WIFO

 

Stabilisierung des verhaltenen Aufschwungs in den MOEL

 

Das Wirtschaftswachstum belebt sich in den mittel- und osteuropäischen Ländern (MOEL) langsam, bleibt jedoch schwächer als vor der Wirtschaftskrise. Einige der kleinen, offenen Volkswirtschaften der Region wahrten durch Abwertung oder auch Produktivitätssteigerung ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Der überwiegend starke Exportaufschwung trug zur Erholung der Industrieproduktion bei. Aufgrund der dynamischen Ausfuhrentwicklung und der Schwäche der Inlandsnachfrage verringerten sich die Leistungsbilanzdefizite 2010 weiter; in den kommenden Jahren ist allerdings wieder mit einem leichten Anstieg zu rechnen. Mit der Verbesserung der Kapazitätsauslastung werden die Anlageninvestitionen 2011 in allen MOEL ausgeweitet. Auch die Nachfrage der privaten Haushalte wächst, allerdings eher verhalten. Die weltweite Verteuerung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen bewirkt auch in den MOEL eine Inflationsbeschleunigung. Der Kreditmarkt leidet in den MOEL nach wie vor unter einer Kreditklemme und einem relativ großen Anteil uneinbringlicher Kredite. In den meisten MOEL schwenkte die Budgetpolitik 2010 auf einen ausgabenseitigen Konsolidierungspfad. Aufgrund des mäßigen Wirtschaftswachstums wird die Beschäftigung erst ab 2012 so stark zunehmen, dass die Arbeitslosigkeit merklich sinkt.

 

Der vorliegende Bericht wurde im Wiener Institut für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) erstellt. • Begutachtung: Peter Havlik • Wissenschaftliche Assistenz: Beate Muck, Monika Schwarzhappel, Barbara Swierczek • E-Mail-Adressen: astrov@wiiw.ac.at, holzner@wiiw.ac.at, leitner@wiiw.ac.at

 

INHALT

Unterschiedliche Wege aus der Krise

Aufschwung bleibt verhalten

Wettbewerbsfähigkeit für offene Volkswirtschaften unter den MOEL wichtig

Aufwärtstendenz in Produktion und Handel

Leistungsbilanzdefizite verringert

Binnennachfrage erholt sich 2011

Inflationsbeschleunigung

Kreditklemme hält an

Rückgang der krisenbedingten Budgetdefizite

Lage auf dem Arbeitsmarkt weiterhin angespannt

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Prognose für 2011 bis 2013. 5

Übersicht 2: BIP und Preisniveau 2010 im internationalen Vergleich. 7

Übersicht 3: Leistungsbilanz und Unterbilanzen. 18

Übersicht 4: Konsum und Investitionen. 19

Übersicht 5: Finanzierungssaldo des Staates und Staatsschuldenquote. 21

Abbildung 1: Wirtschaftswachstum und Offenheitsgrad der Volkswirtschaft 4

Abbildung 2: Wirtschaftswachstum und die industrielle Basis. 4

Abbildung 3: Nominelle und reale Wechselkursentwicklung Länder mit flexiblem Wechselkurs. 9

Abbildung 4: Nominelle und reale Wechselkursentwicklung Länder in der Währungsunion oder mit fixer Euro-Anbindung  11

Abbildung 5: Lohnstückkosten in der Industrie. 13

Abbildung 6: Industrieproduktion. 14

Abbildung 7: Warenexporte. 16

Abbildung 8: Beitrag der Energie- und Nahrungsmittelpreise zur Inflation in den 10 neuen EU-Ländern. 20

Abbildung 9: Entwicklung der Beschäftigung in den 10 neuen EU-Ländern. 22

 

 

 

Unterschiedliche Wege aus der Krise

Volkswirtschaften mit großem Industriesektor und flexiblen Wechselkursen erholen sich rascher aus der Krise.

Die weltweite Wirtschaftskrise erfasste die mittel- und osteuropäischen Länder (MOEL) unterschiedlich stark. Besonders empfindlich wurden im Jahr 2009 die offenen und stark exportorientierten Volkswirtschaften getroffen: Der Offenheitsgrad, gemessen am Anteil der Exporte von Waren und Dienstleistungen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2008, ist einer der erklärenden Faktoren für die teilweise beträchtliche Kontraktion des BIP (Abbildung 1). Länder mit einem flexiblen Wechselkursregime konnten diesen Wachstumseinbruch aber durch Abwertungen zum Teil abfedern. So sind die einzigen Länder dieser Gruppe, die auch während der Wirtschaftskrise ein Wachstum verzeichneten, zugleich Länder mit flexiblem Wechselkurs (Albanien, Polen und Kasachstan).

2010 setzte eine weltweite Erholung der Exportmärkte ein; zugleich zogen die Rohstoffpreise an. Davon profitierten insbesondere die Länder mit breiter industrieller Basis, die damit ausreichend Rohstoffe und verarbeitete Produkte anbieten konnten (Abbildung 2). Noch größer als im Jahr zuvor war der Vorteil des flexiblen Wechselkursregimes: Acht von zehn Ländern, deren Wirtschaft 2010 um 1,5% oder mehr wuchs, betreiben ein flexibles Wechselkursregime. Die Wachstumsrate der MOEL mit flexiblem Wechselkursregime war durchschnittlich um 2,5 Prozentpunkte höher als die der Länder mit fixem Wechselkursregime, von denen einige noch in der Rezession oder Stagnation verharren. Diese Beziehung ist statistisch signifikant und erklärt rund ein Viertel der Variabilität des BIP-Wachstums 2010.

