicher Dienstleistungen

243

260

+6,8

102,5

104,2

=              Landwirtschaftliche Erzeugung

6.062

6.923

+14,2

110,1

103,7

+              Nicht trennbare nichtlandwirtschaftliche Nebentätigkeiten

378

386

+2,3

98,8

103,5

=              Erzeugung des landwirtschaftlichen Wirtschaftsbereichs

6.440

7.310

+13,5

109,4

103,7

 

 

 

 

 

 

              Vorleistungen insgesamt1)

3.761

4.173

+10,9

101,0

109,9

=              Bruttowertschöpfung

2.679

3.137

+17,1

121,3

96,5

              Abschreibungen

1.620

1.672

+3,2

100,7

102,5

=              Nettowertschöpfung

1.059

1.466

+38,4

152,8

90,5

±              Saldo sonstiger Produktionsabgaben, Subventionen

1.377

1.383

+0,4

 

 

=              Faktoreinkommen bzw. Nettowertschöpfung zu Faktorkosten

2.436

2.849

+16,9

 

 

 

 

 

 

 

 

Nominelles Faktoreinkommen je JAE2)            1.000 €

17,17

20,37

+18,7

 

 

Q: Statistik Austria, Landwirtschaftliche Gesamtrechnung 2011, Stand Februar 2012. 1) Einschließlich im Betrieb erzeugter und verbrauchter Futtermittel. 2) Jahresarbeitseinheit (entlohnt und nicht entlohnt).

 

 

 

Übersicht 50: Subventionen und Steuern in der österreichischen Landwirtschaft

 

 

 

 

 

 

2009

2010

2011

 

Mio. €

Mio. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

Förderungen insgesamt

1.696

1.702

1.678

1,4

Gütersubventionen

155

151

140

7,6

Pflanzenbau

5

2

4

+46,6

Tierprämien

104

103

89

13,5

Sonstiges1)

47

46

47

+2,8

Sonstige Subventionen

1.541

1.551

1.539

0,8

Zahlungsansprüche2)

617

635

631

0,6

Agrarumweltförderungen

573

581

579

0,5

Ausgleichszulagen

272

272

266

2,1

Andere

79

63

63

0,0

 

 

 

 

 

Steuern und Abgaben

213

202

208

+2,9

Gütersteuern

21

28

52

+86,9

Sonstige Produktionsabgaben

192

174

156

10,6

Q: Statistik Austria, Landwirtschaftliche Gesamtrechnung 2011, Stand Februar 2012. 1) Ab 2005 Mineralölsteuerrückvergütung für Agrardieseltreibstoff. 2) Häufig auch als "einheitliche Betriebsprämie" bezeichnet, wurde bis 2004 unter anderen Bedingungen als Gütersubventionen gewährt.

 

Agraraußenhandel weiterhin lebhaft

Österreich ist traditionell Nettoimporteur von Agrargütern und Nahrungsmitteln. Die Differenz zwischen Importen und Exporten hatte sich seit dem EU-Beitritt nach einigen Anpassungsjahren kontinuierlich verringert, und zwar bis auf einen Saldo von 166 Mio. € im Jahr 2006. Im Jahr 2007 kehrte sich diese Entwicklung jedoch um, und der Überhang der Importe von Agrargütern vergrößerte sich. 2009 erreichte der Importüberschuss einen Höchstwert (gemäß KNO-Klassifikation 912 Mio. €); 2010 sank er leicht auf 904 Mio. €, 2011 aber deutlich auf 503 Mio. €. Die Importe (+11,1% gegenüber 2010) wuchsen schwächer als die Exporte (+17,5%), sodass sich der Agrarhandelssaldo aus österreichischer Sicht merklich verbesserte (Übersicht 51).

