WIFO

 

Ungleichgewichte im Euro-Raum

 

In den Jahren vor dem Ausbruch der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise entstanden im Euro-Raum große Leistungsbilanz- und Wettbewerbsungleichgewichte. Diese Disparitäten bestehen nach wie vor und gefährden die Konjunkturerholung, die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung und den Zusammenhalt in der Währungsunion. Der Abbau der Ungleichgewichte wird das Wirtschaftswachstum im Euro-Raum über einen längeren Zeitraum schwächen. Die Disparitäten könnten jedoch auch bei kräftigerem Wachstum ausgeglichen werden, wenn die Produktivität in den Defizitländern steigt und in Deutschland die Inlandsnachfrage gestärkt wird.

 

Wissenschaftliche Begutachtung: Karl Aiginger, Markus Marterbauer, Ewald Walterskirchen • Wissenschaftliche Assistenz: Nora Popp, Roswitha Übl • E-Mail-Adresse: Stefan.Ederer@wifo.ac.at

 

INHALT

Die Entwicklung der Leistungsbilanzen

Leistungsbilanzen durch unterschiedliche Nachfrageentwicklung bedingt

Wettbewerbsfähigkeit und Realzinssätze bestimmen Unterschiede der Nachfrageentwicklung

Ursachen der Inflationsdivergenz

Verringerung der Ungleichgewichte durch die Krise

Krise in den Defizitländern nicht überwunden

Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit von relativen Lohnstückkosten abhängig

Zwei Szenarien für den Abbau der Ungleichgewichte

Szenario 1: Defizitländer tragen Anpassungslast

Szenario 2: Binnennachfrage der Überschussländer steigt

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Literaturhinweise

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Nachfrageentwicklung im Euro-Raum.. 7

Übersicht 2: Entwicklung der Bruttowertschöpfung im Euro-Raum.. 9

Übersicht 3: Haus- und Wohnungspreise, Sparquote und Zinssätze. 13

Übersicht 4: Produktivität, Löhne und Preise im Euro-Raum.. 14

Abbildung 1: Leistungsbilanz. 5

Abbildung 2: Real-effektiver Wechselkurs. 11

Abbildung 3: Lohnstückkosten in der Gesamtwirtschaft 12

 

 

Die Entwicklungen der vergangenen Monate (Zuspitzung der Verschuldungskrise in Griechenland, Einrichtung des Euro-Schutzschirms) werden vor allem im Hinblick auf die Situation der öffentlichen Haushalte im Euro-Raum diskutiert. Die hohen Budgetdefizite und die steigende Staatsverschuldung sind insbesondere in Griechenland zu einem erheblichen Teil ein Problem der öffentlichen Haushalte der Länder. Sie sind jedoch auch durch die aktuelle Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sowie den Aufbau von Wettbewerbs- und Leistungsbilanzungleichgewichten in der Währungsunion vor dem Ausbruch der Krise bedingt. Diese Disparitäten bestehen nach wie vor und können im Euro-Raum weitere Probleme mit sich bringen. Sie gefährden damit die Konjunkturerholung, die mittelfristige Wirtschaftsentwicklung und den Zusammenhalt der Währungsunion.

Seit Einführung der gemeinsamen Währung verschlechterte sich die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien drastisch. Die Lohnstückkosten und Verbraucherpreise stiegen seit 1999 relativ zu Deutschland und in geringerem Ausmaß auch zu anderen Überschussländern wie etwa Österreich. Das dämpfte die Exportentwicklung in den Defizitländern. Aufgrund der hohen Inflationsraten waren allerdings auch die Realzinssätze niedrig; das förderte den privaten Konsum und die Investitionen in Irland und Spanien insbesondere in den Bausektor und trieb so die Inlandsnachfrage an. In den Überschussländern hingegen wirkte die schwache Lohn- und Preisentwicklung dämpfend auf die Inlandsnachfrage, während sich die Exporte dank der guten Wettbewerbsfähigkeit kräftig entwickelten. Aufgrund dieser Faktoren entstanden hohe Leistungsbilanzdefizite in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien sowie Leistungsbilanzüberschüsse etwa in Deutschland, den Niederlanden und Österreich.

Mit dem Platzen der Immobilienpreisblasen in Irland und Spanien und dem Ausbruch der weltweiten Krise von Finanz- und Realwirtschaft gerieten die Defizitländer in eine schwierige Konjunkturlage, die noch länger andauern wird. Die Inlandsnachfrage ist schwach, die Arbeitslosigkeit hoch, die Wettbewerbsfähigkeit hat sich stark verschlechtert, und die Budgetdefizite sind erheblich gestiegen. In allen Ländern werden ambitionierte Sparprogramme umgesetzt. In dieser Situation ist von der privaten Inlandsnachfrage und den öffentlichen Haushalten kein Impuls für die Konjunktur zu erwarten. Wegen der geringen Wettbewerbsfähigkeit wird auch von der Exportseite kein Wachstumsimpuls kommen. Somit droht eine längerfristige Stagnationsphase mit den entsprechenden sozialen Folgen.

Die Ursachen dieser Entwicklung werden in der Wirtschaftswissenschaft bereits seit geraumer Zeit diskutiert[a]). Auch auf europäischer Ebene wurden sie zuletzt verstärkt wahrgenommen[b]). Bis zum Ausbruch der Krise verzeichneten jedoch alle Defizitländer ein hohes Wirtschaftswachstum. Die Ungleichgewichte wurden daher nur begrenzt als Problem angesehen. Mit dem Ausbruch der weltweiten Krise von Finanz- und Realwirtschaft und dem Platzen der Immobilienpreisblasen in Irland und Spanien wurden die Probleme dieser Entwicklung jedoch deutlich.

Die politische Diskussion insbesondere auf europäischer Ebene thematisiert in letzter Zeit zunehmend das Verhältnis zwischen den Ländern mit hohem Leistungsbilanzüberschuss und jenen, die ein entsprechend hohes Defizit in der Leistungsbilanz aufweisen. Vor allem die Europäische Kommission versucht verstärkt, Aspekte einer fiskal- und lohnpolitischen Koordination in der Währungsunion zu entwickeln. Die aktuelle Politik insbesondere in Deutschland lässt jedoch darauf schließen, dass die Notwendigkeit dafür noch nicht ausreichend erkannt wird. Der vorliegende Beitrag diskutiert die Entstehung der Leistungsbilanz- und Wettbewerbsungleichgewichte im Euro-Raum vom Inkrafttreten der Währungsunion 1999 bis zum Ausbruch der Krise, die Entwicklungen während der Krise sowie die aktuelle Situation. Abschließend werden mögliche Szenarien für den Abbau der Ungleichgewichte entworfen. Die Analyse erfasst nicht alle Länder des Euro-Raumes, sondern vergleicht die im Zentrum der Diskussion stehenden südeuropäischen Länder und Irland die Defizitländer mit der Entwicklung im Überschussland Deutschland. Für die Niederlande und Österreich gilt die folgende Analyse nur eingeschränkt. In beiden Ländern ist der Leistungsbilanzüberschuss wesentlich geringer als in Deutschland. In Österreich ist er nur durch die Dienstleistungsbilanz bedingt; die Handelsbilanz ist weitgehend ausgeglichen.