Aufschwung bleibt verhalten

Im Aufschwung beschleunigt sich das Wachstum in den MOEL 2011/2013, bleibt aber geringer als vor der Krise.

Der positive Einfluss einer breiten industriellen Basis und eines flexiblen Wechselkurses auf die Entwicklung der Gesamtwirtschaft bleibt 2011 aufrecht, wenn auch in geringerem Umfang und statistisch kaum signifikant. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der Slowakei und der baltischen Länder verbesserte sich im Laufe des Jahres 2010 trotz fixer Wechselkurse, in erster Linie weil die Produktivität durch den starken Beschäftigungsabbau stieg. Mit durchschnittlich rund +3% (Übersicht 1) wächst das BIP 2011 in den 10 neuen EU-Ländern um 1,3 Prozentpunkte schwächer als 2008 in diesem Jahr litten einige Länder bereits unter den Folgen von hausgemachten Krisen wie z. B. dem Platzen von Immobilienpreisblasen. Die hohen Wachstumsraten von Mitte der 2000er-Jahre werden in der Region mittelfristig nicht wieder erreicht, auch 2012 und 2013 wird das Wachstum unter 4% bleiben. Eine Ausnahme bilden Kasachstan, Russland und die Ukraine, welche von anhaltend hohen Erdöl- und Metallpreisen profitieren können.

 

Abbildung 1: Wirtschaftswachstum und Offenheitsgrad der Volkswirtschaft

Q: wiiw-Berechnungen.

 

 

 

Abbildung 2: Wirtschaftswachstum und die industrielle Basis

Q: wiiw-Berechnungen.

 

Der Wachstumseinbruch 2009 und der verhaltene Aufschwung 2010 verlangsamten den Aufholprozess der MOEL gegenüber dem EU-Durchschnitt. Das BIP pro Kopf zu Kaufkraftparitäten der zehn neuen EU-Länder erhöhte sich 2008/2010 trotzdem geringfügig auf 60% des Durchschnitts der EU 27 (Übersicht 2), und zwar vor allem wegen der günstigen Entwicklung der großen Volkswirtschaft von Polen. Zugleich sank das relative Preisniveau 2008/2010 um 5 Prozentpunkte auf 61% des EU-Durchschnitts. Dies war die Folge von Abwertungen in den MOEL mit flexiblen Wechselkursen und von Deflation in manchen Ländern mit besonders geringer heimischer Nachfrage nach starkem Beschäftigungsabbau.

Übersicht 1: Prognose für 2011 bis 2013

 

Bruttoinlandsprodukt, real

Verbraucherpreise1)

Arbeitslosenquote2)

2009

2010

2011

2012

2013

2009

2010

2011

2012

2013

2009

2010

2011

2012

2013

Veränderung gegen das Vorjahr in %

In %

 

10 neue EU-Länder

3,6

+2,1

+3,0

+3,7

+3,8

+3,3

+3,0

+3,6

+3

+2,9

8,5

10,2

9,8

8,8

8,0

Bulgarien

5,5

+0,2

+2,5

+3

+3

+2,5

+3,0

+4

+4

+4

6,8

10,2

9

8

7

Estland

13,9

+3,1

+4,5

+4,5

+4,5

+0,2

+2,7

+5

+4,5

+4,5

13,8

16,9

13,5

10,5

9

Lettland

18,0

0,3

+3,4

+3,6

+4

+3,3

1,2

+4

+3,5

+3,5

17,1

18,5

16

14

12

Litauen

14,7

+1,3

+3,3

+3,8

+4

+4,2

+1,2

+3,2

+3,5

+3,0

13,7

17,8

15

13,5

13

Polen

+1,7

+3,8

+3,8

+4,2

+4,3

+4,0

+2,7

+3,5

+2,5

+2,5

8,2

10,5

10

8,5

7,5

Rumänien

7,1

1,3

+2,0

+4

+3

+5,6

+6,1

+5,5

+4

+4

6,9

7,3

7,6

7

7

Slowakei

4,8

+4,0

+4,0

+4

+5

+0,9

+0,7

+2

+3

+3

12,0

14,4

14

13

12

Slowenien

8,1

+1,2

+2,0

+2,5

+3

+0,9

+2,1

+2,8

+2,5

+2,5

5,9

7,3

7,5

7

6,5

Tschechien

4,2

+2,3

+2,2

+2,5

+3,7

+0,6

+1,2

+2,0

+2,0

+2,0

6,7

7,3

7,5

7,0

6,5

Ungarn

6,7

+1,2

+2,5

+3

+3

+4,2

+4,7

+3,9

+3,5

+3,5

10,0

11,2

10,5

10,0

9,5

 

EU 27

4,2

+1,8

+1,8

+2,1

.

+1,0

+2,1

+2,1

+1,8

.

9,0

9,6

9,6

9,2

.

 

Kroatien

6,0

1,2

+1

+2

+3

+2,4

+1,1

+2,5

+2

+2,5

9,1

12,0

11,5

10

9,5

Mazedonien

0,9

+0,7

+2

+3

+3

0,8

+1,6

+3,1

+3

+3

32,2

32,0

33

33

33

Montenegro

5,7

1,0

+2

+3

+3

+3,4

+0,5

+3,1

+3

+3

19,3

20

20

20

20

Türkei

4,8

+8,9

+5,5

+5,0

+5,0

+6

+8,6

+6,0

+6,0

+6,0

12,7

10,9

9,9

10

10

 

Albanien

+3,3

+4,0

+3,2

+4

+5

+2,3

+3,5

+3

+3

+4

13,8

15

15

14

13

Bosnien und Herzegowina

2,9

+0,8

+2,2

+3

+3

0,4

+2,1

+1

+1

+1

24,1

27,2

27

27

26,0

Serbien

3,1

+1,8

+2,5

+3

+3

+8,6

+6,5

+7

+6

+6

16,1

19,2

20

20

20

 

