Gudrun Biffl
Implikationen eines Freiwilligenheeres für
den österreichischen Arbeitsmarkt
Die Einsätze des österreichischen Militärs
werden zunehmend von der internationalen Sicherheits- und Verteidigungslage und
-politik geprägt. Humanitäre Hilfe, der sich auch ein neutrales Land wie
Österreich nicht verschließen kann, tritt in den Vordergrund. Die Veränderungen
von Aufgaben und Prioritäten lösen Fragen nach der optimalen Organisationsform
des Militärs aus. Reformen haben nicht nur militärstrategische Implikationen,
sondern auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Einerseits ist der Effekt der Abschaffung
der Wehrpflicht auf den Jugendarbeitsmarkt zu berücksichtigen, andererseits die
Ausbildung der Soldaten für die neuen Aufgabengebiete sowie der Wechsel vom
Militärdienst zur Privatwirtschaft und umgekehrt. Auch die Aufhebung des
Zivildienstes kann nicht ohne Folgen für die Wirtschaftsbereiche sein, in denen
Zivildiener hauptsächlich eingesetzt werden.
Dieser Beitrag wurde in Anlehnung an eine umfassende Studie des WIFO im
Auftrag des Bundesministeriums für Landesverteidigung (BMLV, 2001) verfasst. Er
baut auf internationalen Forschungsergebnissen und eigenen Recherchen für
Österreich auf. • Begutachtung: Wolfgang Pollan • Wissenschaftliche Assistenz:
Julia Bock-Schappelwein • E-Mail-Adresse: Gudrun.Biffl@wifo.ac.at
INHALT
Theorie des Angebotes und der Nachfrage nach
Soldaten
Das Angebot an Soldaten
im Fall eines Freiwilligenheeres
Der Effekt des Grundwehrdienstes auf das Angebot an Soldaten
Nachfrage nach
Militärpersonal
Die Rolle der Grundwehrdiener im Personalsystem
des österreichischen Heeres
Entwicklung der Zahl
der Grundwehr- und Zivildiener
Demographische
Entwicklung und Jugendarbeitslosigkeit
Internationale Erfahrungen mit der Einführung
eines Freiwilligenheeres
Auswirkungen des Wegfalls des Zivildienstes auf
den Arbeitsmarkt
Beschäftigungsbereiche
der Zivildiener
VERZEICHNIS DER ÜBERSICHTEN UND ABBILDUNGEN
Übersicht 1: Einsatz von Zivildienern nach Sparten
Abbildung 1: Angebotsfunktion von militärischen
Arbeitskräften
Abbildung 2: Entwicklung der Zahl und Struktur des
Militärpersonals in Österreich
Abbildung 3: Entwicklung der Zahl der Grundwehr-
und Zivildiener
Abbildung 5: Demographische Entwicklung der Zahl
der Jugendlichen
Abbildung 6: Entwicklung der Arbeitslosigkeit und
des Militärpersonals in den USA
Abbildung 7: Entwicklung der Arbeitslosigkeit und
des Militärpersonals in Belgien
Abbildung 8: Entwicklung der Arbeitslosigkeit und
des Militärpersonals in den Niederlanden
Abbildung 9: Einsatz von Zivildienern nach Sparten
[1] Das
Ende des Kalten Krieges, die zunehmenden internationalen Verpflichtungen, an
UNO-Missionen, Krisen- und Katastropheneinsätzen teilzunehmen (OECD,
1998), sowie die Entwicklung einer sicherheits- und verteidigungspolitischen
Kooperation im europäischen Verbund waren in vielen europäischen Ländern der
Beweggrund für eine Reform des Systems der Landesverteidigung. Belgien führte
1994 eine Systemreform durch, die Niederlande in der zweiten Hälfte der
neunziger Jahre und Frankreich im Jahr 2000. Wesentliche Merkmale waren in
allen Fällen die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und die Einführung
eines Freiwilligenheeres. Darunter versteht man ein auf freiwilliger Basis
rekrutiertes Berufsheer, das um eine Miliz (Reservekomponente des Heeres)
ergänzt wird. Die veränderten Aufgabenstellungen münden aber nicht immer in ein
Freiwilligenheer; Schweden reagierte z. B. auf die neuen Herausforderungen
im Bereich der UNO-Friedenseinsätze (Peace Keeping) mit dem Abschluss von
Verträgen mit Zivilpersonal. Nur für Kampfhandlungen (Peace Enforcement) ist
weiterhin der Militäreinsatz unumgänglich. Die veränderte geostrategische Lage
Österreichs, insbesondere der NATO-Beitritt der Nachbarländer Ungarn und
Tschechien, haben die Reformdiskussion in Österreich Ende der neunziger Jahre
zusätzlich belebt.
Angesichts der veränderten internationalen Rahmenbedingungen haben
viele Länder Europas in den letzten Jahren die allgemeine Wehrpflicht
ausgesetzt.
[2] Die
Diskussion wurde allerdings nicht nur durch Änderungen der internationalen
Rahmenbedingungen ausgelöst, sondern auch durch die Knappheit der Budgetmittel.
Letztere zwingt zu konsequenter Wirtschaftlichkeit und einer optimalen Kombination
und Nutzung der im Inland verfügbaren Ressourcen, insbesondere von Kapital und
Arbeit. In dem Zusammenhang kommt der Organisationsform besondere Bedeutung zu,
da die allgemeine Wehrpflicht u. a. einen anderen technologischen Zutritt
erfordert (Kombination von Geräten bzw. Kapital und Arbeit) als ein Freiwilligenheer.
[3] Sowohl
die Organisationsform als auch die geänderten Aufgaben und Ziele des Militärs,
die unter Umständen neue Anforderungsprofile für das Militär implizieren, haben
Implikationen für den Arbeits- und Bildungsmarkt. Der vorliegende Beitrag untersucht,
welche Auswirkungen eine etwaige Umstellung des österreichischen Bundesheeres
auf ein Freiwilligenheer auf den Arbeitsmarkt aus theoretischer Sicht erwarten
lässt.
[4] Schon
Adam
Smith (1776) widmete in "The Wealth of Nations" der
ökonomischen Analyse der Landesverteidigung ein eigenes Kapitel und machte
darauf aufmerksam, dass die Kosten der Kriegsführung in einer arbeitsteiligen
Gesellschaft nicht nur von der technischen Ausstattung und Technologie
abhängen, sondern auch von der Organisationsform des Verteidigungssystems und
der Art der Rekrutierung der Soldaten. Er stellte zwei Modelle gegenüber: das
eines stehenden Heeres mit Berufssoldaten und das eines Sicherheitsapparates,
der um Wehrpflichtige ergänzt wird. Grundsätzlich gelten diese Überlegungen bis
heute.
[5] Smith
wies auch auf die Komplexität der Kostenkalkulation hin, indem er zwischen den
Kosten für die Gesellschaft oder Gruppen der Gesellschaft einerseits und jenen
für den Staat andererseits unterschied. In einem stehenden Heer (in der
heutigen Terminologie einem Berufsheer) zahlt der Staat aus Steuermitteln die
Gehälter der Berufssoldaten. Das Berufsheer wird meist um Zeitsoldaten ergänzt[a]), die zwischen einem Jahr (Frankreich)
und acht Jahren dienen. In diesem Fall spricht man von zwei Komponenten eines
Freiwilligenheeres.
