Österreich und Schweiz
– Erfahrungen mit und ohne EU-Mitgliedschaft
Österreich und die Schweiz
verfolgen unterschiedliche Strategien der europäischen Integration: Österreich nimmt
als Mitglied der EU (1995) seit 1999 auch an der Wirtschafts- und Währungsunion
teil. Die Schweiz schlug nach der Ablehnung des EWR-Abkommens 1992 den Weg der bilateralen
Annäherung an die EU (zwei bilaterale Abkommen) ein. Insgesamt fällt die Bilanz
nach zehn Jahren EU-Mitgliedschaft für Österreich positiv aus: Im Durchschnitt dürfte
das BIP um jährlich bis zu ½ Prozentpunkt pro Jahr rascher gewachsen sein. Der Bilateralismus
erlaubt es der Schweiz, im Rahmen von sektoriellen Abkommen nur jene Integrationspunkte
zu verhandeln, die im nationalen Interesse sind. Die Schweiz kann weiterhin eine
eigenständige Wirtschaftspolitik betreiben und entgeht dem Nachteil der Nettozahler
ins EU-Budget. Per Saldo dürfte die Schweiz im letzten Jahrzehnt Wohlfahrtseinbußen
erlitten haben.
Begutachtung: Peter Mayerhofer,
Ewald Walterskirchen • Wissenschaftliche Assistenz: Waltraud Popp, Roswitha Übl
• E-Mail-Adresse: Fritz.Breuss@wifo.ac.at
INHALT
Zuerst gemeinsame, dann getrennte
Wege in der Integrationspolitik
Gesamtwirtschaftliche Entwicklung
seit 1995
Zwei kleine, aber reiche Nachbarländer
Modernere Wirtschaftsstruktur in
der Schweiz
Makroökonomische Entwicklung unterschiedlich
Unterschiedliche Integrationsschritte und
ihre Effekte
Tatsächliche Handelsverschiebungen
Exportgüterstruktur in der Schweiz
höherwertig als in Österreich
Integration in die internationalen
Kapitalmärkte
Schweiz: Kleinstaat mit multinationalen
Unternehmen
Globale Wettbewerbsfähigkeit: Schweiz
vor Österreich
Private Forschung überwiegt in
der Schweiz
Vor- und Nachteile der Globalisierung
Volle und partielle Teilnahme am
Binnenmarkt
EU-skeptische Bevölkerung in Österreich
Wettbewerbsdruck durch EU-Mitgliedschaft
erhöht?
Österreich: Nettozahler in den
EU-Haushalt
Binnenmarkteffekte in Österreich
Erzielte und entgangene Integrationseffekte
in der Schweiz
Integration in die EU-Wirtschaftspolitik
des Euro-Raums versus Autonomie der Wirtschaftspolitik
Erwartete Effekte der Teilnahme
an der WWU
Vorläufige Schätzung der Effekte
von Teilnahme und Nichtteilnahme an der WWU seit 1999
Integration in den "europäischen
Konjunkturzyklus"
Wachstums- und Wohlfahrtseffekte
von EU-Mitgliedschaft und Nicht-Mitgliedschaft
Effekte der EU-Erweiterung 2004
VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN
Übersicht 1: Geschichte der Integrationspolitik Österreichs und der Schweiz
Übersicht 2: Wirtschaftlicher
Größenvergleich
Übersicht 3: Makroökonomische Entwicklung seit dem EU-Beitritt Österreichs
Übersicht 4: Regionale Handelsverflechtungen Österreichs und der Schweiz
Übersicht 5: Zusammenhänge zwischen dem Konjunkturverlauf in Österreich und
der Schweiz
Übersicht 6: Wachstumsgleichungen für Österreich und die Schweiz
Übersicht 7: Einkommensentwicklung
Abbildung 1: Einkommensentwicklung in Relation zur EU 15
Abbildung 2: Beitrag der Wirtschaftszweige zur Bruttowertschöpfung
Abbildung 3: Erwerbstätige in der Sachgütererzeugung
Abbildung 4: Wirtschaftswachstum vor und nach dem EU-Beitritt Österreichs
Abbildung 5: Inflationsentwicklung vor und nach dem EU-Beitritt Österreichs
Abbildung 6: Entwicklung des Staatshaushalts vor und nach dem EU-Beitritt Österreichs
Abbildung 8: Entwicklung der Arbeitslosenquote vor und nach dem EU-Beitritt
Österreichs
Abbildung 11: Real-effektiver
Wechselkurs
Abbildung 12: Handelspartner der Schweiz und Österreichs 2004
Abbildung 13: Güterstruktur des Außenhandels in Österreich und der Schweiz 2004
Abbildung 14: Direktinvestitionen 2003
nach Ländergruppen
Abbildung 15: Direktinvestitionen nach
Ländern
Abbildung 16: Forschungs- und
Entwicklungsausgaben
Abbildung 17: Wohlfahrtsniveau in Österreich, der Schweiz und den USA
Abbildung 18: Integrationseffekte in Österreich und der Schweiz,
Österreich und die Schweiz, zwei nahezu gleich große Kleinstaaten in Mitteleuropa,
beschreiten seit Mitte der neunziger Jahre unterschiedliche Wege in der europäischen
Integration, nachdem sie von Anfang der sechziger bis Mitte der neunziger Jahre
als EFTA-Mitglieder die gleiche integrationspolitische Strategie verfolgt hatten:
· Österreich ist nach einem Jahr im Europäischen Wirtschaftsraum
(EWR) seit 1995 Mitglied der Europäischen Union und nimmt seit 1999 an der Wirtschafts-
und Währungsunion der EU teil.
· Die Schweiz verfolgt nach der Ablehnung des EWR-Abkommens
in einem Referendum 1992 die Strategie einer allmählichen Annäherung an die EU über
bilaterale Abkommen. Seit 2002 gelten die "Bilateralen Abkommen I", die
Teilabkommen der "Bilateralen II" traten 2005 bereits teilweise in Kraft.
Die Schweiz hat damit die wesentlichen Inhalte des EWR-Abkommens nachträglich übernommen.
Die Bilateralen II setzen manche über das EWR-Abkommen hinausgehenden Integrationsschritte
(Teilnahme am Schengen-Abkommen, Zinsbesteuerungsabkommen), die eine relativ weitgehende
wirtschaftliche Integration in die EU ermöglichen. Zugleich vermeidet die Schweiz
mit dieser Strategie manche Nachteile der EU-Mitgliedschaft, etwa die Belastung
als Nettozahler ins EU-Budget, und bleibt in ihren politischen Entscheidungen autonom.
Sie behält ihr spezifisches Modell der direkten Demokratie bei, während in Österreich
die Entscheidungen – insbesondere in der Wirtschaftspolitik
– größtenteils auf EU-Ebene fallen.
Dieser Beitrag untersucht
anhand eines Vergleichs, inwiefern sich die unterschiedlichen Integrationsstrategien
in der Wirtschaftsentwicklung niederschlagen. Eine Quantifizierung von Integrationseffekten
ist immer schwierig, weil die komplexe Wirtschaftsentwicklung von Ländern nicht
nur Integrationseffekte widerspiegelt. Zur Schätzung von Integrationseffekten (im
Falle Österreichs der EU-Mitgliedschaft, im Falle der Schweiz der Nicht-Mitgliedschaft)
werden in der Folge auch Modellanalysen herangezogen.
Die beiden neutralen Staaten
Österreich und Schweiz gingen im Rahmen der europäischen Integration zunächst lange
Zeit (von 1960 bis 1993) gemeinsame und seit 1994 getrennte Wege (Übersicht 1).
Die EFTA-Mitgliedschaft hatte nach der Verwirklichung der EFTA-Freihandelszone Ende
1966 eine Intensivierung der Handelsverflechtung zwischen den Mitgliedstaaten (und
damit auch zwischen den beiden Nachbarländern Österreich und Schweiz) zur Folge.
Gleichzeitig waren beide Staaten seit der Verwirklichung der Zollunion der EWG per
1. Juli 1967 handelspolitisch auf den EWG-Märkten diskriminiert.
In der Schweiz erhöhte
sich der Anteil der Exporte in die EFTA 6 von 8% (EFTA 9 17%) Anfang der sechziger
Jahre auf 12% (22%) Anfang der siebziger Jahre. Österreich war noch stärker in die
EFTA integriert – der Exportanteil stieg von
9% (13%) auf 18% (29%). Wegen der Diskriminierung auf den EG-Märkten ging in beiden
Ländern der Anteil der Exporte in die EG im selben Zeitraum zurück. Nach Abschluss
der Freihandelsabkommen 1972 setzte durch den verstärkten Konkurrenzdruck der EU-Staaten,
aber auch wegen der Zurückverlagerung der Handelsströme von den EFTA- in die Nachbarstaaten
der EU eine gegenläufige Entwicklung ein.
Ein ähnliches Muster zeigt
die Entwicklung der bilateralen Handelsbeziehungen. Die Schweiz liefert 1960 3,2%
der Exporte nach Österreich. Bis 1974 verdoppelte sich der Anteil (6,6%), heute
ist er aber wieder so niedrig wie Anfang der sechziger Jahre. Österreich exportierte
bereits 1960 mit 4,8% seiner Ausfuhr mehr in die Schweiz als aus der Schweiz importiert
wurde. Am höchsten war der Anteil 1972 mit 11,5%, seither verringerte er sich wieder
auf 4,5% (2004).
Der integrationspolitischen
Zweigleisigkeit in Europa wurde mit dem Abschluss der Freihandelsabkommen zwischen
EWG und EGKS auf der einen und den verbliebenen EFTA-Staaten auf der anderen Seite
am 1. Jänner 1973 zugleich mit der ersten EG-Erweiterung (auf EG 9) ein Ende gesetzt.
Die Freihandelsabkommen von 1972 schufen Mitte 1977 einen "großen Freihandelsraum"
EG–EFTA, in dem der Handel mit industriell-gewerblichen
Waren keinen Zöllen unterlag; für Agrarprodukte galten fallweise Ausnahmeregelungen.
Für den Großteil des Außenhandels
zwischen EFTA und EG bestehen also seit Mitte der siebziger Jahre keine Zollschranken
mehr. Erst mit dem EU-Beitritt und damit dem Eintritt in die EG-Zollunion fallen
die letzten Handelsbarrieren (Landwirtschaft und Grenzkontrollen) weg. Dies gilt
für Österreich seit dem EU-Beitritt 1995, für die Schweiz nur partiell durch die
beiden bilateralen Abkommen (Bilaterale I und II) seit 2002.
Die Bilateralen II bauen
auf den bilateralen Abkommen I von 1999 auf und setzen damit den bilateralen Weg
fort. Die EU verknüpfte zwei wichtige Anliegen an die Schweiz mit der Aufnahme der
Verhandlungen: Die Schweiz sollte in das von der EU geplante grenzüberschreitende
System der Zinsbesteuerung eingebunden werden und in der Betrugsbekämpfung im Bereich
der indirekten Steuern (namentlich gegen den Zigarettenschmuggel) mit der EU zusammenarbeiten.
Die Schweiz wollte aber darüber hinaus andere "Überbleibsel" ("Leftovers")
aus den bilateralen Abkommen I mitverhandelt wissen[a]) (Übersicht 1).
Am 1. Juni 2002 traten
die sieben bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union
(Bilaterale I) in Kraft. Eines von ihnen (Freizügigkeitsabkommen – FZA) führt schrittweise
den freien Personenverkehr auf dem ganzen Gebiet der EU und der Schweiz für die
Staatsangehörigen der EU-Länder und der Schweiz ein.
Mit der EU-Erweiterung am 1. Mai 2004
wurden mit Ausnahme des FZA alle bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der
EU (Bilaterale I) auf die zehn neuen EU-Staaten
ausgedehnt. In einem Zusatzprotokoll zum Abkommen über die Personenfreizügigkeit
von 1999 wurde eine Übergangsregelung für die neuen osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten
festgelegt, die eine schrittweise und kontrollierte Öffnung des Schweizer Arbeitsmarktes
vorsieht. Beschränkungen (Inländervorrang, Kontingentierung, Kontrolle der Lohn-
und Arbeitsbedingungen) können bis 30. April 2011 weitergeführt werden.
Das Schweizer Parlament
hat in der Wintersession 2004 das Zusatzprotokoll gemeinsam mit der Revision der
flankierenden Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping genehmigt. Beide Vorlagen
wurden in einem Bundesbeschluss vereinigt, welcher dem fakultativen Referendum unterstand. Mit der Zustimmung zur Öffnung des Arbeitsmarktes auch für die 10 neuen
EU-Länder im Referendum am 25. September 2005 vermied
die Schweiz eine mögliche Kündigung aller sechs anderen sektoriellen Abkommen durch
die EU (wegen der Ungleichbehandlung ihrer Mitgliedstaaten)[b]).
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Übersicht 1: Geschichte
der Integrationspolitik Österreichs und der Schweiz |
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Gemeinsame Integrationsschritte: EFTA-Mitgliedschaft
1960/1993 |
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1960 |
European Free Trade
Association (EFTA): Dänemark, Großbritannien und Nordirland, Norwegen, Österreich,
Portugal, Schweden, Schweiz und Liechtenstein (seit 1991 eigenständiges Mitglied);
Finnland (seit 1961 assoziiert) 1986 Vollmitglied, Island 1970 Mitglied 3. Mai: EFTA-Konvention
tritt in Kraft |
1966 |
31. Dezember: Abbau
der verbliebenen EFTA-internen Zölle –
Freihandelszone "EFTA" verwirklicht |
1973 |
Parallel mit der
"Ersten Erweiterung" ("Norderweiterung") der EG um Dänemark,
Großbritannien und Nordirland sowie Irland treten am 1. Jänner die Freihandelsabkommen
zwischen EWG, EGKS und den verbliebenen EFTA-Staaten (Island, Österreich, Portugal,
Schweden und Schweiz) in Kraft. Österreich hatte durch das seit 1. Oktober 1972
geltende Interimsabkommen mit EWG und EGKS noch einen kleinen Zollvorsprung gegenüber
den anderen EFTA-Staaten. |
1977 |
Freihandelsabkommen
beseitigen bis 1. Juli alle Zölle und sonstigen Handelshemmnisse zwischen EG und
EFTA für industriell-gewerbliche Waren (Sonderregelungen für Agrarprodukte). Mitte 1977: "Großer
Freihandelsraum" EG-EFTA verwirklicht |
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Unterschiedliche Strategie der Annäherung an die
EU 1994/2005 |
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1992 |
20. Mai: Schweiz
stelllt Antrag auf Vollmitgliedschaft bei der EU; Antrag wird weder von der EU
noch von der Schweiz weiter verfolgt 6. Dezember: Schweiz lehnt EWR-Abkommen in Volksabstimmung
mehrheitlich (50,3%) ab, bleibt somit zwar EFTA-Mitglied, nimmt aber nicht am
EWR teil; beginnt bilaterale Verhandlungen mit der EU |
1994 |
1. Jänner: Abkommen
über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) zwischen EG 12 und den EFTA-Staaten
Finnland, Island, Liechtenstein, Norwegen, Österreich und Schweden tritt in Kraft;
im Bereich des Wirtschaftsrechts teilweise Angleichung an den Rechtsbestand der
EG (acquis communautaire), damit partielle Teilnahme am EG-Binnenmarktprogramm |
1995 |
1. Jänner: Erweiterung
der EU um drei frühere EFTA-Mitgliedsländer (Finnland, Österreich, Schweden) zur
EU 15 EFTA hat nur noch
vier Mitgliedsländer (Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz), von denen nur
drei am EWR teilnehmen |
1999 |
Wirtschafts- und
Währungsunion der EU tritt mit 11 Mitgliedstaaten (darunter Österreich) in Kraft |
2001 |
1. Jänner: Griechenland
nimmt an der Währungsunion teil |
2002 |
1. Jänner: in der
Eurozone wird der Euro gesetzliches Zahlungsmittel Zur Verringerung
der negativen Folgen der Nichtteilnahme am EWR hat die Schweiz seit 1994 mit der
EU ein bilaterales Abkommen für sieben Sektoren (Personenverkehr, Luftverkehr,
Landverkehr, Landwirtschaft, Technische Handelshemmnisse, Öffentliches Beschaffungswesen,
Forschung – Teilnahme am 5. EU-Rahmenprogramm)
verhandelt. Das Abkommen (Bilaterale I)1)
wurde am 21. Juni 1999 unterzeichnet und tritt nach einem zustimmenden Referendum
in der Schweiz (6. Mai 2000) am 1. Juni 2002 in Kraft. Damit wird eine
Revision der EFTA-Konvention notwendig. |
2004 |
1. Mai: Erweiterung
der EU um 10 Staaten zur EU 25 Die Schweiz verhandelt
mit der EU seit 17. Juni 2002 ein weiteres bilaterales Abkommen (Bilaterale II)2) über 10 Dossiers, das am 19. Mai 2004 abgeschlossen
wird. 8 Abkommen (Verarbeitete Landwirtschaftsprodukte, Statistik, Ruhegehälter,
Umwelt, MEDIA, Schengen bzw. Dublin, Betrugsbekämpfung, Zinsbesteuerung) müssen
vom Parlament genehmigt werden. Drei der Abkommen (MEDIA, Schengen bzw. Dublin
und Zinsbesteuerung) erfordern zu ihrer Umsetzung Anpassungen auf Gesetzesstufe.