Kasachstan

+1,2

+7,0

+6

+5

+5

+7,3

+7,4

+7

+6,5

+6,5

6,6

5,8

6

5,5

5,5

Russland

7,8

+4,0

+4,1

+4,2

+4,3

+11,8

+7,1

+7

+5

+5

8,4

7,5

7,3

7

6,8

Ukraine

14,8

+4,2

+4,5

+5

+5

+15,9

+9,4

+10

+8

+7

8,8

8,1

8,6

8,4

8,2

Q: Nationale Statistiken; Eurostat; Europäische Kommission, "Economic Forecasts", Herbst 2010; vorläufige Zahlen. 2011/2013: Prognose des wiiw. 1) Jahresdurchschnitt. 2) Gemäß Labour Force Survey (Mikrozensus), Jahresdurchschnitt.

Wettbewerbsfähigkeit für offene Volkswirtschaften unter den MOEL wichtig

Der Erhalt der preislichen Wettbewerbsfähigkeit ist für die kleinen, offenen Volkswirtschaften unter den MOEL wichtig; in der Krise wurde er in vielen Fällen durch Abwertung, aber auch durch Produktivitätssteigerung gesichert.

Ein guter Indikator für die Entwicklung des Preisniveaus und damit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit ist der reale Wechselkurs (Abbildungen 3 und 4). Die meisten Länder mit flexiblem Wechselkursregime erreichten durch nominelle Abwertung insbesondere Ende 2008 und Anfang 2009 auch eine reale Abwertung oder zumindest Stabilisierung des Wechselkurses. Ausnahmen sind Russland und die Ukraine: Als Energie- und Metallexporteure beeinträchtigte die reale Aufwertung ihre Wirtschaft dank steigender Rohstoffpreise nicht. Die meisten MOEL mit fixem Wechselkursregime verzeichneten hingegen tendenziell eine reale Aufwertung und damit einen Verlust an Wettbewerbsfähigkeit.

Ähnlich wurde auch die Entwicklung der relativen Lohnstückkosten in der Industrie (Abbildung 5) durch flexible Wechselkurse abgefedert. Trotz fixer Wechselkurse blieben aber die relativen Lohnstückkosten der Slowakei und Litauens durch starke Produktivitätssteigerungen nach erheblichem Beschäftigungsabbau niedrig.

Aufwärtstendenz in Produktion und Handel

Das starke Exportwachstum trägt zur Erholung der Industrieproduktion bei.

Die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit spiegelt sich auch in der Dynamik von Industrieproduktion und Handel. Nach einem Einbruch zum Jahreswechsel 2008/09 erholte sich die Bruttoindustrieproduktion in den MOEL kräftig (Abbildung 6). Sie erreichte zuletzt das Vorkrisenniveau in den meisten Ländern mit flexiblem Wechselkurs, aber auch in der Slowakei und in Litauen.

Getragen wird die Industriekonjunktur im Aufschwung durch die lebhafte Expansion der Warenexporte, die in den meisten MOEL das Vorkrisenniveau nominell wieder erreicht oder sogar wesentlich überschritten haben (Abbildung 7). Nur in Montenegro sind die Exporte noch etwas niedriger als vor der Wirtschaftskrise, da der größte Exportbetrieb des Landes, das Aluminiumkombinat Podgorica, an betriebswirtschaftlichen Problemen leidet. Gegenüber dem Niveau von Anfang 2008 steigerten Rumänien, die Ukraine, Serbien und Albanien als die Länder mit flexiblem Wechselkurs und Litauen als Land mit fixem Wechselkurs den Export in der Periode Juni 2010 bis März 2011 um mehr als ein Drittel.

Übersicht 2: BIP und Preisniveau 2010 im internationalen Vergleich

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt

Preisniveau

Zu laufenden Wechselkursen

Zu Kaufkraftparitäten

Real

Real

Relativ zur EU 27

Mrd. €

Pro Kopf, EU 27 = 100

1990 = 1001)

2000 = 100

Kaufkraftparität in % des Wechselkurses

 

10 neue EU-Länder

917,1

1.499,9

60

160,5

143,2

61

Bulgarien

36,0

80,6

44

127,2

148,9

45

Estland

14,5

21,2

65

140,1

145,9

68

Lettland

18,0

28,0

51

100,5

143,2

64

Litauen

27,4

44,5

55

110,4

153,3

62

Polen

353,7

577,7

62

188,0

146,5

61

Rumänien

121,9

235,7

45

131,4

149,2

52

Slowakei

65,9

99,3

75

163,0

159,7

66

Slowenien

36,1

43,8

88

157,2

130,8

82

Tschechien

145,1

210,5

82

140,4

136,9

69

Ungarn

98,4

158,5

65

127,9

120,5

62

 

Kroatien

45,9

67,6

62

110,5

130,3

68

Mazedonien

6,9

17,7

34

115,1

126,2

39

Montenegro

3,0

6,2

40

.

137,8

48

Türkei

553,5

867,3

49

208,6

145,7

64

 

Albanien

8,9

22,0

28

198,0

171,7

40

Bosnien und Herzegowina

12,6

25,0

27

.

142,9

50

Serbien

29,2

65,9

37

.

