WIFO

Angelina Keil

Wirtschaftschronik

 

I. Quartal 2003

 

Abgeschlossen am 7. April 2003 • E-Mail Adresse: Angelina.Keil@wifo.ac.at

 

INHALT

Ausland

Österreich

 

 

Ausland

Die USA bereiten einen Militärschlag gegen den Irak vor, obwohl der UNO Sicherheitsrat dieser Maßnahme nicht zustimmt. Frankreich und Deutschland lehnen einen Krieg im Irak ab, England, Spanien, Portugal, Italien, Ungarn, Polen und Dänemark unterstützen die Absicht der USA. Am 20. März beginnen die alliierten Streitkräfte den Krieg im Irak. Zur Deckung der Kriegskosten sehen die USA über 60 Mrd. $ und Großbritannien über 1 Mrd. £ an zusätzlichen Budgetausgaben vor.

 

OPEC

[1] 1. Februar:  Die OPEC erhöht die bereits mit Jahresbeginn von 21,7 Mio. auf 23 Mio. Barrel pro Tag gesteigerte Rohölfördermenge auf 24,5 Mio. Barrel, um die durch die Streiks in Venezuela bedingten Ausfälle zu kompensieren.

"Congestion Charge"

[2] 17. Februar:  Für die Einfahrt in die Londoner Innenstadt müssen Autofahrer an Werktagen eine "Congestion Charge" von 5 £ entrichten.

Leitzinsen

[3] 7. März:  Die EZB senkt die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte. Der Satz der Einlagefazilität beträgt nun 1,5%, der Satz für die Spitzenrefinanzierungsfazilität 3,5%. Mit Wirkung vom 12. März wird der Satz für Hauptrefinanzierungsgeschäfte mit 2,5% festgelegt.

Wiedervereinigung Zypern

[4] 11. März:  Die Verhandlungen der UNO über eine Wiedervereinigung des griechischen und des türkischen Teils von Zypern scheitern. Somit wird nur der griechische Teil der Insel der EU beitreten.

Regierungserklärung Deutschland

[5] 14. März:  Mit einer Regierungserklärung "Agenda 2010" vor dem Bundestag kündigt der deutsche Bundeskanzler Schröder eine wirtschaftspolitische Wende in Deutschland an. Im Rahmen eines Investitionsprogramms sollen in den kommenden zwei Jahren 15 Mrd. € für die private Wohnhaussanierung (7 Mrd. €) und für Infrastrukturprojekte der Gemeinden (8 Mrd. €) verwendet werden. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau wird diese Mittel über begünstigte Kredite verteilen. Die Arbeitslosenunterstützung und die Sozialhilfe sollen zusammengelegt werden, die Bezugsdauer von Arbeitslosengeld soll für jüngere Arbeitslose auf 12 Monate und für über 55-Jährige auf 18 Monate beschränkt werden. Der Kündigungsschutz, der für Unternehmen mit mindestens 5 Beschäftigten gilt, wird möglicherweise gelockert: Kleinunternehmen könnten befristete Arbeitsverhältnisse außerhalb dieser Regelung abschließen.

Kyoto-Welt-Wasser-Forum

[6] 16.-23. März:  In Japan findet das 3. Kyoto-Welt-Wasser-Forum statt. Derzeit haben 1,4 Mrd. Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Diskutiert wird, ob der Zugang zur knappen Ressource Trinkwasser völkerrechtlich bindend als Menschenrecht deklariert werden soll oder ob sich die Privatisierung der Versorgung als effizienter erweist (http://www.world.water-forum3.com/).

Krieg gegen den Irak

20. März:  Die USA unternehmen Luftangriffe gegen den Irak.

EU-Erweiterung Slowenien

[7] 23. März:  Bei einem Referendum entscheidet sich in Slowenien 89% der Bevölkerung für den Beitritt zur EU und 66% für eine Teilnahme an der NATO.