Zum Bereich Bildung–Berufsbildung–Jugend vereinbaren die Verhandlungspartner eine
Absichtserklärung. 26. Oktober: Bilaterale
II in Luxemburg unterzeichnet Weil die Schweiz
nicht Mitglied der EU-Zollunion ist, werden weiterhin an den Grenzen Kontrollen
vorgenommen (Schengen-Sonderfall). |
2005 |
5. Juni: Schweiz
stimmt der Teilnahme am Schengen- bzw. Dublin-Abkommen in Volksabstimmung mehrheitlich
(54,6%) zu Bilaterale II werden
in Teilschritten ratifiziert3) 1. Juli: Zinsbesteuerungsabkommen
zwischen Schweiz und EU tritt in Kraft 25. September: Schweiz
stimmt Ausdehnung der Freizügigkeit auf die 10 neuen EU-Länder in Volksabstimmung
mehrheitlich (56%) zu; wie in den EU-Ländern (Ausnahmen: Großbritannien, Irland
und Schweden) gelten Übergangsregelungen bis zu 7 Jahren |
1) Originaltexte der Bilateralen Abkommen I ("Bilaterale I") zwischen
der Schweiz und der EU von 1999: http://www.europa.admin.ch/ba/off/
abkommen/d/index.htm.
– 2) Originaltexte der Bilateralen Abkommen
II ("Bilaterale II") zwischen der Schweiz und der EU: http://www.europa.admin. ch/nbv/off/abkommen/d/index.htm. –
3) Zeitplan der Ratifikation der einzelnen Teilabkommen: http://www.europa.admin.ch/nbv/ratifikation/
d/index.htm. |
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Österreich hat mit der
Teilnahme an der WWU seit 1999 und der Übernahme des Euro als gesetzliches Zahlungsmittel
2002 die höchste Stufe der wirtschaftlichen Integration in der EU erreicht – mit allen Vor- und Nachteilen. Die Schweiz wählte
nach dem Willen der Bevölkerung mit einer bilateralen Annäherung an die EU eine
alternative Integrationsstrategie, die ebenfalls Vorteile, aber auch Nachteile mit
sich bringt. Obwohl nicht an die Budgetregelungen für Vollmitglieder gebunden, entschied
der Schweizerische Bundesrat am 12. Mai 2004, über einen Zeitraum von fünf Jahren
einen Beitrag zur Förderung der sozialen und wirtschaftlichen Kohäsion in Europa
im Ausmaß von 1 Mrd. CHF (rund 650 Mio. €) zu leisten (Calmy-Rey, 2004, S. 6, http://www. europa.admin.ch/europapol/themen/kohaesion/d/index.htm). Mit dem Kohäsionsbeitrag setzte die Schweiz ihre
Solidarität mit Osteuropa fort (sie unterstützte die Oststaaten zwischen 1991 und
2001 mit 2,5 Mrd. CHF; Neue Zürcher Zeitung, 10. Februar 2004, S. 15) und hilft,
das wirtschaftliche und soziale Gefälle zwischen "alten" und "neuen"
Mitgliedstaaten der EU zu verringern. Der Beitrag wird in Form von Projekten geleistet,
die die Schweiz autonom auswählt und durchführt. Seine Finanzierung sollte budgetneutral
erfolgen.
Die EU-Erweiterung von
2004 machte eine Anpassung des EWR-Abkommens notwendig: Am 1. Mai 2004 wurde auch
der EWR (von zuvor 18) um zehn Länder auf 28 Staaten ausgeweitet[c]). Im Zuge der Neuverhandlung des EWR-Abkommens
musste der Kostenbeitrag der EFTA-Mitgliedsländer im EWR geklärt werden. Norwegen
verpflichtete sich im Gegenzug zur Verbesserung des Zugangs zu den 10 neuen Märkten
zu einer jährlichen Zahlung von rund 226 Mio. € in den EU-Haushalt, die durch Finanzierungsregelungen
den neuen EU-Mitgliedstaaten zugute kommt.
Die Schweiz ist gemessen an der Fläche halb so groß wie Österreich und beherbergt
mit 7,4 Mio. etwas weniger Einwohner als Österreich (8,2 Mio.). Sie zählt nach wie
vor zu den reichsten Ländern der Welt, hat aber den großen Vorsprung der Nachkriegszeit
in den letzten Jahrzehnten eingebüßt. Österreich holte gemessen am BIP pro Kopf
(in Kaufkraftstandards) stark auf und ist heute das viertreichste Land der EU (Übersicht
2; Abbildung 1).
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Abbildung 1: Einkommensentwicklung
in Relation zur EU 15 |
BIP pro Kopf, in Kaufkraftstandards, EU 15 = 100 |
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Q: Eurostat, WIFO-Berechnungen. 2005 und 2006:
Prognose. |
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Nach dem Zweiten Weltkrieg
war die Schweiz das reichste Industrieland, das BIP pro Kopf (in Kaufkraftparitäten)
war rund doppelt so hoch wie in Österreich. Die USA, im Jahr 1950 mit der Schweiz
noch gleich auf, blieben 1960 bereits deutlich zurück. In Österreich vollzog sich
nach dem Zweiten Weltkrieg ein rasanter Aufholprozess, während die Schweiz relativ
zum EU-Durchschnitt stetig zurückfiel. Seit Mitte der neunziger Jahre übertrifft
das Pro-Kopf-Einkommen in den USA dank eines anhaltenden Wirtschaftsbooms jenes
in der Schweiz. Gemäß den jüngsten Daten von Eurostat für das BIP pro Kopf (AMECO-Datenbank)
dürfte der Vorsprung der Schweiz gegenüber Österreich auf 6 Prozentpunkte geschrumpft
sein (Abbildung 1). Wie weiter unten gezeigt wird, hatte der EU-Beitritt Österreichs
zwar keine Zunahme des BIP pro Kopf relativ zum EU-Durchschnitt zur Folge, brachte
den Aufholprozess aber zumindest nicht zum Stillstand. In der Schweiz hingegen dürfte
die Entscheidung, der EU nicht beizutreten, den schon länger anhaltenden Trend einer
Abflachung der Entwicklung nicht gestoppt haben.
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Übersicht 2: Wirtschaftlicher Größenvergleich |
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Fläche |
Einwohner |
BIP |
Handel mit
der EU 15 |
Internationale
Wettbewerbsposition1) |
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Insgesamt |
Pro Kopf |
Exporte |
Importe |
GCI2) |
BCI3) |
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2004 |
2004 |
2004 |
Ø 1995/2004 |
2005 |
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In 1.000 km2 |
In Mio. |
Mrd. KKS4) |
KKS4) |
In % des Gesamthandels |
Insgesamt |
MEI |
PII |
TI |
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|
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Österreich |
84 |
8,17 |
220 |
27.070 |
62,0 |
68,0 |
21 |
22 |
11 |
21 |
10 |
Schweiz |
41 |
7,42 |
213 |
28.740 |
60,3 |
77,8 |
8 |
13 |
9 |
6 |
7 |
EU 15 |
3.236 |
383,42 |
9.316 |
24.300 |
|
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|
EU 25 |
3.975 |
457,54 |
10.213 |
22.320 |
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Q: Eurostat; OECD; World Economic Forum, The Global Competitiveness
Report 2005-2006; WIKIPEDIA; WIFO-Berechnungen. – 1) Rang unter 117 erfassten Ländern.
– 2) Growth Competitiveness Index (mittelfristige
Bedingungen für dauerhaftes Wachstum) mit drei Unterindizes: Macroeconomic Environment
Index (MEI), Public Institutions Index (PII), Technology Index (TI). – 3) Business Competitiveness Index
(mikroökonomische Bedingungen für kurzfristiges Produktivitätsniveau). – 4) In Kaufkraftstandards. |
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Die Schweiz als eine der
höchstentwickelten Volkswirtschaften der Welt verfügt – ganz im Einklang mit der Drei-Sektoren-Hypothese
von Clark, Fourastié und Fisher – über einen
großen Dienstleistungssektor. Die Grobstruktur (Abbildung 2) ähnelt jener in Österreich.
Während in der Schweiz die Vermögens- und Unternehmensdienstleistungen (der Bankensektor
trägt allein 15% zur gesamten Wertschöpfung bei) und die sonstigen Dienstleistungen
dominieren, ist in Österreich der Bereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr stärker
vertreten. In den letzten zehn Jahren verschob sich diese Grobstruktur nur geringfügig.
In beiden Ländern nahm der Anteil der Vermögens- und Unternehmensdienstleistungen
zu – in Österreich zulasten der sonstigen Dienstleistungen,
in der Schweiz verringerte sich der Anteil des produzierenden Bereichs. Laut OECD
Observer 2004 (Daten von 2003) waren in der Schweiz im Sektor Landwirtschaft und
Fischerei 4,1% der Arbeitskräfte beschäftigt (Österreich 5,6%), im produzierenden
Bereich arbeiteten 23,9% (29,6%) und im Dienstleistungssektor 72% der Erwerbstätigen
(64,8%).
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Abbildung 2: Beitrag
der Wirtschaftszweige zur Bruttowertschöpfung |
Anteile in %, nominell |
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Q: Bundesamt für Statistik der Schweiz, Staatssekretariat für Wirtschaft
der Schweiz, Statistik Austria. |
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Die Struktur der Sachgütererzeugung
unterscheidet sich (gemessen am Anteil der Erwerbstätigen) in den zwei Ländern:
Während sie sich in den letzten zehn Jahren in der Schweiz kaum veränderte, waren
in Österreich einige Verschiebungen zu beobachten (Abbildung 3). In der Schweiz
dominieren die High-Tech-Bereiche Elektrotechnik, Feinmechanik und Optik mit einem
Anteil von 20%, in Österreich beschäftigen die Branchen Nahrungsmittel und Tabak
sowie Metallerzeugung jeweils rund 15% der Arbeitskräfte.
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Abbildung 3: Erwerbstätige
in der Sachgütererzeugung |
Anteile der Branchen in % |
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Q: Bundesamt für Statistik der Schweiz, Statistik Austria. |
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Ein Vergleich der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung der zwei Nachbarländer 10 Jahre vor und 10 Jahre nach 1995 mit den Überseeländern
USA und Japan sowie dem Durchschnitt der EU 15 liefert Anhaltspunkte dafür, ob sich
die Wirtschaft in Österreich aufgrund der EU-Mitgliedschaft besser oder schlechter
entwickelte als in der Schweiz; echte Integrationseffekte lassen sich daraus noch
nicht ableiten. Die USA und Japan werden als Referenzländer herangezogen, weil sie
von der europäischen Integration nur indirekt betroffen sind. Mit den Zehnjahresvergleichen
werden zufällige Schwankungen ausgeschaltet (die Perioden umfassen jeweils rund
zwei Konjunkturzyklen); allerdings werden dadurch auch die Effekte der Ostöffnung
seit 1989 in allen Makrovariablen erfasst.
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Übersicht 3: Makroökonomische
Entwicklung seit dem EU-Beitritt Österreichs |
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BIP, real |
BIP pro Kopf, in Kaufkraftstandards, relativ zur EU 15 |
Verbraucherpreise |
Finanzierungssaldo
des Staates |
Arbeitslosenquote |
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DW |
D |
DW |
D |
DW |
D |
DA |
D |
DA |
D |
|
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Österreich |
+2,17 |
–0,51 |
–0,43 |
–0,74 |
+1,77 |
–1,03 |
–1,96 |
+1,53 |
4,18 |
0,80 |
Schweiz |
+1,31 |
–0,49 |
–1,24 |
–0,20 |
+0,87 |
–2,13 |
–0,84 |
–0,49 |
3,48 |
1,76 |
|
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EU 15 |
+2,25 |
–0,05 |
|
|
+2,18 |
–2,27 |
–2,22 |
+1,91 |
8,65 |
–0,29 |
USA |
+3,33 |
+0,30 |
+0,36 |
+0,55 |
+2,47 |
–1,16 |
–1,86 |
+2,67 |
5,14 |
–1,27 |
Japan |
+1,22 |
–2,24 |
–0,85 |
–1,81 |
–0,06 |
–1,63 |
–6,76 |
–6,55 |
4,43 |
1,95 |
Q: Eurostat, OECD, WIFO. – DA . . . Ø 1995/2005 in % des BIP bzw. in %, DW . . . durchschnittliche jährliche
Veränderung 1994/2005 in %, D . . . Differenz zwischen DA bzw. DW und dem Durchschnitt
der 10 Jahre vor dem EU-Beitritt Österreichs in Prozentpunkten. |
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Seit 1995 entwickelte sich
die Wirtschaft in der Schweiz und in Österreich sehr unterschiedlich (Übersicht
3). Die meisten makroökonomischen Indikatoren fallen für die Schweiz günstiger aus
als für Österreich. Die Verlangsamung des durchschnittlichen Wirtschaftswachstums
in der Zehnjahresperiode nach 1995 gegenüber den zehn Jahren davor war in beiden
Ländern mit rund –½ Prozentpunkt gleich. Die
Steigerung des BIP pro Kopf flachte in Österreich etwas stärker ab, und auch die
Stabilisierung des Preisauftriebs gelang in der Schweiz besser als in Österreich.
Nur bezüglich der Sanierung des Staatshaushalts und der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
war Österreich erfolgreicher als die Schweiz.
Die Wirtschaft der Schweiz
durchlief nach einer Überhitzung der Konjunktur Anfang der neunziger Jahre einen
starken Abschwung (kleine Rezession im Jahr 1991), von dem sie sich erst ab 1997
erholte. Nicht zuletzt durch eine sehr expansive Geldpolitik (niedrigere Zinssätze
als in der Eurozone; Abbildung 7) wurde das Wirtschaftswachstum angekurbelt. Im
Jahr 2003 glitt die Schweiz neuerlich in eine milde Rezession.
Österreich verzeichnete
im Gefolge der deutschen Wiedervereinigung einen Wachstumsschub der Auslandsnachfrage,
der erst 1993 nachließ. Insgesamt verläuft das Wachstum des realen BIP ähnlich dem
Durchschnitt der EU 15: Vor 1995 übertraf es ihn, seither entspricht es ihm weitgehend
(Abbildung 4).
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Abbildung 4: Wirtschaftswachstum
vor und nach dem EU-Beitritt Österreichs |
In % |
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Q: OECD, Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. 2005 und 2006: Prognose. |
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In beiden Ländern prägten
somit Sondereffekte die Wirtschaftsentwicklung, darunter eben auch die Teilnahme
bzw. Nichtteilnahme an der EU-Integration.
In allen in Übersicht 3
erfassten Ländern verringerte sich die Inflationsrate seit 1995 gegenüber der Dekade
davor, am schwächsten aber in Österreich (–1,0
Prozentpunkte). In der Schweiz war der Rückgang mit –2,1 Prozentpunkten nahezu so stark wie im Durchschnitt
der EU (–2,3 Prozentpunkte; Abbildung 5).
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Abbildung 5: Inflationsentwicklung
vor und nach dem EU-Beitritt Österreichs |
Veränderung der Verbraucherpreise gegen das Vorjahr
in % |
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Q: OECD, Statistik Austria. 2005 und 2006: Prognose. |
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Im umfangreichen "Inflation
Persistence Network Project" vergleicht die Europäische Zentralbank die Inflationsentwicklung
in der Eurozone mit jener der USA und Japans (http://www.ecb.int/home/html/researcher_ipn.en.html). Demnach traten nach der Hochinflationsphase der
siebziger und achtziger Jahre seit Mitte bis Anfang der neunziger Jahre fast alle
Industriestaaten in eine Niedriginflationsphase ein. Vorrangige Preisstrategie ist
die Mark-up-Preissetzung, d. h. monopolistisch kompetitive Firmen setzen die Preise
durch Aufschläge auf die Einheitskosten. Aufgrund der Verschärfung des Wettbewerbsdrucks
durch Globalisierung und Schaffung des europäischen Binnenmarktes seit 1993 ist der Preisauftrieb in den letzten
zwei Jahrzehnten mäßig (Abbildung 5).
In der Entwicklung der
öffentlichen Haushalte der Schweiz und Österreichs spiegelt sich der unterschiedliche
Spielraum der Fiskalpolitik. Vor dem Eintritt in die WWU waren die EU-Mitgliedstaaten
bemüht, die Maastricht-Konvergenzkriterien zu erfüllen. Dazu gehörte eine Senkung
des Finanzierungssaldos unter 3% des BIP (Prüfung im Mai 1998 auf Basis der Daten
von 1997). Die Verbesserung der Budgetposition in Österreich seit Mitte der neunziger
Jahre war daher nicht so sehr konjunkturbedingt, sondern eine notwendige Voraussetzung
für den Eintritt in die WWU.
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Abbildung 6: Entwicklung
des Staatshaushalts vor und nach dem EU-Beitritt Österreichs |
Finanzierungssaldo der öffentlichen Haushalte
in % des BIP |
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Q: Bundesamt für Statistik der Schweiz, Staatssekretariat für Wirtschaft
der Schweiz, Eurostat, Statistik Austria. 2005 und
2006: Prognose (Schweiz: 2004 bis 2006 Prognose). |
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Als Teilnehmer an der Währungsunion
ist Österreich entsprechend dem Stabilitäts- und Wachstumspakt verpflichtet, den
Staatshaushalt mittelfristig auszugleichen und den Finanzierungssaldo des Staates
in keinem Jahr über 3% des BIP steigen zu lassen. Die Schweiz bindet sich seit einigen
Jahren teilweise mit ähnlichen Fiskalregeln ("Schuldenbremse") selbst.
Dennoch war die Entwicklung seit 1995 insgesamt in Österreich günstiger als in der
Schweiz (Abbildung 6).