Die Entwicklung der Leistungsbilanzen

Der Aufbau der Ungleichgewichte im Euro-Raum von 1999 bis 2007 zeigt sich deutlich in den Leistungsbilanzsalden (Abbildung 1). In Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien verschlechterte sich die Leistungsbilanz merklich. In Griechenland, Portugal und Spanien war der Leistungsbilanzsaldo bereits im Jahr 1999 negativ. Bis zum Jahr 2007 erhöhte sich das Defizit in Griechenland auf beinahe 15% des BIP (+9 Prozentpunkte), in Spanien auf knapp 10% (+7 Prozentpunkte). Auch in Portugal erhöhte sich das Leistungsbilanzdefizit auf fast 10% des BIP, der stärkste Anstieg fiel jedoch in die zweite Hälfte der 1990er-Jahre; seit Inkrafttreten der Währungsunion ist das Defizit auf hohem Niveau stabil. Irland und Italien wiesen 1999 noch einen geringfügigen Überschuss auf; in der Folge verschlechterte sich die Leistungsbilanz auch in diesen Ländern deutlich (Irland 5½ Prozentpunkte, Italien 3 Prozentpunkte) und war 2007 stark negativ. In Deutschland hingegen drehte sich das geringe Defizit (1999 1,3%) in einen deutlichen Überschuss, der 2007 bereits 7,7% des BIP betrug (+9 Prozentpunkte).

Leistungsbilanzen durch unterschiedliche Nachfrageentwicklung bedingt

Dieser Auseinanderentwicklung der Leistungsbilanzsalden liegen in den Ländern des Euro-Raumes Unterschiede im Wirtschaftswachstum und in der Entwicklung der einzelnen Nachfragekomponenten zugrunde (Übersicht 1). Unter den Defizitländern wuchs die Wirtschaft in Griechenland, Irland und Spanien im Durchschnitt 1999/2007 am kräftigsten (Irland +6% p. a., Griechenland +4%, Spanien +3½%). In Portugal und Italien lag das durchschnittliche Wirtschaftswachstum hingegen unter 2%. Im Überschussland Deutschland expandierte das BIP in diesem Zeitraum ebenfalls schwach, die Rate lag mit 1,5% am unteren Ende der Wachstumsdynamik im Euro-Raum.

 

Abbildung 1: Leistungsbilanz

In % des BIP

Q: OECD.

 

In Griechenland und Spanien wurde das hohe Wirtschaftswachstum von der Inlandsnachfrage getrieben. Sie trug im untersuchten Zeitraum in beiden Ländern beinahe 5 Prozentpunkte zum BIP-Wachstum bei. Der Beitrag der Exporte fiel hingegen gering aus (unter 1,5 Prozentpunkten). Auch in Italien und Portugal war bei einer wesentlich geringeren Dynamik primär die Inlandsnachfrage für das Wachstum maßgebend, während der Export relativ schwach zunahm. In Irland war das Wachstum jedoch viel stärker exportgetrieben als in den anderen Defizitländern: Die Exporte trugen im Durchschnitt 1999/2007 6,7 Prozentpunkte zum Wachstum des realen BIP bei, die Inlandsnachfrage 4,8 Prozentpunkte. Im Überschussland Deutschland trugen dagegen die Exporte den größten Teil zum Wachstum bei (3,0 Prozentpunkte p. a., Inlandsnachfrage 0,4 Prozentpunkte).

Die Exporte wuchsen im Durchschnitt 1999/2007 in Deutschland real mit +8% p. a. nicht nur wesentlich stärker als die Inlandsnachfrage, sondern auch stärker als in den Defizitländern (Griechenland, Spanien und Portugal rund +5%, Italien +3%). Nur Irland erzielte ein ähnlich hohes Exportwachstum wie Deutschland (+7½%).

Aufgrund der starken Ausweitung der Inlandsnachfrage nahmen in den Defizitländern auch die Importe kräftig zu. Der Außenbeitrag war daher in fast allen Ländern negativ, am deutlichsten in Spanien (1,0 Prozentpunkte p. a.) und Griechenland (0,6 Prozentpunkte p. a.). In Italien und Portugal lag er nahe Null. Auch in Irland wuchsen die Importe kräftig, der Außenbeitrag war jedoch positiv; der Außenhandel trug noch etwa 1 Prozentpunkt zum BIP-Wachstum bei. In Deutschland nahmen die Importe ebenfalls stark zu, aber schwächer als die Exporte. Das hohe Importwachstum spiegelt hier eher die Ausweitung des Außenhandels wider als eine dynamische Entwicklung der Inlandsnachfrage. Der Außenhandel trug knapp 1 Prozentpunkt pro Jahr zum Wirtschaftswachstum bei.

Die zunehmende Exportorientierung Deutschlands zeigt sich auch in der Struktur der Nachfrage. Der Anteil der Exporte am BIP stieg zwischen 1999 und 2007 um etwa 18 Prozentpunkte, der Anteil der Importe um 11½ Prozentpunkte. Diese Entwicklung ist Ausdruck der zunehmenden Integration Deutschlands in die Weltwirtschaft. In Italien und Portugal erhöhte sich der Anteil der Exporte am BIP um nur 4½ Prozentpunkte, in Griechenland um 1 Prozentpunkt, und in Spanien blieb er nahezu konstant. In Irland sank der Außenhandelsanteil sogar deutlich; Export- und Importquote nahmen um mehr als 6 Prozentpunkte ab. Irland ist jedoch mit einer Außenhandelsquote von etwa 80% immer noch mit Abstand die offenste Volkswirtschaft in dieser Ländergruppe.

Der Aufbau der Leistungsbilanzungleichgewichte im Euro-Raum wurde somit sowohl durch die Entwicklungen im Außenhandel als auch von der Binnennachfrage bestimmt.

 

Übersicht 1: Nachfrageentwicklung im Euro-Raum

 

 

 

 

 

 

Irland

Griechenland

Spanien

Italien

Portugal

Deutschland

Niederlande

Österreich

 

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

 

Durchschnittliche jährliche Veränderung in %, real

 

 

 

 

 