150,4

44

 

Russland

1.115,1

1.809,6

52

107,2

159,5

62

Ukraine

103,9

249,1

22

65,8

152,4

42

 

EU 27

12.239,4

12.239,4

100

143,0

115,4

100

EU 15

11.297,9

10.718,0

110

140,1

112,3

105

Deutschland

2.498,8

2.377,9

119

131,2

106,6

105

Österreich

284,0

257,8

126

149,2

116,4

110

Griechenland

230,2

242,6

88

159,4

126,4

95

Portugal

172,5

208,9

80

144,5

106,9

83

Spanien

1.062,6

1.140,8

102

165,2

122,8

93

 

USA

11.058,6

11.203,0

148

165,3

118,2

99

Japan

4.122,3

3.290,8

106

120,7

107,1

125

Q: Nationale Statistiken, Eurostat. 1) Polen: 1989 = 100.

Leistungsbilanzdefizite verringert

Aufgrund der Exportsteigerung und der Schwäche der Inlandsnachfrage verringerten sich die Leistungsbilanzdefizite der MOEL 2010. In den kommenden Jahren ist wieder mit einem leichten Anstieg zu rechnen.

Die Verbesserung der Exportnachfrage sowie die teils anhaltende Schwäche von privatem Konsum und Investitionen hatten 2010 gemeinsam mit hohen Kapitalkosten eine weitere Verringerung der Leistungsbilanzdefizite der MOEL zur Folge (Übersicht 3). Dieser Rückgang betraf insbesondere die Länder mit fixem Wechselkurs und gedämpftem Wirtschaftswachstum. Die mäßige Wachstumsbeschleunigung wird mit einem leichten Anstieg der Leistungsbilanzdefizite einhergehen. Die Handelsbilanz bleibt in den meisten MOEL der größte Defizitposten. Überschüsse werden insbesondere in der Dienstleistungsbilanz und der Bilanz der laufenden Transfers erwirtschaftet.

Binnennachfrage erholt sich 2011

Mit der Zunahme der Kapazitätsauslastung werden die Anlageninvestitionen in allen MOEL wieder ausgeweitet. Auch die Nachfrage der privaten Haushalte wächst, allerdings verhalten.

Im Gegensatz zum dynamischen Anstieg der Exporte stagnierte oder sank die Binnennachfrage in der Mehrzahl der MOEL auch noch 2010 (Übersicht 4). Unter den 10 neuen EU-Ländern leistete die Nachfrage der privaten Haushalte nur in Polen einen bedeutenden Wachstumsbeitrag. In den Westbalkanländern lieferte sie in Albanien, Mazedonien und Serbien mit real +2% bis +3% p. a. ebenfalls einen Impuls. In den GUS-Ländern Kasachstan, Russland und Ukraine sowie der Türkei sprang die Binnenkonjunktur bereits Ende 2009 an. Aufgrund der noch niedrigen Kapazitätsauslastung und des Rückgangs der Bauproduktion sanken die Anlageninvestitionen in den MOEL 2010 neuerlich (in einigen neuen EU-Ländern bereits das dritte Jahr in Folge). Im Gegensatz schlug sich in der Türkei die Niedrigzinspolitik der Nationalbank in einem Investitionsboom nieder (+30%).

 

Abbildung 3: Nominelle und reale Wechselkursentwicklung Länder mit flexiblem Wechselkurs

Jänner 2008 = 100

Q: wiiw-Monatsdatenbank basierend auf nationalen Statistiken, Eurostat. 1) Deflationiert mit dem Produzentenpreisindex.

 

 

 

Abbildung 4: Nominelle und reale Wechselkursentwicklung Länder in der Währungsunion oder mit fixer Euro-Anbindung

Jänner 2008 = 100

Q: wiiw-Monatsdatenbank basierend auf nationalen Statistiken, Eurostat. 1) Deflationiert mit dem Produzentenpreisindex.

 

Die Expansion des Außenhandels und teils der Lageraufbau, die 2010 die Erholung der Gesamtwirtschaft in den MOEL stützten, werden in den kommenden Jahren weniger Impulse liefern. 2011 werden dank der guten Industriekonjunktur die Anlageninvestitionen in allen MOEL anspringen. Die leichte Verbesserung der Arbeitsmarktsituation wird verbunden mit einem geringen Anstieg der Reallöhne auch die Nachfrage der privaten Haushalte leicht aufleben lassen. In Polen, Albanien und der Türkei sowie in den drei GUS-Ländern sind von der Binnennachfrage jedoch wesentlich stärkere Impulse zu erwarten. In den Jahren 2012 bis 2013 wird die Binnennachfrage in den MOEL allgemein an Dynamik gewinnen. Daher ist mit einer Beschleunigung des Importwachstums zu rechnen.

 

Abbildung 5: Lohnstückkosten in der Industrie

Auf Euro-Basis, September 2008 = 100, gleitender Dreimonatsdurchschnitt

Q: wiiw-Monatsdatenbank basierend auf nationalen Statistiken, Eurostat, wiiw-Berechnungen.

 

Inflationsbeschleunigung

Die Verteuerung von Nahrungsmitteln und Rohstoffen bewirkt eine Inflationsbeschleunigung.

Der weltweite Anstieg der Lebensmittel- und Rohstoffpreise, der zum Teil auf Missernten und die jüngsten Unruhen in Nordafrika, aber auch auf Spekulationen zurückzuführen ist, schlug sich in den ersten Monaten 2011 auch in den meisten MOEL in einer Inflationsbeschleunigung nieder. Diese fiel in der Regel in den ärmeren Ländern am stärksten aus, in denen Nahrungsmittel im Verbraucherwarenkorb überdurchschnittliches Gewicht haben (z. B. Rumänien, Ukraine, Serbien). In mehreren MOEL verstärkte auch die Anhebung indirekter Steuern und staatlich geregelter Tarife im Zuge der Budgetkonsolidierung den Preisauftrieb.

