WIFO

Franz R. Hahn

Aktienmarkt und langfristiges Wirtschaftswachstum

 

Gibt es einen Nexus in den OECD-Ländern?

 

Die Renaissance der Wachstumstheorie und eine Vielzahl von empirischen Untersuchungen seit Anfang der neunziger Jahre brachten neue Evidenz für einen kausalen Einfluss von Finanzmärkten und Finanzinstitutionen auf das langfristige Wirtschaftswachstum.

 

Der vorliegende Beitrag beruht auf einer Studie des WIFO im Auftrag der Bundesarbeitskammer: Franz R. Hahn, Bedeutung von Aktienmärkten für Wachstum und Wachstumsschwankungen in den OECD-Ländern, Wien, 2002 (http://www.arbeiterkammer.at/). • Begutachtung: Thomas Url • Wissenschaftliche Assistenz: Christa Magerl • E-Mail-Adresse: Franz.Hahn@wifo.ac.at

 

INHALT

Zusammenhang zwischen Aktienmarkt und langfristigem Wirtschaftswachstum

Statistische Indikatoren der Finanzmarktentwicklung

Ökonometrische Analyse für 23 OECD-Länder von 1970 bis 2000

Ein Panel Error Correction Approach

Dynamische Fixed-Effects-, Mean-Group- und Pooled-Mean-Group-Schätzungen

Interpretation der Ergebnisse

Schlussfolgerungen

Literaturhinweise

 

VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN

Übersicht 1: Langfristige Koeffizienten der Investitionsgleichungen für die OECD-Länder 9

Übersicht 2: Robustheitstests für PMG-Schätzergebnisse. 10

Abbildung 1: Größe und Effizienz der Aktienmärkte in 23 OECD-Ländern. 5

Abbildung 2: Langfristiges Outputwachstum und Finanzmarktindikatoren in 22 OECD-Ländern. 6

 

 

[1] Die Hypothese, dass sich unterentwickelte bzw. illiquide Finanzmärkte und ineffiziente Finanzinstitutionen nachteilig auf das langfristige Wirtschaftswachstum eines Landes auswirken, wird von jüngsten empirischen Untersuchungen deutlicher bestätigt als von den bisher bekannten Studien (z. B. Goldsmith, 1969, McKinnon, 1973, und Shaw, 1973). Dieser Zusammenhang ist für Entwicklungsländer empirisch besser erkennbar (und nachweisbar) als für die Gruppe der Industrieländer.

[2] In der neoklassischen Wachstumstheorie nach Solow - Swan (siehe dazu u. a. Aghion - Howitt, 1998) hat aufgrund der rigiden Annahme vollständiger und perfekter Märkte der exogene technische Fortschritt als einziger Faktor bestimmenden Einfluss auf das Niveau und die langfristige Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens eines Landes. In diesem theoretischen Kontext haben Finanzmärkte keinen Platz, sie sind redundant (Lucas, 1988). Die neue (endogene) Wachstumstheorie steht in der Tradition von Schumpeter (1911) und betont die Bedeutung von spezifischen Marktunvollkommenheiten für die (endogene) Erklärung von Wachstum (siehe dazu u. a. Aghion - Howitt, 1998). Die bestimmenden Wachstumsfaktoren sind privatwirtschaftliche Innovation und Kapitalakkumulation (physisches und Humankapital). Finanzmärkte haben in diesem theoretischen Kontext durch ihre Funktion als Wachstumskatalysatoren Bedeutung. Sie verringern wachstumshemmende Systemfriktionen, d. h. sie stimulieren Wachstum durch einfachere Diversifikation von Investitionsrisken und durch effizientere Allokation von Kapital (Ressourcenzuführung zur jeweils produktivsten Verwendung). Darüber hinaus erhöhen Finanzmärkte bzw. Finanzinstitutionen (z. B. Banken) durch die Übernahme von Überwachungstätigkeiten die Effizienz der Ressourcenallokation. Je effizienter Finanzmärkte diese Funktionen ausführen, umso geringer sind die wachstumsbehindernden Systemfriktionen bzw. die Kluft zwischen individuellem Sparen und gesamtwirtschaftlich sinnvollem Investieren (Finanzierung von Investitionen mit einem positiven Barwert).

In der neueren Literatur wird betont, dass Umfang und Qualität von wachstumsfördernden Finanzdienstleistungen wesentlich von den institutionellen und rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmt werden, unter denen diese Dienste entstehen.

[3] Kreditoren- und Investorenrechte und -pflichten, Investoren- und Gläubigerschutz, Kontraktrecht, Konkursrecht, Besicherungsrecht, Publizitäts- und Transparenzstandards bilden die konstitutiven rechtlichen und institutionellen Grundlagen moderner Finanzmärkte und beeinflussen nachhaltig deren Funktionsfähigkeit und Effizienz (siehe u. a. Demirgüc-Kunt - Maksimovic, 1998). Ein spezieller Forschungszweig beschäftigt sich mit den komplizierten Zusammenhängen zwischen Institutionen, Recht und Wirtschaftswachstum bzw. zwischen institutionell unterschiedlich ausgestalteten Finanzmarktsystemen und ihrer Bedeutung für den wirtschaftlichen Wachstumsprozess (siehe dazu u. a. Levine, 1999, Beck et al., 2000).

[4] Im Zentrum dieser Diskussion steht u. a. die Frage, ob bankorientierte (relationship-based) oder marktorientierte (arm's-length) Finanzmarktsysteme die stärkere wachstumsfördernde Wirkung entfalten. Die bisher verfügbare empirische Evidenz lässt in dieser Hinsicht keine eindeutige Wertung zu; sie deutet mehrheitlich darauf hin, dass für die Wachstumswirksamkeit des jeweiligen Finanzmarktsystems vor allem die Qualität des Rechtssystems und des Rechtsvollzugs (unabhängige und effiziente Gerichtsbarkeit) entscheidend ist (siehe dazu u. a. Beck et al., 2000, Levine, 2000). Präziser in der Interpretation ihrer Ergebnisse sind in diesem Zusammenhang Carlin - Mayer (1999A, 1999B) und Tadesse (2001). Gemäß der Untersuchung von 27 Wirtschaftssektoren in 20 OECD-Ländern für die Periode 1970 bis 1995 von Carlin - Mayer (1999B) weisen Länder mit bankdominierten Finanzmarktsystemen nur dann rasch wachsende, (überwiegend) bankkreditfinanzierte Branchen auf, wenn der Entwicklungsstand ihrer Volkswirtschaft vergleichsweise niedrig ist. Dass in OECD-Ländern mit hohem Entwicklungsstand und hoher Unternehmenstransparenz beteiligungsfinanzierte Branchen rascher wachsen und mehr forschen, wird als Hinweis für die stärkere realwirtschaftliche Wachstumswirkung von marktorientierten Finanzmarktsystemen gesehen. Ähnlich resümiert Tadesse (2001), dessen empirische Untersuchung Wirtschaftssektoren von 36 Ländern und die Periode 1980 bis 1995 umfasst.