[6] Im
zweiten Fall, in dem das Berufsheer um Wehrpflichtige ergänzt wird, sind die
direkten Kosten für den Staat üblicherweise geringer[b]), da die Gesamtkosten von den
Wehrpflichtigen mitgetragen werden - indem sie während des relativ gering bezahlten
Militärdienstes keiner anderen Arbeit nachgehen können (Opportunitätskosten).
Der Gesamtwirtschaft entgehen in diesem Fall wirtschaftliche Erträge und dem
Staat Steuereinnahmen, da die Arbeitskraft der Grundwehrdiener nicht in
Zivilberufen genutzt wird, ihre Berufsausbildung und ihr Eintritt in den
zivilen Arbeitsmarkt verzögert werden. Berücksichtigt man alle
gesellschaftlichen Kosten des Wehrdienstes, dann ist der internationalen
Militärforschung zufolge (Canby, 1977, Binkin - Kyriakopoulos, 1980, Cooper,
1977, Duindam,
1999, Huber,
1999) ceteris paribus, d. h. ohne Berücksichtigung etwaiger Unterschiede
der Arbeitseffizienz, das Modell des Heeres mit wehrpflichtigen
Grundwehrdienern nicht "billiger" als das Modell eines Freiwilligenheeres.
[7] Unterschiede
zwischen der Effizienz des Faktors Arbeit in den beiden Modellen sind aber von
grundsätzlicher Bedeutung für die Bewertung der Kosten des Systems. Gemäß Huber
(2001) und Schnell
- Straub (2000) besteht ein merklicher Effizienzunterschied
zwischen dem Einsatz von Freiwilligen und von Grundwehrdienern. Insbesondere
der relativ spezialisierte Einsatz des Militärs in Friedensmissionen setzt eine
berufsspezifische Ausbildung voraus, über die Grundwehrdiener häufig nicht verfügen.
Die Einführung eines Freiwilligenheeres impliziert eine Steigerung der
Heeresbudgetausgaben; diese wird aber gemäß internationalen Erfahrungen durch
höhere Steuerleistungen der zusätzlichen Arbeitskräfte, die in der
Privatwirtschaft unterkommen, mehr als kompensiert.
[8] Der
wesentliche Unterschied zwischen dem System der Wehrpflicht und dem einer
Freiwilligenarmee besteht darin, dass das Individuum, in der Regel ein junger
Mann, im Fall einer Freiwilligenarmee aus individuellen Kosten-Nutzenüberlegungen
den Beruf eines Soldaten ergreift. Die Höhe des Arbeitskräfteangebotes an
Freiwilligen wird von den Alternativen abhängen, insbesondere von der
Entlohnung und anderen Arbeitsbedingungen bei der Armee im Vergleich mit
anderen Berufen. Die Möglichkeit der Berufswahl bedeutet Wettbewerb mit den
Alternativen, d. h. die effiziente Nutzung von vorhandenem Personal und
die laufende Verbesserung der Arbeitsbedingungen, um auch künftig Soldaten
anwerben zu können.
[9] Im
Gegensatz dazu verliert im System der Wehrpflicht der Knappheitsfaktor für eine
bestimmte Komponente des Militärs an Bedeutung. Wehrpflichtige haben nur die
Wahl, eine bestimmte Zeit lang Militärdienst zu verrichten oder sich für den
Zivildienst zu verpflichten. Das bedeutet sowohl eine ineffiziente Nutzung des
Faktors Arbeit als auch eine Verzerrung der relativen Kosten von Kapital
(Technologie) und Arbeit. Daraus ist abzuleiten, dass in gewissen Segmenten
eher arbeitsintensive Technologien zum Einsatz kommen statt kapitalintensiverer
neuer Technologien.
[10] Die Überlegungen zum Angebot an
Soldaten gehen davon aus, dass ein Individuum bereit ist, zu einem bestimmten
Lohnsatz, dem Angebotslohn (),
den Beruf des Soldaten zu wählen. Der Angebotslohn wird davon abhängen, wie
hoch die Einstellungsgehälter in alternativen (zivilen) Berufsmöglichkeiten (
) sind. Die
Entscheidung für den Militärberuf wird aber auch davon bestimmt, wie lange die
zu erwartende Beschäftigungsdauer beim Heer (
) im
Vergleich zu den Alternativen (
) ist, wie
hoch das Risiko ist, verletzt zu werden (
), und
welche konkreten Arbeitsinhalte die Beschäftigung beim Militär (
) bietet.
[11] Weiters hängt die individuelle
Arbeitsangebotsentscheidung ()
davon ab, welche Zusatzleistungen mit der Beschäftigung beim Heer im Vergleich
zu anderen Tätigkeiten verbunden sind. Wesentliche Elemente sind etwa Kost und
Quartier, Bekleidung, Karrieremöglichkeit, Pensionsregelungen, Aus- und
Weiterbildungsmöglichkeiten, Urlaub. Zusätzlich sind Faktoren wichtig, welche
die Alternativen auf dem lokalen Arbeitsmarkt betreffen, etwa die Entfernung
des Arbeitsplatzes vom Wohnort oder die generellen Arbeitsbedingungen.
[12] Bedeutenden Einfluss hat auch die
konkrete Arbeitsmarktlage, etwa dokumentiert in der Höhe der Arbeitslosenquote
(u), oder die relative Knappheit von jugendlichen
Arbeitskräften gemessen an der Arbeitslosenquote Jugendlicher im Vergleich mit
jener der Männer in mittleren Jahren (). Da der
Eintritt in eine militärische Karriere im Wesentlichen nur am unteren Ende der
Hierarchie möglich ist, erhöht eine relative Verknappung jugendlicher
Arbeitskräfte den Wettbewerb um junge Arbeitskräfte und damit den Angebotslohn.
[13] Das Arbeitskräfteangebot kann als
Funktion von Lohn L, Beschäftigungsdauer D, Karrierechancen K, Risiko R, Arbeitslosenquote u, dem Quotienten aus Jugend- und
Erwachsenenarbeitslosigkeit , den
Arbeitsinhalten O sowie einem Faktor Z dargestellt werden, der die lokalen
Arbeitsmarktfaktoren, Pensionsregelungen, Ausbildungschancen, Abenteuerlust und
andere persönliche Präferenzen wiedergibt:
(1) .
[14] Da
das Arbeitskräfteangebot an Freiwilligen von den relativen Löhnen, den
relativen Beschäftigungsbedingungen usw. abhängt, folgt
(2) .
[15] Ein
internationaler Vergleich von Ländern mit einem Freiwilligenheer (USA, Großbritannien,
Belgien, Niederlande) zeigt, dass die Wasser- und Luftstreitkräfte keinerlei
Probleme haben, ausreichend Freiwillige zu rekrutieren, während die
Landstreitkräfte zeitweise einer Knappheit an Freiwilligen gegenüberstehen. In
den USA (Cooper,
1977, Crane
- Wise, 1987, Canby, 1977) wurde die Verknappung des Angebotes
an freiwilligen Landstreitkräften u. a. durch technologische Neuerungen
bekämpft, indem etwa für einfache Arbeiten Maschinen eingesetzt wurden. Das
hatte nicht nur eine Verringerung des Bedarfs an Soldaten zur Folge, sondern
erhöhte gleichzeitig das Angebot an Freiwilligen, da sich der Ruf der Arbeit
eines Soldaten verbesserte (weniger Schmutz und Langeweile).