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Abbildung 7: Zinssätze |
In % |
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Q: OECD, OeNB, WIFO. 2005 und 2006: Prognose. |
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Ein Vorteil einer Nichtteilnahme
an der Währungsunion ist die Autonomie der Geldpolitik. Mit einer Niedrigzinspolitik
konnte die Schweiz die Wirtschaft stimulieren, wie Abbildung 7 für den Verlauf der
kurzfristigen und der langfristigen Zinssätze zeigt.
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt
war in Österreich in den siebziger und achtziger Jahren ruhiger als in den meisten
anderen europäischen Ländern (Abbildung 8). Dennoch verzeichnet Österreich seit
Ende der achtziger Jahre einen leichten, aber stetigen Anstieg der Arbeitslosenquote.
In der Schweiz hatte das lange Konjunkturtief Anfang der neunziger Jahre eine sprunghafte
Zunahme der zuvor äußerst niedrigen Arbeitslosenquote auf Werte über jenen Österreichs
zur Folge. Seit Ende der neunziger Jahre unterschreitet die Quote wieder den österreichischen
Vergleichswert. Allerdings ist in der Schweiz die Beschäftigungsquote (Erwerbstätige
im Alter zwischen 15 und 64 Jahren in Prozent der Gesamtbevölkerung in derselben
Altersklasse 2004 Schweiz 77,4%, Österreich 66,5%; OECD, 2005B) trotz des im Durchschnitt niedrigeren Wirtschaftswachstums
um rund 10 Prozentpunkte höher als in Österreich.
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Abbildung 8: Entwicklung
der Arbeitslosenquote vor und nach dem EU-Beitritt Österreichs |
In % der Erwerbspersonen |
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Q:
Eurostat, OECD. 2005 und 2006: Prognose. |
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Österreichs außenwirtschaftliche
Position verbesserte sich – gemessen
an der Handelsbilanz in Prozent des BIP (Abbildung 9) – nicht zuletzt durch den Beitritt zur EU deutlich.
Dazu trug nicht so sehr der Handel mit den EU-Ländern, sondern vor allem jener mit
Ost-Mitteleuropa und den übrigen Ländern bei (Übersicht 4). In der Schweiz war der
Saldo der Handelsbilanz bereits seit Anfang der neunziger Jahre etwa ausgeglichen.
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Abbildung 9: Handelsbilanz |
In % des BIP |
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Q: OECD, Statistik Austria. –
1) Laut Außenhandelsstatistik. |
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Nach einem Einbruch des
Leistungsbilanzsaldos – auch durch
die Nettozahlungen an den EU-Haushalt und die Verschlechterung der Wettbewerbsfähigkeit
im Tourismus – ist die österreichische Leistungsbilanz
insgesamt seit 2002 positiv (Abbildung 10). Der negative Saldo gegenüber dem Euro-Raum
vergrößert sich allerdings seit 1995. Die Konsolidierung ergab sich im Wesentlichen
durch die günstige Entwicklung gegenüber den neuen EU-Mitgliedstaaten und den Drittländern.
Der bereits hohe Überschuss in der Leistungsbilanz der Schweiz steigt seit Anfang
der neunziger Jahre stetig – trotz der
Nichtteilnahme an der EU-Integration (Abbildung 10). Dies geht vor allem auf die
Position "Einkommensbilanz" und hier besonders auf den Rücktransfer von
Einkommen aus den Direktinvestitionen der Schweizer multinationalen Unternehmen
im Ausland zurück.
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Abbildung 10: Leistungsbilanz |
In % des BIP |
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Q: OECD, OeNB, WIFO. 2005 und 2006: Prognose. |
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Die Verbesserung der preislichen
internationalen Wettbewerbsfähigkeit Österreichs (wie sie die Entwicklung von Handels-
und Leistungsbilanz widerspiegelt) resultiert nicht zuletzt aus dem seit dem EU-Beitritt
1995 und dem Eintritt in die WWU 1999 anhaltenden Rückgang des real-effektiven Wechselkurses
(gemessen an den relativen Lohnstückkosten gegenüber 24 Handelspartnern; Abbildung
11). Zuvor – zumindest seit dem Beginn
der Hartwährungspolitik im Jahr 1981 (Bindung des Schillings an die Entwicklung
des DM-Kurses) war der real-effektive Wechselkurs recht stabil gewesen. Die Schweiz
verzeichnet dagegen seit 1970 eine fast stetige real-effektive Aufwertung des Schweizer
Franken.
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Abbildung 11: Real-effektiver Wechselkurs |
1999 = 100 |
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Q: European
Commission, Price and Cost Competitiveness, Brüssel, 2005. Deflator: Lohnstückkosten
relativ zu 24 Handelspartnern. |
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Während Österreich mit
dem Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion und der Übernahme des Euro die
höchste wirtschaftliche Integrationsstufe erreicht hat, steht die Schweiz mit dem
bilateralen Ansatz auf der ersten Stufe der ökonomischen Integration (Freihandelszone
durch die EFTA-Mitgliedschaft), angereichert um einige bilaterale sektorielle Abkommen
mit der EU (Bilaterale I und II). Im Folgenden wird die unterschiedliche Integrationsintensität
der zwei Länder bezüglich der verschiedenen Integrationsebenen und ihrer Auswirkungen
analysiert.
Die Integration in einen
bestehenden Handelsblock verstärkt in der Regel den Handel (Handelsschaffung) und
bewirkt eine Umlenkung von den alten Handelspartnern außerhalb des Integrationsblocks
zu den Mitgliedstaaten (Handelsumlenkung). Der EU-Beitritt Österreichs hatte im Wesentlichen zwei handelspolitische Implikationen:
Zum einen mussten die Zölle an den Gemeinsamen Zolltarif (GZT) der EU angepasst
werden, d. h. sie wurden im Durchschnitt um rund 5 Prozentpunkte gesenkt. Dadurch
ergab sich für rund 25% der Drittlandimporte Österreichs (sonstige Nicht-EU-Länder
und verbliebene EFTA-Länder im Jahr 1995) eine Zollbegünstigung. Multipliziert man
das Importvolumen mit der Änderung der Zollsätze, so errechnet sich eine geringfügige
externe Handelsschaffung von 1¼%. Zum anderen bedeutete der Eintritt in den EU-Binnenmarkt
den Wegfall der Grenzkontrollen (freier Warenverkehr) und damit eine Senkung der
Handelskosten.
Die Berechnungen mit Gravitationsmodellen
wie auch Simulationen mit numerischen allgemeinen Gleichgewichtsmodellen lassen
auf langfristig erhebliche handelsschaffende Effekte eines EU-Beitritts schließen.
Egger (2004) ermittelt mit einem Gravitationsansatz
ein zusätzliches Intra-EU-Handelsvolumen durch den EU-Beitritt (erfasst durch eine
Dummy-Variable) von 4% (für einen NAFTA-Beitritt sogar von 15%). Badinger – Breuss
(2004) schätzen ebenfalls mit einem Gravitationsansatz den Beitrag des Zollabbaus
in der EU zur Wachstumsbeschleunigung des Intra-EU-Handels auf rund ¼ Prozentpunkt.
Simulationen mit einem
numerischen allgemeinen Gleichgewichtsmodell (GTAP5-Modell mit 8 Regionen: Österreich,
Finnland, Schweden, übrige EU 15, USA, MOEL, GUS, übrige Länder; 10 Sektoren und
5 Produktionsfaktoren; Breuss, 2005A)
lassen ebenfalls durch den EU-Beitritt von Österreich, Finnland und Schweden (unter
der Annahme einer Verringerung der Außenhandelskosten um 2,5%) starke handelsschaffende
Effekte im bilateralen Handel mit den anderen EU-Ländern erwarten (5% bis 8%). Die
handelsschaffenden Effekte der drei Länder untereinander fallen mit 2 bis 3½ Prozentpunkten
geringer aus. Handelsumlenkende Effekte (Rückgang von Exporten und Importen) treten
gegenüber allen Drittländern auf (USA, MOEL, GUS, übrige Länder), am stärksten zwischen
den drei neuen EU-Ländern und den Drittstaaten, relativ schwach nur zwischen den
anderen EU-Ländern und den Drittstaaten. Gemäß den GTAP5-Simulationen müsste durch
die Verringerung der Handelskosten um 2,5% die Wohlfahrt in allen drei Ländern um
rund ½ Prozentpunkt und das reale BIP um rund 0,1 Prozentpunkt steigen.
In der Schweiz traten seit dem Freihandelsabkommen
von 1972 in der Handelspolitik gegenüber der EU kaum Veränderungen ein. Das Abkommen
galt nur für industriell-gewerbliche Waren, nicht aber für Landwirtschaftsprodukte.
Die Zölle für den bilateralen Handel mit der EU wurden am 1. Juli 1997 aufgehoben.
Seither besteht für industriell-gewerbliche Waren zwischen der EFTA und der EU Freihandel.
Mit den Landwirtschaftsabkommen im Rahmen der Bilateralen I und II sollte auch der
Agrarhandel zwischen der EU und der Schweiz weitestgehend liberalisiert werden.
Die Bilateralen I erleichterten den gegenseitigen Handel bzw. Marktzugang, allerdings
wurden nicht alle "landwirtschaftlichen Erzeugnisse"[d]) berücksichtigt. Mit dem Landwirtschaftsabkommen
im Rahmen der Bilateralen II wurde das Protokoll Nr. 2 des Freihandelsabkommens
von 1972 in doppelter Hinsicht revidiert und verbessert und die Märkte für verarbeitete
Landwirtschaftsprodukte wie folgt zusätzlich geöffnet (Integrationsbüro EDA/EVD, 2005B, S. 27ff):
· Vereinfachung
des Preisausgleichsmechanismus:
Die EU beseitigt im Rahmen des neuen Preisausgleichsmechanismus die Zölle und Exportsubventionen
vollständig, während die Schweiz die Handelsbarrieren reduziert und zum Teil ebenfalls
abschafft.
· Ausdehnung
und Revision des Deckungsbereichs: Der Anwendungsbereich dieses Regimes von Zoll- und Exportsubventionsreduktionen
wird auf weitere Produkte ausgedehnt.
Mögliche Effekte einer Zollunion zwischen der
Schweiz und der EU |
Nach Abschluss der "Bilateralen Abkommen
II" wird über die weitere Vorgangsweise der Europapolitik in der Schweiz
intensiv diskutiert, ob ein EU-Beitritt oder zumindest eine Zollunion mit der
EU möglich wäre. Zum einen ist das Beitrittsgesuch seit Dezember 1992 eingefroren
und wird gegenwärtig auch von der Schweizer Regierung nicht weiter verfolgt (Bundesrätin
und Außenministerin Micheline Calmy-Rey im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung,
23. August 2005, S. 17). Zum anderen wird der bilaterale Weg konsequent weiter
verfolgt. Die Schweiz steht dabei angesichts der sehr aktiven Vorgangsweise der
EU hinsichtlich des Abschlusses von bilateralen Freihandelsabkommen unter Zugzwang:
Sie muss mit denselben Ländern identische Freihandelsverträge aushandeln wie die
EU, damit nicht Schweizer Exportunternehmen gegenüber den Konkurrenten aus der
EU benachteiligt werden. Die immer wieder betonte "Treaty-making Power"
der Schweiz besteht de facto daher weitgehend in einem Nachvollziehen der Freihandelspolitik
der EU. Derzeit verhandelt die Schweiz ganz im Sinne der Fortführung des Bilateralismus
mit den USA über ein bilaterales Handelsabkommen1). Die Option einer Zollunion ist in der Schweiz
sowohl Gegenstand der öffentlichen als auch der wissenschaftlichen Diskussion.
Die Wirtschaftsredaktion der Neuen Zürcher Zeitung (27.-28. März 2004, S. 15)
kommt dabei nach Abwägung aller Vor- und Nachteile zu dem Schluss, dass die Nachteile
einer Zollunion ohne EU-Beitritt überwiegen würden. Dagegen finden Minsch – Moser
(2004) die Option einer Zollunion durchaus prüfenswert. Die Zollunion hätte den
Vorteil, dass Grenzkontrollen und Ursprungszeugnisse (wie sie das EFTA-Handelsregime
kennt) wegfallen. Damit würden Handelskosten (in unbekanntem Ausmaß) wegfallen.
Eine Zollunion unter Einbeziehung der Landwirtschaft würde insbesondere die Produzentenpreise
der Agrarprodukte um bis zu 50% senken. Dies würde der Schweizer Landwirtschaft
zum nötigen Strukturwandel verhelfen. Kritiker der Zollunion weisen darauf hin,
dass die Schweiz für den Handel mit Industriegütern (durchschnittlicher Zollsatz
2,3%) den höheren EU-Außenzolltarif (4,1%) übernehmen müsste. Allerdings beträfe
dies nach der jüngsten EU-Erweiterung nur rund 15% aller Schweizer Importe – 82% der Importe stammen aus der EU 25, ½% aus
den EFTA-Staaten, die übrigen 2½% aus anderen Freihandelspartnerländern. Landwirtschaftliche
Güter unterliegen in der Schweiz hingegen massiv höheren Zöllen (34%) als jene
in der EU (16%). Dasselbe gilt für die Stützungen im Agrarbereich. Während die
EU der Landwirtschaft im Durchschnitt der Jahre 2002 bis 2004 Erzeugerbeihilfen
von 34% der landwirtschaftlichen Einkommen gewährte, förderte die Schweiz die
Landwirte mit 70% (OECD-Durchschnitt 30%; OECD,
2005A). Simulationen einer potentiellen Zollunion zwischen
der Schweiz und der EU (Eliminierung aller Handelshemmnisse – vor allem der Zölle im Agrarsektor) mit einem
numerischen allgemeinen Gleichgewichtsmodell (GTAP6-Modell mit 12 Regionen: Österreich,
Finnland, Schweden, übrige EU, Schweiz, übrige EFTA, MOEL, Balkanländer, GUS,
Türkei, NAFTA, übrige Länder; 3 Sektoren –
Nahrungsmittel, Industriewaren, Dienstleistungen – und 5 Produktionsfaktoren) auf Datenbasis 2001
bringen folgendes Ergebnis: · Die Schweiz könnte den Handel mit der EU um rund
3% ausweiten, der Handel zwischen Österreich und der Schweiz könnte um 2% gesteigert
werden. Ein großes Potential ergäbe sich im Handel mit der Türkei, die ja bereits
seit 1996 mit der EU eine Zollunion bildet. · Die Schweiz würde Wohlfahrtseffekte von rund 0,2%
des BIP lukrieren; in der EU wären die Effekte um eine Zehnerpotenz kleiner; die
Türkei würde etwas, Österreich sehr wenig profitieren. · Das reale BIP würde in der Schweiz um 0,2% steigen;
in allen anderen Regionen wären die Wachstumseffekte marginal. 1) Eine erste Evaluierung der Vor- und Nachteile
findet sich in Hufbauer – Baldwin (2005). |
|
Zum einen erleichtert das
Landwirtschaftsabkommen der Schweiz den Zugang zu den EU-Märkten. Laut Schätzungen
des Integrationsbüros EDA/EVD (2005B,
S. 29) könnte durch das Abkommen über "verarbeitete Landwirtschaftsprodukte"
das Ausfuhrvolumen der Schweiz um 1,3 Mrd. CHF gesteigert werden. Wegen des Wegfalls
der Zölle profitieren die Konsumenten von einer Verbilligung der Importprodukte.
Indirekt werden in der Schweizer Landwirtschaft 30.000 Arbeitsplätze gesichert.
Die Kosten für den Bundeshaushalt werden auf rund 40 Mio. CHF geschätzt (Integrationsbüro EDA/EVD, 2005B, S. 51).
Dem Wegfall von Zöllen steht eine Reduktion der Exportsubventionen gegenüber.
Während der Verhandlungen
um die Bilateralen II beschloss die EU, auf Waren, die aus der EU importiert und
ohne Weiterverarbeitung wieder in die EU reexportiert werden, Zölle zu erheben,
und forderte Anfang 2004 von der Schweiz, diese Regelung gegen den Missbrauch der
Freihandelsregeln ab 1. März 2004 zuzulassen. Die Schweiz verstand dies als Verstoß
gegen das Freihandelsabkommen von 1972. Betroffen wären insbesondere Logistikunternehmen,
die von der Schweiz aus Unternehmen in der EU beliefern. Allein im Bereich der Spezialitätenchemie
und im Autohandel würden Waren im Volumen von 1 bis 2 Mrd. CHF zollpflichtig. Nach
Protesten der Schweiz wurde die Einhebefrist zunächst auf den 1. Juni 2004 verschoben.
Am 1. Juni 2004 trat die Neuinterpretation der EU bezüglich der Wiederausfuhr (Reexporte)
von EU-Waren aus Ländern, mit denen Freihandelsabkommen bestehen, in Kraft. Anlässlich
des Gipfeltreffens vom 19. Mai 2004 einigten sich die EU und die Schweiz darauf,
dass die Neuinterpretation auf den Warenverkehr zwischen der Schweiz und der EU
nicht anwendbar ist. EU-Waren können somit nach wie vor (auch ohne Weiterbearbeitung)
zollfrei in die EU reexportiert werden. Ausgenommen sind wie bisher Agrarprodukte.
Der Außenhandel von Österreich
und der Schweiz ist – nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen
Integrationstiefe mit der EU – unterschiedlich
stark mit der EU verflochten. Österreich lieferte 2004 59,1% seiner Exporte in die
EU 15 und 71,8% in die EU 25. In der Schweiz war der Anteil der EU 15 mit 58,9%
nahezu gleich groß, jener der EU 25 aber mit 62,0% wesentlich geringer als in Österreich.