 

Ein einfaches Modell zur theoretischen Motivation des Zusammenhangs zwischen Aktienmarkt und Wachstum der Gesamtwirtschaft

Der potentielle Einfluss von Finanzmarktaktivitäten auf das langfristige Wirtschaftswachstum kann anschaulich mit Hilfe des einfachsten endogenen Wachstumsmodells, des "AK-Modells", erläutert werden (Pagano, 1993; zur Diskussion der Modellannahmen siehe u. a. Aghion - Howitt, 1998, bzw. Rebelo, 1991). In diesem Modell ist der aggregierte Output Y eine lineare Funktion des aggregierten Kapitalstocks K:

(1)        .

In einer geschlossenen Ökonomie (ohne Außenwirtschaft und öffentlichen Sektor) herrscht auf dem Kapitalmarkt Gleichgewicht, wenn das geplante (privatwirtschaftliche) Bruttosparen S dem geplanten Bruttoinvestieren I entspricht. Unter der Annahme, dass ein Teil 1 – y des Bruttosparens (0 £ y £ 1) durch Kosten der Finanzintermediation oder durch Finanzmarktineffizienzen verloren geht, d. h. , wird die Steady-State-Wachstumsrate von Y durch folgende einfache Gleichung bestimmt:

(2)        g = y s – d,

s . . . Sparquote , d . . . Abschreibungsrate des Kapitalstocks K. Nach Gleichung (2) haben eine Effizienzsteigerung der Finanzintermediation bzw. eine Verringerung der Finanzmarktineffizienzen (y steigt, und Realinvestitionen werden durch Finanzmarktaktivitäten begünstigt), ein Anstieg der Sparquote s oder der Grenzproduktivität des Kapitals A eine Beschleunigung des Steady-State-Wachstums des aggregierten Outputs g zur Folge. Gleichung (2) auf der Grundlage eines neoklassischen Solow-Swan-Wachstumsmodells bildet das Referenzmodell für viele empirische Untersuchungen.

Eine einfache algebraische Umformung der Gleichgewichtsbedingung auf dem Kapitalmarkt ergibt

(3)        I = y s Y.

Diese Gleichung bildet das Referenzmodell für den hier verwendeten ökonometrischen Schätzansatz (Panel Error Correction Approach). Im Zentrum der empirischen Analyse steht die Evaluierung der quantitativen Bestimmung des Parameters y.

 

[5] Einen guten Überblick über die neueren Erkenntnisse zu diesem Themenbereich geben Rajan - Zingales (2001B). Sie beleuchten insbesondere die Auseinandersetzung mit dem nur ungenügend gelösten (bzw. lösbaren) Problem der Kausalität im Rahmen dieses Forschungsgebietes. Die empirischen Wachstumsanalysen leiden aufgrund des Fehlens eines wachstumstheoretischen Referenzmodells besonders am Problem der "common omitted variable": Das Argument, dass das Pro-Kopf-Einkommenswachstum und die Entwicklung des Finanzmarktsystems von einem gemeinsamen, in den Analysen unberücksichtigt gebliebenen Faktor determiniert werden (z. B. durch die Sparquote), ist nur sehr schwer zu entkräften.

Zusammenhang zwischen Aktienmarkt und langfristigem Wirtschaftswachstum

[6] Rajan - Zingales (2001B), Allen - Gale (2000) bzw. Rajan - Zingales (1998) präsentieren theoretische und empirische Evidenz, dass die Systemkosten der externen Finanzierung von Forschung und Entwicklung, Innovation und Qualifikation niedriger sind, je höherentwickelt der (Beteiligungs- bzw.) Aktienmarkt eines Landes ist. Diese Proposition erhält im gegebenen Zusammenhang, wie anschließend genauer ausgeführt wird, besondere Bedeutung, wenn die gesamtwirtschaftliche Expansion in den OECD-Ländern (seit 1970) primär durch Zunahme der Unternehmenszahl und weniger durch Unternehmenswachstum bestimmt wird.

Aktienmärkte sind Banken in der Finanzierung von jungen Unternehmen überlegen, sie sind in der Verarbeitung von heterogenen Informationen effizienter.

[7] Die Gründung von neuen Unternehmen in Industrieländern ist häufig mit dem Einsatz neuer Technologien und der Entwicklung von neuen Produkten verbunden. Junge Unternehmen verfügen daher meist über wesentlich mehr Wissenskapital als physisches Kapital (z. B. Maschinen, Fahrzeuge, Bauten). Dieser Umstand erschwert vor allem die Finanzierung von jungen Unternehmen durch Banken, da neues Wissen (z. B. neue Patente) in der Regel einen geringeren Liquidationswert bzw. Besicherungswert für Banken hat als physisches Kapital. Die Kreditpolitik von Banken steht in unmittelbarem Zusammenhang mit ihrer vorwiegenden Refinanzierung durch täglich fällige Bankeinlagen. Sie bilden für das Bankmanagement bindende Budgetbeschränkungen. Je schwieriger es für eine Bank ist, die Kredite fällig zu stellen (niedriger Liquidationswert ihrer Kredite), und/oder je schlechter die Kreditqualität ist (Kreditnehmer bedienen ihre Kredite unzureichend), umso größer ist die Gefahr eines Sturmes auf die Bank. Rationale Einleger reagieren auf illiquide bzw. qualitativ schlechte Kreditportefeuilles einer Bank durch Abzug ihrer Einlagen. Durch das "First-come-first-served"-Prinzip bei der Auszahlung von Einlagen besteht für Anleger der Zwang zum möglichst raschen Abheben der Einlagen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit eines Sturmes auf die Bank.

[8] Der geringe Liquidations- bzw. Besicherungswert von neuen Technologien und neuen Produkten für Banken zum Zeitpunkt der Investitions- und Finanzierungsentscheidung resultiert vor allem aus der Heterogenität und Asymmetrie der verfügbaren Informationen über die Qualität der dafür notwendigen Investitionen. Heterogene Informationen schmälern die komparativen Vorteile der Banken in der Informationsbeschaffung und -verarbeitung und vermindern damit - aus ihrer Sicht - auch den Liquidations- bzw. Besicherungswert von durch neues Wissen motivierten physischen Investitionen.