[16] Ein
wesentliches Merkmal des Systems der Freiwilligenarmee ist das Bewusstsein,
dass Arbeitskräfte - insbesondere mit höherer Qualifikation - knapp sind. Das wird besonders in der
Phase des Übergangs von einem System der Wehrpflicht zu einem Freiwilligenheer
deutlich. Um genügend Soldaten anwerben zu können, müssen meist die
Selektionsstandards gesenkt werden. Selektioniert wird mittels standardisierter
physischer und psychischer Tests sowie Intelligenztests. Dabei können im
Wesentlichen zwei Typen von Fehlentscheidungen getroffen werden[c]):
·
Eine Person wird infolge einer Gruppenzugehörigkeit mit hohem Tauglichkeitsgrad
aufgenommen, obwohl das Individuum nicht tauglich ist.
·
Eine Person wird aufgrund einer gruppenspezifisch hohen Wahrscheinlichkeit
der Untauglichkeit abgelehnt, obwohl das Individuum tauglich ist.
[17] Insbesondere
die zweite Fehlentscheidung wird dann häufig auftreten, wenn Tests nicht
berücksichtigen, dass kultur- oder schichtenspezifische Faktoren, z. B.
fehlender Zugang zu guter Schulbildung, für unterdurchschnittliche
Testergebnisse mitverantwortlich sein können.
[18] Nach
Erfahrungen aus den USA sind geringe Anforderungen an die Rekruten bei der
Aufnahme nicht gleichbedeutend mit einer Verschlechterung der Leistungen des
Militärs. Ein gutes Ausbildungs- und Trainingsprogramm ermöglicht auch Personengruppen
mit schlechter Anfangsqualifikation das Aufholen gegenüber dem Durchschnitt
oder sogar den Bestqualifizierten. Indem in den USA verstärkt auch aus unterprivilegierten
Schichten, ethnischen Minderheiten und Immigranten rekrutiert wurde, eröffneten
sich diesen Personengruppen bessere Erwerbs- und Lebenschancen auf dem zivilen
Arbeitsmarkt, d. h. ihre Reintegration in den Arbeitsmarkt nach dem Militärdienst
wurde erleichtert und ihr gesellschaftlicher Aufstieg gefördert.
Die Abschaffung der Wehrpflicht impliziert eine Verknappung von
Rekruten; dies löst in der Armee technologische Änderungen ebenso wie eine
Verbesserung der Arbeitsbedingungen aus.
[19] Analysen
der Erwerbschancen unterprivilegierter Gruppen mit und ohne Militärdienst in
den USA zeigen, dass die Armee in den siebziger und achtziger Jahren einen wesentlichen
Beitrag zur Erhöhung der Chancengleichheit dieser Personengruppen leistete (Sticht,
1992). Die zusätzlichen Ausbildungskosten, die der Armee durch die Rekrutierung
von Jugendlichen mit unterdurchschnittlichem Schulerfolg entstanden, wurden
durch die geringeren Lohnkosten mehr als wettgemacht. Indem der Personenkreis,
der für eine militärische Laufbahn in Frage kam, erweitert wurde, vergrößerte
sich das Arbeitskräfteangebot. Bei knapperem Angebot hätten die Löhne angehoben
werden müssen, um eine ausreichende Zahl von Rekruten anzuwerben. Auch die
Gesellschaft sowie die Individuen profitierten über eine Ersparnis an Steuermitteln
für Sozialausgaben und eine Verbesserung der Erwerbschancen.
[20] Die
Frage der Knappheit des Arbeitskräfteangebotes zwingt zur Überlegung, in welchem
Maße bestimmte Aufgaben nur von Militärpersonal oder auch von Zivilpersonal
erfüllt werden können. In einem Freiwilligenheer wie in den USA oder den Niederlanden
entfallen etwa die Hälfte der Arbeitsplätze auf rein militärische Tätigkeiten,
die also potentielle Kampfhandlungen involvieren. Die andere Hälfte entfällt
auf unterstützende Funktionen, die prinzipiell von Zivilen übernommen werden
können. In Österreich hingegen stellt das Zivilpersonal mit rund 9.000 Personen
(2000) nur ein Drittel der rund 27.000 Beschäftigten des
Verteidungsministeriums. In dieser Summe sind die Grundwehrdiener nicht
berücksichtigt (1999: 32.100): Zählt man die Grundwehrdiener zum
Militärpersonal, dann beträgt der Anteil des Zivilpersonals unter 20%.
[21] In
allen Ländern, die von einem System der Wehrverpflichtung auf ein Freiwilligenheer
übergingen, verringerte sich im Gefolge der Umstellung der Anteil des Militärpersonals
zugunsten des Zivilpersonals.
[22] Der
Wandel der Aufgaben des Militärs weg von Kriegseinsätzen hin zu Krisen- und
Katastropheneinsätzen, UNO-Einsätzen usw. legt die Einführung eines
Berufsheeres nahe. Für solche Einsätze wird meist militärisches Wissen
verbunden mit friedenserhaltenden humanitären Qualifikationen benötigt, etwa
Reparatur oder Wiederaufbau von öffentlichen Straßen, Installationen, Häusern,
Wasser- und Stromversorgung, Telekommunikation usw.[d]). Ein achtmonatiger Grundwehrdienst
reicht meist nicht aus, um diese komplexen Qualifikationen zu vermitteln.
[23] In
diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach dem Grad des Einsatzes weiblicher
Arbeitskräfte. Dank des technologischen Fortschritts ist in relativ wenigen
Bereichen oder Tätigkeiten noch körperliche Kraft eine Vorbedingung für die
Aufgabenerfüllung. Am ehesten wird dies in der Infanterie der Fall sein, nicht
jedoch bei den See- und Luftstreitkräften bzw. den "Support"-Diensten.
[24] In
den Ländern mit Freiwilligenheer haben Frauen durchwegs Zugang zum Militär erhalten.
In den USA sind derzeit etwa 9% des Militärpersonals Frauen, in Großbritannien
6% und in den Niederlanden 5%. Die Befürchtung, dass Frauen infolge von biologischen
und anderen Faktoren häufiger als Männer nicht ihren Dienst versehen können,
hat sich gemäß Untersuchungen in den USA nicht bestätigt. Die Absenz der Frauen
ist sogar nur halb so hoch wie die der Männer (Binkin - Bach, 1977). Durch die Rekrutierung von Frauen sparten die Streitkräfte der USA
daher Rekrutierungs- und Trainingskosten ein.
[25] In
Österreich gibt es noch kaum Soldatinnen, unter den unterstützenden
Tätigkeiten, etwa als Ärztinnen, finden sich aber Frauen im österreichischen
Bundesheer. In der zivilen Beschäftigung eröffnet der Einsatz neuer
Technologien Frauen die Chance, Berufe zu ergreifen, die in der Vergangenheit
wegen der körperlichen Belastungen Männern vorbehalten waren. Ein Beispiel
dafür ist der Sicherheitsdienst; die Knappheit an Sicherheitskräften in
Österreich war ein wesentlicher Faktor für die Aufnahme von Frauen, ein
zusätzlicher Impuls ging von der Gleichbehandlungspolitik aus.