 

Übersicht 51: Agraraußenhandel 2010

Kombinierte Nomenklatur KNO

 

 

 

 

 

 

 

Export

Import

Saldo

 

 

 

Insgesamt

EU 15

EU 27

 

Anteile in %

Mio. €

 

 

 

 

 

 

01 Lebende Tiere

2,0

2,2

26,4

22,9

107,7

02 Fleisch und Fleischwaren

11,3

8,6

+209,2

57,6

+36,7

03 Fische, Krebstiere, Weichtiere

0,2

2,1

190,1

115,4

127,0

04 Milch, Milcherzeugnisse, Eier und Honig

10,9

6,8

+335,9

+256,9

+291,1

05 Andere Waren tierischen Ursprungs

0,6

0,8

26,6

1,5

+3,8

06 Waren pflanzlichen Ursprungs

0,4

3,6

312,7

321,4

307,1

07 Gemüse, Wurzeln, Knollen

1,5

4,8

326,4

303,2

281,4

08 Früchte

2,3

7,5

513,3

243,9

219,8

09 Kaffee u. Ä., Gewürze

1,5

4,7

313,6

163,7

117,5

10 Getreide

3,9

4,1

38,4

+155,0

53,4

11 Müllereierzeugnisse

1,6

1,0

+56,0

+25,3

+42,1

12 Ölsaaten und ölhaltige Früchte

2,0

3,4

146,1

8,5

135,9

13 Schellack, Gummen, Harze und andere Pflanzensäfte

0,1

0,4

30,0

13,4

12,4

14 Flechtstoffe und andere Waren pflanzlichen Ursprungs

0,0

0,0

2,1

0,7

0,6

15 Tierische und pflanzliche Öle und Fette

2,9

5,6

275,7

238,5

227,4

16 Zubereitungen von Fleisch, Fischen u. Ä.

3,6

3,6

13,7

1,7

+4,4

17 Zucker und Zuckerwaren

2,2

2,7

56,6

91,1

87,0

18 Kakao, Kakaozubereitungen

3,9

4,2

50,1

123,2

70,2

19 Zubereitungen aus Getreide und anderen Backwaren

8,0

7,4

+15,6

95,7

41,8

20 Zubereitungen von Gemüse und Früchten u. Ä.

6,3

6,3

27,9

+54,9

+39,8

21 Verschiedene Lebensmittelzubereitungen

6,7

6,3

+3,2

242,9

161,9

22 Getränke, alkoholische Flüssigkeiten und Essig

23,8

5,8

+1.608,5

+737,2

+854,5

23 Rückstände und Abfälle, Tierfutter

3,6

4,1

70,1

136,9

78,2

24 Tabak und Tabakwaren

0,7

3,9

311,3

207,5

304,2

 

 

 

 

 

 

 

Mio. €

 

 

 

 

 

 

Agrarhandel insgesamt laut KNO

9.135,7

9.638,5

502,8

1.160,2

1.061,1

Agrarhandel insgesamt laut SITC1)

9.060,6

9.723,3

662,7

1.251,0

1.152,1

 

 

 

 

 

 

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

Agrarhandel insgesamt laut KNO2)  

+17,5

+11,1

+44,4

+23,0

+20,3

Agrarhandel insgesamt laut SITC1)

+16,9

+11,0

+34,4

+20,0

+16,1

Q: Statistik Austria, WIFO-Datenbank. 2011: vorläufige Werte. 1) Die Summen nach KNO- und SITC-Nomenklatur weichen wegen des gewählten Aggregationsverfahrens (SITC 0, 1, 21, 22, 29, 4) und der zunehmenden Zahl von Positionen mit Geheimhaltung in der KNO-Außenhandelsdatenbank voneinander ab. 2) + . . . Rückgang des Importüberschusses.

 

Der Agrarhandelssaldo mit den 12 neuen EU-Ländern betrug 2011 nur noch +99 Mio. €, also nur noch ein Drittel des Wertes von 2009. Gegenüber den anderen EU-Ländern verringerte sich der Importüberhang von 1,5 Mrd. € im Jahr 2010 auf 1,2 Mrd. € im Jahr 2011. Insgesamt importierte Österreich 2011 aus den EU-Ländern um 1,1 Mrd. € mehr an Agrargütern als exportiert wurde.