Privater Konsum

+5,4

4,0

+4,0

+0,2

+3,8

2,7

+1,1

1,3

+1,8

+0,5

+0,6

+0,3

+1,2

0,6

+1,6

+0,6

Öffentlicher Konsum

+6,0

+0,1

+4,2

+5,0

+5,0

+4,7

+2,0

+0,7

+1,8

+2,3

+0,8

+2,5

+3,3

+2,6

+1,1

+2,2

Bruttoanlageinvestitionen

+5,6

22,9

+5,6

10,7

+5,6

10,0

+2,4

8,2

0,6

6,0

+0,7

3,1

+1,1

4,4

+1,5

3,5

Ausrüstungen

+7,2

18,4

+9,7

7,2

+5,1

13,1

+2,2

11,6

+1,2

4,3

+3,9

9,2

+1,8

9,3

+1,8

6,3

Bauten

+5,6

26,0

+2,8

15,3

+5,8

8,4

+2,8

5,7

2,1

8,7

2,1

+0,9

+1,1

2,2

+0,6

2,2

Wohnbau

+5,9

33,8

+5,2

25,5

+6,9

17,7

+3,1

6,2

2,4

0,2

+1,6

6,7

0,8

4,9

Nichtwohnbau

+5,3

15,2

1,7

+3,1

+4,9

+0,6

+2,5

5,2

1,9

+2,3

+0,4

+2,8

+1,6

0,4

Inlandsnachfrage

+5,6

9,0

+4,3

0,6

+4,4

3,3

+1,5

2,6

+1,2

0,6

+0,4

0,2

+1,7

0,7

+1,4

0,4

Exporte

+7,5

1,7

+4,7

7,7

+5,0

6,4

+3,2

11,8

+4,7

6,2

+8,1

6,0

+5,6

2,9

+7,4

7,7

Güter

+4,3

3,1

+4,3

4,3

+5,4

6,8

+3,3

12,6

+4,4

7,5

+8,1

7,2

+6,4

3,6

+7,8

9,2

Dienstleistungen

+15,1

+0,0

+4,9

10,2

+4,2

5,5

+3,0

8,5

+5,7

2,2

+8,2

+0,7

+3,1

+0,1

+6,3

3,8

Importe

+7,2

5,8

+4,8

7,2

+7,6

11,7

+3,6

9,6

+3,2

3,5

+5,7

2,6

+5,2

2,7

+6,1

7,4

Güter

+4,7

16,4

+4,9

8,9

+7,5

12,5

+3,5

10,6

+3,3

3,8

+6,3

2,7

+6,2

3,7

+6,5

7,9

Dienstleistungen

+11,0

+3,0

+4,2

0,6

+8,1

8,4

+3,8

5,4

+2,5

1,4

+3,3

1,9

+1,9

+0,8

+4,5

5,4

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt

+6,0

5,1

+4,2

+0,0

+3,6

1,4

+1,5

3,2

+1,4

1,3

+1,5

1,9

+2,2

1,0

+2,3

0,8

Q: Europäische Kommission, WIFO-Berechnungen.

 

Sowohl in Irland als auch in Spanien hängt die kräftige Steigerung der Inlandsnachfrage mit einer starken Ausweitung der Bauinvestitionen zusammen. Sie wuchsen in beiden Ländern im Durchschnitt 1999/2007 jährlich um etwa 6% und trugen somit etwa 1 Prozentpunkt p. a. zum Gesamtwachstum bei. Ihr Anteil am BIP erhöhte sich in diesem Zeitraum um 5½ Prozentpunkte. In allen anderen hier untersuchten Ländern nahmen die Bauinvestitionen relativ zur Gesamtnachfrage ab oder nur geringfügig zu.

Den überwiegenden Beitrag zum Wirtschaftswachstum leisteten in den Defizitländern jedoch die privaten Konsumausgaben (Griechenland, Irland und Spanien etwa 2 bis 3 Prozentpunkte, Italien und Portugal rund 1 Prozentpunkt). In Deutschland entwickelte sich der private Konsum schwach. Die Ausrüstungsinvestitionen trugen hingegen in allen Überschuss- und Defizitländern mit Ausnahme von Griechenland nur wenig zum Wachstum bei.

Die unterschiedliche Dynamik der Nachfragekomponenten spiegelt sich auf der Entstehungsseite des BIP (Übersicht 2). In Deutschland sowie in Griechenland und Irland wurde die Wertschöpfung im produzierenden Gewerbe kräftig gesteigert. In Griechenland und vor allem in Irland und Spanien wuchs auch der Bausektor stark, während er in Deutschland schrumpfte. Dementsprechend nahm der Anteil des produzierenden Gewerbes an der Wertschöpfung in Deutschland zu, während der Bausektor an Bedeutung verlor. In Spanien und Irland gewann der Bausektor an Gewicht. Den größten Wachstumsbeitrag lieferte jedoch der Dienstleistungssektor, dessen Anteil an der Wertschöpfung in den Defizitländern durchwegs stark zunahm. In Griechenland entfiel sogar mehr als die Hälfte des Wirtschaftswachstums auf die Bereiche Handel, Gastgewerbe und Verkehr, deren Anteil an der Wertschöpfung als einziger stieg.

 

Übersicht 2: Entwicklung der Bruttowertschöpfung im Euro-Raum

 

 

 

 

 

 

Irland

Griechenland

Spanien

Italien

Portugal

Deutschland

Niederlande

Österreich

 

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

 

Durchschnittliche jährliche Veränderung in %, real

 

 

 

 

 

Land- und Forstwirtschaft

2,4

+1,2

3,4

+1,9

+0,2

1,6

0,8

1,1

1,2

+2,1

0,2

+2,1

+0,9

+1,7

0,4

+1,1

Produzierendes Gewerbe

+6,4

0,2

+3,5

2,0

+1,7

7,8

+0,7

9,5

+1,1

4,5

+2,4

8,9

+1,8

3,2

+3,8

3,1

Sachgütererzeugung

+5,2

+3,5

1,0

+1,5

+0,7

10,5

+0,7

+2,7

9,4

+2,2

4,8

+4,0

4,2

Baugewerbe

+5,6

22,0

+4,8

21,3

+5,3

3,9

+2,6

4,6

1,3

7,7

3,3

+1,2

+0,5

+0,6

+1,3

1,8

Dienstleistungen

+5,9

2,4

+4,9

+2,9

+4,0

+0,6

+1,7

1,5

+2,1

+0,8

+1,8

0,0

+2,5

0,2

+2,2

0,0

 

 

 

 

 

Wirtschaftsbereiche insgesamt

+5,9

3,5

+4,2

+0,9

+3,6

1,4

+1,5

3,3

+1,6

0,7

+1,7

2,2

+2,2

0,7

+2,5

0,8

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt

+6,0

5,1

+4,2

+0,0

+3,6

1,4

+1,5

3,2

+1,4

1,3

+1,5

1,9

+2,2

1,0

+2,3

0,8

Q: Europäische Kommission, WIFO-Berechnungen.

 

Wettbewerbsfähigkeit und Realzinssätze bestimmen Unterschiede der Nachfrageentwicklung

Die Divergenz der Leistungsbilanzsalden dürfte also einerseits auf die Entwicklung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit[c]) und andererseits auf die Bedingungen für die Inlandsnachfrage insbesondere den realen Zinssatz zurückgehen.

Unterschiede in der Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit lassen sich anhand des real-effektiven Wechselkurses darstellen. In einem gemeinsamen Währungsraum kann eine reale Auf- oder Abwertung nur über die Bewegung der relativen Preise erfolgen. Da die Preise handelbarer Güter international einheitlich sind und die Schwankungen der Verbraucherpreise nicht mitvollziehen, wird der real-effektive Wechselkurs oft auf Basis von Lohnstückkosten ermittelt. Ein Anstieg der Lohnstückkosten verringert bei gleichbleibenden Preisen die Gewinnspanne und damit auch die Möglichkeit von Unternehmen, ihre Wettbewerbsposition über Investitionen zu stärken.

Der real-effektive Wechselkurs auf Basis der Lohnstückkosten zeigt im Zeitraum 1999/2007 eine erhebliche Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien (Abbildung 2). Er stieg in Irland um 24 Basispunkte, in Spanien und Italien um mehr als 15 Basispunkte, in Griechenland und Portugal um etwa 10 Basispunkte. In Deutschland verbesserte sich die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den Handelspartnern: Trotz einer gleichzeitigen Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar um beinahe 30% sank der real-effektive Wechselkurs um 7  Basispunkte.