Banken entfalten als Finanzintermediäre gesamtwirtschaftlich eine größere Wachstumswirkung als Finanzmärkte, wenn gesamtwirtschaftliche Expansion überwiegend von Unternehmenswachstum getragen wird.

[9] Die höhere Effizienz in der Beschaffung und Verarbeitung von heterogenen Informationen im Zusammenhang mit neuen Technologien und neuen Produkten begründet nach dieser Theorie die gesamtwirtschaftliche Überlegenheit der Finanzmärkte (Aktien- und Anleihenmärkte) gegenüber der Finanzintermediation in Form von Bankkrediten. Dies setzt allerdings voraus, dass das gesamtwirtschaftliche Wachstum überwiegend auf die Investitionstätigkeit von jungen Unternehmen zurückgeht, über die wenig Erfahrung vorliegt[a]).

[10] Aus diesen theoretischen Überlegungen folgt, dass Finanzmärkte (Aktien- und Anleihenmärkte) der Finanzintermediation durch Banken - aus wachstumstheoretischer Sicht - immer dann unterlegen sind, wenn Beschaffung und Verarbeitung von entscheidungsrelevanten Informationen positive Skalenerträge ermöglichen. Die Wahrscheinlichkeit positiver Skalenerträge ist unmittelbar an den Homogenitätsgrad der zu beschaffenden und verarbeitenden Information gebunden (je homogener die Informationen, desto höher die Skalenerträge).

[11] Banken präferieren demnach (u. a. aus diesen spezifischen Gründen) die Finanzierung von alten Unternehmen mit hohem Anteil an physischem Kapital. Dabei kommt ihr komparativer Vorteil in der Beschaffung und Verarbeitung von homogenen Informationen am nachhaltigsten zum Tragen. Zustandekommen und Aufrechterhaltung von langjährigen Kreditbeziehungen sind mit dieser spezifischen informationsökonomischen Überlegenheit der Banken unmittelbar verknüpft (relationship lending). Die Hausbank eines Unternehmens besitzt privates Wissen, das externe Investoren nur sehr schwer bzw. unter hohem Kosten- und Zeitaufwand erwerben können. Der durchschnittlich höhere Anteil von bankmäßig besicherungsfähigem Kapital begünstigt zusätzlich alte Unternehmen durch den damit verbundenen höheren Liquiditätswert der gewährten Bankkredite (dies erleichtert und verbilligt Bankkredite).

Statistische Indikatoren der Finanzmarktentwicklung

[12] In der empirischen Literatur hat sich ein Konsens für die statistische Abbildung der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Finanzmärkten herausgebildet, der aus theoretischer Sicht unbefriedigend, aus empirischer Sicht jedoch unumgänglich ist. Theoretisch korrekt wären statistische Maße, die eine hinreichend genaue Abbildung von Effizienz und Liquidität der Finanzmärkte gewährleisten. Die verfügbaren Daten lassen jedoch lediglich die Konstruktion von statistischen Indikatoren zu, die mehr über Größe als über Entwicklungsstand und Effizienz von Finanzmärkten aussagen.

·          In allen hier zitierten empirischen Analysen, die den Einfluss von Aktienmärkten auf das gesamtwirtschaftliche Wachstum untersuchen, wird die Börsenkapitalisierung (bzw. Aktienkapitalisierung) inländischer Unternehmen in Relation zum Bruttoinlandsprodukt als Indikator für den Entwicklungsstand des Aktienmarktes eines Landes verwendet (Abbildung 1).

·          Als Indikator für den Liquiditätsgrad eines Aktienmarktes sind die Börsenumsätze inländischer Aktien in Relation zum Bruttoinlandsprodukt gebräuchlich.

·          Die Bedeutung des Bankensektors für das Finanzsystem eines Landes wird nahezu ausschließlich durch das Volumen der Bankdirektkredite an den privaten Sektor in Relation zum Bruttoinlandsprodukt approximiert.

·          Einige Studien verwenden den Anteil der Verbindlichkeiten von inländischen Finanzintermediären (z. B. Banken, Versicherungen, Fonds, Pensionskassen) am Bruttoinlandsprodukt als Maß für das Entwicklungsniveau des gesamten Finanzsystems einer Volkswirtschaft.

[13] Alle diese Indikatoren können bestenfalls als grobe statistische Annäherungen angesehen werden, die über Effizienz und Liquidität von Aktien- und Bankkreditmärkten nur bedingten Aufschluss geben. "Große Aktienmärkte" (hohe Börsen- bzw. Aktienkapitalisierung in Relation zur Wirtschaftsleistung eines Landes) müssen nicht notwendigerweise liquid und effizient sein.

Die Brauchbarkeit der üblichen Finanzmarktindikatoren für empirische Analysen wird durch die Einbeziehung erwartungsbedingter Preiseffekte gemindert.

[14] Finanzmärkte sind in hohem Maß erwartungsorientiert, die Preisbildung auf diesen Märkten erfolgt daher unter entsprechender Mitberücksichtigung des erwarteten gesamtwirtschaftlichen Wachstums. Auf Aktienmärkten schlagen sich positive Wachstumserwartungen im Allgemeinen in Kurssteigerungen nieder (siehe dazu u. a. Levine - Zervos, 1998). Börsen- bzw. Aktienkapitalisierung und Börsen- bzw. Aktienumsätze verlieren durch diese erwartungsbedingten Preiseffekte an Informationsgehalt als liquiditäts- und effizienzorientierte Indikatoren. Um diese verzerrenden Preiseffekte zu neutralisieren, verwenden Levine - Zervos (1998) bzw. Demirgüc-Kunt - Levine (1996) als Indikator die Relation der Aktienumsätze an der Börse zur Größe des Aktienmarktes, gemessen durch die Börsen-bzw. Aktienkapitalisierung. Zähler und Nenner dieses Quotienten - im Folgenden als "Turnover" bezeichnet - sind gleichermaßen von der Entwicklung der Aktienkurse betroffen, sodass dieser Indikator auch nicht durch erwartungsbedingte Kursänderungen verzerrt ist (ein hoher Turnover lässt auf niedrige Transaktionskosten schließen). Die internationale Vergleichbarkeit dieses Indikators wird allerdings durch die unterschiedliche statistische Erfassung der Börsen- bzw. Aktienumsätze beeinträchtigt. Die veröffentlichten Börsenumsätze enthalten in einzelnen OECD-Ländern (z. B. Großbritannien) aufgrund einschlägiger aufsichtsrechtlicher Bestimmungen zusätzlich außerbörsliche Aktienumsätze.

Abbildung 1: Größe und Effizienz der Aktienmärkte in 23 OECD-Ländern

Q: WIFO-OECD-Datenset. TSV . . . Trading System View, REV . . . Regulated Environment View, ** . . . Schätzung.