Auf der Importseite ist die EU 15 für die Schweiz mit 79,2% der Gesamteinfuhr wesentlich
wichtiger als für Österreich (66,5%; EU 25: 81,4% bzw. 77,1%).
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Abbildung 12: Handelspartner
der Schweiz und Österreichs 2004 |
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Q: OECD. |
|
Der mit Abstand größte
Exportmarkt ist für Österreich (Exportanteil 32,2%) und die Schweiz (20,2%) Deutschland.
Die Anteile der anderen Abnehmerländer streuen unterschiedlich (Abbildung 12): Österreichs
zweitwichtigster Exportmarkt ist Italien (8,6%) vor den USA (5,9%) und der Schweiz
(4,5%). Ungarn rangierte 2004 nach Frankreich und Großbritannien an der 7. Stelle.
Für die Schweiz nimmt das Nachbarland Österreich nur die 8. Stelle in der Reihung
der Handelspartner ein, nach Deutschland, den USA, Frankreich, Italien, Großbritannien,
Japan und Spanien. Unter den ersten 10 wichtigsten Handelspartnern der Schweiz scheint
keines der neuen EU-Länder auf. Die neuen EU-Mitgliedstaaten spielen also für die
Exportwirtschaft der Schweiz eine untergeordnete Rolle, während sie für Österreich
seit der Ostöffnung 1989 an Bedeutung gewonnen haben. Allgemein ist der Export in
Österreich stärker auf Europa konzentriert als in der Schweiz – deren Exportradius ist wesentlich größer. Das ergibt
sich teilweise auch aus der höherwertigen Exportgüterstruktur der Schweiz.
Der Vergleich der Außenhandelsentwicklung
beider Länder in den zehn Jahren seit dem EU-Beitritt Österreichs mit den zehn Jahren
zuvor liefert zwar vor allem Hinweise auf die Integrationswirkungen für Österreich,
doch lässt er auch Schlüsse auf die Beziehungen der Schweizer Wirtschaft zur EU
zu (Übersicht 4). Entgegen der theoretischen Erwartung verringerte sich der Handelsanteil
Österreichs mit der EU 15. Auch der Handelsanteil der Schweiz schrumpfte, wenngleich
schwächer. Österreich weitete dagegen dank der Ostöffnung den Handel mit den 10
neuen EU-Ländern stark aus, die Schweiz hingegen nur marginal. Theoriekonform sank
Österreichs Handelsanteil mit der EFTA in Österreich, entgegen der Theorie aber
auch in der Schweiz, obwohl sie weiterhin der EFTA angehört. Im selben Zeitraum
nahm in beiden Ländern der Handelsanteil mit der NAFTA zu.
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Übersicht 4: Regionale
Handelsverflechtungen Österreichs und der Schweiz |
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Exportanteile |
Importanteile |
Handelsbilanz |
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Österreich |
Schweiz |
Österreich |
Schweiz |
Österreich |
Schweiz |
||||||
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DW |
D |
DW |
D |
DW |
D |
DW |
D |
DW |
D |
DW |
D |
|
|
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|
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|
|
EU 25 |
74,2 |
+0,74 |
62,9 |
–1,76 |
77,1 |
+2,25 |
79,3 |
+0,27 |
–5.796 |
–164 |
–13.267 |
–3.256 |
EU 15 |
62,0 |
–4,25 |
60,3 |
–2,59 |
68,0 |
–1,67 |
77,8 |
–0,43 |
–7.575 |
–1.461 |
–14.248 |
–3.726 |
Neue EU-Länder |
12,3 |
+4,99 |
2,6 |
+0,83 |
9,0 |
+3,92 |
1,5 |
+0,70 |
1.779 |
1.297 |
981 |
470 |
GUS |
1,8 |
–0,58 |
0,8 |
–0,05 |
2,1 |
+0,00 |
1,4 |
+0,76 |
–344 |
–295 |
–505 |
–593 |
EFTA 4 |
6,2 |
–1,40 |
0,5 |
–0,18 |
3,7 |
–1,06 |
0,3 |
–0,27 |
1.532 |
922 |
172 |
147 |
NAFTA |
5,4 |
+1,08 |
12,4 |
+2,17 |
5,3 |
+0,95 |
6,9 |
+0,43 |
26 |
434 |
4.945 |
3.258 |
Übrige Länder |
12,4 |
+0,15 |
23,5 |
–0,18 |
11,8 |
–2,15 |
12,1 |
–1,18 |
–86 |
1.578 |
10.035 |
4.910 |
Q: OECD, WIFO. –
DW . . . Ø 1995/2004
in % (Export- bzw. Importanteile) bzw. Mio. $ (Handelsbilanz), D . . . Differenz
zwischen DW und dem Durchschnitt der 10 Jahre vor dem EU-Beitritt Österreichs
in Prozentpunkten bzw. Mio. $. |
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Als Ergebnis dieser Trends
verschlechterte sich die Handelsbilanz mit der EU, in Österreich schwächer als in
der Schweiz (Übersicht 4). Die Verbesserung im gesamten Warenhandel seit 1995 ging
in beiden Ländern im Wesentlichen auf den Handel mit den anderen Regionen zurück
(in Österreich insbesondere mit den 10 neuen EU-Ländern und den übrigen Ländern).
Diesem Muster folgt auch die Entwicklung der regionalen Leistungsbilanz Österreichs:
Seit 1995 nimmt das Defizit mit dem Euro-Raum zu, während der Überschuss mit den
neuen EU-Mitgliedstaaten und den Drittländern wächst.
Als Erklärung für dieses
Handelsparadoxon bieten sich (zumindest im Falle Österreichs) folgende Antworten
an:
· Nach den Freihandelsabkommen von 1972 und seit dem
vollständigen Zollabbau Mitte 1977 (für industriell-gewerbliche Waren) erreichte
der Anteil der Exporte in die EU 15 mit 68% in Österreich Ende der achtziger Jahre
(bzw. mit 64½% in der Schweiz Anfang der neunziger Jahre) einen Höchstwert, der
auch durch die Teilnahme Österreichs am EWR 1994 bzw. den EU-Beitritt 1995 nicht
gesteigert werden konnte – obwohl der
Wegfall der Grenzkontrollen zumindest theoretisch weitere handelsschaffende Effekte
gehabt hätte.
· Die Ostöffnung – unterstützt
durch den asymmetrischen Zollabbau im Rahmen der Europaabkommen zwischen EU und
MOEL – ließ seit Anfang der neunziger Jahre neue "emerging
markets" in der Nachbarschaft entstehen, deren großer Nachholbedarf einen stärkeren
handelsschaffenden Effekt hatte als die Integration mit der EU 15. Daraus ergibt
sich für die erweiterte Union (EU 25) ein leichter Anstieg der Handelsanteile (Übersicht
4).
· Zudem dürfte die deutliche Konjunkturschwäche in
der EU 15 die Nachfrage nach Importen generell gedrückt haben. Der dämpfende Einkommenseffekt
könnte also stärker gewesen sein als der theoretisch überwiegende relative Preiseffekt
(durch Wegfall der Grenzkontrollen). Auch die deutliche Verbesserung der preislichen
Wettbewerbsfähigkeit Österreichs gegenüber dem Euro-Raum, aber auch gegenüber der
EU 25 glich dies nicht aus.
· Im Außenhandel der Schweiz kompensierte dank der
breiteren Präsenz auf außereuropäischen Märkten – insbesondere
in Nordamerika – der Wachstumsvorsprung der
Nachfrage in Übersee die Nachteile im Zugang zu den langsamer wachsenden EU-Märkten.
Der Öffnungsgrad der Volkswirtschaft,
gemessen an der Summe von Exporten und Importen (Waren und Dienstleistungen) in
Prozent des BIP, ist in Österreich viel größer als in der Schweiz (2004 Österreich
97%, Schweiz 87%). Wie weiter unten gezeigt wird, steht dem geringeren Öffnungsgrad
im Handel in der Schweiz – wegen der
größeren Zahl multinationaler Unternehmen – ein
höherer Internationalisierungsgrad gegenüber.
Die Schweiz ist aufgrund
des großen Gewichts der Pharmabranche stärker auf Chemieexporte konzentriert als
Österreich (Abbildung 13). In Österreich dominiert der Export von Maschinen und
Fahrzeugen sowie bearbeiteten Waren. Mit 37,1% (2001) ist der Anteil der Hochtechnologieprodukte
am Export von Industriegütern in der Schweiz viel höher als in Österreich (15,6%;
OECD, 2003, S. 193).
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Abbildung 13: Güterstruktur
des Außenhandels in Österreich und der Schweiz 2004 |
Anteile in % |
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Q: UNO, Statistik Austria. SITC 0 . . . Ernährung, SITC 1 . . . Getränke, Tabak, SITC
2 . . . Rohstoffe, SITC 3 . . . Brennstoffe, Energie, SITC 4 . . . Öle, Fette,
SITC 5 . . . chemische Erzeugnisse, SITC 6 . . . bearbeitete Waren, SITC 7 . .
. Maschinen, Fahrzeuge, SITC 8 . . . sonstige Fertigwaren,
SITC 9 . . . a. n. g. |
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Die Schweiz ist mit den europäischen Märkten stärker
über Direktinvestitionen verflochten, Österreich über den Handel. |
Die Schweiz ist weniger
als Österreich über den Waren- und Dienstleistungsverkehr mit der Weltwirtschaft
und der EU verflochten. Hingegen ist die Schweiz über die Internationalisierung
multinationaler Unternehmen stärker als Österreich in den Prozess der Globalisierung
integriert. Zwar holte Österreich dank der Ostöffnung in diesem Bereich stark auf,
doch ist der Rückstand beträchtlich.
Der hohe Internationalisierungsgrad
hat in der Schweiz eine lange Tradition. Borner
–
Wehrle (1984) prägten für die Aktivitäten
der Schweizer multinationalen Unternehmen im Ausland den Begriff "sechste Schweiz"[e]). Das große Volumen der Auslandsaktivitäten wird
auch aus der beträchtlichen Differenz zwischen Bruttoinlandsprodukt und Bruttonationaleinkommen
(früher "Bruttonationalprodukt") deutlich: Da letzteres die Rücktransfers
(netto) von Einkommen aus Direktinvestitionen enthält, ist es um rund 5 Prozentpunkte
höher als das BIP.
Die unterschiedlich
starke Integration beider Länder in die internationalen Finanzmärkte zeigt die Struktur
der Zahlungsbilanz. Die Schweiz ist ein bedeutender Kapitalexporteur – über Portfolioinvestitionen
noch stärker als über Direktinvestitionen. Die Einkünfte der Schweizer multinationalen
Unternehmen im Ausland schlagen sich im positiven Saldo der "Kapitaleinkommen"
von rund 45 Mrd. CHF nieder. Sie tragen ein Drittel zum traditionell hohen Überschuss
der Leistungsbilanz bei (rund 12% des BIP; Abbildung 10). Die herausragende Stellung der Schweiz als internationaler Bankplatz
spiegelt sich im Saldo der Leistungsbilanzposition "Bankkommissionen",
der in den letzten Jahren rund 11 Mrd. CHF und damit die Hälfte des Überschusses der Dienstleistungsbilanz
ausmachte – wesentlich mehr als die Nettoeinnahmen aus dem Tourismus. In Österreich
spielen dagegen Finanzdienstleistungen im Vergleich mit dem Reiseverkehr eine untergeordnete
Rolle.
Die ausländischen Direktinvestitionen
der Schweiz sind (gemessen an den Strömen) fast doppelt so hoch wie jene Österreichs
(Abbildung 14). Im Jahr 2000 erreichten sie mit 18% des BIP (Österreich 3%) einen
Höchstwert. Seither flachten sie etwas ab auf 4,7% bzw. 2,8% des BIP (2003). Während
die Schweizer Direktinvestitionsaktivitäten traditionell einen Überschuss aufweisen,
war Österreich bis vor kurzem Nettoimporteur von Direktinvestitionen und wurde erst
durch das starke Engagement in Osteuropa zum Nettoexporteur.
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Abbildung 14: Direktinvestitionen 2003
nach Ländergruppen |
Ströme in % des BIP |
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Q: OECD. – 1) Polen, Slowakei,
Tschechien, Ungarn. |
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Der Radius bzw. die Partnerstreuung
der Direktinvestitionen unterscheiden sich sehr zwischen den zwei Ländern. Erst
durch die Ostöffnung und die EU-Mitgliedschaft setzte in Österreich eine namhafte
Internationalisierung ein. Seit dem EU-Beitritt strömen dank der Verbesserung des
Wirtschaftsstandortes vermehrt Direktinvestitionen nach Österreich. Hauptinvestor
ist Deutschland vor den Niederlanden, Dänemark und den USA. Das Nachbarland Schweiz
nimmt nach Großbritannien die 6. Stelle ein (Abbildung 15). Österreichische Unternehmen
investieren vor allem in den neuen EU-Ländern Polen und Ungarn vor Deutschland.
Die Schweiz folgt erst an 10. Stelle.
Für die Schweiz spielen
die neuen EU-Länder als Investitionsziele noch kaum eine Rolle. Traditionell stark
vertreten ist die Schweiz in Belgien, Luxemburg, den USA, Australien und an vierter
Stelle Österreich (Abbildung 15). In der Schweiz investieren vor allem die Unternehmen
aus den USA, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Großbritannien.
Der Vorsprung der Schweiz
bezüglich des Internationalisierungsgrades spiegelt sich insbesondere in den Beständen
an Auslandsinvestitionen: Nach den aktuellsten Zahlen (2003; laut OECD) waren die
Direktinvestitionen von Schweizer Unternehmen im Ausland mit 343 Mrd. $ (rund 100%
des BIP) rund sieben Mal so hoch wie jene Österreichs (17% des BIP). Der Bestand
an ausländischen Investitionen in der Schweiz war mit rund 162 Mrd. $ (rund 50%
des BIP) nur rund drei Mal so hoch wie in Österreich (19% des BIP). Damit zählt
die Schweiz, gemessen an ihrer Wirtschaftskraft, zu den am meisten im Ausland engagierten
Volkswirtschaften. Im Ranking der Bestände an Direktinvestitionen im Ausland liegt
die Schweiz an siebenter Stelle nach den USA, Großbritannien, Deutschland, Frankreich,
den Niederlanden und Japan. Im Durchschnitt der EU 15 machen die Direktinvestitionsbestände
im Ausland rund 40% des BIP aus.
Abbildung 15: Direktinvestitionen nach
Ländern |
Ströme in % des BIP |
|
Q: OECD.
– 1) Einschließlich Luxemburgs. |
|
Deutlich wird die Dimension
der "sechsten Schweiz" auch an der Zahl der multinationalen Unternehmen.
Laut Financial Times Deutschland vom Juni 2005 ist die Schweiz 2005 mit 12 multinationalen
Unternehmen unter den 500 größten Unternehmen der Welt vertreten (insbesondere in
den Bereichen Pharma und Biotechnologie, Lebensmittel und Banken), Österreich hingegen
mit keinem. Die zwei reichen und hochentwickelten Kleinstaaten unterscheiden sich
also deutlich hinsichtlich der Industrie- und Unternehmensstruktur: Während in der
Schweiz traditionell multinationale Konzerne ansässig sind, wird Österreichs Wirtschaftsstruktur
von Klein- und Mittelbetrieben bestimmt.
Gemessen an der Einschätzung
der globalen Wettbewerbsfähigkeit durch internationale Manager, wie sie im Global
Competitiveness Report des World Economic Forum zusammengefasst wird, liegt die
Schweiz nach allen Indikatoren weit vor Österreich. Sie nahm bezüglich des Gesamtindex
für Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum (GCI) 2005 unter 117 Ländern die 8. Stelle
ein (2004 Rang 8), Österreich Rang 21 (2004 Rang 17; Übersicht 2).
Der GCI basiert auf drei
Indikatoren, die nach der neuen Wachstumstheorie wichtige Erklärungsfaktoren des
Wirtschaftswachstums sind: makroökonomische Rahmenbedingungen (MEI), Qualität der
öffentlichen Institutionen (PII) und Technologie bzw. technischer Fortschritt (TI).
Österreich ist nur nach dem zweiten Index etwas besser gereiht, bezüglich der anderen
Kennzahlen rangiert es an 21. bzw. 22. Stelle. Die Schweiz nimmt nach allen Indikatoren
einen Rang zwischen 6 und 13 ein.
Auch nach dem Business
Competitiveness Index (BCI) liegt die Schweiz an 7. Stelle (2004 Rang 5), Österreich
auf dem 10. Platz (2004 Rang 16; Übersicht 2). Eine ähnliche Vormachtstellung der
Schweiz als Investitionsstandort zeigt das Ranking von "Doing Business in 2006
– Creating Jobs" (International Finance Corporation;
http://www.doing business.org): Unter 155 Ländern rangiert die Schweiz an 17.
Stelle, Österreich an 32. Stelle. An der Spitze liegen Neuseeland, Singapur und
die USA.
Nicht zuletzt wegen der
höheren Dichte an multinationalen Unternehmen liegt die Schweiz auch in der Forschungsleistung
voran. Die Ausgaben für Forschung und Entwicklung betrugen im Jahr 2000 2,7% des
BIP, nach 2,6% im Jahr 1989. Während die Forschungsquote also in der Schweiz stagniert,
holt Österreich – nicht zuletzt dank starker
Beteiligung an EU-Forschungsprogrammen – hier
stark auf: von 1½% Anfang der neunziger Jahre auf 2¼% im Jahr 2004 (Abbildung 16).