Diese Entwicklung passt mit dem oben gezeigten Wachstum der Exporte und Importe in den einzelnen Ländern zusammen. Eine reale Aufwertung verringert die Wettbewerbsfähigkeit und dämpft somit die Exporte. Auch die Importe werden dadurch billiger, sodass die Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit dazu beitragen, das Importwachstum zu verstärken. Der Leistungsbilanzsaldo verschlechtert sich somit. Die Entwicklung der Marktanteile bestätigt dieses Bild. Deutschlands nomineller Marktanteil am OECD-Export erhöhte sich dementsprechend im Untersuchungszeitraum. Allerdings gewannen auch Spanien und Italien Marktanteile; in Griechenland und Portugal blieben die Anteile weitgehend konstant. Lediglich Irland verlor Exportmarktanteile; dies war jedoch eine teilweise Gegenbewegung zu den starken Marktanteilsgewinnen der 1990er-Jahre.

 

Abbildung 2: Real-effektiver Wechselkurs

1999 = 100

Q: Europäische Kommission. Deflationiert mit den relativen Lohnstückkosten gegenüber 24 Handelspartnern.

 

Der real-effektive Wechselkurs spiegelt die unterschiedliche Entwicklung von Preisen und Lohnstückkosten im Euro-Raum wider. Den stärksten Anstieg der harmonisierten Verbraucherpreise verzeichnete Irland mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate 1999/2007 von 3,5%. Auch in Griechenland, Spanien und Portugal erhöhte sich der HVPI um mehr als 3% pro Jahr, in Italien um etwa 2,5%. In Deutschland war der Preisauftrieb mit 1,7% p. a. hingegen relativ gering. Ähnlich zogen die Lohnstückkosten (Abbildung 3) in allen Defizitländern nominell zwischen 1999 und 2007 um etwa 25 Prozentpunkte stärker an als in Deutschland[d]).

 

Abbildung 3: Lohnstückkosten in der Gesamtwirtschaft

1999 = 100

Q: Europäische Kommission.

 

Unterschiede zwischen den Inflationsraten wirken jedoch nicht nur auf die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. In der Währungsunion liegt die Geldpolitik bei der Europäischen Zentralbank, welche den nominellen Zinssatz festlegt. Der Realzinssatz, der für die Investitionsentscheidungen der Unternehmen und die Konsumentscheidungen der privaten Haushalte relevant ist, ergibt sich aus der Differenz zwischen nominellem Zinssatz und Inflationsrate. Ist die Inflationsrate hoch, dann sind die Realzinssätze niedrig und umgekehrt. Der durchschnittliche langfristige Realzinssatz war im Zeitraum 1999/2007 in allen Defizitländern deutlich niedriger als in den Überschussländern. Die Differenz zum Realzinssatz in Deutschland betrug je nach Land zwischen 1 und 2 Prozentpunkte. In den Defizitländern nahmen deshalb die kreditfinanzierten Investitionen und Konsumausgaben kräftig zu. Zugleich sank die Sparquote in allen Ländern um mehrere Prozentpunkte. In Irland und Spanien wirkte sich das vor allem auf den Bausektor aus (siehe dazu weiter oben); die Immobilienpreise stiegen dort zwischen 1999 und 2007 um 7½% bzw. 9% pro Jahr. In den anderen Defizitländern war der Anstieg nicht ganz so stark. In Deutschland hingegen dämpfte der hohe Realzinssatz die Inlandsnachfrage. Dadurch erhöhte sich die Sparquote merklich, die Immobilienpreise gaben nach (Übersicht 3).

Übersicht 3: Haus- und Wohnungspreise, Sparquote und Zinssätze

 

Haus- und Wohnungs-preise, real

Sparquote

Langfristige Zinssätze, real

Durchschnittliche jährliche Veränderung 1999/2007

Ø 2000/2007

In %

Prozentpunkte

 In %

 

Irland

+7,3

0,51)

0,4

Griechenland

+5,5

1,7

1,4

Spanien

+9,1

0,4

1,2

Italien

+5,6

0,2

2,2

Portugal

+1,0

0,6

1,4

Deutschland

2,5

+0,2

2,7

Niederlande

+4,4

0,1

2,2

Österreich

+0,2

+0,2

2,4

Q: BIZ, Europäische Kommission, OECD, WIFO-Berechnungen. 1) 2002/2007.

 

Ursachen der Inflationsdivergenz

Die Preisentwicklung wird maßgeblich von der Entwicklung der Lohnstückkosten beeinflusst. Diese werden wiederum vom Verhältnis zwischen Produktivitätsveränderung und nominellem Lohnwachstum bestimmt. Griechenland und Irland verzeichneten im Zeitraum 1999/2007 die höchste durchschnittliche Produktivitätssteigerung (mehr als +2,5%; Übersicht 4). In den anderen Defizitländern (Italien, Portugal, Spanien) stieg die gesamtwirtschaftliche Produktivität hingegen um weniger als 1% p. a. Im Überschussland Deutschland lag die Rate zwischen diesen beiden Werten (etwas mehr als +1% pro Jahr).

Die nominellen Löhne erhöhten sich in allen Defizitländern pro Kopf deutlich stärker als die Produktivität. In Griechenland und Irland waren auch die Lohnsteigerungen mit Abstand am höchsten (beinahe +6% p. a.). In Italien, Portugal und Spanien lagen sie bei durchschnittlich etwa 3%; die nominellen Lohnstückkosten stiegen daher in allen Ländern um etwa 3% pro Jahr. Weil die Löhne in Deutschland schwächer zunahmen (etwa +1% p. a.), erhöhten sich die nominellen Lohnstückkosten im Untersuchungszeitraum nicht.

Entsprechend dieser Entwicklung zogen auch die Verbraucherpreise (HVPI) in den Defizitländern erheblich an. Der HVPI stieg allerdings noch stärker als die nominellen Lohnstückkosten. Die realen Lohnstückkosten, die definitionsgemäß eng mit der Lohnquote zusammenhängen und damit ein Maß für den Anteil der Lohneinkommen an der Wertschöpfung sind, sanken geringfügig. Lediglich in Italien ergab sich ein leichter Zuwachs. Trotz des kräftigen nominellen Lohnwachstums verringerte sich der Anteil der Lohneinkommen in den Defizitländern etwas. Dies könnte daran liegen, dass ein Teil der Inflation im Euro-Raum aus einer Verteuerung der Importe insbesondere von Energie und Rohstoffen resultierte.