 

[15] In der vorliegenden Untersuchung werden u. a. aus Gründen der Vergleichbarkeit mit der OECD-Studie von Leahy et al. (2001) als Indikatoren für Größe und Entwicklungsstand der Anteil der Börsenkapitalisierung und der Anteil der Bankdirektkredite an den privaten Sektor am Bruttoinlandsprodukt verwendet. Über die OECD-Studie hinausgehend, werden hier zudem der Anteil der Börsenumsätze am Bruttoinlandsprodukt und an der Börsenkapitalisierung (bzw. Turnover) als von antizipierenden Preiseffekten bereinigte Indikatoren der Aktienmarktentwicklung verwendet.

Ökonometrische Analyse für 23 OECD-Länder von 1970 bis 2000

[16] Das Referenzmodell für die empirische Analyse ist Gleichung (3) im Kasten "Ein einfaches Modell zur theoretischen Motivation des Zusammenhangs zwischen Aktienmarkt und Wachstum der Gesamtwirtschaft". Das "AK-Modell" mit imperfektem Kapitalmarkt postuliert u. a. einen positiven Zusammenhang zwischen hochentwickelten Finanzmärkten (oder Finanzintermediation) und Wirtschaftswachstum über den Nexus zwischen Finanzmärkten und realwirtschaftlichen Investitionen. Leahy et al. (2001) motivieren ihren Ansatz u. a. damit, dass für die Gruppe der OECD-Länder gut gesicherte empirische (und theoretische) Evidenz für die positive, kausale Bedeutung von privatwirtschaftlichen Investitionen für das langfristige gesamtwirtschaftliche Wachstum vorliegt, relativ ungesicherte empirische Evidenz hingegen für den direkten Zusammenhang zwischen Finanzmarktentwicklung und Wachstum (siehe dazu u. a. Bassanini - Scarpetta - Hemmings, 2001). Im Zentrum ihrer Untersuchung steht der Versuch, den Nexus zwischen Finanzmärkten und langfristigem Wachstum der Gesamtwirtschaft indirekt durch den empirischen Nachweis eines positiven (kausalen) Einflusses der Entwicklung von Finanzmärkten auf das Niveau der gesamtwirtschaftlichen Investitionstätigkeit zu stützen (Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Langfristiges Outputwachstum und Finanzmarktindikatoren in 22 OECD-Ländern

Durchschnitt 1970 bis 2000

Q: WIFO-OECD-Datenset.

 

Ein Panel Error Correction Approach

[17] Die ökonometrische Grundlage der OECD-Studie bildet das folgende mit Gleichung (3) korrespondierende Fehlerkorrekturmodell:

(3*)      =

,

[18] ibv . . . reale Bruttoanlageinvestitionen des privaten Sektors, gdp . . . reales Bruttoinlandsprodukt, irl . . . Kapitalnutzungskosten, fin . . . Finanzmarktindikator (z. B. Börsenkapitalisierung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt, Bankkredite an den privaten Sektor in Relation zum Bruttoinlandsprodukt), jeweils natürlicher Logarithmus; D . . . Differenzenoperator erster Ordnung, d. h. , i . . . 19 OECD-Länder, i = 1, 2, 3, . . ., N, t = 1, 2, 3, . . ., T . . . Jahre (t = 1970, . . ., 1997),  . . . fixe Ländereffekte,  . . . Koeffizienten der erklärenden Variablen,  . . . Anpassungskoeffizient. Die Kapitalnutzungskosten (irl) und der Finanzmarktindikator (fin) sind Näherungen für s (Sparquote) und y (Finanzeffizienzparameter) in Gleichung (3). Der Fehlerkorrekturterm in der Klammer bildet die langfristige Gleichgewichtsbeziehung (3) ab[b]).

[19] Folgende Restriktionen sind durch das theoretische Modell vorgegeben: Die Existenz einer langfristigen Gleichgewichtsbeziehung erfordert  und die Konstanz von Investitionsquote bzw. Kapitalkoeffizient im "steady state" [c]).

[20] Die vorliegende Studie verwendet zur Evaluierung des Zusammenhangs zwischen Aktienmarktentwicklung und gesamtwirtschaftlicher Investitionstätigkeit ein 23 OECD-Länder[d]) und 31 Jahre (1970 bis 2000) umfassendes Panel (WIFO-OECD-Datenset). Das Panel von Leahy et al. (2001) ist mit 19 OECD-Ländern und 28 Beobachtungen je Land und Variable (Stützperiode 1970 bis 1997) somit eine echte Teilmenge des WIFO-OECD-Datensets. Das Benchmark-Modell ist in der vorliegenden Untersuchung ebenfalls Gleichung (3*). Zusätzlich werden länderspezifische Modelle mit Hilfe des Schwarz-Bayesian-Informationskriteriums mit maximaler Lag-Ordnung 2 spezifiziert. Ergänzend zu den von Leahy et al. (2001) verwendeten Finanzmarktindikatoren werden zwei liquiditätsorientierte Variable - Börsenumsätze in Relation zum Bruttoinlandsprodukt und der von antizipierenden Preiseffekten bereinigte Indikator Turnover - in die Analyse einbezogen. Die Definition der verwendeten Variablen wird im Kasten ausgewiesen. Alle verwendeten Variablen werden als integriert 1. Ordnung, d. h. I (1) angenommen. Der Fehlerkorrekturterm soll damit in allen Ländern einem stationären Prozess folgen. Diese Annahme wird durch Augmented-Dickey-Fuller-Tests gestützt. Für nahezu alle OECD-Länder kann für die Stützperiode 1970 bis 2000 die Null-Hypothese (Variable besitzen "unit-roots") auf Standard-Signifikanzniveaus nicht verworfen werden.

 

Definition der Variablen

Variable

Text

Dimension

Quelle

gdp

Bruttoinlandsprodukt, real, logarithmiert

Zu Kaufkraftparitäten von 1995, Dollar-Äquivalent

OECD, Economic Outlook

ibv

Bruttoanlageinvestitionen des privaten Sektors, real, logarithmiert

Zu Kaufkraftparitäten von 1995, Dollar-Äquivalent

OECD, Economic Outlook

credit

Bankkredite an den privaten Sektor, logarithmiert

Anteile am Bruttoinlandsprodukt in %

IWF, International Financial Statistics; OECD, Economic Outlook

cap

Börsenkapitalisierung inländischer Aktien, logarithmiert

Anteile am Bruttoinlandsprodukt in %

World Federation of Exchanges1)

liq

Börsenumsätze inländischer Aktien: nationale Abgrenzung bei der Erfassung der Umsätze in Trading System View (TSV, umfasst nur Börsenumsätze) bzw. Regulated Environment View (REV, schließt außerbörsliche Umsätze ein), logarithmiert

Anteile am Bruttoinlandsprodukt in %

World Federation of Exchanges1)

turn

Börsenumsätze in Relation zur Börsenkapitalisierung, logarithmiert

 

 

irl

Kapitalnutzungskosten, logarithmiert

 

R10

Zinssatz für 10-jährige Staatspapiere

In %

OeNB; IWF, International Financial Statistics; Eurostat

PIBV

Deflator für private Investitionen

Index

OECD, Economic Outlook

PGDP

Deflator für Bruttoinlandsprodukt

Index

WIFO-Datenbank

               

1)  Durch Internet-Recherche und WIFO-Schätzungen ergänzt.