[26] Die
Lösung des Problems der Knappheit des Faktors Arbeit im Fall eines Freiwilligenheers
ist demnach nicht nur in einer Anhebung der Löhne zu suchen (gerade die
Anhebung der Löhne im unteren Qualifikationssegment kann sehr teuer kommen, da
sie das gesamte Lohn- und Karrieregefüge verändert), sondern in einem komplexen
Reformprogramm:
·
Über technologische Neuerungen soll der relative Einsatz von Kapital zu
Arbeit zugunsten des Kapitals verschoben werden (arbeitsparender technischer
Fortschritt im Militär).
·
Die Aufteilung der Aufgaben auf ziviles und militärisches Personal soll
zugunsten des Zivilpersonals verändert werden.
·
Investitionen in eine Erleichterung der physischen Anforderungen an die
Soldaten eröffnen Möglichkeiten, vermehrt Frauen einzusetzen.
·
Ein differenziertes Aus- und Weiterbildungsprogramm kann unqualifizierten Jugendlichen
eine Verbesserung der Erwerbschancen bieten.
·
Die Substitution von unerfahrenem Personal (Grundwehrdiener) durch
erfahrene Arbeitskräfte ist mit Produktivitätssteigerungen verbunden, die
personalsparend wirken (Binkin - Kyriakopoulos, 1980).
[27] Abbildung 1
zeigt die Beziehung zwischen der Höhe der Löhne des Militärpersonals und der
Zahl der Freiwilligen (Angebotskurve S S'). Je höher der Lohn, desto mehr Personen
sind bereit, in den Militärdienst einzutreten. Die Strecke {0 c} entspricht dem Bedarf an
Militärpersonal; ist der Lohn der Grundwehrdiener.
|
Abbildung
1: Angebotsfunktion von militärischen
Arbeitskräften |
|
wi . . . Lohnsatz (i =
1, 2, 3), S S' . . .
Angebotsfunktion, a, b, c . . .
Bedarf an Militärpersonal. |
|
[28] Im
Fall der allgemeinen Wehrpflicht verläuft die Angebotskurve bis zum Personalstand
b waagrecht,
die Arbeitskräfteknappheit von jungen unerfahrenen Rekruten wird demnach
aufgehoben. Schulabgänger sind gesetzlich zur Ableistung des Grundwehrdienstes
verpflichtet, d. h. sie treten an der untersten Eintrittspforte in den
Militärarbeitsmarkt ein. Die Übertrittsrate in die Beschäftigung als
Militärpersonal auf Zeit (Sprung der Angebotskurve G D) hängt von den Alternativen auf dem
zivilen Arbeitsmarkt ab; hier gilt was oben über die Faktoren gesagt wurde, die
das Angebot an Freiwilligen beeinflussen.
[29] Die Arbeitsangebotskurve der
Freiwilligen in Abbildung 1 hat den Verlauf S S'. Der Punkt a zeigt an, wie viele Personen bereit sind, zum
Grundwehrdienerlohn freiwillig den Soldatenberuf zu ergreifen.
{0 b} ist die Menge der Grundwehrdiener, die zu Lohn
entlohnt werden. Ein Grundwehrdiener, der
sich weiterverpflichtet, erhält einen höheren Lohn; im Militärdienst verbleiben
jene, deren Marktlohn für eine alternative Tätigkeit dem Lohn
entspricht und damit auf der Angebotskurve S S' der Freiwilligen liegt. Um mehr
Arbeitskräfte beim Militär zu halten, muss ein Lohn
gezahlt werden.
[30] Aus dieser Graphik geht deutlich
hervor, dass die Grundwehrdiener zu einem niedrigeren Lohn arbeiten, als sie
auf dem Arbeitsmarkt akzeptieren würden. Die Fläche in dem Dreieck A G D entspricht dem Kostenbeitrag, den sie zur
Landesverteidigung erbringen. Man kann in der Differenz zwischen und
eine Steuer sehen, die nur von jungen Männern
zu tragen ist (Oi, 1967).
Angewandt auf die österreichische Situation hieß das im
Jahre 2000:
·
Der monatliche Nettolohn der Grundwehrdiener () lag bei
232 €.
·
Bei freiwilliger Weiterverpflichtung stieg der Nettomonatslohn auf
741 € (14-mal jährlich, d. h. pro Monat im Durchschnitt 865 €).
·
Nach Abschluss der Unteroffiziersprüfung sprang der monatliche Nettolohn () auf
1.090 € (14-mal pro Jahr). Das entsprach einem monatlichen Nettolohn von
1.272 € (12-mal pro Jahr). Ein Teil dieses Betrags gilt die
Höherqualifizierung ab.
·
Der Unterschied zwischen und
,
d. h. 1.040 €, ist der höchstmögliche persönliche Beitrag eines Grundwehrdieners
zu den gesamtwirtschaftlichen Militärkosten.
·
Selbst gegenüber jenen, die sich weiterverpflichten und noch keine Unteroffiziersprüfung
abgelegt haben, sind die Kosten, die der einzelne Grundwehrdiener zu tragen
hat, hoch; sie reichen bis zu 633 € pro Monat.
[31] Eine
genauere Kalkulation müsste berücksichtigen, dass das Militär nicht nur Personen
aufnimmt, deren Angebotskurve durch die Linie S S' angegeben ist (Freiwilligenangebot). Zum
Wehrdienst werden ja alle jungen Männer unabhängig von ihrer Qualifikation und
ihren potentiellen Beschäftigungs- und Lohnchancen auf dem Arbeitsmarkt und
damit unabhängig von den echten Opportunitätskosten einberufen. Die
"Grundwehrdiener-Steuer" ist demnach höher, als sie durch die Fläche A G D ausgewiesen wird.
Der Grundwehrdienst ist wegen der Einkommensverluste gegenüber einer Marktbeschäftigung mit einer Besteuerung von Jugendlichen gleichzusetzen.
[32] Für
den Dienst in einem Freiwilligenheer bewerben sich hingegen nur jene Personen,
deren Opportunitätskosten geringer oder gleich hoch sind wie der Sold beim
Militär. Der "Deadweight Loss" der Gesellschaft aus dem System der
Wehrpflicht resultiert somit daraus, dass auch Personen mit besonders hohen
Opportunitätskosten zum Wehrdienst einberufen werden.
[33] Die
sozialen Kosten des Grundwehrdienstes sind noch höher, wenn man berücksichtigt,
dass der spätere Berufseinstieg der Jugendlichen oder die Unterbrechung der
Erwerbstätigkeit durch den Wehrdienst einen negativen Effekt auf das Lohnniveau
haben kann. Wenn man auf dem zivilen Arbeitsmarkt den Arbeitsplatz wechselt,
wird der Markt die Dauer der ersten Tätigkeit nicht als lohnrelevant im Sinne
der Abgeltung von Arbeitserfahrung ansehen, wenn auf dem neuen Arbeitsplatz die
zuvor erworbenen Qualifikationen nicht genutzt werden können.
[34] Dasselbe
gilt für die während des Wehrdienstes erworbenen Qualifikationen. Im Falle
einer Einführung der Freiwilligenarmee sollte deshalb im Kontakt mit den Arbeitsmarktinstitutionen,
insbesondere mit den Tarifpartnern eine Anrechnung solcher Qualifikationen
erleichtert werden. Eine Koordination zwischen den Institutionen des zivilen
Arbeits- und Bildungssystems und dem Militär gewinnt an Bedeutung, wenn
zwischen beiden Bereichen regelmäßig Arbeitskräfte ausgetauscht werden sollten.