In Österreich werden 40,9% der Forschungs- und Entwicklungsausgaben vom Staat finanziert
und 40,3% von der Industrie, in der Schweiz 23,2% bzw. 69,1% (laut OECD). Die Schweiz
unterhält mit Einrichtungen in den 25 EU-Mitgliedstaaten 4.785 Forschungskooperationen,
Österreich nur 3.242 (Daten aus 2003). 355 Forschungskontakte der Schweiz bestehen
zu den Beitrittskandidatenländern (Bulgarien, Kroatien und Rumänien) und den assoziierten
Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und Israel) gegenüber nur 309 für Österreich
(Europäische Kommission, 2005A). Im Rahmen
der Verhandlungen für die Bilaterale II kamen die EU und die Schweiz überein, das
Abkommen aus der Bilateralen I über wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit zu
erneuern, sodass die Schweiz als assoziiertes Mitglied am 6. Rahmenprogramm von
EG und Euratom teilnehmen kann (Europäische
Kommission, 2005C).
Die Schweizer Industrie
beschäftigt derzeit mehr Personen im Ausland (1,050.000) als im Inland (970.000).
Während die Zahl der ausländischen Arbeitsplätze von 1994 bis 2003 um 16% oder 150.000
zunahm, schrumpfte die Beschäftigung im Inland um 12% (–130.000). Trotz dieses Auseinanderdriftens kommen
Schweizer Studien nicht zu dem einfachen Schluss, dass die Direktinvestitionstätigkeit
von Schweizer Unternehmen im Ausland eine Verlagerung der Arbeitsplätze ins Ausland
zur Folge hätte (Engler, 2005).
Ähnliche Ergebnisse liefern
die Untersuchungen für Österreich, das sich seit der Ostöffnung vor allem in Ost-Mitteleuropa
intensiv engagiert. Aus einer Panelschätzung mit 7 EU-Ländern über 22 Industriesektoren
in der Periode 1995/2000 schließen Falk – Wolfmayr (2005), dass Outsourcing-Aktivitäten
(gemessen an den Reimporten von Vorprodukten) vorwiegend negative Beschäftigungseffekte
im Inland hatten, wenn die Importe aus Niedriglohnländern (bisher Ost-Mitteleuropa)
kamen. Wie Egger – Egger (2003) empirisch nachwiesen, erklärt der Anstieg von Offshoring nach Ost-Mitteleuropa
in den neunziger Jahren etwa ein Viertel der relativen Veränderung der Beschäftigungsstruktur
zugunsten der hochqualifizierten Arbeitskräfte in den Produktionssektoren (siehe
auch Egger, 2005, S. 7). In Österreich
sind laut OECD rund 18% der Industriebeschäftigten in Unternehmen unter ausländischem
Einfluss tätig, im Dienstleistungssektor beträgt der entsprechende Anteil rund 8%
(OECD, Factbook 2005). Für die Schweiz stehen keine vergleichbaren Zahlen zur Verfügung.
Die nächsthöhere Stufe
der ökonomischen Integration nach der Zollunion ist die Teilnahme am Binnenmarkt.
Österreich trat mit dem EU-Beitritt 1995 sowohl in die Zollunion der EU als auch
in den Binnenmarkt ein. Das Ziel, einen "gemeinsamen Markt" zu schaffen,
ist bereits im EWG-Vertrag von 1957 in Art. 2 festgeschrieben. Tatsächlich wurde
der Binnenmarkt erst per 1. Jänner 1993 realisiert.
Die Eckpfeiler des Binnenmarktprogramms
sind die Verwirklichung der "vier Freiheiten": freier Waren-, Dienstleistungs-
und Kapitalverkehr sowie die Freizügigkeit der Arbeitskräfte[f]). Es basiert auf dem Prinzip der gegenseitigen
Anerkennung von Industrienormen und -standards. Abgesichert wird das Funktionieren
des Binnenmarktes durch ein einheitliches Wettbewerbsrecht.
Im Laufe der Zeit wurden
zudem viele Bereiche privatisiert, die zuvor unter staatlichem Einfluss gestanden
waren (öffentliche Versorgungsbetriebe wie Telekommunikation, Energieversorgung,
Bahn, Post usw.; zur Strommarktliberalisierung siehe Böheim, 2005). Dazu war eine umfangreiche Anpassung von EU-Gesetzen
notwendig. 1.530 Richtlinien und 377 Verordnungen betreffen derzeit den Binnenmarkt,
wie er im EG-Vertrag definiert ist. Deren Umsetzung in nationales Recht nahm viel
Zeit in Anspruch. Hatte anfangs in der gesamten EU noch ein Umsetzungsdefizit von
EU-Recht von 21,4% bestanden, so verringerte es sich innerhalb von 10 Jahren auf
2,1%. 2003 stieg es in der EU 15 wieder auf 2,9% (EU 25 im November 2004 3,6%).
Diese Quoten weichen weit vom selbstgesteckten Ziel des Europäischen Rates ab (European Commission, 2005, S. 17). Österreich
hatte zuletzt ein Umsetzungsdefizit von 2,1%.
Die Zustimmung zur EU und die Einschätzung der Vorteile aus der
EU-Mitgliedschaft schwanken; in letzter Zeit wuchs die EU-Skepsis besonders in Österreich.
Laut Eurobarometer (Nr. 63, Juli 2005) schätzen nur noch 37% der Österreicher die
EU-Mitgliedschaft als "eine gute Sache" ein (ein Jahr zuvor 46%), 23%
als "eine schlechte Sache". Von der EU-Mitgliedschaft glauben nur noch
41% der Österreicher zu profitieren (zuvor 43%), 46% glauben Nachteile zu haben.
Diese Einschätzungen liegen stark unter dem Durchschnitt der EU 25 (55% gegenüber
33%). Noch pessimistischer sehen die Österreicher die nächste EU-Erweiterung.
Badinger – Breuss
(2005) untersuchen mit einer detaillierten sektoralen Analyse für Österreich (46
Sektoren, 1978/2001), ob sich der Wettbewerbsdruck in Österreich (gemessen an den
Mark-ups als Maß für die Marktmacht) durch die EU-Mitgliedschaft erhöht hat. In
nur drei von sechs Industriegruppen (Bergbau, Einzel- und Großhandel sowie Finanzdienste
und Immobilien) verringerte sich demnach die Marktmacht signifikant. Unter 19 Branchen,
in denen nach dem EU-Beitritt ein Bruch im Wettbewerbsverhalten zu beobachten war,
sanken die Mark-ups in 5 Branchen, in 9 stiegen sie (die übrigen Ergebnisse waren
statistisch nicht signifikant). Insgesamt entspricht das Ergebnis nicht den Erwartungen.
Eine Interpretation könnte sein, dass die Verschärfung des Wettbewerbs durch die
Teilnahme am Binnenmarkt ausblieb, weil Österreich aufgrund der engen Außenhandelsverflechtung
mit der EU im Zuge der Freihandelsabkommen und des EWR bereits vor dem EU-Beitritt
voll dem europäischen Wettbewerb ausgesetzt war. Lediglich jene Branchen und Sektoren,
die zuvor geschützt waren, gerieten durch den Binnenmarkt unter stärkeren Druck.
Ähnlich uneinheitliche Ergebnisse erhält Badinger
(2004) für 10 EU-Länder und 17 Sektoren.
Die EU-Mitgliedschaft bedeutet
neben der vollen Einbindung in die Zollunion, der Verwirklichung der vier Freiheiten
sowie einer einheitlichen Wettbewerbspolitik auch die volle Teilnahme am Solidaritätsziel
der Union und damit am Finanzierungssystem des EU-Haushalts. Reiche Länder wie Österreich
zahlen in der Regel mehr in den EU-Haushalt ein als sie daraus an Transfers erhalten.
Die Mitgliedstaaten der
EU sind auf vielfältige Weise in die Haushaltspolitik der EU eingebunden. Dazu gehören
die Entrichtung von Eigenmitteln und die Auszahlung von Transfers aus dem EU-Haushalt
für die Gemeinsame Agrarpolitik und die Strukturpolitik. Österreich ist seit dem
EU-Beitritt Nettozahler in den EU-Haushalt; die Nettozahlerposition wurde aber verringert
(ausgenommen die Verwaltungsausgaben): von 788,1
Mio. ECU oder 0,44% des
BIP im Jahr 1995 auf 365,1 Mio. € oder 0,16% des BIP im Jahr 2004 (Europäische Kommission, 2005D, S. 142). Österreich erhielt im Bereich der GAP durch die
Inanspruchnahme von Mitteln für die "Entwicklung des ländlichen Raumes"
zunehmend Transfers aus dem EU-Haushalt, im Jahr 2004 bereits ein Drittel der österreichischen
Gesamtausgaben (Europäische Kommission,
2005D, S. 67). Österreich liegt gemessen an der
Summe der Mittel für die "Entwicklung des ländlichen Raumes" nach Deutschland,
Frankreich, Italien und Spanien an 5. Stelle (Breuss, 2005A).
Für die Schweiz fallen wegen der "Nichtteilnahme" am EWR und
des "Nichtbeitritts" zur EU keine (potentiellen hohen) Nettobeiträge in
den EU-Haushalt an. In den zwei bilateralen Abkommen mit der EU sind nur Teile des
EWR-Abkommens bzw. die Bestimmungen des Binnenmarktprogramms enthalten, es gilt
keine Zollunion und keine einheitliche Wettbewerbspolitik. Die Kosten der Bilateralen
I betragen laut Schweizerischem Bundeshaushalt jährlich 404 Mio. CHF (Eidgenössisches Volkswirtschaftliches Departement,
1999, S. 23, Integrationsbüro EDA/EVD,
2005A). Die Bilateralen II bedeuten, hochgerechnet für das Jahr 2007, sogar per
Saldo eine Entlastung (gegenüber einer hypothetischen Situation ohne Regelung mit
der EU) von 1 Mio. CHF (Integrationsbüro EDA/EVD, 2005B, S. 51). Kosten entstehen z. B. aus
den Teilabkommen für landwirtschaftliche Verarbeitungsprodukte (40 Mio. CHF) und Statistik (14 Mio. CHF);
eine Entlastung ergibt sich aus dem Schengen-Abkommen und dem Dublin-Abkommen (–73 Mio. CHF). Allerdings
dürfte wegen der Nichtteilnahme am EWR und der Nichtmitgliedschaft in der EU der
Druck, die volkswirtschaftlich wichtigsten Netzinfrastrukturen (Erdgas, Elektrizität,
Post, Telekommunikation, Luftverkehr, Eisenbahn, Straßenverkehr) zu reformieren,
nicht so stark gewesen sein wie in den EU-Ländern (Binnenmarktprogramm). Dies belegen
die entsprechenden Indikatoren der OECD über die Liberalisierung der Produktmärkte
1978 bis 1998 (OECD, 2001). In diesem
Reformstau sehen Schweizer Autoren einen der Hauptgründe für den Verlust an Wachstumsdynamik
im letzten Jahrzehnt (Rentsch et
al., 2004, S. 19).
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Integrationsmodell |
Für die Schweiz wurde ähnlich wie für Österreich (Breuss, 2003, 2005A) ein kleines angebotsseitiges Makromodell mit Gleichungen für die Periode 1960/2005 geschätzt. Ausgangspunkt ist eine kalibrierte Cobb-Douglas-Produktionsfunktion zur Bestimmung des realen BIP mit Kapital und Arbeit sowie der gesamten Faktorproduktivität. Letztere wird erklärt aus der Entwicklung der Arbeitsproduktivität, der Forschungs- und Entwicklungsquote sowie dem Einfluss der Handelsbeziehungen mit der EU (Wachstum der Exporte in die EU). Die Nachfrage nach Kapital und Arbeit wird standardmäßig aus der BIP-Entwicklung und den relativen Faktorpreisen (Zinssatz zu Lohnsatz) geschätzt. Das Preissystem basiert auf traditionellen Gleichungen für die Inflation aus inländischen Preiskomponenten (Mark-up auf die Lohnstückkosten) und importierter Inflation. Die Pro-Kopf-Löhne errechnen sich aus einer Phillips-Kurve. Die Arbeitslosenquote ergibt sich aus einer Okun-Gleichung, also in Abhängigkeit von der BIP-Entwicklung. Die Zinssätze werden für die zwei Länder unterschiedlich modelliert: In Österreich sind die kurzfristigen Zinssätze exogen von der EZB vorgegeben, in der Schweiz folgen sie einer einfachen Taylor-Regel. Die langfristigen Zinssätze hängen von den kurzfristigen ab. Ein wichtiger Teil sind die Export- und Importfunktionen für den Handel mit der EU und mit Drittländern, jeweils standardmäßig abhängig von einem Einkommensglied und den relativen Preisen. Im Falle der Schweiz werden die Exporte von ausländischen Direktinvestitionen mit einer Gleichung erklärt. Es wird getrennt zwischen BIP und Bruttonationaleinkommen (BNE). |
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Zur Schätzung der quantitativen
Auswirkungen der Integrationsschritte im letzten Jahrzehnt wird für die Schweiz
und für Österreich jeweils ein eigenes, aber in der Struktur vergleichbares Integrationsmodell
verwendet (siehe Kasten "Integrationsmodell").
Für Österreich
werden zunächst mögliche Übertragungseffekte (Spill-overs) durch die Schaffung des
europäischen Binnenmarktes ab 1993 geschätzt
("passive Integrationseffekte"), dann die eigentlichen Binnenmarkteffekte
durch die volle Teilnahme am Binnenmarkt.
Nach dem enttäuschenden
Start des Binnenmarktes formulierte der Europäische Rat in Lissabon (23.-24. März 2000) zur vollen Ausschöpfung des Binnenmarktpotentials
das folgende strategische Ziel für die kommenden 10 Jahre: ". . . die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten
Wirtschaftsraum in der Welt zu machen – einem Wirtschaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes
Wirtschaftswachstum mit mehr und besseren Arbeitsplätzen und einem größeren sozialen
Zusammenhalt zu erzielen".
Die Halbzeitbilanz der Lissabon-Agenda fiel allerdings ernüchternd aus (Kok, 2004, Breuss, 2005B); im Frühjahr 2005 initiierte der Präsident der Europäischen
Kommission, José Manuel Barroso, deshalb unter dem Schlagwort "Wachstum und
Beschäftigung" einen Neustart der Lissabon-Strategie (Europäische Kommission, 2005B).
Das – insbesondere im Vergleich mit den USA
– mäßige Wirtschaftswachstum
in der EU im letzten Jahrzehnt lässt den Schluss zu, dass die im Cecchini-Bericht (Catinat – Donni – Italianer, 1988, Emerson et al.,
1988) aus der Schaffung des Binnenmarktes erwarteten Wachstumsimpulse (noch) nicht
im vollen Umfang eingetreten sind. Dennoch profitierten seit 1993 theoretisch auch
Nicht-EU-Länder wie damals Österreich von der Schaffung des europäischen Binnenmarktes passiv über drei Kanäle:
· Laut Schätzungen von Badinger (2005) dürfte die Realisierung des Binnenmarktes das Niveau
des realen BIP in der EU 15 innerhalb von 10 Jahren um 1,8 Prozentpunkte gesteigert
haben. Wachstumseffekte in ähnlicher Größenordnung ermitteln Roeger – Sekkat
(2002) anlässlich der Studie "10 Jahre Binnenmarkt" (Europäische Kommission, 2002) aufgrund von
Simulationen mit dem QUEST-II-Modell der Europäischen Kommission. Dies impliziert
einen jährlichen Zuwachs des realen BIP der EU 15 von rund 0,2 Prozentpunkten. Simulationen
mit dem WIFO-Integrationsmodell ergeben auf dieser Basis bis 2005[g]) einen Wachstumsimpuls für Österreich von weniger
als +0,1 Prozentpunkt pro Jahr.
· Die Liberalisierung des Kapitalverkehrs dürfte – verstärkt durch die Schaffung der WWU – das langfristige Zinsniveau in der EU 15 um 0,1
Prozentpunkt pro Jahr verringert haben; indirekt ergibt sich daraus für Österreich
ein BIP-Anstieg von rund 0,1 Prozentpunkt pro Jahr.
· Die Intensivierung des preislichen Wettbewerbs dämpfte
das Preisniveau in der EU 15 und damit die Importpreise in Österreich (im Ausmaß
von annahmegemäß ¼% pro Jahr). Im Wesentlichen verlangsamte sich dadurch in Österreich
nur der Preisauftrieb, die Effekte auf das reale BIP sind marginal negativ.
Insgesamt könnte der "passive"
Integrationseffekt durch die Schaffung des europäischen Binnenmarktes in Österreich
einen jährlichen Zuwachs des realen BIP von rund 0,1 Prozentpunkt zur Folge gehabt
haben.
Die Effekte der vollen Teilnahme am europäischen Binnenmarkt
wurden unter mehreren Aspekten quantifiziert:
· Die Teilnahme am Binnenmarkt verstärkt den Wettbewerb,
d. h. drückt die Mark-ups (Preisaufschläge auf die Stückkosten); dieser Effekt bewirkt
eine Dämpfung des Preisauftriebs, hat aber kaum positive Auswirkungen auf das reale
BIP.
