Lohnstückkostenposition
2010 konjunkturbedingt verbessert
Die Erholung der Wirtschaft
von der schweren Krise und der konjunkturbedingte Produktivitätsanstieg bewirkten
2010 eine Verbesserung der österreichischen Lohnstückkostenposition: Die Produktivität
erhöhte sich in der Sachgütererzeugung in Österreich um 7,7%, die Arbeitskosten
pro Kopf stiegen hingegen um nur 1,7%. Somit sanken die Lohnstückkosten in der Sachgütererzeugung
2010 um 5,5%. Die Lohnstückkostenposition entwickelte sich damit in Österreich etwas
weniger günstig als bei den EU-Handelspartnern (–5,9%)
und in Deutschland (–7,9%). In der Gesamtwirtschaft
stiegen die Lohnstückkosten in Österreich 2010 um 0,4%, bei den EU-Handelspartnern
um 0,2%. Aufgrund konjunkturbedingter Sondereffekte ist eine Betrachtung der Entwicklungen
über die vergangenen fünf bzw. zehn Jahre aussagekräftiger.
Begutachtung: Thomas Leoni •
Wissenschaftliche Assistenz: Doris Gabriel, Christa Magerl • E-Mail-Adressen: Stefan.Ederer@wifo.ac.at, Werner.Hoelzl@wifo.ac.at, Doris.Gabriel@wifo.ac.at, Christa.Magerl@wifo.ac.at
INHALT
Günstige Entwicklung der relativen
Lohnstückkostenposition in Österreich
Bruttoentgelte pro Kopf unterdurchschnittlich
gestiegen
Konjunkturbedingter Produktivitätsanstieg 2010
Relative Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung
2010 gesunken
Unterschiedliche Lohnstückkostenentwicklung im
Euro-Raum
Unterschiede in der Sachgütererzeugung größer
als in der Gesamtwirtschaft
Produktivitätswachstum bestimmt Divergenz der
Lohnstückkostenentwicklung
Anhang: Arbeitskosten je Stunde in der
Sachgütererzeugung
VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND
ABBILDUNGEN
Übersicht 1: Entwicklung der Arbeitskosten pro Kopf (Beschäftigte) in der
Sachgütererzeugung
Übersicht 2: Entwicklung der Produktivität pro Kopf (Beschäftigte) in der
Sachgütererzeugung
Übersicht 4: Relative Wettbewerbsposition zu Deutschland im Euro-Raum
Übersicht 5: Arbeitskosten je Stunde in der Sachgütererzeugung
Abbildung 1: Entwicklung des nominell-effektiven Wechselkursindex
Abbildung 2: Entwicklung der relativen Lohn- und Lohnstückkosten in der
Sachgütererzeugung
Abbildung 3: Lohnstückkostenentwicklung der Sachgütererzeugung im Euro-Raum
Abbildung 4: Arbeitskosten je Stunde in der Sachgütererzeugung 2010
Die relative Lohnstückkostenposition
gegenüber den Handelspartnern ist ein bedeutender Indikator für die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der Sachgütererzeugung. Lohnstückkosten sind die wichtigste
Determinante für Preise und damit auch für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eines
Sektors bzw. einer Volkswirtschaft. Darüber hinaus spielen jedoch auch qualitative
Wettbewerbsfaktoren eine große Rolle[a]).
Die relative Lohnstückkostenposition
gegenüber den Handelspartnern war in Österreich in den vergangenen Jahren nicht
allein durch Strukturfaktoren (z. B. Spezialisierungsmuster), sondern vor allem
durch den Konjunkturverlauf bestimmt. Nach dem Einbruch der Wirtschaftsleistung
2009 infolge der Finanzmarktkrise erholte sich die Wirtschaft 2010 merklich (Scheiblecker et al., 2011). In Österreich
war die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise vor allem eine Exportkrise und traf daher
in erster Linie die exportintensive Sachgütererzeugung. Da die Unternehmen den Personalstand
2009 nicht im selben Ausmaß abbauten wie ihr Absatz zurückging, sank die Produktion
stärker als die Beschäftigung. Diese Entwicklung wurde in Österreich durch die öffentliche
Förderung der Kurzarbeit unterstützt. Die Produktivität, die eine wesentliche Bestimmungsgröße
der Lohnstückkosten ist, verringerte sich daher in der Sachgütererzeugung besonders
stark. Im Zuge der anschließenden Konjunkturerholung kehrte sich dieses Muster um:
Die Produktivität stieg wieder deutlich, und die Lohnstückkosten sanken. Aufgrund
der international unterschiedlichen Reaktion der Lohnentwicklung während der Krisen-
und Erholungsphasen ist der Verlauf der Lohnstückkosten schwierig einzuschätzen.
Eine sinnvolle Betrachtung der relativen Lohnstückkostenposition Österreichs gegenüber
den Handelspartnern muss daher einen längeren Zeitraum erfassen.
|
Berechnungsmethode und Datenbasis für den Lohnstückkostenvergleich |
Die Lohnstückkosten
in Landeswährung (LSK) einer Branche, eines Sektors oder der Gesamtwirtschaft
sind durch das Verhältnis der nominellen Lohnsumme (LS)
zur realen Bruttowertschöpfung (BWS) definiert:
Dividiert man sowohl
Lohnsumme als auch Bruttowertschöpfung durch ein Maß des Arbeitseinsatzes, so
ergeben sich die beiden Komponenten der Lohnstückkosten: Arbeitskosten je Arbeitseinheit
und Arbeitsproduktivität. Das optimale Maß für den Arbeitseinsatz wäre die Zahl
der geleisteten Arbeitsstunden. Da jedoch in den meisten Ländern keine zuverlässigen
Daten zur Arbeitszeit der Beschäftigten einzelner Sektoren verfügbar sind, stützen
sich internationale Vergleiche auf die Zahl der Arbeitskräfte. Die Lohnsumme bezieht
sich jedoch auf die Zahl der unselbständig Beschäftigten (AN),
die Produktivität auf die Zahl der Erwerbstätigen (EWT),
die auch die Selbständigen enthält:
Die in der makroökonomischen
Datenbank der Europäischen Kommission (AMECO) veröffentlichten Lohnstückkosten
werden nach dieser Formel ermittelt. Auch die WIFO-Berechnungen der Lohnstückkosten
der österreichischen Sachgütererzeugung, wie sie in der WIFO-Datenbank veröffentlicht
werden, beruhen auf dieser Methode. Für internationale Vergleiche
müssen die Lohnstückkosten in einer gemeinsamen Währung ausgedrückt werden, weil
Wechselkursverschiebungen die Kostenposition eines Landes ebenso verändern können
wie die Lohnstückkostenentwicklung. Berechnet man die relative Entwicklung zwischen
zwei Ländern, so ergibt sich die relative Lohnstückkostenposition eines Landes
als Quotient der Lohnstückkosten beider Länder, gemessen in einheitlicher Währung.