 

Übersicht 4: Produktivität, Löhne und Preise im Euro-Raum

 

Produktivität1)

Löhne pro Kopf2)

Deflator des privaten Konsums

Löhne pro Kopf2)

Lohnstückkosten

Nominell

Real

Nominell

Real

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

1999/
2007

2007/
2009

Durchschnittliche jährliche Veränderung in %

 

Irland

+2,5

0,4

+5,9

+1,1

+3,5

0,2

+2,2

+1,3

+3,3

+1,5

0,3

+1,7

Griechenland

+2,9

+0,5

+5,6

+5,7

+3,6

+2,7

+2,0

+2,9

+2,7

+5,1

0,9

+2,4

Spanien

+0,1

+2,4

+3,2

+4,8

+3,4

+1,5

0,2

+3,2

+3,1

+2,3

0,3

+0,8

Italien

+0,0

2,5

+2,5

+1,8

+2,7

+1,5

0,1

+0,3

+2,5

+4,4

0,2

+2,9

Portugal

+0,9

0,3

+3,8

+3,8

+3,0

+0,4

+0,8

+3,4

+2,8

+4,1

0,2

+3,7

Deutschland

+1,0

2,6

+1,1

+1,0

+1,4

+1,1

0,3

0,1

+0,0

+3,7

1,3

+2,5

Niederlande

+1,2

1,3

+3,4

+2,8

+2,5

+0,8

+0,8

+2,0

+2,2

+4,2

0,4

+3,4

Österreich

+1,4

1,2

+2,1

+2,8

+2,0

+1,9

+0,1

+0,9

+0,8

+4,1

1,2

+2,2

Q: Europäische Kommission, WIFO-Berechnungen. 1) BIP real je Erwerbstätigen. 2) Arbeitnehmerentgelte je Beschäftigungsverhältnis (laut VGR).

 

Auch in Deutschland lag der Preisanstieg über dem Zuwachs der nominellen Lohnstückkosten. Die Differenz zwischen den Raten war jedoch wesentlich größer als in den Defizitländern, sodass die realen Lohnstückkosten um mehr als 1% zurückgingen. Der Grund dafür könnte sein, dass sich die Unternehmen in ihrer Preispolitik überwiegend am Preisniveau der Konkurrenten und damit am durchschnittlichen Preisniveau im Euro-Raum orientieren und weniger an den Lohnstückkosten. Durch ein solches "Pricing-to-Market" kann der Anteil der Gewinn- und Vermögenseinkommen gesteigert werden.

Trotz unterschiedlicher Produktivitätsentwicklung ist die Ursache der Divergenz von Inflation und Wettbewerbsfähigkeit daher in der unterschiedlichen Lohnpolitik der Länder zu suchen. Vergleicht man die Lohnentwicklung in den Ländern des Euro-Raums anhand einer "Lohnregel", wonach die nominellen Lohnsteigerungen so hoch sein sollten wie die Summe aus Zielinflationsrate der EZB (2%) und dem durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs, so zeigt sich, dass die Lohnentwicklung in den Defizitländern überzogen war. In Deutschland lagen die Lohnzuwächse hingegen unter einem solchen Zielwert.

Sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die Realzinssätze werden entscheidend von der Lohn- und Preisentwicklung bestimmt. Divergente Lohn- und Preisentwicklungen bewirken in einem gemeinsamen Währungsraum eine Verschiebung der Wettbewerbsfähigkeit. Andererseits hat sie eine Divergenz der Realzinssätze zur Folge und beeinflusst damit die Investitions- und Konsumnachfrage. Beide Faktoren bewirken eine Auseinanderentwicklung der Leistungsbilanzsalden.

Eine hohe Inflationsdifferenz zwischen den Ländern im Euro-Raum sollte theoretisch über den "Wettbewerbskanal" eine unterschiedliche Entwicklung von Exporten und Importen zur Folge haben und über höhere Arbeitslosigkeit in den Defizitländern die Lohnzuwächse und damit die Preisentwicklung dämpfen. Niedrige Realzinssätze fördern jedoch die Investitions- und Konsumnachfrage in diesen Ländern. Der Effekt des "Realzinskanals" wirkt jenem des Wettbewerbskanals entgegen, sodass über einen längeren Zeitraum hohe Ungleichgewichte entstehen können. Der Einfluss des Realzinskanals wurde gegenüber jenem des Wettbewerbskanals bei der Gestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion unterschätzt (Europäische Kommission, 2006). Die Wirkung des Realzinskanals könnte zusätzlich durch die eines "Einkommenskanals" verstärkt werden. In Deutschland sanken die realen Lohnstückkosten stärker als in den Defizitländern. Dies dämpfte zusätzlich die Konsumnachfrage in diesen Ländern. Allerdings verringerten sich die realen Lohnstückkosten auch in den Defizitländern wenn auch schwächer als in Deutschland.

Aufgrund der Wirkungsrichtung dieser "Kanäle" entstehen somit über einen längeren Zeitraum Ungleichgewichte in der Wettbewerbsfähigkeit. Eine starke Binnennachfrage und ein hohes Wachstum bewirken aufgrund der guten Arbeitsmarktsituation wieder eine kräftige Lohnsteigerung. Umgekehrt bremst das schwache Wirtschaftswachstum in den Überschussländern die Lohnsteigerungen. So ergibt sich eine selbstverstärkende Dynamik von Binnennachfrage und Lohnsteigerungen, verbunden mit dem Aufbau von Wettbewerbsungleichgewichten und hohen Leistungsbilanzdefiziten. Solange diese finanziert werden können und die Binnennachfrage kräftig ist, wird dieser Prozess fortgesetzt und ist mit kräftigem Wachstum und niedriger Arbeitslosigkeit verbunden. Sobald allerdings die Finanzierungskosten steigen, weil die Verschuldung zu hoch wird oder die Binnennachfrage wie in Irland und Spanien von einem Immobilienpreisboom getragen war, der notgedrungen zusammenbrechen wird, stehen diese Länder vor massiven Problemen.

Für die Niederlande und für Österreich, die beide einen Leistungsbilanzüberschuss aufweisen, gelten die oben beschriebenen Zusammenhänge nur eingeschränkt. Auch in diesen Ländern verbesserte sich die Leistungsbilanz deutlich; der Überschuss ist jedoch viel geringer als in Deutschland. In Österreich ergibt sich der Überschuss in erster Linie aus der Dienstleistungsbilanz, insbesondere aus dem Tourismus. Die Handelsbilanz verbesserte sich zwar, sie war aber 2007 nahezu ausgeglichen. In den Niederlanden stiegen die Lohnstückkosten wesentlich stärker als in Deutschland.

Verringerung der Ungleichgewichte durch die Krise

Die aktuelle Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat die Leistungsbilanzungleichgewichte im Euro-Raum teilweise verringert. Deutschlands Leistungsbilanzüberschuss nahm 2007 bis 2009 um ein Drittel ab; das Defizit von Griechenland wurde um ein Viertel, jenes von Spanien und Irland um knapp die Hälfte abgebaut. In Italien und Portugal weitete sich das Leistungsbilanzdefizit jedoch während der Krise sogar noch aus (Abbildung 1).

Das Bruttoinlandsprodukt und die Investitionen nahmen während der Krise in allen Ländern ab (Übersicht 1). Besonders drastisch brachen die Bruttoanlageinvestitionen in Irland und Spanien ein wo der Immobilienpreisboom zu Ende ging sowie in Griechenland. In Irland, Spanien und Italien waren die privaten Konsumausgaben ebenfalls stark rückläufig, während sie in Deutschland, in Portugal und Griechenland noch leicht zunahmen. Die Inlandsnachfrage sank in allen Überschuss- und Defizitländern, vor allem aber in Irland (9,0% p. a.), Spanien (3,3% p. a.) und Italien (2,6% p. a.).