Kosten Irak-Krieg: USA

[8] 25. März:  Zur Deckung der Kosten des Irak-Krieges beantragt der Präsident der USA, Bush, die Freigabe von 74,7 Mrd. $ durch den Kongress. 62,6 Mrd. $ werden für die Kriegsführung verwendet, 7,8 Mrd. $ für das State Department; davon sollen 3,5 Mrd. $ als humanitäre und Wiederaufbauhilfe in das Kriegsgebiet und der Rest als Beihilfe an verbündete Nationen im Nahen Osten sowie an Polen und Kolumbien gehen. 4,2 Mrd. $ werden in den USA zur Sicherung gegen Terroraktionen verwendet. Ein Steuersenkungsprogramm, das bis 2013 726 Mrd. $ umfassen sollte, wird vom Senat nur im halben Umfang (350 Mrd. $) verabschiedet.

Kosten Irak-Krieg: Großbritannien

[9] 27. März:  Der britische Schatzkanzler stellt für die Finanzierung des Krieges im Irak zusätzlich 1,25 Mrd. £ bereit. Der Spezialfonds des britischen Verteidigungsministeriums erhöht sich somit auf 3 Mrd. £. Für humanitäre Hilfe werden 120 Mrd. £ vorgesehen.

Defizitverfahren Frankreich

[10] 2. April:  Mit einem Bericht wird der erste Schritt des Verfahrens bei einem übermäßigen Defizit nach Art. 104 Abs. 3 EG-Vertrag gegen Frankreich gesetzt. Darin wird darauf hingewiesen, dass Frankreichs Budgetdefizit 2002 3,1% des BIP betrug und 2003 mit 3,4% des BIP den Referenzwert von 3% des EU-Vertrags überschreiten wird. Der öffentliche Schuldenstand wird aufgrund der schlechten Konjunkturlage 60% des BIP überschreiten.

Österreich

Bundeskanzler Schüssel bildet eine weitere Koalitionsregierung zwischen ÖVP und FPÖ. Dieser Entscheidung gingen lange Verhandlungen mit allen im Parlament vertretenen Parteien voraus. Das Regierungsprogramm sieht eine Pensionsreform, eine Steuerreform in zwei Etappen sowie Reformen der Arbeitsmarktverwaltung und der Krankenversicherung vor.

 

Betriebliches Mitarbeitervorsorgegesetz

[11] 1. Jänner:  Das Betriebliche Mitarbeitervorsorgegesetz ("Abfertigung Neu") tritt für neu abgeschlossene Arbeitsverhältnisse in Kraft: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen monatlichen Beitragssatz von 1,53% an die ausgewählte Mitarbeitervorsorgekasse zu leisten. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht für den Arbeitnehmer ein Anspruch in der Höhe des angesparten Kapitals[a]).

[12] Das EU-Nachtarbeits-Anpassungsgesetz tritt in Kraft (BGBl. I Nr. 122/2002). Die Neuregelung lässt - nun EU-konform - längere Nachtarbeitszeiten für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu.

Ausländerbeschäftigungs-Fremdengesetz

[13] 1. Jänner:  Die Novelle des Fremdengesetzes 1997 (FrG-Novelle 2002), des Asylgesetzes 1997 (AsylG-Novelle 2002) und des Ausländerbeschäftigungsgesetzes - das "Ausländerbeschäftigungs-Fremdengesetz" - tritt in Kraft (BGBl. I Nr. 126/2002). Demnach ist die Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung zu versagen, wenn der oder die Fremde nicht bereit ist, die Integrationsvereinbarung einzugehen. Diese sieht den Erwerb von Grundkenntnissen der deutschen Sprache vor, um am "gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich" teilnehmen zu können.

Regierungsprogramm

[14] 28. Februar:  Die Bundesregierung der 22. Gesetzgebungsperiode unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Herbert Haupt wird vom Bundespräsidenten angelobt. Zu den wirtschaftspolitischen Schwerpunkten des Regierungsprogramms zählt eine Reform des Pensionssystems, des Gesundheitswesens und der öffentlichen Verwaltung. Im Bereich des AMS sowie der Arbeitslosenversicherung sind die Überführung der Notstandshilfe in eine "Sozialhilfe Neu", arbeitsrechtliche Veränderungen wie der Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern, die weitere Gleichstellung von Arbeitern und Angestellten bezüglich der Entgeltfortzahlung sowie die Festlegung eines Mindestlohnes von 1.000 € pro Monat Vollzeitarbeit vorgesehen.