Für einen Vergleich mit mehreren Ländern muss ein Gewichtungsschema herangezogen
werden, da die Relevanz der Länder für den internationalen Vergleich meist unterschiedlich
ist. Unabhängig vom methodischen Ansatz basiert ein solches Gewichtungsschema
auf Daten aus der Außenhandelsstatistik und bildet somit die Außenhandelsverflechtung
einer Volkswirtschaft ab. Das WIFO stützt sich
auf eine harmonisierte Methode, die auch die Zentralbanken des Euro-Raumes zur
Messung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit nutzen. Das Gewichtungsschema
besteht aus einfachen (bilateralen) Importgewichten und doppelten (multilateralen)
Exportgewichten für Industriewaren (SITC 5 bis 8). Eine detaillierte Darstellung
und Erläuterung dieser Methode findet sich in Mooslechner (1995) und Köhler-Töglhofer
– Magerl – Mooslechner (2006). Durch die doppelte Exportgewichtung wird
neben dem Wettbewerb mit den Handelspartnern auf den jeweils heimischen Märkten
auch jener auf allen anderen Exportmärkten abgebildet. Die Gewichte werden für
bestimmte Zeiträume ermittelt und angewendet. Der jüngsten Neuberechnung liegen
die Dreijahresdurchschnitte für die Perioden 1995/1997, 1998/2000, 2001/2003 und
2004/2006 zugrunde; dabei gelten die aktuellsten Gewichte für den Zeitraum seit
2004. Durch dieses variable Gewichtungsschema werden Verschiebungen der Marktanteile
berücksichtigt. Die Daten zu Bruttoentgelten,
Produktivität und Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung und der Gesamtwirtschaft
wurden aus der AMECO-Datenbank bezogen1).
Sie werden nach dem Erhebungskonzept der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung
ermittelt und nicht je Arbeitsstunde, sondern je Arbeitskraft (Unselbständige
bzw. Erwerbstätige) berechnet. Da für einige Länder keine aktuellen Daten verfügbar
waren, musste für den vorliegenden Bericht auf Statistiken der OECD zurückgegriffen
werden. Die in der AMECO-Datenbank fehlenden Jahreswerte wurden anhand der entsprechenden
Veränderungsraten aus der OECD-Datenbank fortgeschrieben. Hinweis zur Länderauswahl Als "EU-Handelspartner"
werden hier folgende Länder bezeichnet: EU 27 ohne Österreich, Malta, Zypern,
Rumänien und Bulgarien. Der Begriff "Alle Handelspartner" berücksichtigt
Daten folgender Länder: EU 27 ohne Österreich, Malta, Zypern, Rumänien und Bulgarien,
jedoch einschließlich Norwegens, der USA, Kanadas und Japans; diese Länderauswahl
deckt mehr als drei Viertel aller österreichischen Warenexporte und rund 85% aller
Warenimporte ab. |
1) Aus Gründen
der internationalen Vergleichbarkeit wurde auch für Österreich der im Mai gültige
Datenstand verwendet. |
|
Die Entwicklung der internationalen
Lohnstückkostenposition in der Sachgütererzeugung ergibt sich aus den Veränderungen
der Arbeitskosten pro Kopf, dem Produktivitätswachstum und den Wechselkursveränderungen
(siehe Kasten "Berechnungsmethode und Datenbasis für den Lohnstückkostenvergleich").
Seit dem Eintritt in die Währungsunion haben Wechselkursänderungen für die österreichische
Exportwirtschaft etwas an Bedeutung verloren, da die wichtigsten Handelspartner
Österreichs ebenfalls dem Euro-Raum angehören. Von der Wechselkursentwicklung des
Euro geht aber seit mehreren Jahren ein leichter Druck auf die Produktionskosten
der österreichischen Exportwirtschaft aus (Abbildung 1). Der nominell-effektive
Wechselkurs stieg zwischen 2000 und 2009 insgesamt um fast 11%. 2010 kehrte sich
diese Entwicklung allerdings um, der nominell-effektive Wechselkurs ging wieder
zurück. Für die nominell-effektive Aufwertung war insbesondere die Stärke des Euro
gegenüber den anderen wichtigen Währungen bestimmend, sein Wert erhöhte sich zwischen
2000 und 2010 gegenüber Dollar und Pfund jährlich um durchschnittlich 3,5%, gegenüber
dem Yen um 1,5% .
|
Abbildung 1: Entwicklung
des nominell-effektiven Wechselkursindex |
|
Q: WIFO-Datenbank. |
|
Die Analyse der internationalen
Arbeitskostenentwicklung basiert auf den Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung.
Sie stützt sich auf die Entwicklung der Bruttoentgelte pro Kopf, also der Lohn-
und Gehaltssumme einschließlich Sozialabgaben der Arbeitgeber je unselbständige
Arbeitskraft. Die Arbeitskosten stiegen in Österreich 2010 gegenüber dem Vorjahr
um 1,7%, die der EU-Handelspartner um 3,8%. Die höchste Zunahme verzeichneten Litauen
(+9,6%), Slowenien (+8,5%) und Großbritannien (+7,0%). Schwächer als in Österreich
erhöhten sie sich hingegen in Belgien (–0,2%),
Finnland (+1,5%) und Schweden (+1,6%). In Deutschland, Österreichs wichtigstem Handelspartner,
stiegen die Arbeitskosten um 4,4%.
Im Durchschnitt der Jahre
2005 bis 2010 war das Muster umgekehrt: In Österreich nahmen die Arbeitskosten jährlich
um 3,0% zu, bei den EU-Handelspartnern um 2,5%. Besonders groß war der Unterschied
gegenüber Deutschland (2005/2010 nur +1,6% p. a.), vor allem in den Jahren 2007
bis 2009. Über den gesamten Zeitraum 2000/2010 blieben die relativen Arbeitskosten
pro Kopf gegenüber den EU-Handelspartnern in Österreich unverändert (jeweils +2,8%
p. a.; Übersicht 1).
Für die Beurteilung der
Wettbewerbsposition einer Volkswirtschaft auf dem Weltmarkt sind nicht nur die Arbeitskosten
und die Wechselkursrelationen ausschlaggebend, sondern auch die Produktionsleistung
der Erwerbstätigen (Produktivität). Diese wird am realen Nettoproduktionswert (Bruttowertschöpfung)
pro Kopf der Erwerbstätigen gemessen. Österreichs Industrie erzielte in den Jahren
vor der Krise überdurchschnittlich hohe Produktivitätszuwächse. Nach einem Einbruch
in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise war das Jahr 2010 international von einer
konjunkturbedingten Erholung der Produktivität gekennzeichnet. Nur Griechenland
verzeichnete einen Rückgang von 7,4%. In Österreich stieg die Produktivität in der
Sachgütererzeugung um 7,7%, merklich schwächer als im Durchschnitt der EU-Handelspartner
(+11,2%). Insbesondere in den neuen EU-Ländern erhöhte sich die Produktivität 2010
deutlich (Estland +28,0%, Litauen +17,6%, Lettland +13,1%, aber auch Schweden +16,6%).