 

Dynamische Fixed-Effects-, Mean-Group- und Pooled-Mean-Group-Schätzungen

[21] Die Fehlerkorrekturgleichung (3*) wird - Leahy et al. (2001) folgend - mit drei verschiedenen Verfahren geschätzt, dem Pooled-Mean-Group-Schätzer (PMG-Schätzer) nach Pesaran - Shin - Smith (1999), den Mean-Group-Schätzern (MG-Schätzer) und dem Dynamic-Fixed-Effects-Schätzer (DFE-Schätzer). Die drei Verfahren unterscheiden sich primär durch Zahl und Art der Parameter-Restriktionen.

[22] Der MG-Schätzer basiert auf individuellen OLS-Regressionen von Gleichung (3*) für alle N Länder, wobei die Schätzung der durchschnittlichen Koeffizienten von (3*) auf ungewichteten Mittelwerten der geschätzten Koeffizienten der einzelnen Länder basiert. Lang- und kurzfristige Koeffizienten unterliegen in diesem Verfahren keinen Restriktionen (von den theoretisch vorgegebenen Restriktionen abgesehen). Die Schätzer sind konsistent, jedoch durch die ungewichtete Mittelung sehr sensitiv auf Ausreißer.

[23] Der DFE-Schätzer unterstellt Gleichheit bzw. Homogenität aller Koeffizienten und Varianzen über alle N Länder. Der einzige Koeffizient, der sich zwischen den Ländern unterscheidet, ist der Term  (fixer Effekt). Die Zahl der Restriktionen im Zusammenhang mit (3*) ist 7 × (N - 1). Die Effizienz des Schätzansatzes ist im gegebenen Kontext durch die Annahme gleicher kurzfristiger Koeffizienten für alle Länder gefährdet bzw. vermindert. Für die Hypothese, dass auch die kurzfristigen Prozesse der Anpassung an das langfristige Gleichgewicht in allen OECD-Ländern gleich sind, gibt es weder überzeugende theoretische noch empirische Evidenz[e]). Die Annahme der Homogenität der langfristigen Koeffizienten zwischen den OECD-Ländern ist hingegen im vorliegenden Modellkontext überzeugender zu begründen. In den OECD-Ländern sind die wachstumsrelevanten Voraussetzungen bzw. Rahmenbedingungen ausreichend ähnlich, sodass die Annahme einer für alle Länder identischen "langfristigen Investitionsgleichung" sinnvoll ist.

[24] Die von Pesaran - Shin - Smith (1999) vorgeschlagene Prozedur, der PMG-Schätzer, kombiniert Elemente des MG- und des DFE-Schätzverfahrens. Die langfristigen Koeffizienten werden im PMG-Ansatz für alle Länder als identisch angenommen, während die den Anpassungsprozess zum langfristigen Gleichgewicht steuernden kurzfristigen Koeffizienten und der Anpassungskoeffizient  (die Varianzen eingeschlossen) sich zwischen den Gruppen bzw. Ländern unterscheiden (dürfen). Dieser Ansatz erscheint von den drei Schätzverfahren am besten geeignet für die empirische Evaluierung des vorliegenden wachstumstheoretischen Modellzusammenhangs insbesondere im Hinblick auf die gewählte homogene Ländergruppe (OECD-Länder). Die Zahl der Restriktionen ist für diese Schätzprozedur mit 3 × (N - 1) für die Benchmark-Spezifikation (3*) um mehr als die Hälfte geringer als für den DFE-Ansatz.

Interpretation der Ergebnisse

[25] Die Ergebnisse der panelökonometrischen Berechnungen sind in Übersicht 1 ausgewiesen. Die Darstellung beschränkt sich auf die langfristigen Koeffizienten; sie entsprechen wegen der Log-Transformation aller Variablen langfristigen Elastizitäten. Unter der Annahme, dass die langfristigen Elastizitäten innerhalb der OECD-Länder identisch sind, die kurzfristigen Elastizitäten jedoch von Land zu Land variieren, sind die Ergebnisse - soweit sie vergleichbar sind - im Wesentlichen konsistent mit den Resultaten von Leahy et al. (2001). Ähnlich wie in der Referenzstudie stützt auch in der vorliegenden Analyse die Berücksichtigung der Finanzmarktindikatoren "Bankkredite an den privaten Sektor in Relation zum Bruttoinlandsprodukt" und "Aktienmarktkapitalisierung in Relation zum Bruttoinlandsprodukt" die Hypothese eines positiven Zusammenhangs zwischen Finanzmarktentwicklung und Investitionstätigkeit in den OECD-Ländern. Der um die Indikatoren Börsenliquidität und Turnover erweiterte WIFO-Schätzansatz, der die erwartungsbedingten Preiseffekte einbezieht, schränkt jedoch die Relevanz dieser Ergebnisse als Beleg eines kausalen Zusammenhangs zwischen Aktienmarktentwicklung und langfristigem Wirtschaftswachstum erheblich ein. Beide liquiditäts- bzw. effizienzorientierten Aktienmarktindikatoren, insbesondere jedoch der Turnover, waren in nahezu allen Schätzversuchen entweder insignifikant oder wiesen einen (schwach) signifikant negativen Koeffizienten auf.

Der positive Zusammenhang zwischen den Aktienmarktindikatoren und dem Wachstum der Gesamtwirtschaft ist zu einem erheblichen Teil auf die hohe Erwartungsorientierung der Aktienmärkte zurückzuführen.

[26] Der bisher verfügbaren Evidenz in diesem Forschungsfeld wird man somit - insbesondere im Lichte der Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung - mehr gerecht, wenn sie im Sinn des Keynesianismus gedeutet wird, d. h. der positive Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und größenorientierten Finanzmarktindikatoren primär als Realisation von "leading indicators" und weniger als "causal relationship" gesehen wird. Diese Ergebnisse erwiesen sich in zahlreichen Sensitivitätstests als auffallend robust. Spezielle Robustheitstests wurden insbesondere wegen des "Soft-Data"-Charakters der Variablen "Anteil der börsenmäßigen Aktienumsätze am Bruttoinlandsprodukt" bzw. "Turnover" vorgenommen (Übersicht 2).