Die jüngste Inflationsbeschleunigung ist somit hauptsächlich durch angebotsseitige Faktoren bedingt und erfordert daher im Allgemeinen keine restriktivere Geldpolitik. Kürzlich hoben Polen, Ungarn, Serbien, Russland und die Europäische Zentralbank die ja für die Euro-Länder Estland, Slowenien und die Slowakei maßgebend ist die Leitzinssätze an. In Russland und Serbien erscheint die Maßnahme nicht zuletzt dadurch gerechtfertigt, dass sie den Kapitalabfluss zumindest teilweise konterkarieren könnte. In den anderen Ländern ist jedoch der restriktivere geldpolitische Kurs unter den aktuellen Umständen kritischer zu bewerten.

 

Abbildung 6: Industrieproduktion

Jönner 2008 = 100, NACE Rev. 2

Q: wiiw-Monatsdatenbank basierend auf nationalen Statistiken, Eurostat. Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Russland, Serbien, Ukraine: NACE Rev. 1.

 

Kreditklemme hält an

In den meisten MOEL leidet der Finanzsektor nach wie vor unter der anhaltenden Kreditklemme und einem hohen Anteil fauler Kredite. Hingegen könnte der Kreditboom in der Türkei auf die Gefahr einer Überhitzung hindeuten.

Die in vielen MOEL anhaltende Nachfrageschwäche resultiert nicht zuletzt daraus, dass die Geschäftsbanken dieser Länder (mit Ausnahme der Türkei und teilweise Polens) nach wie vor nur zögerlich Kredite vergeben. Dies ist im Wesentlichen auf die hohe Risikoeinschätzung bei der Kreditvergabe und die damit verbundenen ungünstigen Kreditkonditionen zurückzuführen sogar in den Ländern, deren Leitzinssätze extrem niedrig sind, wie z. B. Tschechien. Die hohe Risikoeinschätzung der Banken ist vor allem durch den unverändert großen oder sogar steigenden Anteil fauler Kredite bedingt. Dies erfordert in vielen Fällen eine (weitere) Rekapitalisierung des Bankensektors, die z. B. in Slowenien, der Ukraine und Kasachstan zum großen Teil der Staat übernimmt.

Im Gegensatz zu den meisten anderen MOEL verzeichnet die Türkei ähnlich wie Polen derzeit einen beträchtlichen Kapitalzufluss. Der dadurch mitfinanzierte Kreditboom deutet womöglich auf die Gefahr einer Überhitzung hin. Allerdings konnte die jüngste Lockerung der Geldpolitik den spekulativen Kapitalzufluss etwas dämpfen und ermöglichte eine leichte Abwertung, die vor allem dem Exportsektor zugute kam.

 

Abbildung 7: Warenexporte

Jönner 2008 = 100, auf Euro-Basis

Q: wiiw-Monatsdatenbank basierend auf nationalen Statistiken, Eurostat.

 

Rückgang der krisenbedingten Budgetdefizite

Die meisten MOEL begannen 2010 Maßnahmen zur ausgabenseitigen Konsolidierung des Staatshaushalts zu setzen.

Weltweit und auch in den MOEL verschlechterte sich die Situation der öffentlichen Haushalte aufgrund der Wirtschaftskrise erheblich. Das Niveau der öffentlichen Verschuldung ist allerdings in den MOEL wesentlich niedriger als in der EU 15, der fiskalische Spielraum somit um einiges größer. Einzig in Ungarn lag die Staatsschuldenquote Ende 2010 mit 80,2% über der Maastricht-Grenze von 60% des BIP. Der Anstieg der Budgetdefizite in den MOEL (Übersicht 5) war jedoch nur in geringem Maß auf den aktiven Einsatz konjunkturstützender Maßnahmen zurückzuführen, sondern überwiegend auf Einnahmenausfälle und das Wirken der automatischen Stabilisatoren, insbesondere im Bereich der Sozialausgaben. In nahezu allen neuen EU-Ländern wurden 2010 Maßnahmen zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte eingeleitet. Das durchschnittliche Defizit der 10 neuen EU-Länder sank im Jahr 2010 (ungewichtet) um mehr als 1 Prozentpunkt auf 5,5% des BIP. Diese Entwicklung ist in erster Linie auf Ausgabensenkungen zurückzuführen. Einige Länder weisen noch ein höheres Budgetdefizit aus (Polen, Slowakei 7,9% des BIP, Lettland 7,7%, Litauen 7,1%, Rumänien 6,4%, Slowenien 5,6%). In Estland, das heuer in die Währungsunion eingetreten ist, brachten stark restriktive Maßnahmen sogar einen knappen Budgetüberschuss von 0,1% des BIP. Impulse setzte die Fiskalpolitik nur in Polen durch eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen in die Bahn- und Straßeninfrastruktur sowie durch Infrastrukturinvestitionen für die Fußball-Europameisterschaft 2012. In den Westbalkanländern blieben die Budgetdefizite 2010 trotz des sehr geringen Wirtschaftswachstums bzw. der anhaltenden Rezession mit Ausnahme Kroatiens unter 5% des BIP. In der Türkei, Russland und in Kasachstan sank das Defizit aufgrund des starken Wachstums auf 4%, 3,6% bzw. 2,7% des BIP.