Dagegen blieb die Erholung in den südeuropäischen Ländern (Spanien, Portugal) unterdurchschnittlich.
Übersicht 1: Entwicklung
der Arbeitskosten pro Kopf (Beschäftigte) in der Sachgütererzeugung |
|||||
In Landeswährung |
|||||
|
|||||
Ø 2000/2005 |
Ø 2005/2010 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
Jährliche Veränderung in % |
|||||
|
|||||
Österreich |
+2,5 |
+3,0 |
+3,9 |
+2,0 |
+1,7 |
|
|||||
Belgien |
+2,8 |
+2,1 |
+2,2 |
+0,3 |
–0,2 |
Dänemark |
+4,4 |
+3,1 |
+2,3 |
+1,6 |
+3,4 |
Deutschland |
+1,6 |
+1,6 |
+1,6 |
–2,6 |
+4,4 |
Griechenland |
+5,4 |
+5,7 |
+13,6 |
+0,3 |
+3,1 |
Spanien |
+3,6 |
+4,1 |
+5,5 |
+2,2 |
+2,9 |
Frankreich |
+3,0 |
+2,3 |
+2,8 |
–0,1 |
+2,2 |
Irland |
+5,7 |
+1,7 |
+4,8 |
–0,6 |
–2,2 |
Italien |
+3,1 |
+3,0 |
+4,2 |
+1,1 |
+3,5 |
Luxemburg |
+2,2 |
+1,5 |
+1,0 |
–0,5 |
+3,1 |
Niederlande |
+3,9 |
+2,7 |
+3,6 |
+1,7 |
+2,0 |
Portugal |
+3,5 |
+3,1 |
+3,5 |
+1,7 |
+2,2 |
Finnland |
+3,8 |
+2,8 |
+4,3 |
+1,0 |
+1,5 |
Schweden |
+4,1 |
+2,3 |
+1,1 |
+2,5 |
+1,6 |
Großbritannien |
+5,2 |
+5,1 |
+3,3 |
+6,5 |
+7,0 |
|
|||||
Tschechien |
+6,6 |
+3,8 |
+4,9 |
–3,9 |
+5,9 |
Estland |
+10,7 |
+8,0 |
+2,8 |
–3,7 |
+4,4 |
Lettland |
+7,5 |
+9,7 |
+16,1 |
–11,2 |
–0,8 |
Litauen |
+9,5 |
+4,8 |
+11,3 |
–15,8 |
+9,6 |
Ungarn |
+8,7 |
+3,8 |
+5,1 |
–1,1 |
+2,7 |
Polen |
+0,1 |
+4,3 |
+10,6 |
–2,4 |
+5,9 |
Slowenien |
+8,8 |
+5,6 |
+5,5 |
+0,8 |
+8,5 |
Slowakei |
+7,5 |
+6,3 |
+8,7 |
+0,4 |
+2,6 |
|
|||||
Japan |
+0,4 |
–0,4 |
±0,0 |
–5,3 |
+4,2 |
Kanada |
+3,5 |
+1,2 |
–1,1 |
–3,9 |
+3,9 |
Norwegen |
+5,0 |
+4,9 |
+5,1 |
+3,0 |
+5,1 |
USA |
+3,9 |
+3,6 |
+3,5 |
+4,6 |
+2,4 |
|
|||||
EU-Handelspartner1) |
+3,0 |
+2,5 |
+3,0 |
–0,9 |
+3,8 |
|
|||||
Österreich |
|||||
Alle Handelspartner2) = 100 |
–0,5 |
+0,5 |
+0,9 |
+2,6 |
–1,9 |
EU-Handelspartner1) = 100 |
–0,5 |
+0,5 |
+0,8 |
+2,9 |
–2,0 |
Deutschland = 100 |
+0,9 |
+1,4 |
+2,3 |
+4,8 |
–2,5 |
Q: AMECO, Statistik Austria, OECD, WIFO-Berechnungen.
– 1) Ohne Österreich, Malta, Zypern,
Rumänien, Bulgarien; gewichteter Durchschnitt der Handelspartner gemäß der Berechnung
der WIFO-Wechselkursindizes. – 2)
Ohne Österreich, Malta, Zypern, Rumänien, Bulgarien, jedoch einschließlich Norwegens,
der USA, Kanadas und Japans; gewichteter Durchschnitt der Handelspartner gemäß
der Berechnung der WIFO-Wechselkursindizes. |
|||||
|
Diesem starken Anstieg
der Produktivität war 2009 konjunkturbedingt ein beträchtlicher Rückgang vorausgegangen.
Während die Wirtschaftsleistung in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise einbrach,
fiel der Rückgang der Beschäftigung geringer aus, weil die Unternehmen Arbeitskräfte
horteten. Dies wurde in mehreren Ländern – insbesondere
in Österreich und Deutschland – durch die
öffentliche Förderung der Kurzarbeit unterstützt. Der längerfristige Vergleich ist
durch diesen Effekt weniger beeinträchtigt und daher aussagekräftiger als kurzfristige
Veränderungen: Zwischen 2005 und 2010 stieg die Produktivität in der Sachgütererzeugung
in Österreich durchschnittlich jährlich um 2,5%, im Durchschnitt der EU-Handelspartner
um 1,2%, in Deutschland blieb sie in diesem Zeitraum unverändert. Dieses Muster
ist auch im Vergleich über den Zehnjahreszeitraum 2000/2010 zu beobachten: Die Produktivität
erhöhte sich in Österreich (+2,4% p. a.) durchschnittlich stärker als in Deutschland
(+1,4%) und den EU-Handelspartnern (+2,1%). Deutlich kräftigere Zuwächse verzeichneten
allerdings die ostmitteleuropäischen EU-Länder, einige skandinavische Länder und
die USA (Übersicht 2).