 

Übersicht 1: Langfristige Koeffizienten der Investitionsgleichungen für die OECD-Länder

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Finanzmarktvariable in der Investitionsgleichung

 

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Modell 5

 

DFE1)

PMG

MG

DFE1)

PMG

MG

DFE1)

PMG

MG

DFE1)

PMG

MG

DFE1)

PMG

MG

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erklärende Variable

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

cap

0,17***

0,11***

0,09

 

 

 

 

 

 

 

 

 

0,11**

0,12***

0,58

 

(0,03)

(0,02)

(0,06)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(0,05)

(0,02)

(0,39)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

liq

 

 

 

0,10***

0,02**

0,05

 

 

 

 

 

 

0,05

–0,05***

–0,02

 

 

 

 

(0,03)

(0,01)

(0,05)

 

 

 

 

 

 

(0,04)

(0,01)

(0,10)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

turn

 

 

 

 

 

 

0,08*

–0,02

–0,18

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(0,04)

(0,01)

(0,12)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

credit

 

 

 

 

 

 

 

 

 

0,13*

0,10***

0,14

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(0,07)

(0,02)

(0,13)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

gdp

0,93***

1,41***

1,31***

0,90***

1,54***

1,39***

1,20***

1,69***

1,99***

1,25***

1,55***

1,44***

0,85***

1,54***

0,60

 

(0,14)

(0,05)

(0,22)

(0,20)

(0,06)

(0,23)

(0,19)

(0,05)

(0,30)

(0,17)

(0,04)

(0,13)

(0,18)

(0,05)

(1,19)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

irl

0,11

–0,02

–0,81*

0,06

–0,11

0,05

0,12

–0,26**

–2,51

0,17

–0,16

–0,92**

0,07

–0,14

–0,52

 

(0,13)

(0,11)

(0,45)

(0,13)

(0,12)

(0,83)

(0,17)

(0,11)

(1,69)

(0,14)

(0,09)

(0,42)

(0,13)

(0,12)

(1,89)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

FehlerkorrekturKoeffizient f

–0,13***

–0,30***

–0,45***

–0,13***

–0,27***

–0,40***

–0,13***

–0,29***

–0,42***

–0,14***

–0,29***

–0,42***

–0,13***

–0,37***

–0,50***

 

(0,03)

(0,06)

(0,05)

(0,03)

(0,05)

(0,05)

(0,02)

(0,05)

(0,49)

(0,03)

(0,04)

(0,05)

(0,03)

(0,06)

(0,06)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Joint-Hausman-Test2)

 

12,05

 

 

1,64

 

 

2,02

 

 

5,50

 

 

3,47

 

 

 

(0,01)

 

 

(0,65)

 

 

(0,57)

 

 

(0,14)

 

 

(0,48)

 

Q: WIFO-OECD-Datenset. - 1) Benchmark-Spezifikation. - 2) Test auf Homogenität der langfristigen Koeffizienten, kursive Zahlen in Klammer . . . p-Werte.

Variablendefinitionen siehe Kasten. Alle Modelle sind Varianten des Fehlerkorrektur-Modells (3*). Die Lag-Ordnung für die kurzfristigen Anpassungsvariablen wurde auf der Grundlage des Schwarz-Bayesian-Informationskriteriums (mit maximaler Lag-Ordnung 2) bestimmt. DFE . . . Dynamic-Fixed-Effects-Schätzer, PMG . . . Pooled-Mean-Group-Schätzer, MG . . . Mean-Group-Schätzer; kursive Zahlen in Klammer . . . Standardfehler (für den DFE-Schätzer Heteroskedastizitäts-konsistent), * . . . signifikant auf einem Niveau von 10%, ** . . . signifikant auf einem Niveau von 5%, *** . . . signifikant auf einem Niveau von 1%.

 

[27] Größenordnung und Signifikanz der anderen langfristigen Elastizitäten unterscheiden sich kaum von jenen der OECD-Studie. Der Koeffizient der Outputvariablen ist positiv und signifikant, jedoch zumeist signifikant größer als 1. Leahy et al. (2001) kommentieren dieses robuste Resultat damit, dass u. a. die aus Datengründen unzureichende Spezifikation der kurzfristigen Dynamik im Schätzansatz die Konjunktureinflüsse nicht vollständig erfasst und dadurch der langfristige Koeffizient der Outputvariablen durch akzeleratorähnliche Effekte nach oben verzerrt ist. Ein Koeffizient der Outputvariablen größer als 1 könnte auch durch einen langfristigen Rückgang der relativen Investitionsgüterpreise verursacht werden. Unter diesen Rahmenbedingungen kann der reale Kapitalstock über sehr lange Zeit rascher wachsen als der reale Output.

[28] Der Koeffizient der Kapitalnutzungskosten ist zumeist insignifikant (ebenso in Leahy et al., 2001), der Koeffizient des Fehlerkorrekturterms jedoch ausnahmslos signifikant negativ. Das ist konsistent mit der Annahme, dass zwischen den berücksichtigten Variablen eine langfristige Gleichgewichtsbeziehung besteht und die kurzfristige Anpassung an das Gleichgewicht durch die Größenordnung des Koeffizienten in Kombination mit dem Fehlerkorrekturterm (Lücke zwischen tatsächlicher Realisierung und den Gleichgewichtswerten) bestimmt wird.

[29] Die Annahme homogener langfristiger Elastizitäten wird in nahezu allen Fällen durch Joint-Hausman-Tests gestützt. Die Homogenitätsrestriktionen werden (zumeist) auf den Standard-Signifikanzniveaus nicht verworfen (Übersichten 1, 2).