[15] Die Sicherung des auf dem Umlageverfahren beruhenden Pensionssystems sowie die Schaffung eines einheitlichen Pensionsystems für alle Erwerbstätigen auf den Grundlagen des ASVG werden angestrebt. Das Regelpensionsalter soll auf 65 Jahre angehoben werden. Die betriebliche und die individuelle Altersversorgung ("zweite und dritte Säule") werden forciert.

[16] Im Bereich "Gesundheit und Pflege" strebt die Regierung eine Zusammenführung der Unfallversicherung und Krankenversicherung sowie eine Strukturreform der Gebietskrankenkassen an. Krankenscheingebühr und Ambulanzgebühr sollen durch Selbstbehalte ersetzt werden.

[17] Die Forschungsquote soll bis 2006 auf 2,5% des BIP und bis 2010 auf 3% des BIP (EU-Ziel) angehoben werden. Zwei Tranchen von 600 Mio. € werden in dieser Gesetzesperiode Gesetzgebungsperiode an Sondermitteln für Forschung, Technologie und Innovation bereitgestellt.

[18] Die Regierung strebt über den Konjunkturzyklus unter folgender Wachstumsannahme einen ausgeglichenen Staatshaushalt an: 2003 +1,4%, 2004 +2,0%, 2005 und 2006 +2,5%. Vorgesehen sind Einsparungen von 1 Mrd. € im Bereich der Pensionen durch Dämpfung der Zuwächse, die Vermeidung der prognostizierten Defizite in der Krankenversicherung (1 Mrd. €) und die Fortführung der Verwaltungsreform (bis 2006 bis zu 1,3 Mrd. €). Kernstück dieses Programms ist eine grundlegende Steuerreform im Umfang von 3 Mrd. € (1,3% des BIP); sie soll eine Ökologisierung des Steuersystems bringen, indem der Ressourcenverbrauch belastet und der Faktor Arbeit entlastet wird. Die erste Etappe soll mit 1. Jänner 2004 in Kraft treten und mit einem Volumen von 1 Mrd. € Nettoentlastungen von über 500 Mio. € bewirken. In einer zweiten Etappe ab 2005 sind Nettoentlastungen von 2,5 Mrd. € geplant. Insgesamt soll die Abgabenquote auf 43% reduziert werden. Weitere Privatisierungen von Unternehmen der ÖIAG sowie eine Neuordnung der ÖBB sind vorgesehen.

[19] Die Regierung bekennt sich zur Erweiterung der Europäischen Union und verpflichtet sich zur termingerechten Unterzeichnung und raschen Ratifikation des EU-Beitrittsvertrags.

Bank Austria Creditanstalt

[20] 25. März:  Aufgrund von Kapitalknappheit wird die Hypo-Vereinsbank 25% der Anteile an der 2001 eingegliederten Bank Austria Creditanstalt an die Börse bringen.

Pensionsreform

[21] 31. März:  Im Rahmen der Budgetbegleitgesetze legt die Bundesregierung Gesetzesentwürfe für die Reform von ASVG, GSVG, BSVG, der Beamtenpensionen sowie der Kranken- und Unfallversicherung zur Begutachtung vor. Die Pensionsreform sieht folgende Änderungen vor:

·          Der Durchrechnungszeitraum für die Pensionsbemessungsgrundlage (derzeit 15 Jahre) wird ab 2004 um 12 Monate pro Jahr verlängert und soll 2028 40 Jahre erreichen.