Die Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung sanken 2010 in Österreich um 5,5%. Dies war in erster Linie eine Folge des konjunkturbedingten Produktivitätsanstiegs, im Jahr zuvor waren sie stark gestiegen. In Deutschland und den EU-Handelspartnern verlief die Entwicklung der Lohnstückkosten ähnlich. Nur in Griechenland (+11,4%), Kanada (+19,1%), Norwegen (+8,2%), den USA (+0,8%), Großbritannien (+3,9%) und Japan (+1,1%) stiegen die Lohnstückkosten 2010. Den höchsten Rückgang verzeichneten Estland (–18,5%), Irland (–14,1%), Lettland (–12,7%) und Luxemburg (–11,0%).
|
|||||
Übersicht 2: Entwicklung
der Produktivität pro Kopf (Beschäftigte) in der Sachgütererzeugung |
|||||
In Landeswährung |
|||||
|
|||||
Ø 2000/2005 |
Ø 2005/2010 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
Jährliche Veränderung in % |
|||||
|
|||||
Österreich |
+2,4 |
+2,5 |
+2,7 |
–10,1 |
+7,7 |
|
|||||
Belgien |
+2,3 |
+1,3 |
–0,7 |
–1,9 |
+3,1 |
Dänemark |
+2,1 |
+3,1 |
+2,4 |
–2,7 |
+10,3 |
Deutschland |
+2,7 |
+0,0 |
–5,6 |
–15,6 |
+13,3 |
Griechenland |
+1,5 |
–0,8 |
+4,2 |
+6,2 |
–7,4 |
Spanien |
+1,2 |
+1,7 |
–1,2 |
–0,5 |
+7,6 |
Frankreich |
+3,1 |
+0,3 |
–0,9 |
–7,5 |
+6,6 |
Irland |
+6,0 |
+8,1 |
+1,2 |
+13,3 |
+13,0 |
Italien |
–0,4 |
–0,1 |
–3,4 |
–8,4 |
+8,7 |
Luxemburg |
–0,4 |
–0,2 |
–11,9 |
–9,1 |
+16,1 |
Niederlande |
+3,3 |
+2,2 |
–2,5 |
–5,7 |
+10,6 |
Portugal |
+2,1 |
+1,3 |
–1,7 |
–3,7 |
+5,5 |
Finnland |
+5,2 |
+3,9 |
+0,9 |
–10,9 |
+10,2 |
Schweden |
+7,0 |
+1,8 |
–5,4 |
–9,0 |
+16,6 |
Großbritannien |
+4,5 |
+2,0 |
+1,8 |
–4,4 |
+6,9 |
|
|||||
Tschechien |
+5,6 |
+6,4 |
+6,8 |
–6,4 |
+13,5 |
Estland |
+9,1 |
+5,2 |
–6,6 |
–11,2 |
+28,0 |
Lettland |
+6,5 |
+2,7 |
–4,4 |
–0,7 |
+13,1 |
Litauen |
+9,5 |
+5,6 |
+1,7 |
–3,2 |
+17,6 |
Ungarn |
+6,0 |
+3,5 |
–0,4 |
–6,3 |
+12,1 |
Polen |
+5,2 |
+8,6 |
+4,0 |
+7,2 |
+14,6 |
Slowenien |
+6,1 |
+4,4 |
+0,6 |
–8,1 |
+15,2 |
Slowakei |
+12,7 |
+5,1 |
+5,6 |
–12,9 |
+6,3 |
|
|||||
Japan |
+4,4 |
+0,9 |
+1,4 |
–14,7 |
+15,3 |
Kanada |
+0,5 |
–0,0 |
–3,6 |
–5,1 |
+6,8 |
Norwegen |
+4,8 |
+0,4 |
+0,7 |
–1,2 |
+5,3 |
USA |
+6,8 |
+3,5 |
+0,1 |
+1,9 |
+5,6 |
|
|||||
EU-Handelspartner1) |
+3,1 |
+1,2 |
–2,8 |
–10,4 |
+11,2 |
|
|||||
Österreich |
|||||
Alle Handelspartner2) = 100 |
–1,0 |
+1,1 |
+5,3 |
–0,7 |
–2,8 |
EU-Handelspartner1) = 100 |
–0,7 |
+1,3 |
+5,7 |
+0,3 |
–3,1 |
Deutschland = 100 |
–0,4 |
+2,5 |
+8,8 |
+6,5 |
–5,0 |
Q: AMECO, Statistik Austria, OECD, WIFO-Berechnungen.
– 1) Ohne Österreich, Malta, Zypern,
Rumänien, Bulgarien; gewichteter Durchschnitt der Handelspartner gemäß der Berechnung
der WIFO-Wechselkursindizes. – 2)
Ohne Österreich, Malta, Zypern, Rumänien, Bulgarien, jedoch einschließlich Norwegens,
der USA, Kanadas und Japans; gewichteter Durchschnitt der Handelspartner gemäß
der Berechnung der WIFO-Wechselkursindizes. |
|||||
|
Für Österreich ergab sich
daraus für 2010 eine Verbesserung der relativen Lohnstückkostenposition gegenüber
den Handelspartnern um –0,7%; gegenüber
den EU-Handelspartnern (+0,4%) und gegenüber Deutschland (+2,6%) verschlechterte
sie sich hingegen. Allerdings ist auch hier die längerfristige Betrachtung aussagekräftiger.
Die Entwicklung der relativen Lohnstückkosten wird sowohl durch die Lohnentwicklung
als auch durch die Produktivitätsveränderungen in Österreich und den Handelspartnern
bestimmt (Abbildung 2). In einigen Ländern des Euro-Raumes (Italien, Griechenland,
Spanien) erhöhten sich die Löhne viel stärker als die Produktivität; in den meisten
ostmitteleuropäischen Ländern und den USA stiegen sie ebenfalls kräftig, jedoch
meist ähnlich wie die Produktivität. In Österreich hingegen blieb das durchschnittliche
Wachstum der Arbeitskosten hinter dem der Arbeitsproduktivität zurück, sodass sich
die Lohnstückkostenposition verbesserte: Im Durchschnitt 2005/2010 nahmen die Lohnstückkosten
in der Sachgütererzeugung in Österreich jährlich um 0,5% zu, in Deutschland um 1,6%
und bei den EU-Handelspartnern um 1,2%. Die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen
Sachgütererzeugung verbesserte sich dadurch beträchtlich. Die relativen Lohnstückkosten
sanken im Zeitraum 2005/2010 sowohl gegenüber den EU-Handelspartnern (durchschnittlich
jährlich –0,8%) als auch gegenüber Deutschland merklich (–1,1%). Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre (2000/2010)
war dieses Muster nicht so ausgeprägt: Die Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung
stiegen in Österreich um 0,3% jährlich, bei den EU-Handelspartnern um 0,6% zu. In
Deutschland betrug der Zuwachs allerdings nur 0,2% p. a. Auch gegenüber den Handelspartnern
außerhalb der EU verschlechterte sich die relative Lohnstückkostenposition. Dies
war jedoch zumindest zum Teil der starken Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar
und dem britischen Pfund in diesem Zeitraum zuzuschreiben (Übersicht 3).
|
Abbildung 2: Entwicklung
der relativen Lohn- und Lohnstückkosten in der Sachgütererzeugung |
In €, 2000 = 100 |
|
Q: AMECO, OeNB, WIFO-Berechnungen. – 1) Ohne Österreich, Malta, Zypern,
Rumänien, Bulgarien, jedoch einschließlich Norwegens, der USA, Kanadas und Japans.