 

Übersicht 2: Robustheitstests für PMG-Schätzergebnisse

 

 

 

 

 

 

 

 

Modell 1

Modell 2

Modell 3

Modell 4

Modell 5

Modell 6

 

 

 

 

 

 

 

Erklärende Variable

 

 

 

 

 

 

gdp

1,64***

1,56***

1,48***

1,75***

1,86***

1,59***

 

(0,05)

(0,06)

(0,05)

(0,07)

(0,07)

(0,06)

 

 

 

 

 

 

 

irl

-0,21*

-0,19*

-0,00

-0,25*

-0,38***

-0,27*

 

(0,12)

(0,11)

(0,13)

(0,13)

(0,13)

(0,14)

 

 

 

 

 

 

 

cap

 

 

0,11***

0,15***

 

 

 

 

 

(0,02)

(0,02)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

liq

 

 

-0,04***

-0,09***

 

 

 

 

 

(0,01)

(0,01)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

turn

-0,00

-0,01

 

 

-0,04***

-0,01

 

(0,01)

(0,01)

 

 

(0,01)

(0,08)

 

 

 

 

 

 

 

credit

 

0,14***

 

 

 

0,10***

 

 

(0,02)

 

 

 

(0,02)

 

 

 

 

 

 

 

Fehlerkorrektur-Koeffizient f

-0,26***

-0,31***

-0,36***

-0,36***

-0,28***

-0,35***

 

(0,05)

(0,06)

(0,08)

(0,07)

(0,06)

(0,07)

 

 

 

 

 

 

 

Joint-Hausman-Test1)

2,33

1,97

3,28

4,69

3,77

7,73

 

(0,51)

(0,74)

(0,51)

(0,32)

(0,29)

(0,05)

 

 

 

 

 

 

 

Q: WIFO-OECD-Datenset. - 1) Test auf Homogenität der langfristigen Koeffizienten, kursive Zahlen in Klammer . . . p-Werte.

Variablendefinitionen siehe Kasten. Alle Modelle sind Autoregressive-distributed-Lag-Modelle auf der Grundlage des Schwarz-Bayesian-Informationskriteriums mit maximaler Lag-Ordnung 2. Modelle 1, 2, 3 . . . ohne Länder mit REV-Börsenumsätzen (Großbritannien, Niederlande, Schweden, Spanien), Modelle 4, 5 . . . ohne Länder mit Soft-Data-Börsenumsätzen (Japan, Schweiz), Modell 6 . . . ohne Länder mit Soft-Data-Börsenumsätzen zwischen 1970 und 1995 (Irland, Portugal, Griechenland, Schweiz, Türkei); * . . . signifikant auf einem Niveau von 10%, *** . . . signifikant auf einem Niveau von 1%; kursive Zahlen in Klammer . . . Standardfehler.

Schlussfolgerungen

[30] Die Ergebnisse der OECD-Studie, wonach Aktienmärkte das langfristige realwirtschaftliche Wachstum über den Zusammenhang zwischen Investitionstätigkeit und Aktienmarktgröße beeinflussen, wurden auf der Grundlage eines vom WIFO neu erstellten Datensets für 23 OECD-Länder und für die Untersuchungsperiode 1970 bis 2000 überprüft bzw. ergänzt. Die Berechnungsergebnisse von Leahy et al. (2001) wurden durch Ausweitung des Datensets um drei Länder und drei Zeitpunkte sowie durch Erweiterung der Liste der verfügbaren Finanzmarktvariablen auf Robustheit getestet.

[31] Die WIFO-Studie erweitert den Schätzansatz der Referenzstudie von Leahy et al. (2001) im Wesentlichen durch die Einbeziehung von zwei liquiditäts- und effizienzorientierten Aktienmarktindikatoren (börsegehandelte Aktienumsätze in Relation zum Bruttoinlandsprodukt und Relation von Aktienmarktliquidität zu Aktienmarktkapitalisierung, kurz Turnover). Diese Variablen sind frei von Verzerrungen durch erwartungsbedingte Kursänderungen. Beide Indikatoren sind in nahezu allen Schätzversuchen entweder insignifikant oder weisen einen (schwach) signifikant negativen Koeffizienten auf. Der positive Zusammenhang zwischen den größenorientierten Aktienmarktindikatoren und dem langfristigen Wachstum in den OECD-Ländern dürfte demnach zu einem erheblichen Teil auf antizipierende Preiseffekte bzw. auf die überdurchschnittlich hohe Erwartungsorientierung der Preisbildung auf den Aktienmärkten in den hochindustrialisierten Ländern zurückzuführen sein.

[32] Der positive Zusammenhang zwischen gesamtwirtschaftlichem Wachstum und größenorientierten Finanzmarktindikatoren sollte daher eher als Realisation eines "leading indicators" und weniger als kausaler Zusammenhang gedeutet werden. Die Ergebnisse der WIFO-Studie sind somit mit den empirischen Befunden von Untersuchungen vergleichbar, die anstelle der institutionellen Unterschiede von Finanzsystemen Umfang und Qualität der Bereitstellung von Finanzdienstleistungen als wachstumsunterstützende Faktoren betonen.

Literaturhinweise

Aghion, P., Howitt, P., Endogenous Growth Theory, M.I.T. Press, Cambridge, MA, 1998.

Allen, F., Gale, D., Comparing Financial Systems, M.I.T. Press, Cambridge, MA, 2000.

Bassanini, A., Scarpetta, S., "Does Human Capital Matter for Growth in OECD Countries? Evidence from Pooled Mean-Group Estimates", OECD Economics Department Working Papers, 2001, (82).

Bassanini, A., Scarpetta, S., Hemmings, P., "Economic Growth: The Role of Policies and Institutions - Panel Data Evidence from OECD Countries", OECD Economics Department Working Papers, 2001, (283).

Beck, T., Demirgüc-Kunt, A., Levine, R., Maksimovic, V., "Financial Structure and Economic Development: Firm, Industry, and Country Evidence", World Bank Policy Research Working Paper, 2000, (2423).

Black, B. S., Gilson, R. J., "Venture Capital and the Structure of Capital Markets: Banks versus Stock Markets", Journal of Financial Economics, 1998, 47(3), S. 243-277.

Carlin, W., Mayer, C. (1999A), "Finance, Investment and Growth", University of Oxford, Financial Economic Papers, 1999, (9).

Carlin, W., Mayer, C. (1999B), "How Do Financial Systems Affect Economic Growth", University of Oxford, Financial Economic Papers, 1999, (8).

Demirgüc-Kunt, A., Levine, R., "Stock Market Development and Financial Intermediaries: Stylized Facts", World Bank Economic Review, 1996, 19(2), S. 291-322.

Demirgüc-Kunt, A., Maksimovic, V., "Law, Finance, and Firm Growth", The Journal of Finance, 1998, 53(6), S. 2107-2137.

Diamond, D., Rajan, R. G. (2001A), "Liquidity Risk, Liquidity Creation, and Financial Fragility: A Theory of Banking", The Journal of Political Economy, 2001, 109(2), S. 287-327.

Diamond, D., Rajan, R. G. (2001B), "Banks, Short-term Debt, and Financial Crises: Theory, Policy Implications, and Applications", Carnegie Rochester Conference on Public Policy, 2001, 54(Summer), S. 37-71.

Gianetti, M., Guiso, L., Japelli, T., Padula, M., Pagano, M., "Financial Market Integration, Corporate Financing and Economic Growth", European Commission, Economic Papers, 2002, (179).