Übersicht 3: Leistungsbilanz und Unterbilanzen

 

Leistungsbilanz

Güter

Dienstleistungen

Einkommen

Laufende Transfers

Direktinvestitionen, netto

Portfolioinvestitionen, netto

Sonstige Investitionen, netto

Offizielle Währungsreserven, netto

Statistische Differenz einschließlich anderer Teilbilanzen

2009

2010

2010

In % des BIP

 

Bulgarien

8,9

1,0

6,7

5,3

3,9

4,3

4,1

1,8

2,1

1,1

0,1

Estland

4,5

3,6

1,5

9,0

5,4

1,4

6,2

3,0

15,7

5,7

3,1

Lettland

8,6

3,6

6,4

6,2

0,2

3,6

1,4

0,8

1,0

4,0

0,8

Litauen

4,3

1,8

4,3

3,6

2,5

5,1

1,4

5,1

8,9

1,9

2,5

Polen

2,2

3,4

1,7

0,7

3,7

1,3

1,1

5,7

1,9

3,3

2,0

Rumänien

4,2

4,1

4,8

0,5

1,5

2,8

2,1

0,9

4,4

2,7

0,6

Slowakei

3,2

3,4

0,2

1,1

1,9

0,6

0,2

1,8

1,0

0,0

4,0

Slowenien

1,5

1,1

2,7

2,9

1,7

0,3

1,4

5,4

5,0

0,1

0,7

Tschechien

3,2

3,8

1,4

1,8

7,0

0,0

2,6

4,3

1,8

1,1

0,2

Ungarn

0,4

2,1

4,7

2,4

5,5

0,4

0,6

0,1

0,1

3,1

0,3

 

Kroatien

5,5

1,4

12,9

12,6

3,5

2,4

1,3

0,5

1,7

0,2

1,9

Mazedonien

6,7

2,8

21,3

0,9

2,2

19,8

3,2

0,9

1,0

0,6

0,1

Montenegro

30,0

26,6

43,8

14,9

0,7

3,0

18,1

6,3

11,5

0,3

13,5

Türkei

2,3

6,6

7,7

2,0

1,1

0,2

1,0

2,2

4,62

1,8

0,5

 

Albanien

15,5

11,9

23,5

2,1

0,9

10,4

9,5

2,5

2,5

2,0

4,5

Bosnien und Herzegowina

6,2

5,2

25,7

4,1

2,9

13,5

0,1

0,5

4,9

0,9

1,6

Serbien

7,2

7,1

16,4

0,0

2,3

11,5

2,9

0,1

0,7

3,2

0,2

 

Russland

4,0

4,8

10,3

1,9

3,3

0,3

0,7

0,1

0,9

2,5

0,6

Ukraine

1,5

2,1

6,3

3,5

1,5

2,2

4,2

3,1

0,2

6,1

1,1

Q: Nationale Statistiken, Eurostat; vorläufige Zahlen.

 

 

 

Übersicht 4: Konsum und Investitionen

 

Konsumausgaben der privaten Haushalte

Bruttoanlageinvestitionen

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Veränderung gegen das Vorjahr in %, real

Veränderung gegen das Vorjahr in %, real

 

10 neue EU-Länder

+4,9

3,6

+0,7

+2,4

+3,5

+3,5

+7,6

12,3

5,8

+4,3

+6,3

+7,0

Bulgarien

+3,4

7,6

1,3

+3

+3

+3

+21,9

17,6

16,5

+9

+8

+8

Estland

5,5

18,8

1,9

+2

+3

+3,5

15,0

32,9

9,2

+10

+8

+9

Lettland

5,3

24,1

0,1

+2

+2,5

+2,5

13,5

37,3

19,5

+8,5

+9

+9

Litauen

+3,7

17,7

4,1

+3

+4

+5

5,2

40,0

±0

+10

+9

+8,5

Polen

+5,7

+2,1

+3,3

+3,8

+4,5

+4,5

+9,6

1,1

1,9

+4

+6

+7

Rumänien

+9,0

10,5

1,6

+2

+4

+2,5

+15,6

25,3

13,1

+4

+7

+6

Slowakei

+6,1

+0,3

0,3

+2

+3

+5

+1,0

19,9

+3,7

+5

+8

+8

Slowenien

+2,9

0,5

+0,5

+1

+1,5

+2

+8,5

21,6

6,7

+2

+3

+5

Tschechien

+3,6

0,3

+0,4

+1

+2,5

+3

1,5

7,9

4,6

+2

+4

+6

Ungarn

+0,5

8,1

2,0

+0,5

+1,5

+2,5

+3,2

9,3

6,9

+5

+7

+8

 

EU 15

+0,4

1,5

+0,9

+1,1

+1,4

.

1,4

11,9

0,3

+2,5

+3,9

.

EU 27

+0,7

1,7

+0,8

+1,2

+1,6

.

0,8

12

0,7

+2,8

+4,2

.

 

EU-Beitrittskandidaten

+0,0

2,7

+5,9

+3,4

+2,9

+2,8

4,3

10,9

+2,6

+13,5

+9,8

+9,4

Kroatien

+0,8

8,5

1,5

+0,5

+2

+3

+8,2

11,8

12,0

+2

+5

+5

Mazedonien

+7,4

3,1

+2,5

+2

+3

+3

+5,4

2,0

±0

+3

+4

+4

Montenegro

+7

4

±0

+2

+2

+3

+8

6

2

+2

+2

+5

Türkei

0,3

2,3

+6,6

+3,7

+3,0

+2,8

6,2

19,0

+29,9

+14,9

+10,4

+10,0

 

Potentielle EU-Beitrittskandidaten

+6,1

1,6

+1,7

+2,3

+2,9

+3,3

+9,1

6,0

3,9

+2,3

+4,5

+6,2

Albanien

+6,7

+3,0

+3,0

+5

+7

+9

+9,5

+5,0

7,0

+1

+5

+12

Bosnien und Herzegowina

+5,9

4,2

+0

+1

+2

+2

+10,9

24,0

0

+2

+5

+5

Serbien

+6

2

+2

+2

+2

+2

+8

5

4

+3

+4

+4

 

Kasachstan

+6,3

3

+7

+5

+5

+5

+1,0

+1,9

9

+10

+7

+7

Russland

+10,6

4,8

+3,0

+4,5

+5

+4,5

+10,6

14,4

+6,1

+6

+8

+7

Ukraine

+13,1

14,9

+7,0

+5

+5,5

+6

1,2

50,2

+4,9

+12

+10

+8

Q: Nationale Statistiken, Eurostat. 2010: vorläufige Zahlen. 2011/2013: Prognose des wiiw, EU 15 und EU 27: Prognose der Europäischen Kommission.