– 2) Ohne Österreich, Malta, Zypern,
Rumänien, Bulgarien. |
|
Übersicht 3: Entwicklung
der Lohnstückkosten pro Kopf (Beschäftigte) in der Sachgütererzeugung und der
Gesamtwirtschaft |
|||||
In € |
|||||
|
|||||
Ø 2000/2005 |
Ø 2005/2010 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
Jährliche Veränderung in % |
|||||
Sachgütererzeugung |
|||||
Österreich |
+0,2 |
+0,5 |
+1,1 |
+13,5 |
–5,5 |
|
|||||
Belgien |
+0,4 |
+1,3 |
+2,9 |
+4,5 |
–3,3 |
Dänemark |
+2,2 |
+0,1 |
–0,2 |
+4,6 |
–6,0 |
Deutschland |
–1,1 |
+1,6 |
+7,6 |
+15,4 |
–7,9 |
Griechenland |
+3,5 |
+6,6 |
+9,1 |
–5,6 |
+11,4 |
Spanien |
+2,4 |
+2,4 |
+6,8 |
+2,7 |
–4,4 |
Frankreich |
–0,1 |
+2,0 |
+3,8 |
+8,0 |
–4,2 |
Irland |
–0,3 |
–6,3 |
+1,2 |
–11,5 |
–14,1 |
Italien |
+3,5 |
+3,0 |
+7,8 |
+10,3 |
–4,8 |
Luxemburg |
+2,6 |
+1,8 |
+14,6 |
+9,4 |
–11,0 |
Niederlande |
+0,6 |
+0,5 |
+6,3 |
+7,9 |
–8,0 |
Portugal |
+1,4 |
+1,7 |
+5,3 |
+5,6 |
–3,1 |
Finnland |
–1,4 |
–1,1 |
+3,4 |
+13,4 |
–7,8 |
Schweden |
–4,5 |
–0,1 |
+2,7 |
+2,0 |
–3,0 |
Großbritannien |
–1,6 |
–1,5 |
–12,8 |
–0,4 |
+3,9 |
|
|||||
Tschechien |
+4,7 |
+0,8 |
+9,4 |
–3,2 |
–2,4 |
Estland |
+1,5 |
+2,7 |
+10,1 |
+8,4 |
–18,5 |
Lettland |
–3,4 |
+6,4 |
+21,1 |
–11,0 |
–12,7 |
Litauen |
+1,3 |
–0,8 |
+9,4 |
–13,0 |
–6,8 |
Ungarn |
+3,5 |
–1,8 |
+5,4 |
–5,3 |
–6,8 |
Polen |
–4,9 |
–3,9 |
+14,6 |
–26,1 |
–0,2 |
Slowenien |
–0,4 |
+1,1 |
+4,9 |
+9,7 |
–5,9 |
Slowakei |
–2,8 |
+6,2 |
+11,2 |
+19,6 |
–3,5 |
|
|||||
Japan |
–9,8 |
+1,9 |
+5,0 |
+29,1 |
+1,1 |
Kanada |
+1,1 |
+4,5 |
–2,8 |
–0,5 |
+19,1 |
Norwegen |
+0,4 |
+4,4 |
+1,7 |
–1,8 |
+8,2 |
USA |
–8,4 |
–1,4 |
–3,6 |
+10,7 |
+0,8 |
|
|||||
EU-Handelspartner1) |
–0,1 |
+1,2 |
+5,9 |
+8,8 |
–5,9 |
|
|||||
Österreich |
|||||
Alle Handelspartner2) = 100 |
+1,3 |
–0,6 |
–3,7 |
+3,7 |
–0,7 |
EU-Handelspartner1) = 100 |
+0,2 |
–0,8 |
–4,5 |
+4,3 |
+0,4 |
Deutschland = 100 |
+1,3 |
–1,1 |
–6,0 |
–1,6 |
+2,6 |
|
|||||
Gesamtwirtschaft |
|||||
Österreich |
+0,7 |
+1,9 |
+2,7 |
+4,8 |
+0,4 |
EU-Handelspartner1) |
+1,6 |
+1,7 |
+3,3 |
+2,7 |
+0,2 |
Alle Handelspartner2) |
+0,7 |
+1,6 |
+2,5 |
+3,3 |
+1,0 |
|
|||||
Österreich |
|||||
Alle Handelspartner2) = 100 |
–0,0 |
+0,4 |
+0,2 |
+1,5 |
–0,6 |
EU-Handelspartner1) = 100 |
–0,9 |
+0,3 |
–0,5 |
+2,0 |
+0,1 |
Deutschland = 100 |
+0,5 |
+1,0 |
+0,4 |
–0,4 |
+1,2 |
Q: AMECO, Statistik Austria, OECD, WIFO-Berechnungen.
– 1) Ohne Österreich, Malta, Zypern,
Rumänien, Bulgarien; gewichteter Durchschnitt der Handelspartner gemäß der Berechnung
der WIFO-Wechselkursindizes. Lohnstückkosten: Quotient aus Bruttoentgelten pro
Kopf (unselbständig Beschäftigte) und realer Bruttowertschöpfung bzw. BIP real
pro Kopf (Erwerbstätige). – 2)
Ohne Österreich, Malta, Zypern, Rumänien, Bulgarien, jedoch einschließlich Norwegens,
der USA, Kanadas und Japans; gewichteter Durchschnitt der Handelspartner gemäß
der Berechnung der WIFO-Wechselkursindizes. Lohnstückkosten: Quotient aus Bruttoentgelten
pro Kopf (unselbständig Beschäftigte) und realer Bruttowertschöpfung bzw. BIP
real pro Kopf (Erwerbstätige). |
|||||
|
In der Gesamtwirtschaft
schwanken die Lohnstückkosten in Österreich schwächer als in der Sachgütererzeugung.
Sie stiegen 2010 um 0,4%, bei den EU-Handelspartnern um 0,2%. Auch im Durchschnitt
der Jahre 2005/2010 erhöhten sich die gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten in
Österreich mit +1,9% p. a. etwas stärker als die der EU-Handelspartner (+1,7%).
Die relative Lohnstückkostenposition verschlechterte sich daher, insbesondere gegenüber
Deutschland. Der Anstieg der Lohnstückkosten war in der Gesamtwirtschaft sowohl
in Österreich als auch bei den Handelspartnern wesentlich stärker als in der Sachgütererzeugung.