[35] Nach
Studien in den USA ist das Lebenseinkommen von Personen, die Militärdienst und
Tätigkeiten auf dem zivilen Arbeitsmarkt kombiniert haben, im Durchschnitt um
15% bis 20% geringer als das von Personen mit gleicher Anfangsqualifikation,
die ausschließlich Zivilberufe ausgeübt haben (Rosen - Taubmann, 1982, Angrist,
1990).
[36] Wenn
das Militärbudget gegeben ist, gilt kurzfristig, dass die Zahl der angeworbenen
Freiwilligen mit steigendem Lohnniveau sinkt. Wenn die Kosten der Arbeitskräfte
in Relation zu anderen Inputfaktoren (andere Technologie mit mehr oder anderen
Maschinen) steigen, werden nach einem längeren Anpassungsprozess weniger Soldaten
aufgenommen und die anderen "Produktionsfaktoren" stärker eingesetzt.
Am Ende eines solchen Umstrukturierungsprozesses hat sich nicht nur die
Technologie und damit verbunden die Human- und Realkapitalstruktur verändert,
sondern auch die Funktionsmechanismen des Militärsystems.
[37] Kurzfristig
kann jedoch bei gegebenem Budget nur der Faktor Arbeit reduziert werden, da der
Kapitalstock, d. h. die Technologie, erst in einem längerfristigen Transformationsprozess
geändert werden kann.
[38] Wenn
das vorgegebene Heeresbudget nicht überschritten werden darf, können
Kostensteigerungen, die mit einer Reorganisation des Heeres anfallen, nur über
eine Personalreduktion aufgefangen werden. Damit ist eine Verringerung des
Outputs, d. h. der militärischen Schlagkraft verbunden. Erst in einem
längerfristigen Umstrukturierungsprozess, der mit der Umstellung auf eine
andere Technologie verbunden ist, steigt der Output wieder.
[39] Aus
analytischer Sicht können demnach zwei miteinander verknüpfte Effekte unterschieden
werden: der Substitutionseffekt und der Outputeffekt. Ersterer ist ein Ergebnis
der relativen Verteuerung des Faktors Arbeit im Vergleich zum Kapital. Aus der
relativen Kostenveränderung resultiert eine Veränderung des
Technologieeinsatzes, d. h. ein Mehr von Kapital auf Kosten von Arbeit.
Die Umstellung von einer Gruppe gering qualifizierter Grundwehrdiener auf ein
Berufsheer ist mit einer neuen Arbeitsorganisation verbunden. Der Wegfall eines
großen Teils der Trainings- und Ausbildungsarbeit von Grundwehrdienern sowie
der Administration des Wehrdienstsystems setzt Arbeitskräfte für operationale
Tätigkeiten frei. So werden Personen in höheren Rängen neben konzeptiven und
strategischen Aufgaben vermehrt exekutive Tätigkeiten ausüben können.
Die Umstellung auf ein Freiwilligenheer ist nicht nur mit einem
technologischen Wandel verknüpft, sondern auch mit einer neuen Arbeitsorganisation
und einer Anhebung der Qualifikationen.
[40] Der
Anpassungseffekt impliziert somit nicht nur eine Verschiebung der Nachfrage zum
Kapital, sondern auch eine Höherqualifikation der Arbeitskräfte. Angesichts der
Budgetknappheit könnte es sich auch als vorteilhaft erweisen, die eigentlichen
militärischen Aufgaben von jenen Leistungen zu trennen, die von zivilem
Personal - zu niedrigeren Kosten - erbracht werden können. Diese Trennung erfolgte
in allen Ländern, die ein Freiwilligenheer einführten. Insbesondere im
Logistikbereich sind dadurch bedeutende Ersparnisse zu erzielen. Das Ausmaß der
Kostenersparnis zu schätzen ist allerdings sehr schwierig, nicht zuletzt da ein
Lohnvergleich zwischen dem Militär und der Privatwirtschaft meist an der großen
Zahl der nichtpekuniären Entlohnungselemente bei der Armee scheitert (Kost und
Quartier, Kleidung, Ausbildung, Gesundheitsversorgung usw.).
[41] Österreichs
Bundesheer weist ein komplexes Personalsystem auf; neben Personen im
Präsenzstand (§ 1 Abs. 1 WehrG) kann das Heer auf Personen im
Reservestand zurückgreifen, was für die Mobilmachung von Bedeutung ist.
[42] Derzeit
stehen im Fall der Mobilmachung etwa 110.000 Mann zur Verfügung. Insgesamt
zählen rund 18.000 Personen zum stehenden militärischen Personal, das im
Jahresdurchschnitt um rund 18.000 Grundwehrdiener ergänzt wird (Präsenzstand).
Zusätzlich werden etwa 9.000 Zivile beschäftigt (Vollzeitäquivalente im
öffentlichen Dienst, der Heeresverwaltung zugehörig, "Support"-Personal).
[43] In
Summe waren im Jahr 2000 etwa 27.000 Personen (Vollzeitäquivalente) beim Bundesheer
ständig beschäftigt, um 2.800 oder 9,5% weniger als 1994. Über die Zeitspanne
von 1994 bis 2000 wurde im Wesentlichen die Zahl des Militärpersonals auf Zeit
reduziert, und zwar von ursprünglich 7.900 oder 27% des gesamten Militärpersonals
ohne Grundwehrdiener auf rund 2.300 oder 8,6%. Die Zahl und der Anteil der
Berufssoldaten sind gestiegen, und zwar von 12.800 bzw. 43% des
Militärpersonals auf 15.200 bzw. 57,1%. Im Gegensatz dazu blieb die Zahl des
Zivilpersonals weitgehend unverändert (8.700 im Jahr 1994, 9.000 im Jahr 2000),
der Anteil stieg von 29,7% auf 34,2%.
[44] Die
Grundwehrdiener sind jeweils höchstens acht Monate beschäftigt. Zum Stichtag im
Jahre 1999 wurden 32.100 Grundwehrdiener registriert, im Jahresdurchschnitt beträgt
ihre Zahl aber nur etwa 18.000. Abbildung 2 zeigt die Struktur des
Militärpersonals zu jenem Zeitpunkt im Jahr, zu dem die Zahl der
Grundwehrdiener am höchsten ist.
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Abbildung 2: Entwicklung der Zahl und Struktur des
Militärpersonals in Österreich |
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Q: Bundesministerium für Landesverteidigung. |
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[45] Unter
den Berufssoldaten hat die Zahl der Offiziere von 2.600 im Jahre 1994 auf 2.800
im Jahr 2000 leicht zugenommen (+5%). Viel deutlicher erhöhte sich die Zahl der
Unteroffiziere (von 10.200 auf 12.400, +22%). Das Militärpersonal auf Zeit
(Grundwehrdiener, die sich weiterverpflichten) setzt sich aus drei Gruppen
zusammen, die sich nach der Dauer der Verpflichtung unterscheiden: den
einjährig Freiwilligen, jenen Grundwehrdienern, die ihre Verpflichtung um 6
Monate verlängert haben, und den länger Verbleibenden. Aus dieser Gruppe können
Soldaten als Unteroffiziere übernommen werden; sie ist daher mit der Gruppe der
Unteroffiziere eng verbunden.