 

 

 

Abbildung 8: Beitrag der Energie- und Nahrungsmittelpreise zur Inflation in den 10 neuen EU-Ländern

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Q: Eurostat, wiiw-Berechnungen. 1) Einschließlich Alkohol und Tabak.

 

 

 

Übersicht 5: Finanzierungssaldo des Staates und Staatsschuldenquote

 

Finanzierungssaldo des Staates

Staatsschuldenquote

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2008

2009

2010

2011

2012

2013

In % des BIP

In % des BIP

 

Bulgarien

1,7

4,7

3,2

3

2,5

2

13,7

14,6

16,2

17

18

19

Estland

2,8

1,7

0,1

1,5

1

1

4,6

7,2

6,6

9

8,5

7,5

Lettland

4,2

9,7

7,7

5,5

4

3

19,7

36,7

44,7

53

55

53

Litauen

3,3

9,5

7,1

6

4,5

3

15,6

29,5

38,2

43

45

43

Polen

3,7

7,3

7,9

5,5

4

3

47,1

50,9

55,0

54,2

53,5

52

Rumänien

5,7

8,5

6,4

6

5

4

13,4

23,6

30,8

33

34

35

Slowakei

2,1

8,0

7,9

5,4

5,0

4,5

27,8

35,4

41,0

45,1

47,4

47

Slowenien

1,8

6,0

5,6

5,5

5

4,5

22,5

35,4

38,5

44

48

50

Tschechien

2,7

5,9

4,7

4,6

3,5

3,5

30,0

35,3

38,5

42,1

43

44

Ungarn

3,7

4,5

4,2

3

3

3

72,3

78,4

80,2

74

73

72

 

Kroatien

1,4

4,1

5,7

6,1

5,6

5

28,9

35,3

40,9

45,9

49,9

52

Mazedonien

0,9

2,6

2,5

2

0

1

28,7

32,0

34,0

35

34

33

Montenegro

1,7

3,5

5

3

1

1

26,8

38,0

43,0

44

42

41

Türkei

2,2

6,7

4

3

2

2

39,5

45,4

48,0

49

48

47

 

Albanien

5,5

7,0

3

3

3

7

55,2

61,6

61

61

60

62

Bosnien und Herzegowina

2,2

4,5

4,5

3,5

2,5

2

30,8

33,4

36

38

39

40

Serbien

2,6

4,3

4,8

3

3

2

27,9

32,6

36

36

36

35

 

Kasachstan

2,1

3,1

2,7

2,5

2

1

8,3

12,9

16,2

14

12

12

Russland

4,9

6,3

3,6

2

0

0

5,7

8,3

8,7

10

10

10

Ukraine

1,5

4,1

6

4

3

3

20,0

34,8

39,8

43

43

41

Q: Nationale Statistiken, Eurostat. 2010: vorläufige Zahlen, 2011/2013: Prognose des wiiw.

 

Die Verstärkung der Wirtschaftsdynamik wird in den MOEL in den kommenden drei Jahren die Situation der öffentlichen Haushalte verbessern. Da das Wachstum des privaten Konsums jedoch unter jenem des BIP bleibt, werden die Einnahmen aus indirekten Steuern nur verhalten steigen und die Budgetdefizite eher langsam sinken. In den meisten 10 neuen EU-Ländern wird der Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte die Maastricht-Grenze von 3% des BIP wahrscheinlich 2013 erreichen, in Tschechien, der Slowakei und Slowenien erst später. Nur in Kroatien könnten die ungünstigen Wachstumsaussichten die Senkung des Budgetdefizits unter 5% des BIP in den kommenden drei Jahren erschweren.

Lage auf dem Arbeitsmarkt weiterhin angespannt

Erst ab 2012 ist mit einem spürbaren Beschäftigungswachstum zu rechnen. Die Arbeitslosenquote sinkt daher nur langsam.

Im Zuge der weltweiten Wirtschaftskrise war in den 10 neuen EU-Ländern ein substantieller Abbau an Arbeitsplätzen zu beobachten. Vom III. Quartal 2008 bis zum III. Quartal 2010 ging die Beschäftigung um insgesamt 2,4% zurück. Am größten waren die Einbußen in dieser Periode in den baltischen Ländern mit 13% und in den Westbalkanländern (8,7%). In der Ukraine fiel der Arbeitsplatzabbau mit 3,9% wesentlich geringer aus, als der BIP-Einbruch um über 10% hätte erwarten lassen. In Russland sank die Beschäftigung nur wenig (1,5%), in Kasachstan (+0,4%) und Polen (+1,3%) wurde sie sogar ausgeweitet.