Dies ist nicht überraschend, weil in der Sachgütererzeugung die Möglichkeiten zur
Produktivitätssteigerung am größten sind (Hölzl
– Leoni, 2010). Die relative Lohnstückkostenposition der österreichischen Gesamtwirtschaft
verschlechterte sich von 2005 bis 2010 gegenüber allen Handelspartnern um 0,4%,
gegenüber den EU-Handelspartnern um 0,3% und gegenüber Deutschland um 1%.
Die Lohnstückkosten der
Sachgütererzeugung entwickelten sich seit der Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion
in den Ländern des Euro-Raumes unterschiedlich. Dieses Muster, das sich auch in
den gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten zeigt, hatte eine drastische Verschiebung
der relativen Wettbewerbsfähigkeit zwischen den Euro-Ländern zur Folge. Durch den
Eintritt in die Währungsunion fielen die Wechselkurse innerhalb des Euro-Raumes
weg. Die unterschiedliche Entwicklung der Lohnstückkosten kann daher nicht mehr
über Auf- oder Abwärtsbewegungen der Wechselkurse ausgeglichen werden, sondern muss
über die Entwicklung der Produktivität oder der Löhne kompensiert werden. Die Verschiebung
der Wettbewerbsfähigkeit kann dadurch Wachstums- und Leistungsbilanzungleichgewichte
erzeugen, die die Konjunkturerholung nach der Wirtschaftskrise gefährden und die
Währungsunion destabilisieren[b]).
Die Lohnstückkostenentwicklung
divergiert im Euro-Raum in der Sachgütererzeugung deutlicher stärker als in der
Gesamtwirtschaft. Zwischen 2000 und 2010 gingen die Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung
in Irland und Finnland durchschnittlich um 3,4% bzw. 1,2% p. a. zurück. In Deutschland
(+0,2%), Österreich (+0,3%) und den Niederlanden (+0,5%) war ein mäßiger Anstieg
zu verzeichnen; in Frankreich und Belgien lag die durchschnittliche jährliche Veränderung
bei knapp +1%. Hingegen stiegen die Lohnstückkosten der Sachgütererzeugung in Griechenland
(+5%), Italien (+3,3%), Spanien (+2,4%) und Portugal (+1,6%) deutlich. Kumuliert
ergibt sich daraus von 2000 bis 2010 eine drastische Verschiebung der Wettbewerbsfähigkeit:
Während die Lohnstückkosten in Irland und Finnland um 29% bzw. 12% sanken und in
Deutschland und Österreich weitgehend stabil blieben, erhöhten sie sich in Griechenland
(+64%), Italien (+38%), Spanien (+27%) und Portugal (+17%) beträchtlich.
Der Zeitraum 2000/2010
umfasst die Jahre des starken Konjunkturaufschwungs bis 2007, die Finanzmarkt- und
Wirtschaftskrise 2008/09 und die international unterschiedliche Erholung seither.
In der Aufschwungphase bis zum Höhepunkt der Konjunktur (2000/2007) sanken die Lohnstückkosten
auch in Deutschland und Österreich deutlich. Im Jahr 2007 lagen sie in Österreich
um 5% unter dem Wert von 2000, in Deutschland sogar um 10%. In Finnland war der
Rückgang am höchsten (beinahe –20%). Hingegen
verringerten sie sich in Irland bis zum Jahr 2006 kaum und sanken erst danach in
der Folge der – in Irland relativ früh einsetzenden
– Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise dramatisch.
Mit Ausnahme von Irland
war daher die kumulierte Differenz der Lohnstückkostenentwicklung zwischen Deutschland
und den anderen Volkswirtschaften von 2000 bis 2007 deutlich größer als in der Gesamtperiode.
Seit der Krise stiegen die Lohnstückkosten jedoch auch in Deutschland merklich,
sodass sich der Abstand wieder etwas verringerte. In Griechenland und Italien lag
jedoch der Anstieg zwischen 2007 und 2010 über jenem in Deutschland, die relative
Wettbewerbsposition verschlechterte sich also auch in der Krise weiter (Abbildung
3).
In der Gesamtwirtschaft
ergibt sich ein etwas anderes Entwicklungsmuster. Mit Ausnahme von Griechenland
und Italien erhöhten sich die Lohnstückkosten in allen Ländern stärker als in der
Sachgütererzeugung. Am deutlichsten war der Unterschied in Irland und Finnland:
Im Gegensatz zur Sachgütererzeugung stiegen die Lohnstückkosten dort in der Gesamtwirtschaft
ebenso wie in den anderen Ländern. Die Verbesserung der relativen Wettbewerbsposition
zu Deutschland fiel daher – gemessen
an den gesamtwirtschaftlichen Lohnstückkosten – im
Zeitraum 2000/2010 geringer aus als in der Sachgütererzeugung. Dies entspricht dem
erwarteten Verhältnis zwischen den Lohnstückkosten in der Sachgütererzeugung und
der Gesamtwirtschaft (siehe oben). Umgekehrt war in Griechenland und Italien der
Anstieg der Lohnstückkosten in der Sachgütererzeugung deutlich höher als in der
Gesamtwirtschaft. Die relative Wettbewerbsposition gegenüber Deutschland verschlechterte
sich daher nicht so stark wie in der Sachgütererzeugung (Übersicht 4).
|
Abbildung 3: Lohnstückkostenentwicklung
der Sachgütererzeugung im Euro-Raum |
|
Q: AMECO, Statistik Austria, OECD, WIFO-Berechnungen. |
|
|
||||
Übersicht 4: Relative
Wettbewerbsposition zu Deutschland im Euro-Raum |
||||
Auf Euro-Basis, Deutschland = 100 |
||||
|
||||
Sachgütererzeugung |
Gesamtwirtschaft |
Sachgütererzeugung |
Gesamtwirtschaft |
|
Veränderung 2000/2007 in % |
Veränderung 2000/2010 in % |
|||
|
||||
Österreich |
+5,5 |
+6,2 |
+0,8 |
+8,0 |
|
||||
Belgien |
+15,1 |
+13,7 |
+6,5 |
+16,6 |
Dänemark |
+24,6 |
+21,9 |
+9,6 |
+27,6 |
Griechenland |
+53,1 |
+23,6 |
+61,3 |
+29,5 |
Spanien |
+31,1 |
+25,0 |
+24,2 |
+23,7 |
Frankreich |
+12,8 |
+14,8 |
+7,6 |
+15,9 |
Irland |
+2,8 |
+28,0 |
–31,3 |
+21,4 |
Italien |
+32,1 |
+22,3 |
+35,4 |
+26,9 |
Luxemburg |
+22,0 |
+17,9 |
+22,2 |
+25,5 |
Niederlande |
+10,5 |
+16,4 |
+3,2 |
+17,6 |
Portugal |
+18,7 |
+19,6 |
+14,3 |
+19,4 |
Finnland |
–7,7 |
+9,2 |
–14,0 |
+15,9 |
Q: AMECO, Statistik Austria, OECD, WIFO-Berechnungen. |
||||
|
Diese Unterschiede ergaben
sich in erster Linie aus der abweichenden Entwicklung der Produktivität in der Sachgütererzeugung:
In Finnland und Irland stieg die Produktivität von 2000 bis 2007 durchschnittlich
jährlich um etwa 6½%, in Deutschland, den Niederlanden und Österreich um 3½%. In
Belgien, Frankreich und Portugal erhöhte sie sie durchschnittlich um gut 2½% p.