[46] Von
den 17.500 Militärbediensteten im engeren Sinn, d. h. dem stehenden
militärischen Personal, sind etwa 16% Akademiker und Maturanten. Unteroffiziere
haben im Allgemeinen eine mittlere Qualifikation.
[47] Die
Entwicklung der Zahl der Grundwehrdiener folgt keinem eindeutigen, demographisch
vorgegebenen Muster, sondern weist eine gewisse Eigendynamik auf, die auf
institutionellen Faktoren ebenso wie auf gesellschaftlichen Veränderungen
beruhen dürften. Ab Mitte der fünfziger Jahre wurden in der Aufbauphase des
Bundesheeres zunehmend Grundwehrdiener einberufen; 1966 wurde ein Höchststand
von 49.800 erreicht, der in der Folge aufgrund der Verlängerung der
Schulbildung und der verstärkten Bildungsexpansion der späten sechziger und
frühen siebziger Jahre nicht gehalten werden konnte. Zusätzlich bereitete der
gesellschaftliche Wandel den Boden für die Einführung des Zivildienstes in den
frühen siebziger Jahren. Erst im Gefolge des Abgangs geburtenstarker Jahrgänge
aus dem Schulsystem Mitte der siebziger Jahre begann die Zahl der
Grundwehrdiener wieder zu steigen. 1982 wurde mit 53.800 ein Höchstwert
erreicht. Seither schrumpfte die Zahl kontinuierlich, umgekehrt stieg die Zahl
der Zivildiener, obwohl der Zugang zum Zivildienst zunehmend erschwert wurde
(Verlängerung des Dienstes relativ zu Grundwehrdienern).
[48] 1975
war erstmals die Ausübung des Zivildienstes als Alternative zum "Dienst
mit der Waffe" möglich. Bis dahin mussten Wehrdienstverweigerer statt der
neun Monate Grundwehrdienst zwölf Monate Präsenzdienst ohne Waffe leisten. Am
höchsten war die Zahl der Zivildiener im Jahr 1999 mit 7.300 Einberufenen. Der
große Anstieg zwischen 1992 und 1993 lässt sich mit der Abschaffung der
Gewissensprüfung erklären. Die Dauer des Zivildienstes wurde 1992 von acht auf
zehn Monate verlängert. Die ZDG-Novelle von 1994 erweiterte den Zeitraum
abermals auf elf Monate. Im Jänner 1997 erfolgte eine weitere Erhöhung auf
zwölf Monate (für Auslandssozialdienst 14 Monate). Eine Neuregelung der Organisation des Zivildienstes im
Jahre 2001 (BGBl. I 133/2000, in Kraft seit 1. Jänner 2001)
brachte vor allem eine Kürzung der Entgeltleistung für Zivildiener. Dennoch
verringerte sich die Zahl der Zivildiener in der Folge nicht.
[49] Die
Summe der Personen, die Grundwehrdienst oder Zivildienst leisteten, erreichte
in den frühen achtziger Jahren demographisch bedingt ihren Höchstwert - die stärksten Jahrgänge der
Babyboomgeneration verließen damals das Schulsystem oder unterbrachen die
Ausbildung, um den Wehr- oder Zivildienst zu leisten.
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Abbildung 3: Entwicklung der Zahl der Grundwehr-
und Zivildiener |
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Q: Bundesministerium für Inneres, Bundesministerium für
Landesverteidigung. |
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[50] Die
demographische Entwicklung beeinflusst neben anderen Faktoren sowohl die
Jugendarbeitslosigkeit als auch die Zahl der Grundwehrdiener. Die Zahl der Grundwehrdiener
und Zivildiener erhöhte sich in den Jahren des Eintritts der Babyboomgeneration
in den Arbeitsmarkt, ebenso die Arbeitslosenquote der Jugendlichen. In den
neunziger Jahren stieg die Jugendarbeitslosigkeit im Durchschnitt weiter, obwohl
die Geburtenjahrgänge, die das Schulsystem verließen, schwächer besetzt waren.
Die Summe der Grundwehrdiener und Zivildiener schrumpfte jedoch demographisch
bedingt weitgehend kontinuierlich.
[51] Abbildung 4
zeigt, dass das Problem der Jugendarbeitslosigkeit (Arbeitslosenquote der 20-
bis 24-Jährigen) trotz einer Verknappung der jugendlichen Arbeitskräfte in den
neunziger Jahren nicht bewältigt werden konnte. Erst mit der allgemeinen Verbesserung
der Arbeitsmarktlage, die etwa 1998 einsetzte und bis 2000 andauerte, war eine
Senkung der Arbeitslosenquote vor allem der Jugendlichen verbunden. Die
Verschlechterung der Arbeitsmarktlage im Jahr 2001 traf Jugendliche überdurchschnittlich:
eine Folge von Aufnahmesperren angesichts der Verlangsamung des
Wirtschaftswachstums, die mit einem demographisch bedingten Anstieg der Zahl
der Jugendlichen zusammenfielen.
[52] In
den kommenden Jahren (zwischen 2006 und 2012) erhöht sich die Zahl der 19- bis
20-jährigen Jugendlichen - dies sind die Kinder der Babyboomgeneration. 2012
setzt allerdings ein Einbruch der Zahl der 19- bis 20-jährigen Jugendlichen
ein, der langfristig anhält (Biffl - Hanika, 1998; Abbildung 5).
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Abbildung
4: Gegenüberstellung der
Arbeitslosenquote 20- bis 24-jähriger Männer und der Zahl der Grundwehr- und
Zivildiener |
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Q: AMS, Bundesministerium für
Inneres, Bundesministerium für Landesverteidigung, Statistik Austria, WIFO-Berechnungen. |
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Abbildung
5: Demographische Entwicklung der Zahl
der Jugendlichen |
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Q: Statistik Austria,
Bevölkerungsvorausschätzung bis 2030, Hauptvariante. |
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Der demographisch bedingte Anstieg der Zahl der 19- bis 20-Jährigen
zwischen 2006 und 2012 erschwert den Abbau der Jugendarbeitslosigkeit; eine Aussetzung
der Wehrpflicht in dieser Periode würde zur Verschärfung der Problematik
beitragen.
[53] Die
rasche Verknappung der Zahl der Jugendlichen (Grundwehrdiener sind üblicherweise
19 oder 20 Jahre alt) ab 2012 ist für das Timing einer etwaigen Heeresreform
ein wichtiger Entscheidungsfaktor. Ein Wegfall der Wehrpflicht bzw. des Zivildienstes
ist mit einem sprunghaften Anstieg des Angebotes von jungen Männern auf dem
zivilen Arbeitsmarkt verbunden; daraus ergibt sich kurzfristig eine Zunahme der
Jugendarbeitslosigkeit, und zwar nicht nur von jungen Männern, sondern auch von
jungen Frauen, da auf dem Jugendarbeitsmarkt eine teilweise Substituierbarkeit
besteht. Begleitende Maßnahmen, etwa zusätzliche Ausbildungsangebote, sind von
den Arbeitsmarkt- und Bildungsinstitutionen in der Folge ebenso vorzusehen wie
eine vorbereitende Information der Betriebe über die kurzfristige Ausweitung
des Arbeitskräfteangebotes der Jugendlichen. Aus der Sicht des Militärs dürfte
es in dieser Phase des relativen Überangebotes jugendlicher Arbeitskräfte
relativ einfach sein, Freiwillige anzuwerben.