Landwirtschaftliche Einkommen auch in der EU deutlich gestiegen

Im Durchschnitt der EU 27 stieg das reale landwirtschaftliche Einkommen je Arbeitskraft im Jahr 2011 nach ersten Schätzungen von Eurostat ebenfalls, allerdings um nur 6,7% (2010 +12,6%). Dieser Einkommensanstieg ergab sich aus einer Zunahme des realen landwirtschaftlichen Einkommens (+3,9%) und einer Verringerung des landwirtschaftlichen Arbeitseinsatzes (2,7%). Längerfristig (2005/2011) erhöhte sich das reale landwirtschaftliche Einkommen je Arbeitskraft in der EU 27 um 18,3%, während der landwirtschaftliche Arbeitseinsatz um 15,2% zurückging. Im selben Zeitraum nahm der landwirtschaftliche Arbeitseinsatz in Österreich um 9,8% ab, das reale landwirtschaftliche Einkommen je Arbeitskraft stieg um 21%.

Höher als im Vorjahr war das Einkommen je Arbeitskraft 2011 vor allem in Rumänien (+43,7%), Ungarn (+41,8%), Irland (30,1%) und der Slowakei (25,3%). In Belgien (22,5%), Malta (21,2%), Portugal (10,7%), Finnland (9,6%) und den Niederlanden (8,1%) waren empfindliche Einbußen zu verzeichnen.

Im Durchschnitt der EU 27 war der Einkommenszuwachs hauptsächlich das Ergebnis einer Steigerung des Wertes der landwirtschaftlichen Produktion zu realen Erzeugerpreisen (+7,5%), während auch die realen Vorleistungskosten zunahmen (+9,7%). Die Abnahme des realen Wertes der Subventionen abzüglich Steuern (1,2%) und der realen Abschreibungen (0,1%) hatte nur geringen Einfluss.

Holzpreise neuerlich gestiegen

Die Inlandspreise von Nadelsägerundholz erhöhten sich im Laufe des Jahres 2011 von knapp 90 € je fm auf fast 97 € je fm. Im Jahresdurchschnitt lag der Preis bei 93,65 € je fm (+12%). Nadelholz gesägt (über 6 mm) kostete im Export um 6,3% mehr als 2010.

 

Abbildung 21: Holzversorgung und Holzpreise

Q: Statistik Austria, Land- und forstwirtschaftliche Erzeugerpreise.

 

Auch die Preise von Faser- und Schleifholz zogen 2011 neuerlich kräftig an (+20%). Im Jahresdurchschnitt zahlte die Papierindustrie für Rohholz etwas über 40 € je fm. Importiertes Nadelrohholz war im Jahresdurchschnitt um 14,5% teurer als 2010.

Holzverarbeitende Industrie expandiert

2011 erzeugten laut dem arbeitstagsbereinigten Produktionsindex (ÖNACE 2008, EU-harmonisiert) sowohl die Papierindustrie (C17, +4%) als auch die Herstellung von Holz- und Korkwaren (C16, +7,3%) mehr als im Vorjahr. Ein Rückgang von 0,3% wurde hingegen im Bauwesen (F) verzeichnet. Die Entwicklung in den holznachfragenden Branchen hat unmittelbare Auswirkungen auf die Absatzsituation in der Forstwirtschaft.

Franz Sinabell (Franz.Sinabell@wifo.ac.at)
Statistik: Dietmar Weinberger (
Dietmar.Weinberger@wifo.ac.at)

 

The Austrian Economy in 2011: Recovery Continued Summary

In 2011, the world economy grew rapidly once again (by almost 4 percent). The recovery after the severe economic crisis of 2008 and 2009 thus continued. However, in many countries the economy still failed to return to its pre-crisis output level. As a consequence, the stance of monetary and fiscal policy remained expansionary in many parts of the world.

In the USA aggregate output showed a comparatively sluggish trend in 2011. GDP increased by an annual average of 1.7 percent only but gained momentum over the course of the year. As the US economy had not yet overcome the consequences of the crisis of 2008-09 even in 2011, supportive monetary and fiscal policies were kept in place during the whole of the year.