· Neben dem Zollabbau, der für Industriewaren bereits
durch die Freihandelsabkommen von 1972 verwirklicht wurde, bedeutet die Teilnahme
am Binnenmarkt zum einen die Eliminierung aller verbliebenen Handelshemmnisse für
den Agrarhandel (im Rahmen der GAP) und zum anderen durch den Wegfall der Grenzkontrollen
im Warenverkehr eine Senkung der Handelskosten um rund 2½%. In der Folge stiegen
– hauptsächlich kurz nach dem EU-Beitritt – die Exporte in die EU. Über einen indirekten positiven
Einfluss auf die Produktivität schlug sich dies in einem geringfügigen Anstieg des
realen BIP nieder. In Österreich spiegelt sich die verstärkte Integration in den
Binnenmarkt anfangs in einem Niveausprung des BIP von rund +¼ Prozentpunkt, der
im weiteren Verlauf abflachte.
· Größeren Einfluss auf die Produktivität hat die
zunehmende Integration Österreichs in die Forschungskooperationen der EU (Teilnahme
an den Forschungsrahmenprogrammen). Der Anstieg der Forschungs- und Entwicklungsausgaben
steigerte die gesamte Faktorproduktivität und beschleunigte so das Wachstum des
realen BIP um rund 0,17 Prozentpunkte pro Jahr[h]).
· Durch den EU-Beitritt wurde der Wirtschaftsstandort
Österreich attraktiver; das schlug sich in einer raschen Zunahme der ausländischen
Direktinvestitionen nieder. Aufgrund der daraus resultierenden Kapitalstockbildung
und -erneuerung wurde das reale BIP um 0,1 Prozentpunkt pro Jahr gesteigert.
· Die Nettozahlungen an den EU-Haushalt beeinflussen
das BIP nicht direkt, sondern beeinträchtigen die Wohlfahrt Österreichs im Ausmaß
von 0,3% bis 0,5% des BIP.
Insgesamt hatte die Teilnahme
Österreichs am europäischen Binnenmarkt im letzten Jahrzehnt wahrscheinlich einen
zusätzlichen Wachstumsschub von rund 0,3 Prozentpunkten pro Jahr zur Folge. Berücksichtigt
man darüber hinaus den Mitnahmeeffekt durch die Schaffung des europäischen Binnenmarktes, so
resultiert daraus ein BIP-Wachstumsimpuls im letzten Jahrzehnt von etwas mehr als
0,4 Prozentpunkten pro Jahr.
Passiv profitierte auch
die Schweiz von der Schaffung des europäischen
Binnenmarktes (Spill-over-Effekte). Nach Simulationen mit dem Integrationsmodell
schlug sich dieser Effekt insgesamt (unter Berücksichtigung der drei Komponenten
wie im Falle Österreichs) mit knapp +0,2 Prozentpunkten pro Jahr sogar doppelt so
stark nieder wie in Österreich. Dies geht vor allem auf die höhere Einkommenselastizität
der Exportnachfrage der EU nach Schweizer Produkten zurück.
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Entgang von Wachstumseffekten durch die Nichtteilnahme
der Schweiz am EWR? |
Mehrere Schweizer Autoren bezeichnen die Nichtteilnahme
am EWR ab 1994 als versäumte Gelegenheit und beklagen den Entgang möglicher langfristiger
Integrationseffekte (Wagschal – Ganser – Rentsch,
2002, Zimmermann, 1999). Andere sehen
in der Ablehnung des EWR-Abkommens eine Chance (Hauser, 1993). Einige kritisieren aber auch, dass die Möglichkeiten
des Alleingangs durch die Bilateralen I und II ebenfalls nicht genutzt wurden;
ein Indiz dafür ist, dass die Wirtschaft der Schweiz weit hinter den europäischen
Staaten herhinkt ("Verpasste Chancen des Alleingangs", Neue Zürcher
Zeitung, 27. November 2002, S. 23). Im Vorfeld des Referendums zum EWR-Abkommen zwischen
der Schweiz und der EU versuchten zahlreiche Studien, die möglichen langfristigen
Effekte zu schätzen. In einer umfangreichen Arbeit stellen Hauser – Bradke
(1992) gleichzeitig andere Integrationsvarianten – EU-Beitritt und Alleingang – der EWR-Teilnahme gegenüber. Antille et al. (1993) simulieren mehrere
Integrationsszenarien mit einem numerischen allgemeinen Gleichgewichtsmodell (CGE-Modell).
Demnach würde der freie Zugang zum europäischen Binnenmarkt durch Eliminierung aller verbliebenen tarifären
und nicht-tarifären Handelshemmnisse (ohne Zollunion) das reale BIP (jeweils langfristiger
Niveaueffekt) um ¼% steigern. Die Teilnahme am Binnenmarkt durch Abbau von Kartellen
und Monopolen (Intensivierung des Wettbewerbs) sollte das BIP um fast ½% erhöhen.
Das Migrations-Szenario simuliert unter der Annahme der Freizügigkeit eine Einwanderung
in die Schweiz im Ausmaß von 1¾% der Bevölkerung; in der Folge würde das reale
BIP langfristig im selben Ausmaß steigen. In einem Szenario mit völliger Beseitigung
aller diskriminierenden Elemente (auch im öffentlichen Beschaffungswesen) für
die Schweiz würde das reale BIP um 0,03 Prozentpunkte gesteigert. In Summe (vier
Teilszenarien) ergäbe sich demnach durch die volle Teilnahme am EWR langfristig
ein Anstieg des realen BIP von 2,7%, pro Kopf allerdings von nur 0,6%. Die Effekte der EWR-Teilnahme Österreichs wurden
mit dem WIFO-Makromodell von Breuss – Schebeck (1991) mit einem mittelfristigen
Anstieg des realen BIP von 0,3% weitaus niedriger geschätzt als in der Schweiz. |
|
Im Folgenden werden die
möglichen negativen Auswirkungen der Nichtteilnahme
der Schweiz an der Zollunion der EU bzw. am europäischen Binnenmarkt bzw.
die positiven Auswirkungen der Bilateralen I und II mit dem Integrationsmodell für
die Schweiz geschätzt. Aus Gründen der Vergleichbarkeit
werden jeweils die Durchschnittswerte 1995/2005 angegeben:
· Die nur partielle Teilnahme am europäischen Binnenmarkt laut Bilateralen
I bewirkt eine wesentlich schwächere Intensivierung des Wettbewerbs als ein Vollbeitritt
(Reformrückstau; Rentsch et al., 2004);
daher ist der Rückgang der Mark-ups (Preisaufschläge auf die Stückkosten) geringer
anzusetzen als für Österreich. Er bewirkt eine Dämpfung des Preisauftriebs, hat
aber kaum bzw. leicht negative Auswirkungen auf das reale BIP. Allerdings wirken
diese Effekte erst seit Inkrafttreten der Bilateralen I, also ab Mitte 2002.
· Die Bilateralen I und II bedeuten eine nur partielle
Teilnahme an der Zollunion der EU bzw. am europäischen Binnenmarkt. Zudem setzen die Integrationseffekte mit
großer Verzögerung ein: Die EWR-Abkommen traten 1994 in Kraft, die Bilateralen I
erst Mitte 2002 (zum Teil mit langen Übergangsfristen) und die Bilateralen II (Liberalisierung
des Agrarhandels) teilweise erst 2005. Der positive Impuls aus dem verstärkten Handel
mit der EU seit 2002 auf das reale BIP liegt weit unter 0,1 Prozentpunkt pro Jahr.
Abbildung 16: Forschungs- und
Entwicklungsausgaben |
In % des BIP |
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Q: OECD. Schweiz: teilweise interpoliert. |
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· Die Schweiz weist zwar absolut eine höhere Forschungs-
und Entwicklungsquote auf als Österreich (2000 2,7% des BIP; Österreich 1,9%, 2004
2,3%), sie stagnierte allerdings – im Gegensatz
zu Österreich – in den letzten 10 Jahren (Abbildung
16). Obwohl die Schweiz als assoziiertes Mitglied an den EU-Rahmenprogrammen voll
teilnimmt (Europäische Kommission, 2005A,
2005C), resultierte daraus kein weiterer Anstieg der Forschungsquote. Berücksichtigt
man in den Simulationen mit dem Integrationsmodell für die Schweiz – analog zur Berechnung für Österreich – den entgangenen Anstieg der Forschungsquote als
Dämpfung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität, so ergibt sich ein negativer
BIP-Effekt von ¼ Prozentpunkt pro Jahr. Diese Schätzungen sind aber mit großer Unsicherheit
behaftet, da die aktuelle Forschungs- und Entwicklungsquote der Schweiz nicht verfügbar
war und geschätzt werden musste.
· Die Schweiz ist einer der größten Nettoexporteure
von Direktinvestitionen; deren Dynamik übertrifft jene der Direktinvestitionen in
Österreich bei weitem. Die Nichtteilnahme am europäischen Binnenmarkt beeinträchtigte diese Position
wahrscheinlich. Dadurch ging auf die Kapitalbildung im Inland ein geringerer Effekt
aus als in Österreich; das reale BIP stieg aus diesem Titel um weniger als 0,1 Prozentpunkt
pro Jahr.
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Mögliche Vorteile durch die Bilateralen Abkommen
I und II |
Da die Bilateralen Abkommen I und II integrationspolitisch
weit hinter dem EWR-Abkommen zurückbleiben, sind die gesamtwirtschaftlichen Effekte
zum einen entsprechend niedriger anzusetzen, und zum anderen treten sie mit großer
Verzögerung ein (Hauser – Zimmermann, 1999). Der EWR-Effekt hätte
seit 1994 wirken können, der Effekt der Bilateralen I erst seit deren Inkrafttreten
seit Mitte 2002 und (wegen der Übergangsbestimmungen) hier auch nur sehr verzögert. Die Auswirkungen der Bilateralen I wurden von
mehreren Instituten geschätzt (siehe die Zusammenstellung des Bundesamtes für Wirtschaft und Arbeit (1999)
sowie Müller – von Neiuwkoop, 2000; verschiedene Expertenberichte unter http://www. europa.admin.ch/europapol/off/ri_1999/d/; Grether
– Müller, 2000). ECOPLAN und LEA
(Laboratoire d'économique appliquée, Genf) kommen zu dem Schluss, dass die Bilateralen
I mittel- bis langfristig das reale BIP pro Kopf um 0,6 Prozentpunkte steigern
würden. Das entspricht den ursprünglichen Erwartungen für die Teilnahme am EWR.
Die Auswirkungen der Bilateralen II wurden noch nicht vollständig ökonomisch analysiert. |
|
Insgesamt dürfte in der
Schweiz der durch die Nichtteilnahme am europäischen Binnenmarkt und die verzögerte partielle Teilnahme über
die Bilateralen I entstandene Wachstumsverlust von etwas weniger als 0,2 Prozentpunkten
pro Jahr zwischen 1995 und 2005 durch die Mitnahmeeffekte aus der Schaffung des
europäischen Binnenmarktes
in etwa derselben Größenordnung kompensiert worden sein.
Die Teilnahme Österreichs
an der höchsten Stufe der ökonomischen Integration, der Wirtschafts- und Währungsunion
im Jahr 1999 mit der Übernahme des Euro als Zahlungsmittel 2002, hatte bedeutende
Änderungen in der Wirtschaftspolitik zur Folge. Österreich ist damit in die besondere wirtschaftspolitische Architektur
der WWU eingebunden (zentrale Geldpolitik für die Teilnehmer an der Währungsunion
und dezentrale Fiskalpolitik, aber koordiniert durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt;
siehe dazu Breuss, 2002A, 2005C).
Die Europäische Union basiert
auf einer komplexen Kompetenzverteilung zwischen EU- oder Gemeinschaftsebene und
nationalstaatlicher Ebene (Breuss, 2005C).
Viele Politikbereiche sind bereits vergemeinschaftet, etwa die Wettbewerbspolitik,
die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), die Gemeinsame Handelspolitik sowie die Struktur-
oder Regionalpolitik.
Zwar betrachten die Mitgliedstaaten
die Wirtschaftspolitik laut Art. 99 EG-Vertrag "als eine Angelegenheit von
gemeinsamem Interesse und koordinieren sie im Rat", dennoch gilt die strikte
Einbindung in die asymmetrische wirtschaftspolitische Architektur im Wesentlichen
nur für die Teilnehmer an der Währungsunion. Die Konstruktion der EU wird vielfach
als wachstumshemmend angesehen, weil sowohl der Stabilitäts- und Wachstumspakt als
auch die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank in einer Phase der Wachstumsverlangsamung
(oder Rezession) – gerade für die großen Kernländer
der EU – zu restriktiv wirken.
|
Integrationsszenarien für die Schweiz: Bilaterale Abkommen, EU-Beitritt
und Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion |
Ex-ante-Studien bewerten die Teilnahme der Schweiz
an der Währungsunion im Allgemeinen negativ. Grether – Müller
(2000) simulieren mit einem CGE-Modell mit drei Regionen (Schweiz, EU 15, übrige
Welt) und 26 Branchen drei Szenarien: Bilaterale I, EU-Beitritt und WWU-Teilnahme.
Die Bilateralen I (implizit auch Bilatere II) hätten demnach einen langfristigen
Anstieg des realen BIP von 2,0 Prozentpunkten (bzw. des BNE von 2,2 Prozentpunkten)
zur Folge, ein EU-Beitritt allein würde aber eine Steigerung des BIP um 2,9 bzw.
des BNE um 3,3 Prozentpunkte bringen. Der EU-Beitritt und die Teilnahme an der
WWU würden das reale BIP langfristig dagegen um nur 2,2, das BNE aber um 3,8 Prozentpunkte
steigern; sie hätten also einen Verlust bezüglich des BIP von 0,7 Prozentpunkten
und einen Gewinn bezüglich des BNE von 0,5 Prozentpunkten zur Folge. In diesen Simulationen wird die Realisierung der
vollen Freizügigkeit im Personenverkehr angenommen. In allen drei Szenarien bewirkt
das einen Anstieg der Bevölkerung und des Arbeitskräfteangebotes um jeweils 1,4
Prozentpunkte. Sinnvoll ist deshalb nur ein Vergleich der Pro-Kopf-Werte. Demnach
würde das BIP pro Kopf real mittel- bis langfristig im Szenario "Bilaterale
I" um 0,6 Prozentpunkte, bei einem EU-Beitritt um 1,5 Prozentpunkte und der
zusätzlichen WWU-Teilnahme um 0,8 Prozentpunkte gesteigert. Der negative WWU-Effekt
ergibt sich wegen der notwendigen Angleichung der niedrigen Schweizer Zinssätze
an die höheren der Eurozone (Verlust des Zinsbonus der Schweiz). ECOPLAN und LEA
kommen nach Aufrechnung der negativen Zinssatzeffekte und positiven Effekten der
Einsparung an Transaktionskosten (diese werden mit +1,6% des BIP sehr hoch veranschlagt)
sowie der erhöhten Preistransparenz zu insgesamt leicht positiven Effekten einer
WWU-Teilnahme der Schweiz (Müller – Neiuwkoop, 2000). |
|
Jüngste Schätzungen bestätigen,
dass die Schaffung der Währungsunion eine "Euro-Dividende" gebracht hat.
Micco – Stein – Ordonez (2003) schätzen, dass der bilaterale
Handel der 12 Euro-Länder um 4% bis 10% höher war als ohne Teilnahme an der Währungsunion.
Gemäß den Schätzungen von Faruquee (2004) verlor Finnland (auch Portugal) durch
die Einführung der gemeinsamen Währung leicht im Intra-WWU-Handel, während Österreich
etwa 8% gewonnen haben müsste (Durchschnitt des Euro-Raums +7%). Am meisten hätten
demnach Deutschland, die Niederlande und Spanien profitiert. Angesichts des gemessenen
Rückgangs der Handelsanteile mit der EU seit 1995 müssen diese optimistischen Ergebnisse
mit Vorsicht interpretiert werden. Es gibt denn auch durchaus kritische Studien,
die aufgrund der Schaffung der WWU keinen zusätzlichen Handelsimpuls innerhalb des
Euro-Raums feststellen (z. B. Berger – Nitsch, 2005).
Ex-ante-Studien über die
gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der WWU kamen zu dem Schluss, dass vor allem
die Hartwährungsländer Deutschland und Österreich davon profitieren würden. Für
Österreich wurde der mittelfristige BIP-Effekt mit +2,2 Prozentpunkten (EU +1,7
Prozentpunkte) veranschlagt (Breuss, 1997).
Die Effekte ergeben sich aus dem Abbau der Transaktionskosten (Einsparung des Währungsumtausches),
der Intensivierung des Wettbewerbs im Finanzsektor (Rückgang der Zinssätze), der
erhöhten Wechselkursstabilität (sie kommt vor allem den bisherigen Hartwährungsländern
zugute) und aus der erhöhten Markteffizienz (Wachstumseffekte durch den Anstieg
der gesamten Faktorproduktivität).
Österreich nimmt seit 1999 an der WWU teil. Die Ex-post-Effekte der WWU-Teilnahme sind
schwierig zu quantifizieren; der vorliegende Ansatz beruht auf dem WIFO-Integrationsmodell:
· Bezüglich der Zinspolitik hatte Österreich keinen
Anpassungsbedarf, weil das Zinsniveau aufgrund der Hartwährungspolitik jenem in
Deutschland entsprach (das Niveau der kurzfristigen Zinssätze wird in der Eurozone
zwar von der EZB festgelegt, doch nahmen die Anfangswerte das deutsche Niveau an).
· Auch in der Wechselkurspolitik ergab sich durch
den Eintritt in die Währungsunion kein Anpassungsbedarf, weil Österreich den Schilling
seit 1981 an die DM gebunden hatte. In den Simulationen des WWU-Effekts wird aber
(hypothetisch) berücksichtigt, dass Österreichs Eintritt in die WWU (Fixierung der
Wechselkurse gegenüber dem Euro) den seit Mitte der siebziger Jahre beobachteten
Aufwertungstrend stoppte. Berücksichtigt man eine hypothetische Fortsetzung dieses
Trends (z. B. eine Aufwertung um 1% am Beginn der WWU-Teilnahme), so ergibt sich
eine Steigerung der Nettoexporte in die EU und letztlich ein Anstieg des realen
BIP um anfänglich etwas weniger als 0,2 Prozentpunkte; dann klingt dieser positive
Effekt allmählich ab. Für den Durchschnitt 1999/2005 beträgt der positive BIP-Effekt
knapp 0,1 Prozentpunkt. Vergleichbare Simulationen mit dem Oxford Economic Forecasting
Model (OEF-Modell) bringen anfänglich einen BIP-Impuls von 1/3%, der dann abklingt, sodass
im Durchschnitt der Siebenjahresperiode der WWU-Teilnahme ein neutraler BIP-Effekt
resultiert.
· Die Teilnahme an der WWU impliziert zwar formal
eine weiterhin autonome nationale Fiskalpolitik. Durch den Koordinationszwang – z. B. über den Stabilitäts- und Wachstumspakt – ist die Autonomie der Nationalstaaten allerdings
beträchtlich eingeschränkt. In den Simulationen wurde berücksichtigt, dass die durch
die Eintritts- bzw. Konvergenzkriterien bis 1998 erzwungene Sanierung der öffentlichen
Haushalte und auch die folgende Entwicklung ohne diesen Druck nicht so intensiv
verlaufen wären; es wird unterstellt, dass das Budgetdefizit ohne WWU um rund 1%
des BIP höher ausgefallen wäre. Am Beginn der Währungsunion wäre der Effekt auf
das reale BIP demnach positiv, in den letzten Jahren aber eher negativ gewesen.
Im Durchschnitt 1999/2005 ist der BIP-Effekt mit rund +0,1 Prozentpunkt pro Jahr
nur leicht positiv. Die Simulation mit dem Integrationsmodell unterstellt eine budgetneutrale
Saldenverschlechterung um 1% des BIP. Simuliert man – z. B. mit dem OEF-Modell – nur ausgabenseitig eine Ausweitung des Budgetdefizits
um 1% des BIP, so erhält man einen negativen Fiskalmultiplikator von anfänglich
–0,6% des BIP, der rasch abklingt und in positive
BIP-Effekte mündet. Nach sieben Jahren der Budgetsanierung resultiert daraus wie
im Integrationsmodell ein leicht positiver bzw. neutraler BIP-Effekt.
· Die Wirtschaft wuchs im Euro-Raum seit 1999 im Durchschnitt
um knapp 0,2 Prozentpunkte pro Jahr langsamer als in der EU 15. Dieser negative
Spill-over wird in den Modellberechnungen berücksichtigt und ergibt für Österreich
einen leicht negativen BIP-Effekt.
Insgesamt dürfte
die WWU-Teilnahme in Österreich bisher
einen (zusätzlichen) Anstieg des realen BIP von weniger als 0,1 Prozentpunkt pro
Jahr bewirkt haben. Mit dem OEF-Modell ergibt sich nach anfänglich insgesamt negativen
Impulsen im Durchschnitt der sieben Jahre in der Währungsunion ein neutraler Effekt
auf das reale BIP.
Diese vorläufigen Schätzungen
der bisherigen Effekte der WWU-Teilnahme berücksichtigen nicht die in den Ex-ante-Studien
angeführten potentiellen Wirkungen der Währungsunion (Wegfall der Transaktionskosten
durch Währungsumtausch, Intensivierung des Wettbewerbs im Bankensektor und im Gütersektor
allgemein durch bequemeren Preisvergleich, Wegfall der Wechselkursunsicherheit,
Wachstumseffekte durch erhöhte allgemeine Faktorproduktivität; Breuss, 1997).
Für die Schweiz wird mit dem Integrationsmodell ermittelt, wie sich der Verzicht auf eine
Teilnahme an der WWU seit 1999 ausgewirkt hat:
·
Die Schweiz
genießt wegen ihrer Politik der außerordentlich niedrigen Zinssätze einen "Zinsbonus".
Sowohl die kurz- als auch die langfristigen Zinssätze sind um 1½ bis 2 Prozentpunkte
niedriger als in der Eurozone. Dies stimuliert die inländischen Investitionen und
das Interesse an Franken-Krediten im Ausland. LEA und ECOPLAN schätzen, dass das
reale BIP durch eine WWU-Teilnahme um 0,9 bis 1,3 Prozentpunkte geringer wäre. Das
Integrationsmodell berücksichtigt den Verlust der Autonomie der Geldpolitik bezüglich
der kurzfristigen Zinssätze (diese setzt die EZB) und die Angleichung der Zinssätze
im langfristigen Bereich an jene der Eurozone bzw. Deutschlands (+1,2 bis +2 Prozentpunkte).
Als Ergebnis der Nichtteilnahme der Schweiz an der WWU (anhaltender "Zinsbonus")
wuchs das reale BIP seit 1999 um 0,3 Prozentpunkte pro Jahr rascher als bei einer
hypothetischen Teilnahme. Ähnliche Ergebnisse liefern Simulationen
mit dem OEF-Modell.
· Die Schweiz wertete den Schweizer Franken gegenüber
dem Euro zunächst um 1½% bis 3% auf (1999/2002) und seither in ähnlichem Ausmaß
ab. Bei einer Teilnahme der Schweiz an der WWU wäre der Wechselkurs des Schweizer
Franken mit dem Wert von Ende 1998 an den Euro fixiert worden. Der Wechselkurseffekt,
also die Situation flexibler Wechselkurse relativ zu einer Situation der Euro-Fixierung,
hätte in der Periode 1999/2005 einen Wachstumsverlust von 0,3 Prozentpunkten pro
Jahr bedeutet. Das OEF-Modell liefert hier mit –0,04
Prozentpunkten viel niedrigere Werte.
· Aufgrund der Nichtteilname an der WWU ist die Schweiz
nicht nur in der Geldpolitik autonom, sondern auch in der Fiskalpolitik. Während
die Euro-Länder durch die Spielregeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes zur Budgetdisziplin
angehalten sind (Ziel eines mittelfristig ausgeglichenen Staatshaushalts), hat sich
die Schweiz selbst eine "Schuldenbremse" auferlegt (Haniotis, 1999; einen
Vorschlag zur Anwendung in Österreich behandeln Brandner et al., 2005). Ziel ist eine ausgabenseitige Budgetdisziplin,
die den stetigen Anstieg der Staatsschuldenquote verhindern soll. In den Simulationen
wird kein Einfluss auf die Fiskalpolitik berücksichtigt.
· Im Falle der Schweiz ist nicht eindeutig, ob man
in den Modellberechnungen analog zu Österreich negative oder sogar positive Spill-overs
aus der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung im Ausland berücksichtigen soll. Einerseits
ist die Wirtschaft der Schweiz über den Außenhandel mit dem Euro-Raum verflochten
und würde so durch die dort vorherrschende Wachstumsschwäche gedämpft. Andererseits
steht sie aber auch unter dem Einfluss des seit 1999 etwas kräftigeren Wachstums
in der EU 15. Negative Spill-overs hätten das BIP-Wachstum der Schweiz um knapp
0,1 Prozentpunkt pro Jahr gedämpft, positive Wirkungen hätten es im selben Ausmaß
gesteigert.
Insgesamt war die Nichtteilnahme der Schweiz an der WWU nach
den vorläufigen Berechnungen bisher (ohne Spill-overs des BIP-Wachstums) annähernd
wachstumsneutral. Die Vorteile des Zinsbonus wurden durch die negativen Effekte
der Wechselkursschwankungen fast wettgemacht. Laut OEF-Simulationen würde der Zinsbonus
den Wechselkurseffekt übertreffen, d. h. die Nichtteilnahme der Schweiz hätte einen
positiven BIP-Effekt von ¼ Prozentpunkt pro Jahr gehabt (1999/2005).
Kleine Volkswirtschaften
sind stark von den Konjunktureinflüssen der Nachbarländer abhängig. Für Österreich,
das stärker in die EU integriert ist als die Schweiz, wäre demnach ein größerer
Konjunkturgleichklang zu erwarten. Zum einen ergibt sich dies durch die engere handelspolitische
Integration (Teilnahme an der EU-Zollunion) und zum anderen durch die Einbindung
in die gemeinsame Geld- und Währungspolitik der Eurozone, der auch die Fiskalpolitik
mit strenger Kooperationsverpflichtung folgen muss. Nach der ursprünglich von Mundell (1961) entwickelten Theorie der optimalen
Währungsräume (OCA-Theorie) können nur jene Volkswirtschaften einen optimalen Währungsraum
bilden, die auf exogene Schocks annähernd gleich reagieren, sei es wegen der hohen
Arbeitsmarktflexibilität oder infolge von Fiskalmechanismen (fiscal federalism),
die unterschiedliche Schockwirkungen ausgleichen. Gemäß der erst vor einigen Jahren
entwickelten endogenen OCA-Theorie (Frankel
–
Rose, 1998) entsteht dagegen erst nach
Schaffung einer Währungsunion der Druck zur Synchronisierung, und zwar über die
Zunahme des bilateralen Handels oder durch die Gleichschaltung der Wirtschaftspolitik.
Zwar würde also die Theorie aufgrund der einheitlichen Geldpolitik in der Eurozone
einen "europäischen Konjunkturzyklus" postulieren, empirisch zeichnet
er sich aber noch nicht ab (Artis – Krolzig – Toro, 2004). Nach der Erweiterung 2004 dürfte der Konjunkturzyklus
in der EU eher heterogener denn homogener werden.
Als einfacher Test für
den Konjunkturzusammenhang bzw. dessen Veränderung seit Schaffung der WWU 1999 dient
eine Korrelation der Konjunkturverläufe (gemessen an den jährlichen Wachstumsraten
des realen BIP im Durchschnitt 1961/1998, 1999/2005 und über die gesamte Periode
1961/2005; Übersicht 5).
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Übersicht 5: Zusammenhänge
zwischen dem Konjunkturverlauf in Österreich und der Schweiz |
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Korrelation des durchschnittlichen Wachstums des
realen BIP 1960/2005 |
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|
Österreich |
Schweiz |
EU 15 |
Euro-Raum |
Deutschland |
|
|
||||
1961/1998 |
|
|
|
|
|
Österreich |
1,00 |
0,58 |
0,74 |
0,76 |
0,67 |
Schweiz |
|
1,00 |
0,70 |
0,72 |
0,57 |
EU 15 |
|
|
1,00 |
0,98 |
0,82 |
Euro-Raum |
|
|
|
1,00 |
0,85 |
Deutschland |
|
|
|
|
1,00 |
|
|
|
|
|
|
1999/2005 |
|
|
|
|
|
Österreich |
1,00 |
0,76 |
0,90 |
0,90 |
0,88 |
Schweiz |
|
1,00 |
0,93 |
0,92 |
0,92 |
EU 15 |
|
|
1,00 |
1,00 |
0,99 |
Euro-Raum |
|
|
|
1,00 |
0,99 |
Deutschland |
|
|
|
|
1,00 |
|
|
|
|
|
|
1961/2005 |
|
|
|
|
|
Österreich |
1,00 |
0,60 |
0,77 |
0,79 |
0,71 |
Schweiz |
|
1,00 |
0,71 |
0,74 |
0,59 |
EU 15 |
|
|
1,00 |
0,97 |
0,98 |
Euro-Raum |
|
|
|
1,00 |
0,87 |
Deutschland |
|
|
|
|
1,00 |
Q: Eurostat, WIFO-Berechnungen. |
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|
Vor der Realisierung der
Währungsunion (1961/1998) war demnach der Gleichklang des Konjunkturverlaufs in
Österreich mit der EU und dem Euro-Raum höher als in der Schweiz. Seit Inkrafttreten
der WWU (1999/2005) verstärkte sich der Konjunkturverbund mit der EU und dem Euro-Raum
in beiden Ländern – in der Schweiz sogar deutlicher
als in Österreich. Auch der bilaterale Zusammenhang wurde enger.
Die Schweiz ist also, obwohl
sie nicht Mitglied der EU ist, nicht an der WWU teilnimmt und eine eigenständige
Wirtschaftspolitik betreibt, gemessen am Konjunkturverlauf gleich stark mit der
EU "integriert" wie Österreich. Da die Bilateralen Abkommen I und II erst
ab 2002 wirksam wurden, dürfte sich der Zusammenhang nicht so sehr aus der handelspolitischen
Integration ergeben (sie ist schwächer als in Österreich) als vielmehr aus der starken
Integration in die europäischen Kapitalmärkte.
Die Schweiz zählt nach
wie vor zu den reichsten Ländern der Welt. Im jüngsten World Development Report
2005 (UNDP, 2005) liegt die Schweiz, gemessen
am Human Development Index[i]) an 7. Stelle nach Norwegen, Island, Australien,
Luxemburg, Kanada und Schweden. Österreich rangiert an 17. Stelle. Gemessen an einem
neuen Maßstab für Vermögen bzw. Reichtum[j]) nimmt die Schweiz mit 648.241 $ pro Kopf der Bevölkerung
(2000) den 1. Rang unter 120 Ländern ein (Worldbank,
2005). Österreich folgt mit 493.080 $ an 7. Stelle nach der Schweiz, Dänemark, Schweden,
den USA, Deutschland und Japan. Mit einem BIP pro Kopf von 29.560 KKS (2005) übertrifft
die Schweiz den Durchschnitt der EU 15 um 18% (Abbildung 1). In Europa verzeichnen
damit nur Luxemburg (+102%), Norwegen (+40%) und Irland (+26%) höhere Einkommen
als die Schweiz, in Übersee nur die USA (+44%). Österreich ist mit einem Pro-Kopf-Einkommen
von 28.340 KKS (+12% gegenüber dem Durchschnitt der EU 15) das viertreichste Land
der EU[k]).
|
Abbildung 17: Wohlfahrtsniveau
in Österreich, der Schweiz und den USA |
BIP pro Kopf, real in EKS$ von 2002 |
|
Q: Penn World
Tables (PWT6.1), Groningen Growth and Development Centre (GGDC). EKS$ . . . Kaufkraftparitäten, aggregiert nach
der Methode von Elteto – Köves
– Szulc. |
|
Um zu klären, wie sich
die unterschiedlichen Integrationsstrategien Österreichs und der Schweiz auf die
Entwicklung des BIP pro Kopf als allgemeiner Wohlstandsindikator ausgewirkt haben,
wird in der Folge über die Analyse der partiellen Integrationseffekte hinaus die
langfristige Entwicklung des realen BIP pro Kopf seit 1950 auf "Integrationsbrüche"
hin untersucht. Dazu wird einerseits auf das Datenmaterial des Projekts "Penn
World Tables" (PWT 6.1) des Center for International Comparisons at the University
of Pennsylvania (http://pwt.econ.upenn.edu/) zurückgegriffen und andererseits auf BIP-Daten
des Groningen Growth and Development Centre (GGDC; Total Economy Database, August
2005, http://www.ggdc.net). Als Referenzland dienen die USA, deren Wirtschaftsentwicklung
nicht direkt durch die europäische Integration beeinflusst wird.
Die Schweiz zählt demnach
zwar nach wie vor zu den reichsten Ländern (Abbildung 17), hat aber den Vorsprung
gegenüber den USA eingebüßt. Während das BIP pro Kopf in den USA Anfang der neunziger
Jahre dank eines ungewöhnlich starken und lang anhaltenden Konjunkturaufschwungs
rasch stieg, verlor es in der Schweiz merklich an Dynamik und blieb nahezu unverändert
(siehe auch Rentsch et al., 2004). Dagegen hat der Wohlstandsindikator
in Österreich (nach einem Aufholprozess in der Nachkriegszeit) seit den neunziger
Jahren weiter steigende Tendenz.
Das Einkommenswachstum
der Schweiz brach im Untersuchungszeitraum zweimal ein: Anfang der siebziger Jahre
im Gefolge der ersten Erdölpreiskrise und Anfang der neunziger Jahre – möglicherweise wegen des Verzichts auf eine weitere
EU-Integration. Zum Test, ob die Brüche auch statistisch nachweisbar sind, werden
für Österreich und die Schweiz einheitliche (Wachstums-)Gleichungen zur Ermittlung
des BIP pro Kopf in absoluten Größen geschätzt. Dabei wird das BIP pro Kopf erklärt
durch die Kapitalakkumulation, gemessen an der Investitionsquote und am Offenheitsgrad
als Indikator der gesamtwirtschaftlichen Faktorproduktivität[l]) und der verzögerten abhängigen Variablen (Übersicht
6):
Aufgrund des Chow-Tests
war der Strukturbruch in der Entwicklung des BIP pro Kopf in den neunziger Jahren
in Österreich nicht statistisch signifikant. Für die Schweiz weist der Chow-Test
im Jahr 1991 einen Strukturbruch nach.
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Übersicht 6: Wachstumsgleichungen
für Österreich und die Schweiz |
|||||||
1950/2005 |
|||||||
|
|
|
|
|
|
|
|
Österreich |
|
+0,23 |
+0,05 |
+0,10 |
+0,92 |
|
DW = 1,52 |
|
(2,36) |
(2,25) |
(3,20) |
(52,21) |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Schweiz |
|
+0,07 |
+0,09 |
+0,17 |
+0,89 |
|
DW = 1,42 |
|
(0,55) |
(5,39) |
(5,88) |
(53,71) |
|
|
|
Q: WIFO-Schätzungen
mit Daten von Penn World Tables (PWT6.1) und Groningen Growth and Development
Centre (GGDC). Y . . . BIP pro Kopf, real, in EKS$ von 2002 (aggregiert
nach der Methode von Elteto – Köves
– Szulc), IQ . . . Investitionsquote (Investitionen in % des
BIP), QG . . . Offenheitsgrad (Exporte plus Importe, in
% des BIP); alle Variablen wurden in Logarithmen transformiert; kursive Zahlen
in Klammern . . . t-Statistik. |
|||||||
|
Österreichs Wirtschaft hatte nach dem Zweiten Weltkrieg einen erheblichen
Nachholbedarf. Sie wuchs im Zeitraum 1951/2005 um durchschnittlich 1½ Prozentpunkte
rascher als die der Schweiz und um rund 1 Prozentpunkt rascher als die der USA (Übersicht
7). Im letzten Jahrzehnt betrug der Wachstumsvorsprung Österreichs gegenüber der
Schweiz rund 1 Prozentpunkt. Die USA verzeichneten erst ab den achtziger Jahren
eine überdurchschnittliche Expansion; seit Anfang der neunziger Jahre übertrifft
das Einkommensniveau jenes der Schweiz (Abbildung 17).
|
|||
Übersicht 7: Einkommensentwicklung |
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BIP pro Kopf,
real, in EKS$ von 2002 |
|||
|
|
|
|
|
Österreich |
Schweiz |
USA |
|
Durchschnittliche
jährliche Veränderung in % |
||
|
|
|
|
1950/1960 |
+5,86 |
+3,28 |
+1,75 |
1960/1970 |
+4,12 |
+3,11 |
+2,89 |
1970/1980 |
+3,53 |
+1,10 |
+2,17 |
1980/1990 |
+2,09 |
+1,37 |
+2,27 |
1990/2005 |
+1,74 |
+0,37 |
+1,97 |
1983/1994 |
+1,94 |
+0,99 |
+2,31 |
1994/2005 |
+1,91 |
+0,86 |
+2,26 |
1950/2005 |
+3,31 |
+1,71 |
+2,19 |
Q: Penn World
Tables (PWT6.1), Groningen Growth and Development Centre (GGDC, http://www.ggdc.net). EKS$ . . . Kaufkraftparitäten, aggregiert nach
der Methode von Elteto – Köves
– Szulc. |
|||
|
Im Zusammenhang mit den
oben abgeleiteten insgesamt positiven Auswirkungen des EU-Beitritts auf die Wirtschaft
in Österreich und den per Saldo neutralen Wirkungen auf die Schweiz ergibt sich
als Interpretation des Strukturbruchs in den neunziger Jahren die Schlussfolgerung,
dass die verzögerte Annäherung der Schweiz an die EU Wohlfahrtseinbußen brachte,
während in Österreich die EU-Mitgliedschaft einen Bruch in der Einkommensentwicklung
verhinderte.
Die EU nahm am 1. Mai 2004
in ihrem bisher größten Erweiterungsschritt 10 neue Mitgliedsländer auf, hauptsächlich
in Ost-Mitteleuropa. Nach den vorliegenden Studien profitieren davon die neuen Mitgliedstaaten
rund zehnmal so viel wie die bisherigen.
Die neuen Märkte entwickeln
sich aufgrund eines großen Aufholpotentials dynamischer als jene der EU 15 und sind
daher "emerging markets" in direkter Nachbarschaft. Zum einen sind sie
ein wichtiges Exportziel, zum anderen benötigen sie eine Erneuerung des Kapitalstocks.
Die niedrigen Lohnkosten und der hohe Nachholbedarf induzieren zunehmend Direktinvestitionen
der multinationalen Unternehmen aus der EU 15. Von dieser neuen Entwicklung dürften
am meisten jene Volkswirtschaften profitieren, die schon seit der Ostöffnung 1989
rege Handelsbeziehungen mit diesen Märkten unterhielten. Dazu zählen vor allem Österreich
– der durch die EU-Erweiterung 2004 induzierte Anstieg
des realen BIP bis 2010 wird auf rund 0,8 Prozentpunkte geschätzt (knapp +¼ Prozentpunkt
pro Jahr) –, Deutschland (Niveaueffekt
+0,7 Prozentpunkte) und Italien (+0,6 Prozentpunkte). In der EU 15 dürfte das reale
BIP bis 2010 kumuliert um rund 0,5 Prozentpunkte steigen; das entspricht einem jährlichen
zusätzlichen BIP-Wachstum von rund 0,1 Prozentpunkt (Breuss, 2002A).
Wie aus Übersicht 4 und
Abbildung 12 hervorgeht, sind die Handelsbeziehungen zwischen Österreich und den
neuen Mitgliedstaaten sehr intensiv. In den letzten zehn Jahren exportierte Österreich
im Durchschnitt 12,3% seiner Gesamtausfuhr in diese Länder, während die vergleichbare
Exportquote der Schweiz nur 2,6% betrug. 9% der österreichischen Gesamtimporte stammen
aus den neuen Mitgliedstaaten, die Schweiz bezieht nur 1,5% ihrer Einfuhr von dort.
Aufgrund des geringeren
Engagements und der Tatsache, dass die Schweiz nicht Mitglied der erweiterten Union
ist, dürften die wirtschaftlichen Auswirkungen der EU-Erweiterung 2004 für die Schweiz
erheblich geringer sein als für Österreich. Die Niederlande etwa als EU-Land mit
ähnlichem Export- bzw. Importanteil der neuen Mitgliedsländer wie in der Schweiz
erhalten aus der Erweiterung einen Wachstumsimpuls von weniger als 0,1 Prozentpunkt.
Im Zuge der Erweiterung
übernahmen die zehn neuen Mitgliedstaaten den acquis communautaire und damit auch
das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und der EU sowie die Ergänzungen dazu
(z. B. im Bereich Landwirtschaft und Freizügigkeit) in den Bilateralen I und auch
II. Der Freihandelsraum zwischen EU und EFTA (EWR) wird somit auf die erweiterte
Union ausgedehnt, allerdings mit der Einschränkung, dass die Schweiz nicht an der
EU-Zollunion teilnimmt (und daher die Grenzkontrollen im Warenverkehr bestehen bleiben)
und im Handel mit landwirtschaftlichen Gütern Sonderregelungen gelten (in den Teilabkommen
der Bilateralen I und II; keine volle Integration in die GAP). Mit diesen privilegierten
Beziehungen verbessern sich die Exportchancen der Schweiz auf den Wachstumsmärkten
der neuen Mitgliedstaaten in Ost-Mitteleuropa. Zudem werden dort für Schweizer Unternehmen
Direktinvestitionen attraktiver.
Schweizer Studien (z. B.
Wäfler, 2005, S. 23) gehen in Anlehnung
an Schätzungen der Europäischen Kommission (Prognose: BIP der EU 15 +0,5 bis +0,7
Prozentpunkte bis etwa 2010; European Commission, 2001) davon aus, dass das reale
BIP der Schweiz in der Periode 2005 bis 2010 infolge der EU-Erweiterung insgesamt
um 0,2 bis 0,5 Prozentpunkte gesteigert wird. Das würde einem jährlichen BIP-Zuwachs
von 0,04 bis 0,10 Prozentpunkten entsprechen (ähnlich Calmy-Rey, 2004, S. 6). Diese Schätzungen bilden eher die Obergrenze
der möglichen Wachstumseffekte, da ja die Schweiz über die Bilateralen I und II
nur partiell in den europäischen
Binnenmarkt integriert ist.
Österreich vollzog konsequent
alle Integrationsschritte vom Mitglied der Freihandelszone EFTA über die EWR-Teilnahme
zum EU-Beitritt und zur Teilnahme an der Währungsunion, der höchsten Stufe der wirtschaftlichen
Integration der EU. Die Schweiz ging nicht über die Stufe der EFTA-Mitgliedschaft
hinaus, die Teilnahme am EWR wurde 1992 in einer Volksabstimmung abgelehnt. Über
bilaterale Abkommen mit der EU, die teilweise hinter der Integrationsqualität des
EWR zurückbleiben, teilweise etwas darüber hinausgehen (Schengen- bzw. Dublin-Abkommen,
Zinsbesteuerungsabkommen), ist die Schweiz inzwischen ebenfalls bis zu einem bestimmten
Grad in den europäischen Binnenmarkt integriert.
Eine Schätzung der gesamtwirtschaftlichen
Auswirkungen der unterschiedlichen Integrationsstrategien beider Länder führt zu
dem Ergebnis, dass Österreich von der EU-Mitgliedschaft und WWU-Teilnahme wahrscheinlich
profitiert hat, während die verzögerte und auch nur partielle Integration der Schweiz
in den europäischen Binnenmarkt
im besten Fall ökonomisch neutral war (Abbildung 18). In Österreich dürfte sich
das Wirtschaftswachstum, gemessen am realen BIP, durch die volle Teilnahme am europäischen Binnenmarkt um rund
1/3 Prozentpunkt
pro Jahr beschleunigt haben. Die Mitnahmeeffekte (passive Integrationseffekte) aus
der Schaffung des europäischen Binnenmarktes
seit 1993 könnten zusätzlich rund +0,1 Prozentpunkt beigetragen haben. Insgesamt
ergibt sich daraus ein jährlicher Wachstumseffekt von etwas mehr als 0,4 Prozentpunkten.
Die WWU-Teilnahme verstärkte das BIP-Wachstum
– nach vorläufigen Schätzungen – um rund 0,1 Prozentpunkt. Die volle Integration
Österreichs in Binnenmarkt und Währungsunion der EU vermittelte somit einen Wachstumsimpuls
von ½ Prozentpunkt pro Jahr. Aus der EU-Erweiterung 2004 dürfte mittelfristig ein
weiterer Effekt von rund +¼ Prozentpunkt resultieren.
|
Abbildung 18: Integrationseffekte
in Österreich und der Schweiz, |
BIP, real, durchschnittliche jährliche Veränderung
1994/2005 in % |
|
Q: Berechnungen mit dem WIFO-Integrationsmodell. |
|
In der Schweiz dürften
die positiven Mitnahmeeffekte aus der Entstehung des europäischen Binnenmarktes die negativen Wirkungen
aus der Nichtteilnahme kompensiert haben. Zusammen mit den per Saldo neutralen Effekten
aus der Nichtteilnahme an der WWU ergibt sich für die Schweiz auch insgesamt ein
neutrales Ergebnis für den bisherigen bilateralen Kurs der Integrationspolitik.
Die Schweiz übertrifft
Österreich zwar nach allen internationalen Indikatoren der Wettbewerbsfähigkeit
und ist immer noch eines der reichsten Länder der Welt. Die Wirtschaft expandiert
aber schon seit längerem langsamer als in Österreich. Das BIP wächst in der Schweiz
viel schwächer als im Ausland. Daraus resultieren Rückflüsse an Einkommen der Schweizer
multinationalen Unternehmen aus dem Ausland ("sechste Schweiz"), sodass
das Bruttonationaleinkommen um rund 5% höher ist als das BIP. Das könnte auch erklären,
warum trotz niedrigeren BIP-Wachstums und höherer Beschäftigungsquote als in Österreich
die Arbeitslosenquote niedriger ist als in Österreich.
Der Wachstumsvorsprung
Österreichs vor der Schweiz im Ausmaß von rund 1 Prozentpunkt pro Jahr im abgelaufenen
Jahrzehnt lässt sich auf folgende Faktoren zurückführen:
· Der (allmählich schwindende) Aufholeffekt im Ausmaß
von rund 1/3 Prozentpunkt
pro Jahr bewirkt eine deutliche Konvergenz des BIP pro Kopf beider Länder.
· Die Auswirkungen der Schaffung von Binnenmarkt und
WWU (Beschleunigung des Produktivitätswachstums durch Intensivierung des Wettbewerbs,
zügigere Reformen und Zunahme von Forschung und Entwicklung) betragen rund 1/3 Prozentpunkt pro Jahr.
· Österreich profitierte in hohem Maße von der Ostöffnung
(seit 1989); der Effekt kann ebenfalls auf rund 1/3 Prozentpunkt pro Jahr geschätzt
werden; in abgeschwächter Form hält dieser Wachstumsbonus für Österreich durch die
EU-Erweiterung 2004 an.
Antille, G., Bacchetta, M., Carlevaro, F., Müller, T., Schmitt, N., "Switzerland
and the European Economic Area: A General Equilibrium Assessment of Some Measures
of Integration", Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik,
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Austria and Switzerland – Experience With and Without EU Membership
– Summary |
Austria and Switzerland
have chosen to follow entirely different paths towards European integration: Austria,
joining the EU in 1995, became a member of the Economic and Monetary Union in
1999. Switzerland, on the other hand, rejected the EEA treaty in 1992 and opted
for a strategy of bilateral approach to the EU, with the result that today it
is linked to the EU in key areas of economic integration. Austria, utilising its
position of full economic integration, is able to exploit the potential integration
effects of the single market and euro zone, but, being a full-fledged EU and euro
member, is subject to the economic policy constraints connected with such membership.
Moreover, rich EU countries tend to be net contributors to the EU budget. Altogether,
after ten years of EU membership, Austria comes out on the positive side: its
GDP appears to have grown by up to ½ percentage point p.a. more rapidly on average
than might have been the case without EU integration. Switzerland, through its
tardy and partial participation in the EU's internal market, gained only a few
advantages from this type of approach to the EU. Nevertheless, its bilateral strategy
allows it to pick out, through sectoral treaties, only those integration aspects
that are in its national interest. In this way, Switzerland evades the disadvantage
of being a net contributor to the EU budget and is able to continue pursuing its
own economic policy. Still, on balance Switzerland appears to have suffered from
welfare losses over the last decade. |
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[a]) Die Schweiz verfolgt die Strategie
der bilateralen Annäherung an die EU weiter und strebt ein Abkommen im Bereich
des Strommarktes an (Neue Zürcher Zeitung, 30. September 2005, S. 7)
[b]) Für die Bilateralen I
galt eine "Guillotine-Klausel": Die sieben Abkommen können nur
gemeinsam in Kraft treten oder gekündigt werden (Vermeidung einer Politik des
"Rosinenpickens").
[c]) Der
Text des nach der EU-Erweiterung von 2004 geänderten EWR-Abkommens ist auf der
Webseite der EFTA zu finden: http://secretariat.efta.int/Web/legaldocuments/.
[d]) Sie
umfassen nur die Produkte der Kapitel 1 bis 24 des Internationalen
Übereinkommens über das Harmonisierte System zur Bezeichnung der Waren, Art. 1,
Abs. 2 (Tea Muy-Hour, 2001, S. 70ff).
[e]) Wegen
der drei Muttersprachen Deutsch, Französisch und Italienisch gab es drei "Arten"
der Schweiz. Während des Ersten Weltkriegs wurden mit dem Begriff "vierte
Schweiz" die im Ausland lebenden Schweizer bezeichnet. Mit der Anerkennung
von Romanisch als Landessprache im Jahr 1938 wurde das Land schließlich zur
"fünften Schweiz".
[f]) In
Österreich trat das Schengen-Abkommen am 8. April 1995 in Kraft; die
Grenzkontrollen wurden in zwei Schritten (1. Dezember 1997 und 1. April
1998) abgeschafft.
[g]) Im
Folgenden werden die durchschnittlichen Wachstumseffekte jeweils für die
Periode 1995/2005 angegeben.
[h]) Eine
Anhebung der Forschungs- und Entwicklungsquote um 1 Prozentpunkt bewirkt im
Integrationsmodell für Österreich eine Beschleunigung des langfristigen
Wachstums der gesamten Faktorproduktivität (TFP) um rund
0,3 Prozentpunkte. Im Schweizer Integrationsmodell ist die Elastizität der
TFP bezogen auf die Forschungsquote mit 0,4 etwas höher.
[i]) Der
Human Development Index (HDI) soll die "menschliche Wohlfahrt"
messen; er basiert auf den drei Unterindikatoren Einkommen, Bildung und
Gesundheit (UNDP, 2005, S. 21).
[j]) Das
Vermögen ("Reichtum") besteht dabei aus den drei Komponenten
natürliches Kapital (natürliche Ressourcen), durch Investitionen produzierter
Kapitalstock und intangibler Kapitalstock (Bildung, Humankapital,
Regierungsform). In der Schweiz wie in Österreich verteilt sich das
Gesamtvermögen im Verhältnis 1% zu 15% zu 84%.
[k]) Das
Bruttonationaleinkommen (BNE, vormals BNP) berücksichtigt im Gegensatz zum BIP
auch die Rücktransfers von Einkommen multinationaler Unternehmen ins Inland; es
ist für die Schweiz wegen des großen Volumens der "sechsten Schweiz"
um durchschnittlich 5% höher als das BIP.
[l]) Lewer - Van den
Berg (2003) finden in einem umfangreichen
Literaturüberblick über empirische Studien allgemein, dass eine Beschleunigung
des Exportwachstums um 1 Prozentpunkt das BIP-Wachstum um 0,2 Prozentpunkte
verstärkt. Nach Badinger (2005) hatte
die schrittweise Integration der EWG zur EG und EU seit Ende der fünfziger
Jahre zwar keinen anhaltenden Wachstumseffekt, erzeugte aber bei jedem neuen
Integrationsschritt eine Verschiebung des BIP-Niveaus nach oben. Ohne
europäische Integration wäre das BIP pro Kopf in der EU demnach heute um ein
Fünftel niedriger.