Auch die Exporte brachen ein, sie gingen 2007/2009 in den meisten Ländern um 6% bis 8% pro Jahr zurück. Ausnahmen waren hier vor allem Irland mit einem relativ mäßigen Rückgang und Italien, dessen Exporte beinahe doppelt so stark abnahmen. Aufgrund des hohen Öffnungsgrades seiner Volkswirtschaft trug der Exportausfall in Deutschland stärker zum Schrumpfen des BIP bei als in den anderen Ländern. Die Importe sanken wegen der Rezession ebenfalls in allen Ländern erheblich, in Deutschland allerdings in einem relativ geringen Ausmaß. Der Außenbeitrag war daher insbesondere in Deutschland, aber auch in Italien und Portugal negativ.

Der Trend der Wettbewerbsfähigkeit veränderte sich durch die Krise wenig. Die Lohnstückkosten stiegen im Zeitraum 2007/2009 in allen untersuchten Ländern. In Deutschland erhöhten sie sich viel rascher als im Durchschnitt 1999/2007, aber nicht wegen eines beschleunigten Lohnwachstums, sondern in erster Linie wegen der konjunkturbedingten Abnahme der Produktivität. Der Beschäftigungsabbau fiel insbesondere aufgrund der Kurzarbeitsprogramme weitaus geringer aus als der Produktionsrückgang, sodass die Arbeitsproduktivität beträchtlich abnahm. In den Defizitländern zeigt sich ein heterogenes Bild: In Irland erhöhten sich die nominellen Löhne pro Kopf als einzigem Land während der Krise wesentlich schwächer als zuvor. Die Lohnstückkosten stiegen daher nur mehr halb so schnell wie im Durchschnitt der Periode 1999/2007. In allen anderen Defizitländern war der Trend der Lohnentwicklung ungebrochen. In Spanien und Griechenland wurde die gesamtwirtschaftliche Produktivität während der Krise allerdings gesteigert; der Beschäftigungsabbau verlief hier deutlich schneller als der Produktionsrückgang. Für Spanien ergibt sich daher ein mäßiger Anstieg der Lohnstückkosten, für Griechenland, Italien und Portugal hingegen eine beschleunigte Aufwärtstendenz. In Irland und Spanien verringerten sich die relativen Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Deutschland leicht, in Griechenland, Italien und Portugal nahm der Abstand weiter zu.

Der teilweise Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte ist also primär dem Einbruch der Exporte Deutschlands und dem starken Rückgang der Inlandsnachfrage in Irland, Italien und Spanien zuzuschreiben. Mit der aktuellen kräftigen Erholung des Welthandels und der Konjunktur in den USA und den Schwellenländern könnte sich insbesondere der Leistungsbilanzüberschuss in Deutschland wieder ausweiten. Die Ungleichgewichte in der Wettbewerbsfähigkeit der Länder im Euro-Raum bestehen nach wie vor. Mit Ausnahme von Irland und Spanien zeichnet sich weder in den Defizitländern noch in den Überschussländern eine Änderung der Lohnentwicklung ab. Bei einer Erholung der Konjunktur ist daher mit einem weiteren Auseinanderdriften der Wettbewerbsfähigkeit im Euro-Raum zu erwarten.

Krise in den Defizitländern nicht überwunden

Das Platzen der Immobilienpreisblase in Irland und Spanien sowie der weltweite Konjunktureinbruch belasten die Defizitländer schwer. Konsum und Investitionen schrumpften beträchtlich, die Arbeitslosigkeit erhöhte sich empfindlich, und die Situation der öffentlichen Haushalte verschlechterte sich massiv. Die Wettbewerbsfähigkeit hatte in den Jahren zuvor erheblich abgenommen und verbesserte sich auch während der Krise nicht. Daher sind weder von der Binnennachfrage starke Impulse zu erwarten, noch werden diese Volkswirtschaften über den Export übermäßig vom Aufschwung und der Erholung der Weltwirtschaft profitieren. Zudem stehen die Länder vor ambitionierten Sparprogrammen, um die öffentlichen Haushalte zu sanieren.

Griechenland und Irland haben die Rezession noch nicht überwunden; die gesamtwirtschaftliche Produktion ist in beiden Ländern seit dem IV. Quartal 2008 rückläufig. In Spanien wurde im I. Quartal 2010 erstmals seit dem II. Quartal 2008 eine leichte Zunahme des BIP gegenüber dem Vorquartal gemeldet. Auch in Italien und Portugal ist noch keine anhaltende Konjunkturerholung zu erkennen. Die Zahl der Arbeitslosen erhöhte sich in allen Ländern rasch. In Spanien erreichte die Arbeitslosenquote im Mai bereits knapp 20%, in Irland 13% und in den anderen Defizitländern etwa 10%. Eine Trendumkehr ist in keinem dieser Länder zu beobachten; die Arbeitslosigkeit nahm zuletzt weiter zu.

Für die Preisentwicklung ergibt sich ein differenziertes Bild. In Irland ist die Inflationsrate bereits seit Anfang 2009 negativ (Deflation). In Spanien und Portugal stabilisierte sich die Preisentwicklung nach einem Rückgang im Vorjahr wieder, die Inflationsrate liegt jedoch ebenso wie in Italien anhaltend unter dem Inflationsziel der EZB von 2%. Nur in Griechenland ist der Preisauftrieb ungebrochen; im Mai lag die Teuerungsrate bei mehr als 5%. Dazu trugen die Anhebung indirekter Steuern sowie die starke Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar und anderen Währungen und damit ein Anstieg der Importpreise bei. Die Kerninflation (ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel) ist im Euro-Raum derzeit nur halb so hoch wie der Anstieg des HVPI. Damit könnte bei einer Stabilisierung des Wechselkurses die Gefahr einer Deflation wieder aufleben.

Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit von relativen Lohnstückkosten abhängig

Bisher wurden die Ungleichgewichte in der Wettbewerbsfähigkeit im Euro-Raum kaum verringert. Um zumindest die Hälfte der Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit seit 1999 gegenüber Deutschland innerhalb von fünf Jahren wettzumachen, müsste die Veränderungsrate der Lohnstückkosten in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien jährlich um etwa 2,5 bis 3 Prozentpunkte niedriger sein als in Deutschland; sie müsste daher über den gesamten Zeitraum bis zu 2% p. a. betragen. Da sich ein Rückgang der Lohnstückkosten unmittelbar in den Preisen niederschlägt, würde das in den Defizitländern eine Deflation bewirken. Unterstellt man hingegen in den Defizitländern eine Inflationsrate von 0,5% jährlich, sodass eine Deflation vermieden wird, dann wäre die Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit bei einer unveränderten Lohnstückkostenentwicklung in Deutschland unmöglich.

Ein Anstieg der Produktivität in den Defizitländern würde den Anpassungsdruck auf die Nominallöhne verringern, da die Lohnstückkosten dann auch im Fall von Lohnzuwächsen sinken könnten. Dies würde einen spannungsfreieren Anpassungsprozess ermöglichen. Angesichts der aktuellen Konjunkturschwäche ist in den Defizitländern allerdings kein starker Anstieg der Produktivität zu erwarten.

Zwei Szenarien für den Abbau der Ungleichgewichte

Für die weitere Entwicklung der Volkswirtschaften im Euro-Raum und den damit verbundenen Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte sind grundsätzlich zwei Szenarien denkbar. Sie werden im Folgenden bewusst pointiert dargestellt, um die Unterschiede der Politikmaßnahmen und ihrer Auswirkungen deutlich zu machen.