In the euro area growth slowed from 1.9 percent in 2010 to 1.5 percent in 2011. Differences in growth rates observed between the euro-area countries already in 2010 widened in 2011. Whereas the export-oriented economies benefited from the overseas economic upturn, there was a lack of stimulus in many other euro-area countries. Financial markets' loss of confidence in the solvency of some euro-area member country, which could already be observed in 2010, intensified and spread to further countries. Despite the increase of the inflation rate above 3 percent the difficulties in the banking sector required a continuously expansionary monetary policy.

For the Austrian economy 2011 was a very successful year with real aggregate output increasing by 3.1 percent. All main demand components contributed positively to growth. Real exports expanded strongly by 6.7 percent, albeit less vigorously than a year earlier. Gross fixed capital formation was another important growth driver. Investment in machinery and equipment grew especially strongly (+11.3 percent in real terms; above all vehicles).  By contrast, construction investment expanded only sluggishly. Despite noticeable increases of nominal household income, consumption expenditures of private households returned to a flatter trend in 2011, because the inflation rate of 3.3 percent was the highest since 1993. The increase in consumption thus involved a further reduction of the savings ratio.

Although the economy increasingly lost momentum over the course of the year, employment expanded continuously. New jobs were created both in manufacturing and in services. At 4.2 percent the harmonised unemployment rate was the lowest in the whole of the EU in 2011. However, a considerable increase in the number of unemployed persons was observed at the end of the year.

 

 

 



[a])  Siehe dazu auch Url, Th., "Ratingagenturen: Verursacher, Verstärker oder im Sog der Staatsschuldenkrise?", WIFO-Monatsberichte, 2011, 84(12), S. 811-825, http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/43197.

[b])  European Commission, Alert Mechanism Report, COM(2012) 68, Brüssel, 2012.

[c])  Weitere Details zur Entwicklung des österreichischen Warenaußenhandels: FIW Kurzbericht Nr. 7 und FIW Spezial Nr. 4 (http://www.fiw.ac.at/index.php?id=3).

[d])  OECD, Economic Outlook, Paris, November 2011.

[e])  World Tourism Organization (UNWTO), World Tourism Barometer, 2012, Advance Release, Madrid, Jänner 2012.

[f])  European Travel Commission (ETC), "European Tourism 2011 - Trends & Prospects", Quarterly Report, 2011, (Q4), S. 3.

[g])  travel tribune, "Der Nachrichtendienst für die Tourismuswirtschaft", 2012, (6).

[h])  Laimer, P., Ostertag-Sydler, J., Smeral, E., Ein Tourismus-Satellitenkonto für Österreich. Methodik, Ergebnisse und Prognosen für die Jahre 2000 bis 2012, Studie von Statistik Austria und WIFO im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend, Wien, 2012.

[i])  Siehe dazu Leoni, Th., Marterbauer, M., Tockner, L., "Die stabilisierende Wirkung der Sozialpolitik in der Finanzmarktkrise", WIFO-Monatsberichte, 2011, 84(3), S. 187-198, http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/41406.

[j])  Das Sparen besteht laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung aus dem nicht konsumierten Teil des verfügbaren Einkommens und den im laufenden Jahr erworbenen betrieblichen Pensionsansprüchen. Die volkswirtschaftliche Sparquote als Pendant zur Konsumquote setzt dieses so definierte Sparen in Relation zum verfügbaren Einkommen.

[k])  Fenz, G., Fritzer, F., Gnan, E., Holler, J., Köhler-Töglhofer, W., Mooslechner, P., Reiss, L., Schneider, M., Stiglbauer, A., "Gesamtwirtschaftliche Prognose der OeNB für Österreich 2011 bis 2013", Geldpolitik & Wirtschaft, 2011, (Q4/11).