In den 10 neuen EU-Ländern (Abbildung 9) war der Beschäftigungsrückgang vorwiegend auf die verarbeitende Industrie zurückzuführen (Textil- und Bekleidungsindustrie, Maschinenbau, Metallindustrie). Die Krise im Immobiliensektor und im Bereich der Investitionen schlug sich zudem in einem Abbau der Beschäftigung in der Bauwirtschaft nieder. In den Westbalkanländern ging darüber hinaus die Zahl der Arbeitskräfte in der Landwirtschaft deutlich zurück. Hingegen wuchs die Beschäftigung in Polen in allen Dienstleistungssektoren, sogar im Baugewerbe.

 

Abbildung 9: Entwicklung der Beschäftigung in den 10 neuen EU-Ländern

III. Quartal 2008 bis II. Quartal 2010, gewichtete Wachstumsbeiträge

Q: Eurostat, wiiw-Berechnungen.

 

Von der Krise auf dem Arbeitsmarkt sind wieder Jugendliche und schlechter ausgebildete Arbeitskräfte überdurchschnittlich betroffen. So stieg die Arbeitslosenquote der 15- bis 24-Jährigen in den 10 neuen EU-Ländern im Jahresdurchschnitt 2010 auf 24% (EU 15: 20%). In den Westbalkanländern hatte die Jugendarbeitslosigkeit bereits vor der Wirtschaftskrise ein kritisches Niveau erreicht; 2009 und 2010 stieg sie weiter auf 31,5% (Kroatien) bis fast 60% (Bosnien-Herzegowina). In der Türkei war die Arbeitslosenquote der Jugendlichen 2010 ähnlich hoch wie im EU-Durchschnitt. In Russland und der Ukraine stieg sie nur leicht und lag Ende 2010 bei etwa 15%, während sie in Kasachstan sogar unter 6% gesunken ist.

Gleichzeitig beschleunigte sich im Zuge der Krise der Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt. Während die Beschäftigung schlechter ausgebildeter Arbeitskräfte (ohne Matura oder Lehrabschluss) in den 10 neuen EU-Ländern 2008 bis 2010 kumuliert um nahezu 10% sank, stieg jene der Arbeitskräfte mit Universitätsabschluss um über 10%.

Im Laufe des 2. Halbjahres 2010 stabilisierte sich die Arbeitsmarktlage in den meisten Ländern der Region im Zuge des Aufschwungs der Gesamtwirtschaft. 2011 dürfte die Arbeitslosigkeit von hohem Niveau aus leicht sinken (Übersicht 1). Aufgrund der für die Region eher mäßigen Wachstumsaussichten wird jedoch der Beschäftigungsanstieg in den kommenden Jahren eher verhalten sein (10 neue EU-Länder 2011 +0,5%, 2012 und 2013 jeweils +1,5%). Die Arbeitslosenquote wird demnach mittelfristig höher sein als vor der Wirtschaftskrise (2008: 6,5%). Für die Westbalkanländer sind die Aussichten noch pessimistischer: Mit Ausnahme von Albanien und Kroatien, für die ein langsamer Rückgang der Arbeitslosigkeit erwartet werden kann, ist in den nächsten zwei Jahren mit keiner Verbesserung der Arbeitsmarktsituation zu rechnen. Trotz eines Beschäftigungswachstums von rund 2% p. a. wird die Arbeitslosenquote in der Türkei nicht unter 10% sinken, weil die Zahl der Erwerbsfähigen kräftig steigt. Auch in Russland, Kasachstan und der Ukraine wird die Arbeitslosigkeit in den kommenden 2 bis 3 Jahren nur leicht zurückgehen. In Russland ist aufgrund der demographischen Entwicklung und wegen des Auslaufens staatlicher Maßnahmen zur Arbeitsplatzsicherung, die während der Wirtschaftskrise gesetzt worden waren, ein leichter Rückgang der Beschäftigung zu erwarten. Ähnlich wird sich der Arbeitskräfteabbau in der öffentlichen Verwaltung in der Ukraine auswirken.

 

Stabilisation of a Weak Recovery in the CESEE Countries Summary

The outlook for the world economy improved in the course of 2010 and the recovery has now gained strength in the EU as well. The Central, East and Southeast European (CESEE) countries have also recovered from the crisis; most of them recorded GDP growth rates. On average, their exports have been growing at an even stronger pace than before the crisis. On the other hand, industrial output has so far not surpassed pre-crisis levels. The persistent develpment in construction and fixed investments both rates echoing the still hesitant credit markets represents one of the key internal risks that could negatively affect the rather optimistic regional economic forecast.

The general outlook for the CESEE region in the baseline scenario expects a gradual strengthening of economic growth over the period of 2011-2013, usually not exceeding 4 percent p.a. GDP growth will become more broadly based. The formerly predominant role of external demand will weaken somewhat, while both household consumption and gross fixed investments will ultimately contribute positively to GDP growth. With exports, industrial output levels and eventually also GDP growth already recovered or on the road to recovery, the economy is seen as having largely returned "back to normal" yet with at least two important differences: 1. post-crisis growth will be slower; that slower growth, however, also implies that 2. the labour market situation will be "very far from normal" as unemployment will remain high, with young and low-skilled workers being especially adversely affected, and any improvement only gradual and delayed.

Inflation rose throughout 2010 as food and commodity prices soared; in general, however, it will pose no (or little immediate) threat. The moderate economic upturn and a revival of capital inflows have resulted in renewed pressure to appreciate the currency. The forecasts point to a gradual deterioration of current account positions in all CESEE countries. The financing constraint with respect to both domestic and external loans will constitute one of the key brakes on future economic growth. Given the sorry state of public finances and the ensuing budget consolidation efforts, we cannot expect any further growth-stimulating measures from the public sector on the contrary, owing to the limited fiscal manoeuvring space government deficits and public debts will have to be scaled back.