Szenario 1: Defizitländer tragen Anpassungslast

Im ersten Szenario tragen die Defizitländer die Anpassungslast vermeintlich allein; die Überschussländer ändern ihre Politik nicht. Dieses Szenario entspricht der weit verbreiteten Wahrnehmung, dass die Defizitländer ihre Probleme ausschließlich selbst verschuldet hätten und daher auch selbst lösen müssten. Eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit kann im Euro-Raum nur erfolgen, wenn sich die Löhne und Preise in den Defizitländern schwächer entwickeln als in den Überschussländern. Angesichts der bisherig sehr niedrigen Zuwachsraten in Deutschland müssten Löhne und Preise in den Defizitländern daher sinken. Selbst bei einer Deflation von 2% p. a. würde die Angleichung jedoch mehrere Jahre dauern.

In einem solchen Szenario bleibt die Inlandsnachfrage in den Defizitländern über mehrere Jahre hinweg schwach, und die Arbeitslosigkeit steigt. Verstärkt wird diese Entwicklung durch die bereits angekündigten Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung. Dies ermöglicht zwar den erforderlichen Rückgang der Löhne, ist aber mit hohen sozialen Kosten und einem schweren Rückschlag für den Aufholprozess dieser Volkswirtschaften verbunden. Erst wenn der Verlust an Wettbewerbsfähigkeit teilweise ausgeglichen ist und die Exporte wieder wachsen, wird sich auch die Konjunktur in den Defizitländern erholen und die Wirtschaft expandieren.

Die Wachstumsschwäche der Defizitländer wird in diesem Zeitraum auch die Exporte der Überschussländer dämpfen. Die Wirtschaftsleistung der fünf Defizitländer umfasst insgesamt etwa ein Drittel des Euro-Raumes, jene Deutschlands ein Viertel. Im Jahr 2008 gingen etwa 13% der deutschen Exporte in die fünf Defizitländer, in den Euro-Raum insgesamt etwa die Hälfte aller Exporte. Auf die USA, Japan und die BRIC (Brasilien, Russland, Indien und China) entfallen dagegen insgesamt etwa 16% der deutschen Exporte. Der positive Impuls auf die Exporte durch die kräftige Expansion der Weltwirtschaft geht durch die Konjunkturschwäche im Euro-Raum teilweise verloren. Die Abwertung des Euro in der Folge der Schuldenkrise verbessert jedoch die preisliche Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Volkswirtschaften außerhalb des Euro-Raumes und könnte die dämpfenden Effekte ausgleichen. Insgesamt würde die Wirtschaft aber im Euro-Raum während dieses Anpassungsprozesses deutlich schwächer wachsen als in den anderen Ländern der Welt. Die Defizitländer könnten nach dem Vorbild Deutschlands versuchen, den Export zu den traditionellen Handelspartnern außerhalb des Euro-Raumes (z. B. Lateinamerika für Spanien, Türkei für Griechenland) auszuweiten. Da die Leistungsbilanzungleichgewichte auch weltweit abgebaut werden müssen, ist dies jedoch nur eingeschränkt möglich. Die USA werden versuchen ihre Leistungsbilanz auszugleichen und die asiatischen Schwellenländer ihre exportorientierte Strategie beizubehalten. Für den Euro-Raum insgesamt ist eine Verbesserung der Leistungsbilanz daher bestenfalls gegenüber China und den rohstoffexportierenden Ländern möglich.

Die gedämpfte Entwicklung der Exporte der Überschussländer und der Rückgang der Importe der Defizitländer bewirken allmählich einen Abbau der Leistungsbilanzungleichgewichte bei insgesamt schwacher Wirtschaftsentwicklung. Sinken Löhne und Preise in den Defizitländern stark, so kann auch eine Deflation im Euro-Raum nicht ausgeschlossen werden. Die Rückwirkung der Wachstumsschwäche und der Sparmaßnahmen der öffentlichen Haushalte auf die Investitionen sowie die Ausgaben für Forschung und Bildung drücken die mittelfristigen Wachstumsaussichten für den Euro-Raum. Auch die geplante Konsolidierung und der Abbau der öffentlichen Schulden dürften in diesem Umfeld schwierig sein. Da gerade die Länder mit großen Einbußen an Wettbewerbsfähigkeit und hohem Budgetdefizit vermehrt an den zukunftsorientierten Ausgaben sparen werden, droht mittelfristig die Gefahr eines weiteren Auseinanderdriftens des Einkommensniveaus der Länder im Euro-Raum.

Szenario 2: Binnennachfrage der Überschussländer steigt

Im zweiten Szenario stärken die Überschussländer ihre Inlandsnachfrage, etwa indem die niedrigen Einkommen durch eine Senkung von Steuern und Sozialabgaben oder einen Ausbau der öffentlichen Dienstleistungen entlastet werden, die öffentlichen Ausgaben in wachstumsfördernden Kategorien wie Forschung und Bildung steigen oder die Ausweitung der Investitionstätigkeit von Unternehmen durch günstige Rahmenbedingungen gefördert wird. Zusätzlich steigen in den Überschussländern die Löhne und Preise über einen begrenzten Zeitraum stärker als bisher. Das ermöglicht den Defizitländern eine schnellere Anpassung der Wettbewerbsfähigkeit und vermeidet deflationäre Tendenzen im Euro-Raum. Diese Maßnahmen stärken die Inlandsnachfrage und erhöhen somit die Importe der Überschussländer.

Die Exporte der Defizitländer wachsen kräftiger als im Szenario 1 und vermitteln daher rascher Konjunkturimpulse. In der Folge verläuft auch die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt günstiger; der private Konsum und die Investitionen werden ausgeweitet. Die Exporte der Überschussländer profitieren wiederum von der dynamischeren Entwicklung in den Defizitländern. Der Ausgleich der Leistungsbilanzen erfolgt bei einem höheren Wachstum. Das verringert wiederum den Anpassungsdruck auf Löhne und Preise; soziale Kosten und politische Widerstände könnten vermieden werden.

In der Übergangsphase bis zum in diesem Szenario rascheren Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit liegt die Inflation in den Überschussländern über der Zielinflationsrate der EZB. Andererseits bleiben die deflationären Tendenzen in den Defizitländern bestehen. Die durchschnittliche Inflationsrate könnte damit im Euro-Raum nach wie vor bei 2% liegen, sodass die Europäische Zentralbank keine Veranlassung hätte, die Zinssätze anzuheben. Die Kombination aus niedrigem Nominalzinssatz der EZB und einer höheren Inflationsrate senkt die Realzinssätze in den Überschussländern, sodass produktive Investitionen gefördert werden und sich das Wachstum auch mittelfristig beschleunigt. Ein rascheres Wachstum erlaubt die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ohne Einschränkung der für die künftige Entwicklung wichtigen Ausgaben für Forschung und Bildung.