a., in Spanien um nur knapp 1½%. In Griechenland und Italien stagnierte die Produktivität
in der Sachgütererzeugung hingegen weitgehend. Die Arbeitskosten pro Kopf stiegen
im Euro-Raum am stärksten in Griechenland und Irland (durchschnittlich mehr als
+5% p. a.). In Finnland, den Niederlanden, Spanien und Portugal lag der Anstieg
unter 4%. Belgien, Frankreich, Italien und Österreich verzeichneten mit durchschnittlich
etwa +3% deutlich schwächere Zuwächse. In Deutschland erhöhten sich die Arbeitskosten
pro Kopf um weniger als 2%.
In Griechenland, Italien
und – in vermindertem Ausmaß – in Spanien lag der Anstieg der Arbeitskosten pro
Kopf damit weit über den mäßigen bis geringfügigen Produktivitätszuwächsen. Vor
allem in Deutschland, Finnland und Irland entwickelten sich die Arbeitskosten wesentlich
schwächer als die Produktivität. In Österreich fiel die Zunahme ebenfalls niedriger
aus, in den Niederlanden ergab sich für Arbeitskosten und Produktivität dieselbe
Rate. In Belgien und Frankreich erhöhten sich die Arbeitskosten etwas stärker als
die Produktivität.
Die Konjunkturerholung
nach der Wirtschaftskrise bewirkte 2010 in Österreich eine Verringerung der Lohnstückkosten
der Sachgütererzeugung um 5,5%. Die Produktivität erhöhte sich in der österreichischen
Sachgütererzeugung um 7,7%, während die Arbeitskosten nur mäßig anzogen (+1,7%).
Allerdings war der Produktivitätsanstieg im internationalen Vergleich gering, sodass
die Lohnstückkosten 2010 etwas weniger sanken als im Durchschnitt der EU-Handelspartner
(–5,9%) und in Deutschland (–7,9%). Damit ergab sich 2010 eine Verschlechterung
der relativen Lohnstückkostenposition um 0,4% gegenüber den EU-Handelspartnern und
um 2,6% gegenüber Deutschland. Wegen konjunkturbedingter Sondereffekte ist die längerfristige
Entwicklung aussagekräftiger als die Betrachtung der Vorjahresveränderung 2010:
Im Durchschnitt der Jahre 2005/2010 ergab sich eine deutliche Verbesserung der relativen
Lohnstückkostenposition der österreichischen Sachgütererzeugung (durchschnittlich
–0,8% p. a. gegenüber den EU-Handelspartnern und
–1,1% gegenüber Deutschland). Im selben Zeitraum
verschlechterte sich die gesamtwirtschaftliche Lohnstückkostenposition gegenüber
den EU-Handelspartnern um 0,3% und gegenüber Deutschland um 1%.
Im Zuge der Krise der öffentlichen
Haushalte in einigen Ländern geriet auch die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit
im Euro-Raum ins Interesse der Wirtschaftspolitik. Seit Bestehen der Währungsunion
war eine deutliche Divergenz der Entwicklung der Lohnstückkostenposition im Euro-Raum
zu beobachten, die vor allem auf eine abweichende Produktivitätsentwicklung zurückzuführen
ist. Der Wegfall des Wechselkursmechanismus macht diese Unterschiede persistent.
Die Arbeitskosten je Beschäftigtenstunde
wurden hier anhand der Arbeitskostenerhebung berechnet, die in den EU-Ländern alle
vier Jahre durchgeführt wird. Die jährliche Entwicklung zwischen zwei Arbeitskostenerhebungen
wird anhand eines Arbeitskostenindex fortgeschrieben. Die hier veröffentlichten
Ergebnisse beruhen auf der Ende 2010 veröffentlichten Arbeitskostenerhebung 2008.
Der Bericht des Vorjahres (Hölzl – Leoni, 2010) verwendete noch Daten der Erhebung für 2004. Durch Revisionen, den
Umstieg von NACE rev. 1 auf NACE rev. 2 und den Wechsel des Ankerwertes auf 2008
veränderten sich die Zahlen für 2009 gegenüber diesem Bericht für einige Länder
deutlich, insbesondere für Norwegen, Griechenland, Malta und Großbritannien.
Anders als die Arbeitskostenerhebung
beruht der Arbeitskostenindex nicht in allen Ländern auf demselben statistischen
Konzept. Damit ist die internationale Vergleichbarkeit etwas eingeschränkt. Für
Österreich basiert der Index auf Daten aus der Konjunkturerhebung. Übersicht 4 bildet
die auf Basis des revidierten Arbeitskostenindex ermittelten Arbeitskosten für die
gesamte Periode 2004/2009 und somit die zurückrevidierte Zeitreihe ab.
Der internationale Vergleich
der Arbeitskosten je Stunde ist für die Jahre 2009 und 2010 mit besonderer Vorsicht
zu interpretieren: Einerseits wird die Auswirkung der Kurzarbeit auf die Entwicklung
der Arbeitskosten in der österreichischen Konjunkturerhebung nicht vollständig abgebildet
– der von der öffentlichen Hand getragene Teil der
Zusatzkosten bleibt in der Erhebung unberücksichtigt. Andererseits liegen keine
Informationen darüber vor, wieweit sich Kurzarbeit oder andere arbeitsmarktpolitische
Maßnahmen im Zuge der Wirtschaftskrise in den Arbeitskostendaten der anderen Länder
niederschlagen.