[54] Die
Verknappung von Arbeitskräften nach dem Jahr 2012 dürfte zur Folge haben, dass
nur Personen mit relativ niedrigen Opportunitätskosten freiwillig einen militärischen
Beruf ergreifen. Ein differenziertes militärisches Ausbildungsprogramm, das auf
die Struktur des zu erwartenden Arbeitskräfteangebotes von Freiwilligen
Rücksicht nimmt (mehr Frauen und Immigranten, Personen aus ärmeren Schichten
mit geringerer Schulbildung), ist ins Auge zu fassen, um eine Verknappung von
Freiwilligen zu verhindern.
[55] In
allen Ländern, die von einem System der allgemeinen Wehrpflicht auf ein
Freiwilligenheer übergegangen sind, verringerte sich die Zahl der
Militärbediensteten markant. In den USA sank die Zahl der "Armed
Forces" im Gefolge der Umstellung im Jahre 1969 über einen Zeithorizont
von 10 Jahren um 29% auf 1,597.000. Der Anteil des Militärpersonals an der
gesamten Beschäftigung nahm in dieser Zeitspanne von 2,8% auf 1,6% ab. Zugleich
erhöhte sich die Arbeitslosenquote deutlich. Das kann allerdings nicht in einen
direkten Zusammenhang mit der Heeresreform gebracht werden, da die allgemeine
Konjunkturentwicklung wesentlich größeren Einfluss auf die Arbeitslosigkeit
hat. So verringerte sich die Arbeitslosigkeit in den neunziger Jahren
signifikant, obschon das Militärpersonal gleichzeitig stark reduziert wurde.
Die Wirtschaft entwickelte sich in den USA in den neunziger Jahren so günstig,
dass eine merkliche Verknappung von Arbeitskräften eintrat, die selbst wieder
eine effizientere Nutzung des Heerespersonals auslöste.
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Abbildung
6: Entwicklung der Arbeitslosigkeit und
des Militärpersonals in den USA |
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Q: OECD, WIFO-Berechnungen. |
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[56] Ähnlich
war die Situation in Belgien, als 1994 auf ein Freiwilligenheer umgestellt wurde.
Die Zahl der Militärbediensteten verringerte sich schon ab 1988 von 92.000 auf
46.000 im Jahre 1996, d. h. in einer Periode von acht Jahren um die
Hälfte. Der Anteil des Heerespersonals an der Gesamtbeschäftigung schrumpfte
von 2,5% auf 1,2%. Die Arbeitslosenquote stieg zwischen 1990 und 1994
entsprechend dem Konjunkturmuster. Zwar dürfte die höhere Besoldung der im
Durchschnitt geringeren Zahl der Militärbediensteten den Einbruch der Nachfrage
nach Gütern und Dienstleistungen etwas gedämpft haben, die Umstellung des
Heeres dürfte aber in dieser wirtschaftlichen Situation zur Verschlechterung
der Arbeitsmarktlage beigetragen haben.
[57] Ganz
anders entwickelte sich die Arbeitsmarktsituation in den Niederlanden, als die
Freiwilligenarmee eingeführt wurde. Der Zeitpunkt war aus
arbeitsmarktpolitischer Sicht denkbar günstig: Die Beschäftigung beim Militär
verringerte sich gerade in einer Phase, als eine merkliche Verknappung von
Arbeitskräften einsetzte. Der Arbeitsmarkt profitierte von den zusätzlichen
Arbeitskräften aus dem militärischen Bereich, und die Verknappung von
Arbeitskräften war ein gutes Argument, um eine kapitalintensivere Militärtechnologie
einzuführen. Die Zahl der Heeresbeschäftigten hatte sich schon ab 1982 zunächst
langsam, ab 1988 rascher von ursprünglich 109.000 (1982) auf 40.000 im Jahre
1998 verringert. Somit wurde das Militärpersonal in einer Zeitspanne von 16 Jahren
mehr als halbiert. Der Anteil des Militärpersonals an der Gesamtbeschäftigung
liegt heute bei 0,5%, nach 2,1% im Jahre 1982.
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Abbildung 7: Entwicklung der Arbeitslosigkeit und
des Militärpersonals in Belgien |
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Q: OECD, WIFO-Berechnungen. |
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Abbildung 8: Entwicklung der Arbeitslosigkeit und
des Militärpersonals in den Niederlanden |
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Q: OECD, WIFO-Berechnungen. |
[58] Eine
Schätzung der Auswirkungen eines Wegfalls der Wehrpflicht auf den Arbeitsmarkt
muss berücksichtigen, dass zugleich der Zivildienst entfällt. Für das Kosten-Nutzenkalkül
im Bereich des Zivildienstes gelten dieselben theoretischen Überlegungen wie
für den Grundwehrdienst. Die starke Konzentration der Zivildiener auf einige wenige
Dienstleistungsbereiche hat allerdings strukturpolitische Implikationen, die
weit über die generellen Arbeitsmarkteffekte einer Einführung eines
Freiwilligenheeres hinausgehen.
[59] Das
Arbeitskräfteangebot an Zivildienern unterliegt denselben Bedingungen wie jenes
an Grundwehrdienern, d. h. die mangelnde Freiwilligkeit impliziert die
Einhebung einer "Naturalsteuer" bei (tauglichen) jungen Männern. Die
Höhe der Steuer hängt von der Differenz zwischen den individuellen
Opportunitätskosten (alternativen Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten)
und dem Entgelt für den Zivildienst ab. Demnach gibt die Fläche des Dreiecks A G D in Abbildung 1 die Rente wieder,
welche der Staat, gemeinnützige oder privatwirtschaftliche Institutionen abschöpfen,
die Zivildiener einstellen.
[60] In
einem umfassenden Opportunitätskostenkalkül sind allerdings nicht nur die monetären,
sondern auch die immateriellen Kosten zu berücksichtigen. Gerade in den
Bereichen, in denen Zivildiener eingesetzt werden, d. h. in den
Sozialdiensten, der Krankenpflege, der Katastrophenhilfe, der Rettung usw.,
sind zusätzlich zu finanziellen Überlegungen individuelle Werthaltungen dafür
bestimmend, dass Freiwillige trotz niedriger Bezahlung diese Tätigkeiten
übernehmen. Sie finden in diesen Aufgaben ihren Beruf oder ihre Berufung, oder
sie sind vorübergehend zu außergewöhnlichen Hilfeleistungen bereit. Wenn sich
aber Kosten und Nutzen für die Freiwilligen nicht mehr die Waage halten, wird die
Tätigkeit aufgegeben. Daher sind Freiwillige ein knappes Gut. Um Personen für
diese Tätigkeiten in ausreichender Zahl zu motivieren, muss auf die Qualität
der Arbeit, die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen, den Einsatz der
menschenschonenden Technologie usw. geachtet werden.
Der systematische und langfristige Einsatz von Zivildienern bedeutet
eine Subventionierung jener Bereiche, in denen Zivildiener arbeiten.