[l])  Arithmetisches Mittel der Salden aus positiven und negativen Antworten zu den Erwartungen zur Einkommens- und Wirtschaftsentwicklung, zur Entwicklung der Arbeitslosigkeit (mit umgekehrtem Vorzeichen) sowie zum Sparen in den nächsten 12 Monaten.

[m])  Im Gegensatz dazu enthalten die Konsumausgaben der Bevölkerung deren Ausgaben im In- und Ausland.

[n])  Die Berechnung der Selbständigenzahlen durch das WIFO enthält alle Personen, die gemäß Erwerbskarrierenmonitoring der Arbeitsmarktdatenbank von AMS und Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz ausschließlich als Selbständige in bzw. außerhalb der Land- und Forstwirtschaft tätig sind (Selbständige mit einer zusätzlichen unselbständigen Beschäftigung bleiben unberücksichtigt). Darüber hinaus wird die Zahl der Rechtsanwälte bzw. Rechtsanwältinnen, Notare bzw. Notarinnen und Ziviltechniker bzw. Ziviltechnikerinnen in Österreich laut den Länderkammern der Architekten und Ingenieurkonsulenten, dem Österreichischen Rechtsanwaltskammertag und der Österreichischen Notariatskammer berücksichtigt.

[o])  Der Beschäftigungsrückgang in der Energieversorgung ist auf eine Umbuchung der KFA Wien zugunsten der Wirtschaftsklasse "Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen" zurückzuführen.

[p])  Als langzeitbeschäftigungslose Arbeitslose gelten zum jeweiligen Stichtag beim AMS als arbeitslos vorgemerkte Personen, die mehr als ein Jahr mit Unterbrechungen von weniger als 62 Tagen immer wieder den Status "vorgemerkt arbeitslos" erhalten haben.

[q])  Alle Vormerkepisoden als arbeitslos, lehrstellensuchend und in Schulungsmaßnahmen mit Unterbrechungen bis zu 62 Tagen werden als eine Episode gezählt. Wenn eine Episode länger als ein Jahr dauert, gilt die Person als langzeitbeschäftigungslos.

[r])  Kostera, D., Der Stellenmarkt in Österreich: Jahresbericht 2011. Analyse der Personalnachfrage in Medieninseraten, Studie von GfK Austria im Auftrag des AMS Österreich, Wien, 2012.

[s])  Huber, P., Bierbaumer-Polly, J., Kunnert, A., Nowotny, K., Schönfelder, St., Die Wirtschaft in den Bundesländern. II. Quartal 2011, WIFO, Wien, 2011, http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/43152.

[t])  IEA, Are We Entering a Golden Age of Gas? Special Report, World Energy Outlook, Paris, 2011.

[u])  Vgl. Kummer, S., Schramm, H. H.,  Dieplinger, M., Lenzbauer, S., Ist eine Mineralölsteuererhöhung zur Budgetsanierung geeignet? Analyse MÖSt-Erhöhungen im Jahre 2011, Studie im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich, Wien, 2012.

[v])  Als Arbitrage werden Transaktionen zur Nutzung von Preisunterschieden auf räumlich oder zeitlich getrennten Teilmärkten verstanden.

[w])  Ende 2011 hob Italien die Steuersätze für Treibstoffe im Rahmen des Haushaltskonsolidierungsprogrammes drastisch an (bis zu +0,16 € je Liter).

[x])  Im Laufe des Jahres 2010 wurden verschiedene Netzabschnitte vor allem in der Ostregion neu eröffnet. Die hier angegebenen Veränderungsraten beziehen sich auf eine einheitliche Vergleichsbasis, d. h. Fahrleistungen auf dem Autobahnen- und Schnellstraßennetz ohne die Neueröffnungen.

[y])  Die Transport- oder Verkehrsleistung beschreibt die Kombination aus von Aufkommen bzw. Tonnage und Transportdistanz.

[z])  Die RCA hat in den Jahren 2010 und 2011 ihr Angebot im inländischen Schienengüterverkehr gestrafft und teils deutliche Preiserhöhungen umgesetzt.

[aa])  Fahrgastzahlen der ÖBB lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor.