WIFO

Thomas Url

Die Entwicklung der betrieblichen Altersvorsorge in Österreich

 

Die betriebliche Altersvorsorge ist in Österreich im europäischen Vergleich wenig verbreitet. Diese Aussage trifft für mehrere Kennzahlen wie z. B. den Anteil der Anwartschaftsberechtigten für eine Betriebspension an den Erwerbspersonen und den Anteil der Betriebspension am Gesamteinkommen zu. Während im europäischen Durchschnitt etwa die Hälfte der Erwerbspersonen in eine betriebliche Altersvorsorge einbezogen ist, hat in Österreich nur etwa ein Sechstel der unselbständig Erwerbstätigen einen betrieblichen Pensionsanspruch. In Ländern mit ausgeprägten Betriebspensionssystemen stammt im Durchschnitt etwa ein Drittel des Pensionseinkommens aus einer Betriebspension; in Österreich sind es nur etwa 2%.

 

Der vorliegende Beitrag beruht auf einer Studie des WIFO im Auftrag des Fachverbands der Pensionskassen und des Jubiläumsfonds der Oesterreichischen Nationalbank: Thomas Url, Die Entwicklung der betrieblichen Altersvorsorge in Österreich (2003, 140 Seiten, 80 €, Download 64 €: http://titan.wsr.ac.at/wifosite/wifosite.get_abstract_type?p_language=1&pubid=23649; Bestellungen bitte an Christine Kautz, Tel. (+43 1) 798 26 01-282, Fax (+43 1) 798 93 86, E-Mail Christine.Kautz@wifo.ac.at) • Wissenschaftliche Assistenz: Ursula Glauninger • E-Mail-Adressen: Thomas.Url@wifo.ac.at, Ursula.Glauninger@wifo.ac.at

 

INHALT

Bindung an das Unternehmen bedeutendstes Motiv für Gewährung einer Betriebspension

Kosten der Betriebspension als zu hoch eingeschätzt

Betriebspension und Mitarbeitervorsorge in Wechselbeziehung

Vier Finanzierungsformen für Betriebspensionen

Überraschend viele neue Betriebspensionssysteme eingerichtet

Pensionskassen verwalten bereits das größte Beitragsvolumen

Höchste Durchschnittspensionen über Direkte Leistungszusagen ausgezahlt

Handelsrechtliche Pensionsrückstellungen im Durchschnitt 2,9 Mio. €

Hochrechnung für die Gesamtwirtschaft

Insgesamt bieten 2000 etwa 13% der Betriebe betriebliche Altersvorsorge an

16% der unselbständig Erwerbstätigen sind anwartschaftsberechtigt

Bereits 103.000 Pensionsbezieher

0,9% der Lohnsumme werden für künftige Betriebspensionen ausgegeben

Verbreitung seit der WIFO-Hochrechnung für das Jahr 1996 gestiegen

Betriebe mit Reformplänen bevorzugen Pensionskassen

Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspolitik

Prämiengeförderte Zukunftsvorsorge verursacht durch starre Bedingungen höhere Verwaltungskosten

Verbesserte Information über erwartete Pensionsleistung aus dem öffentlichen System vorrangig

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Aufwand für Betriebspensionen in der WIFO-Erhebung nach Durchführungswegen und Beschäftigtengrößenklassen 2000. 5

Abbildung 1: Motive für die Einrichtung einer betrieblichen Altersvorsorge. 3

Abbildung 2: Verteilung der Betriebe nach Finanzierungsart der Betriebspension. 4

 

 

[1] Die vergleichsweise geringe Bedeutung von Betriebspensionen in Österreich liegt vor allem an der umfassenden Einbindung der Erwerbstätigen in die öffentliche Pensionsvorsorge und dem hohen Leistungsniveau öffentlicher Pensionen. Die durchschnittliche Nettoeinkommensersatzquote (das Verhältnis zwischen dem letzten Erwerbseinkommen und der Neupension nach Steuern und Sozialversicherungsabgaben) beträgt im Bereich des österreichischen ASVG 70% für Frauen und 80% für Männer (2001). Im öffentlichen Dienst sind auch darüber hinausgehende Einkommensersatzquoten möglich. Unter diesen Rahmenbedingungen war der Bedarf an Vorsorgemaßnahmen für ein Zusatzeinkommen im Alter bisher gering.

Bindung an das Unternehmen bedeutendstes Motiv für Gewährung einer Betriebspension

[2] Die WIFO-Erhebung vom Herbst 2001 zur betrieblichen Altersvorsorge unter den Teilnehmern am regelmäßigen Konjunktur- und Investitionstest des WIFO macht die wichtigsten Motive für die Gewährung einer Betriebspension deutlich: die stärkere Bindung von Arbeitnehmern mit hoher Qualifikation an das Unternehmen, die Motivation zu höherer Leistung und den Wunsch der Arbeitnehmer nach einer Zusatzpension (Abbildung 1).

Kosten der Betriebspension als zu hoch eingeschätzt

[3] Die Unternehmen ohne eine betriebliche Altersvorsorge beurteilen in dieser Umfrage die Nachfrage ihrer Mitarbeiter nach einer Betriebspension als gering. Mehr als 80% der Unternehmen glauben, dass die Belegschaft eine Lohnerhöhung der Einführung einer Betriebspension vorziehen würde (die neuen Reformvorstellungen der Bundesregierung waren zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht bekannt). Gleichzeitig empfinden die Unternehmen die Kosten einer Betriebspension als zu hoch und wenig kalkulierbar. Offenbar sind die Such- und Anlernkosten für qualifiziertes Personal derzeit noch so niedrig, dass zusätzliche Kosten der Mitarbeiterbindung keine Effizienzsteigerung ermöglichen.

 

Abbildung 1: Motive für die Einrichtung einer betrieblichen Altersvorsorge

Q: WIFO-Erhebung. Nur Antworten von Unternehmen mit einer betrieblichen Altersvorsorge (Mehrfachantworten möglich).

 

[4] Für etwa ein Viertel der befragten Unternehmen spricht die hohe Fluktuation der Arbeitnehmer gegen die Einführung einer betrieblichen Altersvorsorge. Betriebe, für die der häufige Wechsel des Mitarbeiterbestands keine Probleme verursacht, dürften auch in Zukunft wenig Interesse an Entlohnungsformen mit stärkerer Bindungswirkung haben.

Betriebspension und Mitarbeitervorsorge in Wechselbeziehung

[5] Die betriebliche Altersvorsorge steht mit der Mitarbeitervorsorge ("Abfertigung Neu") in einer Wechselbeziehung. Falls das in der Mitarbeitervorsorge angesammelte Kapital freiwillig in eine Rente umgewandelt wird, verringert sich die Pensionslücke (der Unterschied zwischen dem letzten Erwerbseinkommen und dem ersten Pensionseinkommen im Ruhestand). Dadurch sinkt das Bedürfnis der Arbeitnehmer nach anderen altersbezogenen Einkommensquellen. Für die Unternehmen ist praktisch ein Teil der Lohnnebenkosten für eine Art der betrieblichen Altersvorsorge gewidmet. Dadurch besteht ein geringerer Anreiz für den Ausbau freiwilliger Betriebspensionen. Andererseits entfällt mit der alten Abfertigungsregelung das wichtigste Instrument zur stärkeren Bindung von Arbeitnehmern an den Betrieb: der von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängige Abfertigungsanspruch. Angesichts der aufgrund der demographischen Entwicklung zu erwartenden Verknappung von Arbeitskräften müssen daher alternative bindende Entlohnungsformen, z. B. Betriebspensionen, in Zukunft stärker angewandt werden.

Vier Finanzierungsformen für Betriebspensionen

[6] In Österreich sind vier Durchführungswege zur Finanzierung von Betriebspensionen vorgesehen: die Direkte Leistungszusage, die Gruppenlebensversicherung, seit 1991 die Pensionskassen und schließlich die freiwillige Höherversicherung im Rahmen des ASVG. Letztere wird nur von einer Minderheit der Unternehmen, meist in Verbindung mit einer anderen Finanzierungsart, verwendet. Im Vergleich mit der letzten WIFO-Erhebung für das Jahr 1993 verwendete 2000 ein wesentlich größerer Teil der befragten Unternehmen (über 50%) eine Pensionskasse zur Abwicklung der betrieblichen Altersvorsorge. Direkte Leistungszusagen werden oft gemeinsam mit Pensionskassen angewandt. Direkte Leistungszusagen und Lebensversicherungen sind etwa gleich häufig (Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Verteilung der Betriebe nach Finanzierungsart der Betriebspension

Q: WIFO-Erhebung. Zahl der Unternehmen: 148.

Überraschend viele neue Betriebspensionssysteme eingerichtet

[7] Ein großer Teil der antwortenden Unternehmen hat das Betriebspensionssystem nach 1995 eingerichtet. Unter den Betrieben mit jüngeren Vorsorgesystemen ist der Anteil der Direkten Leistungszusagen etwas niedriger (28,1%) als unter den Unternehmen mit alten Systemen (36,4%). Diese Verlagerung erfolgte vor allem zugunsten des Anteils von Gruppenlebensversicherungen. Unter den Unternehmen mit etablierter betrieblicher Altersvorsorge verwenden 16,4% eine Lebensversicherung, in der Gruppe mit jungem Betriebspensionssystem hingegen 36%. Die Pensionskassen konnten ihren Marktanteil auf hohem Niveau ausweiten: von 54,5% auf 60,7%.

Pensionskassen verwalten bereits das größte Beitragsvolumen

[8] Der Aufwand im Zusammenhang mit betrieblichen Pensionsversprechen beträgt unter den befragten Unternehmen insgesamt 93 Mio. €. Der größte Anteil davon wird über Pensionskassen abgewickelt, wesentlich geringere Beträge in Form Direkter Leistungszusagen. Dabei steht die Vorsorge für künftige Verpflichtungen gegenüber den laufenden Zahlungen im Vordergrund. Beiträge für Lebensversicherungen sind im Vergleich zum getätigten Aufwand von geringer Bedeutung: Nur etwa 6% der Altersvorsorgeausgaben werden in der Stichprobe über diesen Durchführungsweg abgewickelt. Die Höherversicherung im Rahmen des ASVG hat vernachlässigbar geringes Gewicht (Übersicht 1).

[9] Der durchschnittliche Pensionsaufwand muss - je nach Finanzierungsart - in Relation zu unterschiedlichen Personengruppen gesetzt werden. In der Direkten Leistungszusage betreffen die Aufwendungen sowohl die Anwartschaftsberechtigten als auch die aktuellen Pensionsempfänger. Deshalb wird der Saldo aus dem laufenden Aufwand für Pensionen, den Dotierungen für Pensionsrückstellungen und der Auflösung von Rückstellungen auf die Zahl der Anwartschaftsberechtigten und der Pensionsempfänger bezogen. Die anderen Finanzierungsverfahren kennen durchwegs nur Beitragszahlungen für Anwartschaftsberechtigte, weil die Pensionszahlung durch den Finanzintermediär bzw. die Sozialversicherung erfolgt. Aus diesem Grund kann kein durchschnittlicher Aufwand pro Kopf über alle Finanzierungsarten ausgerechnet werden.

Übersicht 1: Aufwand für Betriebspensionen in der WIFO-Erhebung nach Durchführungswegen und Beschäftigtengrößenklassen 2000

 

 

 

 

 

 

 

 

Bis 49 Beschäftigte

50 bis 99 Beschäftigte

100 bis 499 Beschäftigte

500 bis 999 Beschäftigte

Über 999 Beschäftigte

Insgesamt

 

Mio. €

 

 

 

 

 

 

 

Aufwand

 

 

 

 

 

 

Zahlungen für Direkte Leistungszusagen aus dem laufenden Ertrag

0,02

0,73

4,46

1,67

2,55

9,42

Dotierung der Pensionsrückstellung

0,44

0,14

5,35

1,04

10,34

17,30

Auflösung der Pensionsrückstellung

0,18

1,10

0,34

1,25

2,87

Beiträge für Lebensversicherungen

1,35

0,02

0,59

0,84

3,02

5,82

Beiträge an Pensionskassen

10,33

0,31

6,72

5,94

33,70

56,99

Beiträge zur freiwilligen Höherversicherung im ASVG

0,01

0,02

0,52

0,56

 

 

 

 

 

 

 

Insgesamt

12,14

1,02

16,03

9,15

48,89

87,22

 

 

 

 

 

 

 

 

Durchschnittlicher Pensionsaufwand je Anwartschaftsberechtigten bzw. Pensionsempfänger in €1)

 

 

 

 

 

 

 

Direkte Leistungszusagen2)

8.636

6.673

17.195

16.683

157

13.007

Lebensversicherungen3)

3.181

267

1.844

5.842

3.170

Pensionskassen3)4)

1.387

3.977

1.315

956

980

Q: WIFO-Erhebung. - 1) Ohne Unternehmen mit gemischten Finanzierungsformen. - 2) Aufwand je Anwartschaftsberechtigten und Pensionsempfänger pro Jahr. - 3) Aufwand je Anwartschaftsberechtigten pro Jahr. - 4) Korrigiert um offensichtliche Übertragungen gemäß § 48 PKG.

Höchste Durchschnittspensionen über Direkte Leistungszusagen ausgezahlt

[10] Am höchsten ist der Aufwand je Leistungsberechtigten im System der Direkten Leistungszusage. Unternehmen mit diesem Durchführungsweg gaben 2000 durchschnittlich 13.000 € je Anwartschaftsberechtigten bzw. Pensionisten aus; überdurchschnittlich ist dieser Betrag vor allem in mittelgroßen Betrieben. Trotz des geringen Gesamtaufwands ist der durchschnittliche Beitrag je Anwartschaftsberechtigten für Lebensversicherungen (3.170 €) deutlich höher als für Pensionskassen (980 €). Der Unterschied entsteht dadurch, dass Betriebspensionssysteme in Unternehmen mit einer Pensionskassenlösung meist alle Arbeitnehmer umfassen, während in der Direkten Leistungszusage und in der Lebensversicherung überwiegend eine Einschränkung auf das Leitungspersonal vorgenommen wird. Weiters sind in der Gruppenlebensversicherung in unbekanntem Ausmaß Rückdeckungsversicherungen der Pensionsrückstellung enthalten.

Handelsrechtliche Pensionsrückstellungen im Durchschnitt 2,9 Mio. €

[11] Die Angaben über den Bestand an handelsrechtlichen Rückstellungen für Pensionen summieren sich in der WIFO-Erhebung insgesamt auf rund 200 Mio. €. Etwas mehr als ein Drittel davon entfällt auf Großbetriebe. Die durchschnittliche Rückstellung je Betrieb beträgt etwa 2,9 Mio. € mit deutlichen Unterschieden zwischen Klein- und Großbetrieben. Die Rückstellungsbildung ist aber auch innerhalb der Betriebsgrößenklassen sehr verschieden, sodass eine große Streuung unter den Unternehmen besteht.

[12] Die Eigenschaften des für die Betriebspension gewählten Finanzierungssystems werden von den befragten Unternehmen durchwegs positiv beurteilt. Einheitlich positiv wird die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen eingeschätzt. Dem System der Direkten Leistungszusagen messen die Betriebe die höchste Bindungswirkung zu. Die Übersichtlichkeit der Gestaltungsmöglichkeiten wird für Direkte Leistungszusagen und Lebensversicherungen hervorgehoben; Pensionskassen schneiden in dieser Hinsicht deutlich schlechter ab. Die Direkten Leistungszusagen gelten hinsichtlich der freien Vertragsgestaltung als vorteilhaft, während Lebensversicherungen besonders im Hinblick auf die Besteuerung attraktiv erscheinen. Die am stärksten positiv eingeschätzte Eigenschaft von Pensionskassensystemen ist die Möglichkeit der Mitarbeiterbeteiligung an den Beitragszahlungen.

Hochrechnung für die Gesamtwirtschaft

[13] Die Ergebnisse der WIFO-Erhebung zur Verbreitung von Betriebspensionen in Österreich können durch einige veröffentlichte Daten - z. B. die Bilanzen der publikationspflichtigen Kapitalgesellschaften, die BACH-Datenbank der OeNB, den Einkommensbericht des Rechnungshofes, die Veröffentlichungen der Oesterreichischen Nationalbank und der Finanzmarktaufsicht Österreich über Finanzintermediäre - ergänzt und zu einer Hochrechnung für die Gesamtwirtschaft Österreichs verbunden werden. Die WIFO-Befragung der Pensionskassen liefert ebenfalls einen wichtigen Beitrag für die Hochrechnung.

Insgesamt bieten 2000 etwa 13% der Betriebe betriebliche Altersvorsorge an

[14] Insgesamt boten demnach 2000 etwa 31.000 Betriebe ihrer Belegschaft eine betriebliche Altersvorsorge an. Das entsprach annähernd 13% aller in Österreich tätigen Betriebe. Besonders weit verbreitet sind Betriebspensionen in der Kredit- und Versicherungswirtschaft und in der öffentlichen Verwaltung. In der Finanzwirtschaft sehen einige Kollektivverträge und branchenweit gültige Vereinbarungen Betriebspensionen vor; im öffentlichen Sektor brachte die Reform des Dienstrechtes für Verwaltungsbedienstete die Zusage einer Betriebspension mit sich. Besonders gering ist die Verbreitung betrieblicher Altersvorsorgeeinrichtungen unter den Unternehmen zur Erbringung von sonstigen öffentlichen und persönlichen Dienstleistungen, im Gaststätten- und Beherbergungswesen sowie in der Bauwirtschaft.

16% der unselbständig Erwerbstätigen sind anwartschaftsberechtigt

[15] Etwa 430.000 unselbständig Beschäftigte hatten im Jahr 2000 eine Anwartschaft auf eine Betriebspension; das entsprach 16% der unselbständig Erwerbstätigen bzw. 12% der Erwerbspersonen. Die Vergabe von Anwartschaften ist in den großen Unternehmen überproportional häufig. In der Energie- und Wasserversorgung und mit geringem Abstand im Kredit- und Versicherungswesen, dem Bergbau und dem Realitätenwesen bzw. der Erbringung von unternehmensbezogenen Dienstleistungen gibt es überdurchschnittlich viele Anwartschaftsberechtigte. In den Wirtschaftsbereichen Gaststätten- und Beherbergungswesen, Bildung, Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen bzw. in der Bauwirtschaft sind Anwartschaften vergleichsweise selten.

Bereits 103.000 Pensionsbezieher

[16] Die Bezieher einer Betriebspension erhalten die Pensionsleistung - je nach Finanzierungsart - direkt vom Unternehmen, von einem Finanzintermediär oder auch direkt von der Pensionsversicherung. Insgesamt bezogen 103.000 Personen Leistungen aus einer betrieblichen Altersvorsorge (2000); das entsprach 11,5% der Bezieher einer Alterspension in den Pensionsversicherungsanstalten der Unselbständigen.

0,9% der Lohnsumme werden für künftige Betriebspensionen ausgegeben

[17] Der Aufwand für Beitragszahlungen an Finanzdienstleister und die Nettodotierung der Pensionsrückstellung betrugen 2000 insgesamt etwa 745 Mio. € oder 0,9% der Bruttolohn- und -gehaltssumme. Die Leistungen für Pensionisten, d. h. die Zahlungen aus Direkten Leistungszusagen, Pensionskassen, Gruppenlebensversicherungen und der Höherversicherung im ASVG machten 1.216 Mio. € aus. Im Verhältnis zum Aufwand für Alterspensionen in der Pensionsversicherung der Unselbständigen sind das 11%. Zur Deckung Direkter Leistungszusagen dienten 7,65 Mrd. € an Pensionsrückstellungen (ohne die Pensionsrückstellung der Oesterreichischen Nationalbank).

Verbreitung seit der WIFO-Hochrechnung für das Jahr 1996 gestiegen

[18] Die Verbreitung der betrieblichen Altersvorsorge nahm seit der letzten WIFO-Hochrechnung für das Jahr 1996[a]) stark zu. Dazu trug die Umstellung des Dienstrechtes für Vertragsbedienstete des Bundes bei. Immer stärker stellen nun auch Länder und Gemeinden ihr Dienstrecht um. Die öffentlichen Rechtsträger verwenden zur Finanzierung Pensionskassen. Damit entwickeln sich die Pensionskassen zur dominierenden Finanzierungsform für die betriebliche Altersvorsorge. Das gilt in Bezug auf die Zahl der Anwartschaftsberechtigten und das Beitragsvolumen, nicht aber gemessen an der Zahl der Betriebe mit betrieblichem Altersvorsorgesystem - kleinere Unternehmen schließen häufig Gruppenlebensversicherungen ab, und mittlere Unternehmen gewähren bevorzugt Direkte Leistungszusagen. Die Pensionskassen bieten eine für mittlere und große Unternehmen einfache und vorteilhafte Verwaltungsstruktur.

[19] Die Verteilung zwischen den Finanzierungsarten für Leistungen ist durch die Behäbigkeit des Systemwandels geprägt: Viele bestehende Pensionen werden im alten System weiter verwaltet und nicht auf einen neuen Durchführungsweg umgestellt. Deshalb ist der Anteil von Betrieben mit einer Mischung von Durchführungswegen groß.

Betriebe mit Reformplänen bevorzugen Pensionskassen

[20] Der überwiegende Teil (knapp 60%) der Unternehmen, die die Einführung einer Betriebspension oder die Ausweitung eines bestehenden Systems planen, wird eine Pensionskasse als Finanzierungsart wählen. Unternehmen mit gemischten Finanzierungsformen nennen drei Motive: Erstens wird die Umstellung der Finanzierungsart durch Altbestände erschwert, die zumindest teilweise im alten System fortgeführt werden; zweitens kann mit den Mischformen eine Schichtung der betrieblichen Altersvorsorge erreicht werden (Kreis der Anspruchsberechtigten, Rentenhöhe), und drittens können stärkere Akzente zur Betriebsbindung gesetzt werden.

Schlussfolgerungen für die Wirtschaftspolitik

[21] Mittelfristig hängt die Entwicklung der betrieblichen Altersvorsorge vor allem von vier treibenden Kräften ab:

Die Geschwindigkeit, mit der in der öffentlichen Verwaltung der Personalstand umgewälzt wird, bestimmt, wie rasch weitere Arbeitnehmer eine Anwartschaftsberechtigung erhalten. In diesem Bereich ist auch die Geschwindigkeit, mit der das Dienstrecht öffentlicher Körperschaften umgestellt wird, von Bedeutung.

Zwischen Mitarbeitervorsorge und betrieblicher Altersvorsorge besteht eine vielschichtige Wechselbeziehung, deren Nettoergebnis im Vorhinein nicht abgeschätzt werden kann.

Gegen Mitte des Jahrzehnts setzt ein Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ein, sodass mittelfristig mit einer Verknappung des qualifizierten Arbeitskräfteangebotes zu rechnen ist. Die betriebliche Altersvorsorge kann unter diesen Bedingungen vermehrt als finanzieller Anreiz zur Bindung von Mitarbeitern eingesetzt werden.

Die in der Regierungserklärung angekündigte Pensionsreform verursacht für alle Pensionsversicherten mit ungleichmäßigem Lebenseinkommensverlauf oder langen Ausbildungs- bzw. Karenzzeiten deutliche Leistungseinbußen.

[22] Zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards im Ruhestand sieht das Regierungsprogramm eine weitergehende Forcierung der betrieblichen und individuellen Altersvorsorge vor. Konkrete Schritte sind nicht angeführt. Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge bestehen die gesetzlichen und praktischen Voraussetzungen für ein kostengünstiges und steuerlich attraktives kapitalgedecktes Altersvorsorgesystem. Die Verwaltungskosten sind vergleichsweise niedrig. Die Beitragszahlungen des Arbeitgebers sind vollständig nachgelagert besteuert, d. h. die Besteuerung setzt erst mit der Auszahlung ein. Allerdings steht diese Möglichkeit nur einem Teil der Erwerbstätigen offen. Maßnahmen zur Förderung der betrieblichen Altersvorsorge müssen daher entweder den Verbreitungsgrad erhöhen oder so allgemein gültig formuliert sein, dass auch Formen der individuellen Altersvorsorge einbezogen werden können.

Die Ausweitung der Versorgung mit  Betriebspensionen erfordert eine Reform der Mitarbeitervorsorge oder die Erleichterung individueller Beitragszahlungen in das  Betriebspensionssystem.

[23] Zur Ausweitung der Verbreitung müsste das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz dahingehend reformiert werden, dass eine verpflichtende Verrentung des Kapitalbestands zum Pensionsantritt erfolgt. Dadurch käme der Mitarbeitervorsorge ein echter Betriebspensionscharakter zu. Eine Alternative dazu wäre die Steigerung der Beitragszahlung durch die zusätzliche Förderung der Eigenbeiträge der Anwartschaftsberechtigten. Zur Zeit sind die Beitragszahlungen der Arbeitnehmer aus dem versteuerten Einkommen zu tätigen oder im Rahmen eines der geförderten Instrumente für die individuelle Altersvorsorge (Sonderausgaben entsprechend § 18 EStG, Pensionszusatzversicherung usw.) abzuwickeln. Die seit Jänner 2003 mögliche prämiengeförderte Zukunftsvorsorge ist schwer in die bestehende betriebliche Altersvorsorge einzugliedern. Direkte Leistungszusagen kennen keine Beiträge des Anwartschaftsberechtigten, und die einschränkenden Veranlagungsvorschriften der prämiengeförderten Zukunftsvorsorge lassen eine Integration der Eigenbeiträge in die bestehenden Veranlagungskreise von Pensionskassen und Gruppenlebensversicherungen nicht zu.

[24] Grundsätzlich sollte die staatliche Förderung der privaten Altersvorsorge unabhängig vom Durchführungsweg und damit dem Anbieter erfolgen, und die Belastung der öffentlichen Haushalte aus der Förderung sollte nicht in der Zukunft anfallen, sondern möglichst zum Zeitpunkt der Vorsorgemaßnahme. Die Förderung sollte auf bestehende Systeme ebenso wie auf neue Systeme anwendbar sein. Dieser Anspruch bewirkt eine Senkung der Verwaltungs- und Vertriebskosten für Vorsorgewillige.

Prämiengeförderte Zukunftsvorsorge verursacht durch starre Bedingungen höhere Verwaltungskosten

[25] Die prämiengeförderte Zukunftsvorsorge ist in dieser Hinsicht ein Rückschritt gegenüber den Vorgängermodellen, weil sie wegen der eigenständigen Veranlagungsvorschriften mit keinem der vorher entwickelten Fördermodelle kompatibel ist. Sie erfordert zumindest die Einrichtung eines neuen, parallel zu führenden Veranlagungskreises und die Übertragung des bisher angesammelten Kapitals dorthin. Dadurch entstehen letztlich zusätzliche Kosten für Vorsorgewillige. Die Abschaffung der eigenständigen Veranlagungsvorschriften für die prämiengeförderte Zukunftsvorsorge wäre ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Anreize zu Eigenbeiträgen der Anwartschaftsberechtigten in die betriebliche Altersvorsorge.

Verbesserte Information über erwartete Pensionsleistung aus dem öffentlichen System vorrangig

[26] Bevor eine Ausweitung der Subvention freiwilliger Altersvorsorgemaßnahmen in Betracht gezogen wird, sollte ein wichtiges Informationsdefizit auf Seiten der Pensionsversicherten beseitigt werden: Wegen der Komplexität der Pensionsberechnung ist den wenigsten Pensionsversicherten bewusst, wie hoch die zu erwartende Pensionsleistung aus der öffentlichen Altersvorsorge sein wird. Aus dieser Unsicherheit heraus ist eine optimale einzelwirtschaftliche Sparentscheidung kaum möglich, vielmehr werden Unter- bzw. Überversorgung die Regel sein. Das Abweichen vom optimalen Sparniveau hat auch volkswirtschaftlich bedeutende Nebeneffekte. Daher erscheint eine Offenlegung der öffentlichen Pensionsleistung an die Pensionsversicherten aus derzeitiger Sicht vordringlich. Erst die richtige Information und das Bewusstsein über das Ausmaß des Einkommensentfalls im Ruhestand ermöglichen es den Pensionsversicherten, geeignete Schritte zur Eigenvorsorge zu unternehmen.

 

Firm Pension Schemes in Austria — Summary

Compared to Europe in general, firm pension schemes are a relatively rare phenomenon in Austria. Whereas on a European average, every second worker is included in a form of firm pension scheme, in Austria only one in six dependently employed workers can lay claims on a company pension. The WIFO study of schemes offered by participants of the regular WIFO business and investment surveys found that those companies that offer a pension scheme emphasise chiefly three motifs: improving the commitment of highly qualified employees, offering an incentive for better performance and meeting the desire of employees for a supplementary pension.

Altogether, some 31,200 companies (or 13 percent of Austrian enterprises) offered their staff an employee pension scheme in 2000. In the same year, about 430,000 dependently employed persons (or 16 percent of all dependently employed) had acquired a claim for a company pension, and 103,000 persons (or 11.5 percent of all old-age pensioners) received benefits from an employee pension scheme. In 2000, expenditure for contributions and net allocations to provisions was about € 745 million or 0.9 percent of the total wage bill. Benefits to retirees, i.e., payments from direct pension commitments, pension funds, group life insurance schemes and voluntary supplementary insurance within the public social security system, made up € 1,216 million, or 11 percent of the expenditure for old-age pensions paid by the government pension schemes for dependently employed. The stock of provisions to cover direct pension commitments made up € 7.65 billion.

The incidence of employee pension schemes has surged since the last WIFO survey of 1996. A change in the employment law for government employees of non-civil-servant status helped drive a development that is now spreading to provincial and local government levels. At federal level, a pension fund is used to finance occupational pensions.

 

 

 



[a])  Url, Th., "Die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung in Österreich 1996", WIFO-Monatsberichte, 1997, 70(11), S. 695.