Politisch könnte dies durch eine verbesserte Koordination der Fiskalpolitik auf europäischer Ebene gefördert werden. Stärker als bisher könnten unterschiedliche Konsolidierungspfade für die einzelnen Länder festgelegt werden. Die Überschussländer könnten den Ausgleich der öffentlichen Haushalte über einen längeren Zeitraum erstrecken und den Schwerpunkt der Konsolidierungsmaßnahmen aufschieben. Eine Koordination der Lohnpolitik ist hingegen politisch schwieriger umzusetzen. Lohnerhöhungen werden nicht einfach beschlossen, sondern sind das Ergebnis von Tarifverhandlungen. Eine stärkere Berücksichtigung der Lohnpolitik in den wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Europäischen Kommission für die einzelnen Länder könnte allerdings das Ergebnis der Lohnverhandlungen beeinflussen. Auch gibt es auf europäischer Ebene Prozesse wie etwa den "Makroökonomischen Dialog", in die die Sozialpartner eingebunden sind. Eine Stärkung dieser Prozesse könnte ebenfalls dazu beitragen, die Lohnentwicklung EU-weit besser zu koordinieren. Innerhalb des Euro-Raumes legt Deutschland als größtes Überschussland den Spielraum für die Lohnpolitik fest. Für kleine offene Volkswirtschaften wie die Niederlande und Österreich ist eine expansivere Lohnpolitik nur in einem europaweiten Koordinationsprozess sinnvoll, da sie stärker vom Außenhandel abhängen als das wesentlich größere Deutschland.

Je rascher die Produktivität in den Defizitländern steigt, desto schneller kann der Ausgleich der Wettbewerbsfähigkeit erfolgen. Auch eine Fokussierung der EU-Kohäsionspolitik auf den Ausgleich von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit könnte daher dazu beitragen, dass Disparitäten im Euro-Raum rascher ausgeglichen werden.

Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Die Entstehung der Leistungsbilanzungleichgewichte im Euro-Raum ist auf die unterschiedliche Lohn- und Preisentwicklung in den einzelnen Ländern zurückzuführen. Hohe Lohn- und Preissteigerungen wie in Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien stärken in einem gemeinsamen Währungsraum über niedrige Realzinssätze die Inlandsnachfrage. Eine Zeit lang können dadurch hohes Wachstum und niedrige Arbeitslosenquoten aufrechterhalten werden. Diese Entwicklung ist allerdings mit einem zunehmenden Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und einem Anstieg der Leistungsbilanzdefizite verbunden. Niedrige Lohnzuwächse wie in Deutschland gehen andererseits mit einer stetigen Zunahme der Wettbewerbsfähigkeit und einer Verbesserung der Leistungsbilanz einher. Diese beiden Entwicklungen bedingen einander und hängen ursächlich miteinander zusammen.

Der Zusammenbruch des Immobilienpreisbooms in Irland und Spanien und die weltweite Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise stellen die Defizitländer vor große Probleme. Von den privaten Konsum- und Investitionsausgaben ist in nächster Zeit kein Impuls für die Konjunktur zu erwarten. Die öffentlichen Haushalte weiteten ihr Defizit während der Krise massiv aus und müssen nun für Konsolidierung sorgen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften wurde durch die oben beschriebene Entwicklung erheblich beeinträchtigt; die Exporte werden daher kurzfristig kaum zunehmen. Auch für die Überschussländer ergeben sich gedämpfte Wachstumsaussichten: Die Inlandsnachfrage wird bei unveränderter Lohnpolitik und den angestrebten Sparmaßnahmen kaum dynamisch wachsen können. Die Exporte in die Defizitländer werden aufgrund von deren Nachfrageschwäche ebenfalls kaum expandieren. Insgesamt droht dem Euro-Raum daher eine über mehrere Jahre anhaltend schwache Wirtschaftsentwicklung, verbunden mit dem Risiko einer Deflation.

Eine Angleichung der Wettbewerbsfähigkeit könnte allerdings auch bei kräftigerem Wirtschaftswachstum erfolgen. Das Überschussland Deutschland müsste dazu die Inlandsnachfrage stärken bzw. höhere Lohn- und Preissteigerungen zulassen. Diese Perspektive erscheint aber angesichts der aktuellen politischen Diskussion wenig realistisch. Eine Belebung der Inlandsnachfrage in den Überschussländern entbindet die Defizitländer nicht von der Notwendigkeit, vermehrt hochwertige Güter und Dienstleistungen für den Weltmarkt zu erzeugen. Sie erleichtert jedoch die Anpassungsprozesse innerhalb des Euro-Raumes und stärkt dadurch den Zusammenhalt in der Währungsunion.

Literaturhinweise

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Marterbauer, M., Walterskirchen, E., "Einfluss der Haus- und Wohnungspreise auf das Wirtschaftswachstum", WIFO-Monatsberichte, 2005, 78(11), S. 761-774, http://www.wifo.ac.at/wwa/jsp/index.jsp?fid=23923&id=25815&typeid=8&display_mode=2.

 

Imbalances in the Euro Area Summary

In the run-up to the economic crisis, distinctive macroeconomic imbalances emerged in the euro area. Greece, Ireland, Italy, Portugal and Spain experienced a considerable deterioration of their international competitiveness and incurred high current account deficits. By contrast, Germany, among other countries, improved its competitiveness and achieved a large current account surplus. These imbalances continue to exist and are likely to threaten the economic recovery, the long-term growth perspectives and the cohesion of the EMU.

High wage and price inflation led to sluggish export growth in the deficit countries. Moreover, high inflation rates reduced real interest rates and consequently stimulated domestic demand. In Ireland and Spain, in particular, they facilitated investments into housing, which led to a boom in the construction sector. Both effects impaired their current account balances. In Germany, on the other hand, low wage and price inflation boosted exports and improved the current account.

The bust of the housing bubbles in Ireland and Spain as well as the global economic crisis brought the deficit countries into a difficult economic situation which is likely to continue. Domestic demand is weak, international competitiveness is low, and the fiscal deficit is high. All countries are already implementing measures to consolidate their budgets. Under these conditions, the deficit countries will suffer from persistent economic stagnation. This in turn leads to weaker imports in the surplus countries and decelerates their economic recovery. Hence, in the years to come economic growth in the euro area will be substantially below that of the rest of the world.

Nevertheless, rebalancing current accounts and international competitiveness would also be feasible at higher economic growth rates. Germany as the largest surplus country needs to contribute by strengthening domestic demand and permitting stronger increases of wages and prices. This, however, does not absolve the deficit countries from improving their industrial base and producing more high-quality goods and services for the global market. Nevertheless, it would ease the adjustment process and strengthen the cohesion in the euro area.

 

 

 



[a])  Eine begrenzte Auswahl aus den zahlreichen Arbeiten zu diesem Thema sind etwa Breuss (2009), Darvas - Pisany-Ferry (2008), Dullien (2009), Eichengreen (2007), Ederer - Marterbauer - Walterskirchen (2009), Marterbauer (2010), Marterbauer - Walterskirchen (2005).

[b])  Europäische Kommission (2006, 2008, 2009, 2010).

[c])  Im vorliegenden Beitrag wird mit dem Begriff "Wettbewerbsfähigkeit" immer die preisliche bzw. kostenmäßige Wettbewerbsfähigkeit bezeichnet. Eine umfassendere Definition des Begriffs der Wettbewerbsfähigkeit findet sich in Aiginger (2006).

[d])  Ein relativ stärkerer Preisauftrieb ist in Ländern, deren Wirtschaft sich in einem Aufholprozess befindet, in einem gewissen Ausmaß zu erwarten (Balassa-Samuelson-Effekt). Gemäß einer Untersuchung der Europäischen Kommission (2009) trug der Balassa-Samuelson-Effekt aber nicht entscheidend zum Inflationsvorsprung der Defizitländer bei.