Goldsmith, R., Financial Structure and Development, Yale University Press, New Haven, 1969.

Hahn, F. R. (2002A), "The Finance-Growth Nexus Revisited: New Evidence from OECD Countries", WIFO Working Papers, 2002, (176), http://titan.wsr.ac.at:8880/wifosite/wifosite.get_abstract_type?p_language=1&pubid=21731.

Hahn, F. R. (2002B), Bedeutung von Aktienmärkten für Wachstum und Wachstumsschwankungen in den OECD-Ländern, WIFO, Wien, 2002.

King, R. G., Levine, R. (1993A), "Finance and Growth: Schumpeter Might Be Right", Quarterly Journal of Economics, 1993, 108(3), S. 717-737.

King, R. G., Levine, R. (1993B), "Finance, Entrepreneurship, and Growth: Theory and Evidence", Journal of Monetary Economics, 1993, 32(3), S. 513-542.

Leahy, M., Schich, S., Wehinger, G., Pelgrin, F., Thorgeirsson, T., "Contributions of Financial Systems to Growth in OECD Countries", OECD Economics Department Working Papers, 2001, (280).

Levine, R., "Financial Development and Economic Growth: Views and Agenda", Journal of Economic Literature, 1997, 35(2), S. 688-726.

Levine, R., "Law, Finance, and Economic Growth", Journal of Financial Intermediation, 1999, 8(1), S. 8-35.

Levine, R., Bank-based or Market-based Financial Systems: Which is Better?, University of Minnesota, Carlson School of Management, Finance Department, Minnesota, 2000 (mimeo).

Levine, R., Loayza, N., Beck, T., "Financial Intermediation and Growth: Causality and Causes", Journal of Monetary Economics, 2000, (46), S. 31-77.

Levine, R., Zervos, S., "Stock Markets, Banks, and Economic Growth", American Economic Review, 1998, 88(3), S. 537-558.

Lucas, R. E., "On the Mechanics of Economic Development", Journal of Monetary Economics, 1988, 22(1), S. 3-42.

McKinnon, R. I., Money and Capital in Economic Development, The Brookings Institutions, Washington, DC, 1973.

Pagano, M., "Financial Markets and Growth: An Overview", European Economic Review, 1993, (37), S. 613-622.

Pesaran, H., Shin, Y., Smith, R. P., "Pooled Mean-Group Estimation of Dynamic Heterogeneous Panels", Journal of the American Statistical Association, 1999, (94), S. 621-634.

Pesaran, H., Smith, R. P., "Estimating Long-run Relationships from Dynamic Heterogeneous Panels", Journal of Econometrics, 1995, (68), S. 79-113.

Pesaran, H., Smith, R. P., Im, K. S., "Dynamic Linear Models for Heterogeneous Panels", in Mátyás, L., Sevestre, P., The Econometrics of Panel Data - A Handbook of the Theory with Applications, Kluwer Academic Publishers, Dordrecht-Boston-London, 1996.

Rajan, R. G., Zingales, L., "Financial Dependence and Growth", American Economic Review, 1998, 88(4), S. 559-586.

Rajan, R. G., Zingales, L. (2001A), "The Great Reversals: The Politics of Financial Development in the 20th Century", University of Chicago Working Paper, 2001, (526).

Rajan, R. G., Zingales, L. (2001B), "Financial Systems, Industrial Structure, and Growth", Oxford Review of Economic Policy, 2001, 17(4), S. 467-482.

Rebelo, S., "Long-Run Policy Analysis and the Long-Run Growth", Journal of Political Economy, 1991, (99), S. 500-521.

Scarpetta, S., Bassanini, A., Pilat, D., Schreyer, P., "Economic Growth in the OECD Area: Recent Trends at the Aggregate and Sectoral Level", OECD Economics Department Working Papers, 2000, (283).

Schumpeter, J. A., A Theory of Economic Development, Harvard University Press, Cambridge, 1911.

Shaw, E. S., Financial Deepening in Economic Development, Oxford University Press, New York, 1973.

Tadesse, S., "Financial Architecture and Economic Performance: International Evidence", University of South Carolina Working Paper, 2001, (449).

 

The Stock Market and its Influence on Long-term Economic Growth - Summary

The results of an OECD study, according to which stock markets influence the long-term growth of the real economy through the relationship between investment activities and stock market size, were reviewed and/or supplemented on the basis of a data set newly generated by WIFO for 23 OECD countries and for the review period of 1970 to 2000. The results of calculations performed by Leahy et al. (2001) were tested for their robustness through the inclusion of three more countries and three more points in time in the data set as well as through additions to the list of available financial market variables.

Basically, the WIFO study extends the scope of estimates underlying the reference study by Leahy et al. (2001) through the inclusion of two liquidity- and efficiency-oriented stock market indicators (turnover in exchange-traded stock relative to gross domestic product, and ratio of stock-market liquidity to stock-market capitalisation, i.e., turnover). These variables are free of distortions due to expectancy-related price changes. In almost all the estimates attempted, both indicators either are insignificant or show a (slightly) significant negative coefficient. Hence, the positive correlation between the size-oriented stock-market indicators and long-term economic growth in the OECD countries is presumably due to a large extent to anticipating price effects and/or to the above-average expectancy orientation of price setting on the stock markets of the highly industrialised countries.

The positive relationship between macro-economic growth and size-oriented financial market indicators should therefore be interpreted as the expression of a "leading indicator" rather than a causal relationship. Thus, the results of the WIFO study are comparable with the empirical findings of studies which emphasise the scope and quality of the provision of financial services as growth-supporting factors instead of the institutional differences between financial systems.

 

 

 



[a])  Diese Schlussfolgerung ist allerdings schwer mit der empirischen Evidenz in Einklang zu bringen, dass ein überdurchschnittlich hoher Anteil der Unternehmensgründungen in der New Economy in den OECD-Ländern (insbesondere in den USA) durch Venture Capitalists, also spezielle "relationship-based" Finanzintermediäre, aber auch durch Kommerzbanken (z. B. Telekom) finanziert wurde (siehe dazu u. a. Black - Gilson, 1998).

[b])  Die Notation des Fehlerkorrekturterms entspricht jener in Pesaran - Shin - Smith (1999).

[c])  Zur Ableitung von Gleichung (3*) siehe im Detail Hahn (2002A).

[d])  USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Österreich, Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Finnland, Dänemark, Luxemburg, Irland, Spanien, Portugal, Griechenland, Schweiz, Türkei.

[e])  Unrichtige Parameter-Restriktionen können erheblich verzerrte bzw. ineffiziente Schätzergebnisse zur Folge haben.