|
Abbildung 4: Arbeitskosten
je Stunde in der Sachgütererzeugung 2010 |
In €, Österreich = 100 |
|
Q: Eurostat (Arbeitskräfteerhebung 2008; Arbeitskostenindex),
WIFO-Berechnungen. |
|
|
|||||||
Übersicht 5: Arbeitskosten
je Stunde in der Sachgütererzeugung |
|||||||
|
|||||||
2004 |
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
|
In € |
|||||||
|
|||||||
Bulgarien |
1,4 |
1,5 |
1,6 |
1,8 |
2,2 |
2,5 |
2,6 |
Rumänien |
1,5 |
1,9 |
2,4 |
3,0 |
3,3 |
3,2 |
3,5 |
Lettland |
2,4 |
2,6 |
3,3 |
4,3 |
5,2 |
5,2 |
5,0 |
Litauen |
2,8 |
3,1 |
3,7 |
4,6 |
5,5 |
5,2 |
5,1 |
Polen |
3,8 |
4,6 |
5,0 |
5,8 |
6,8 |
5,8 |
6,4 |
Ungarn |
5,5 |
6,0 |
6,1 |
7,0 |
7,5 |
6,9 |
7,0 |
Estland |
4,0 |
4,5 |
5,2 |
6,3 |
7,2 |
7,2 |
7,2 |
Slowakei |
5,6 |
6,3 |
6,7 |
7,2 |
7,6 |
8,0 |
8,0 |
Tschechien |
5,4 |
5,9 |
6,6 |
7,3 |
8,7 |
8,8 |
9,3 |
Portugal |
8,9 |
9,1 |
9,1 |
9,6 |
9,9 |
10,2 |
10,5 |
Malta |
10,1 |
10,3 |
11,0 |
11,1 |
11,3 |
12,0 |
11,8 |
Zypern |
10,7 |
11,1 |
11,5 |
11,7 |
12,4 |
12,7 |
13,0 |
Slowenien |
9,5 |
10,2 |
10,6 |
11,1 |
12,3 |
13,0 |
13,4 |
Griechenland |
16,5 |
14,4 |
14,7 |
15,3 |
15,8 |
16,3 |
16,6 |
Großbritannien |
21,8 |
22,3 |
23,4 |
24,0 |
21,5 |
19,6 |
21,0 |
Spanien |
17,1 |
17,8 |
18,5 |
19,4 |
20,3 |
21,4 |
21,6 |
EU 27 |
19,3 |
19,8 |
20,5 |
21,1 |
22,0 |
22,7 |
23,0 |
EU 25 |
20,7 |
21,2 |
21,9 |
22,6 |
23,5 |
24,2 |
24,5 |
Italien |
21,0 |
21,6 |
22,1 |
22,8 |
24,0 |
25,7 |
25,8 |
Luxemburg |
25,6 |
25,5 |
26,3 |
27,2 |
28,3 |
30,2 |
30,2 |
Österreich |
26,1 |
26,9 |
27,5 |
28,4 |
30,0 |
31,5 |
31,1 |
Niederlande |
27,1 |
27,4 |
28,2 |
29,0 |
30,3 |
31,1 |
31,4 |
Deutschland |
31,1 |
31,3 |
32,2 |
32,4 |
33,4 |
34,1 |
34,1 |
Frankreich |
28,3 |
29,5 |
30,7 |
31,9 |
33,2 |
33,3 |
34,6 |
Dänemark |
30,6 |
31,2 |
32,1 |
33,4 |
34,8 |
35,7 |
36,6 |
Schweden |
32,0 |
32,4 |
32,7 |
34,4 |
34,5 |
32,8 |
37,2 |
Norwegen |
28,4 |
31,1 |
32,9 |
35,6 |
36,9 |
36,5 |
41,4 |
Belgien |
32,2 |
33,3 |
34,1 |
35,6 |
36,7 |
38,5 |
. |
Irland |
. |
. |
. |
. |
28,1 |
. |
. |
Finnland |
. |
. |
. |
. |
30,1 |
. |
. |
Q: Eurostat (Arbeitskräfteerhebung 2008; Arbeitskostenindex),
WIFO-Berechnungen. |
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|
Ederer, St., "Ungleichgewichte
im Euro-Raum", WIFO-Monatsberichte, 2010, 83(7), S. 589-602, http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/40116.
Hölzl, W., Leoni,
Th., "Internationale Lohnstückkostenposition 2009 durch Wirtschaftskrise stark
beeinflusst", WIFO-Monatsberichte, 2010, 83(9), S. 753-766, http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/40506.
Köhler-Töglhofer,
W., Magerl, Ch., Mooslechner, P., "Tendenziell verbesserte Wettbewerbsfähigkeit
der österreichischen Volkswirtschaft in der Wirtschafts- und Währungsunion: Neuberechnung
des Indikators der Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft", OeNB,
Geldpolitik & Wirtschaft, 2006, (4), S. 1-28.
Mooslechner, P.,
"Abnehmende Inflationsdifferenz verstärkt real-effektive Schillingaufwertung.
Neuberechnung der WIFO-Wechselkursindizes", WIFO-Monatsberichte, 1995, 68(9),
S. 580-592, http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/206.
Scheiblecker, M.,
et al., "Österreichs Wirtschaft im Jahr 2010: Deutliche Erholung des Außenhandels",
WIFO-Monatsberichte, 2011, 84(4), S. 253-316, http://www.wifo.ac.at/wwa/pubid/41606.
|
Unit Labour Cost Situation Improved in 2010 Due to Upswing – Summary |
Relative unit labour costs vis-à-vis trading partners are an important indicator of international competitiveness in the manufacturing sector. Unit labour costs are the main determinant for prices and consequently also for the competitiveness of a given sector or the economy as a whole, although qualitative competitiveness factors play a decisive role as well. In the Austrian manufacturing sector, the evolution of unit labour costs relative to trading partners in recent years has not only been determined by structural factors (such as patterns of specialisation) but – even more – by the business cycle. During the financial and economic crisis of 2008-09, production shrank at a faster rate than employment, thereby impairing productivity in the export-intensive manufacturing sector. Since labour productivity is a major determinant of unit labour costs, the latter increased sharply. In the course of the subsequent recovery, productivity rose and unit labour costs fell. Due to these cyclical patterns, a long-term observation of unit labour cost developments is usually more meaningful. Unit labour costs in the Austrian manufacturing sector decreased by 5.5 percent in 2010. This was slightly less than the rates achieved by trading partners in the EU (–5.9 percent) and in Germany (–7.9 percent). Relative unit labour costs consequently increased. However, during the period of 2005-2010 relative unit labour costs sank both vis-à-vis EU trading partners (–0.8 percent p.a. on average) and Germany (–1.1 percent). Since the establishment of the European Monetary Union, unit labour costs in the manufacturing sector have developed differently across member countries. In Ireland and Finland, they decreased markedly over the period of 2000-2010 and more or less stagnated in Germany, Austria and the Netherlands. In contrast, they increased in Greece, Italy, Spain and Portugal. This resulted in a dramatic shift in competitiveness within the euro area which constrains the economic recovery and destabilises the EMU. |
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[a]) Eine ausführlichere Diskussion der Lohnstückkosten als Wettbewerbsindikator findet sich in Hölzl - Leoni (2010).
[b]) Eine ausführliche Diskussion der Ursachen und Entstehung von Leistungsbilanzungleichgewichten im Euro-Raum und der Wettbewerbsfähigkeit auf gesamtwirtschaftlicher Ebene bietet Ederer (2010).