·          Beitragsjahre und Ersatzzeiten, die bisher mit einem Steigerungsbeitrag von 2% pro Jahr berücksichtigt wurden, werden ab 2004 nur noch mit 1,78% bewertet. Die Höchstpension kann somit erst nach 45 Jahren und nicht wie bisher nach 40 Jahren erreicht werden[b]). Im Gesetzesentwurf für die öffentlich Bediensteten werden für Arbeitskräfte, die vor dem 1. Mai 1995 eingetreten sind, die bis 2003 erworbenen Zeiten mit 2% pro Jahr bewertet, die weiteren Jahre mit 1,429%. Auch Personen, die bis dahin weniger als 35 Versicherungsjahre (Gesamtdienstzeit) erworben haben oder später in den öffentlichen Dienst eingetreten sind, benötigen künftig 45 Versicherungsjahre, um die bisher geltende Einkommensersatzrate von 80% zu erzielen.

·          Der "Malus" bei vorzeitigem Pensionsantritt (bisher 3% pro Jahr) wird auf 4,2% pro Jahr (höchstens 14,7%) erhöht und ist von der Bruttopension abzuziehen. Gleichzeitig wird der "Bonus" auf 4,2% angehoben, um einen Anreiz für längere Erwerbstätigkeit zu schaffen.

·          Die pensionsbegründenden Ersatzzeiten für Kindererziehung werden von 18 Monate auf 24 Monate pro Kind erhöht. Insgesamt werden jedoch höchstens 60 Monate an Erziehungszeiten angerechnet. Dadurch werden erziehungsbedingte Versicherungslücken geschlossen und der Erwerb eines eigenen Pensionsanspruchs für Frauen erleichtert.

·          Die vorzeitige Alterspension wird ab 1. Juli 2004 schrittweise bis 2009 abgeschafft. Das effektive Pensionsantrittsalter soll 2004 um 4 Monate, 2005 um 6 Monate und in den Jahren 2006 bis 2009 um jeweils 8 Monate steigen. Es soll dadurch beschleunigt an das Regelpensionsalter (60 Jahre für Frauen, 65 Jahre für Männer) herangeführt werden. Für öffentlich Bedienstete wird dann für Männer und Frauen das gesetzliche Pensionsantrittsalter bei 65 Jahren liegen.

·          Die "Hacklerregelung" - nach der Männer mit 45 Beitragsjahren bzw. Frauen mit 40 Beitragsjahren mit 60 bzw. 55 Jahren in den Ruhestand treten können - wird bis 2005 beibehalten. Die Neuregelung sieht vor, dass die Summe der Steigerungsbeträge über die Beitragsjahre mit 80% trotz 45 (bzw. 40) Beitragsjahren begrenzt ist. Davon werden die jetzt höheren Abschläge abgezogen (höchstens 15%). Mit 2006 wird das Antrittsalter auch für diese Personengruppe auf 61,5 bzw. 56,5 Jahre angehoben; der Sozialminister wird ermächtigt, die Steigerungsbeträge in Etappen auf 1,78% zu senken.

·          Die Inanspruchnahme der Altersteilzeit wird weiterhin geblockt möglich sein.

·          Der Aufwand für den Nachkauf von Versicherungsjahren, die durch die Anhebung des Pensionsantrittsalters nicht ausgenützt werden können, wird zurückerstattet.

·          Pensionsversicherungsbeiträge erwerbstätiger Pensionsbezieher wirken künftig pensionserhöhend.

·          Ab 2004 erfolgt die erste Valorisierung der Neupension um 1 Jahr verzögert.

[22] Die Ambulanzgebühr wird mit 1. April 2003 aufgehoben. Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger wird aufgefordert, einheitliche Selbstbehalte in der Krankenversicherung vorzuschlagen.

 



[a])  Siehe dazu Keil, A., "Wirtschaftschronik. IV. Quartal 2002", WIFO-Monatsberichte, 2002, 75(1), http://titan. wsr.ac.at/wifosite/wifosite.get_abstract_type?p_language=1&pubid=23407, "Wirtschaftschronik. III. Quartal 2002", WIFO-Monatsberichte, 2002, 75(10), http://titan.wsr.ac.at/wifosite/wifosite.get_abstract_type?p_language=1&pubid=22924.

[b])  Davon ausgenommen ist die "Hacklerregelung" (siehe dazu weiter unten).