[61] Der
Einsatz von Zivildienern hat, insbesondere wenn es sich um eine längerfristige
Einrichtung wie in Österreich handelt (seit den siebziger Jahren), eine
Verzerrung der Preise von Produktionsfaktoren in jenen Sektoren zur Folge, in
denen Zivildiener arbeiten. Unter Produktionsfaktoren ist einerseits die
technische Ausstattung eines Arbeitsplatzes zu verstehen, andererseits die
Qualifikationsstruktur der Arbeitskräfte. In dem seit langem etablierten System
des Wehrersatzdienstes wurden die Zivildiener zu einem integralen Bestandteil
der sozialen Dienste; eine Abschaffung des Zivildienstes kann daher nur Hand in
Hand mit einer Reform des Systems der sozialen Dienste erfolgen, soll nicht die
Versorgung bestimmter Personengruppen zusammenbrechen.
[62] Bis
zur Reform des Zivildienstes im Jahr 2001 organisierte eine Abteilung des
Innenministeriums die Zuweisung der Zivildiener zu den Arbeitgebern. Die
Administrationskosten und die Entlohnung der Zivildiener durch das
Innenministerium wurden durch den Betrag, den die Arbeitgeber der Zivildiener
an das Innenministerium zahlten, bei weitem nicht kompensiert. Mit der
Zivildienstgesetz-Novelle 2001 wurde die Zivildienstverwaltung aus dem
Innenministerium (nach einer öffentlichen Ausschreibung) zum Roten Kreuz
ausgelagert. Seither werden eine Reihe von Leistungen, die Zivildiener bis zum
Jahr 2000 vom Bund erhielten, vom Rechtsträger der Einrichtung, in der
Zivildiener eingesetzt werden, erbracht. Als Folge der Reform haben sich die Kosten
des Zivildienstes für den Staat zulasten der Bedarfsträger und der Zivildiener
merklich verringert.
[63] Mit
der Institution des Zivildienstes greift der Staat in die Prioritätensetzung
der Gesellschaft ein, d. h. in Kosten und Preisstrukturen, die zum Teil
aus Werthaltungen der Gesellschaft resultieren. Der Zivildienst bedeutet eine
Subventionierung dieser Bereiche, die allerdings nicht von der gesamten
Gesellschaft bzw. dem Staat aus dem allgemeinen Steueraufkommen getragen wird,
sondern von Jugendlichen in Form
einer Naturalsteuer.
Die Kosten des
Zivildienstes hatten im Jahr 2000 und seit der Reform 2001 folgende Struktur:
·
Ein Zivildiener erhielt im Jahr 2000 eine monatliche Pauschalvergütung von
netto 265 € (hinzu kamen 3,1 € täglich für Verpflegung oder
Essensbons). Seit der Reform 2001 erhält der Zivildiener monatlich eine
Grundvergütung von 176,2 €, Verpflegung und Fahrtkostenersatz hat der
Arbeitgeber sicherzustellen.
·
Bis zum Jahr 2000 mussten die Bedarfsträger dem Innenministerium einen
Kostenersatz für Zivildiener mit einer Bandbreite von 87,2 € bis
763 € pro Monat leisten. Aufgrund der Reform 2001 entstand Institutionen,
die einen Vollkostenersatz zahlten, keine wesentliche Verteuerung. Für anderen
Institutionen bedeutete die Reform allerdings zum Teil merkliche
Kostenausweitungen.
·
Bei einem Nettolohn von 176,2 € pro Monat wird eine sehr kleine Zahl
von Freiwilligen bereit sein, diese Arbeiten zu verrichten, d. h. die
Opportunitätskosten dieser Freiwilligen betragen höchstens 176,2 € pro
Monat. Höhere Opportunitätskosten haben z. B. Jugendliche, die den Beruf
eines Rotkreuzmitarbeiters ergreifen wollen. Sie könnten statt 176,2 € im
Monat als Zivildiener das Einstellungsgehalt eines Sanitäters von 1.090 €
netto 14-mal im Jahr erhalten.
Bei einem
durchschnittlichen monatlichen Einstellungsgehalt auf dem zivilen Arbeitsmarkt
von Personen mit der durchschnittlichen Ausbildung und in den üblichen
Arbeitsbereichen der Zivildiener von 1.090 € netto (14-mal, d. h.
monatlich im Durchschnitt 1.272 €) betragen in diesem Beispiel die Kosten,
die auf den Zivildiener abgewälzt werden, etwa 1.100 € im Monat.
[64] Die Kalkulation der
Opportunitätskosten, die dem Zivildiener pro Monat entstehen, muss zudem
berücksichtigen, dass
der Zivildienst seit 1991 länger dauert als der Grundwehrdienst. Das erhöht die
Steuer, die dem Zivildiener abverlangt wird, gegenüber dem Grundwehrdiener. Wie
für Grundwehrdiener gilt, dass die individuellen Kosten noch höher sein können
als die hier beispielhaft angeführten Werte, wenn ein Jugendlicher etwa einen
deutlich höher dotierten Beruf ergreift als jenen des hier angeführten
Sanitäters.
[65] Ende
Dezember 1999 waren 7.300 Zivildiener eingesetzt, großteils im Rettungsdienst
(rund 36% aller Zivildiener), der Behindertenhilfe (rund 19%) und den Spitälern
(15,5%). Geringer sind die Anteile der Sozialhilfe (11%), der Altenbetreuung
(8%), der öffentlichen Sicherheit und der Sicherheit im Straßenverkehr (2,5%)
sowie des Katastrophenschutzes (2,2%; Übersicht 1). Die weiteren Sparten
sind relativ schwach besetzt. Im Gefolge der Reform 2001 verstärkte sich die
Konzentration auf die Sozial-, Behinderten-, und Krankenhilfe.
|
Übersicht
1: Einsatz von Zivildienern nach Sparten |
|
Krankenanstalten |
|
Rettungswesen |
|
Sozial-, Behinderten-, Alten und
Krankenpflege |
Sozialhilfe |
Behindertenhilfe |
Sozialhilfe in der Landwirtschaft |
Altenbetreuung |
Krankenpflege und
Gesundheitsvorsorge |
Betreuung von Drogenabhängigen |
Justizanstalten |
|
Flüchtlingshilfe |
Betreuung von Vertriebenen,
Asylwerber sowie von Menschen in Schubhaft |
|
Katastrophenhilfe |
Katastrophenhilfe und Zivilschutz |
|
Zivile Landesverteidigung |
Andere Tätigkeiten im Rahmen der
zivilen Landesverteidigung |
Vorsorge für die öffentliche
Sicherheit und die Sicherheit im Straßenverkehr |
Inländische Gedenkstätten,
insbesondere für die Opfer des Nationalsozialismus |
|
[66] Zivildiener werden somit
überwiegend in Bereichen des öffentlichen Dienstes und des gemeinnützigen
Sektors eingesetzt, in denen großteils qualifiziertes Personal eine zivile
Beschäftigung ausübt. Ein Wegfall des Zivildienstes -
die logische Folgerung der Aussetzung der Wehrpflicht -
hätte demnach vor allem einen Effekt auf den Arbeitsmarkt der sozialen und
Gesundheitsdienste. Dies sind "Zukunftsarbeitsmärkte": Der Bedarf an
Arbeitskräften wird in diesen Bereichen angesichts der Alterung der Bevölkerung
zunehmend wachsen. Das Problem der Arbeitskräfteknappheit in diesem Sektor wird
nur durch eine Reform des sozialen und gesundheitlichen Versorgungssystems zu
lösen sein, die freilich eine Anhebung der Gehälter in diesem Bereich erfordern
wird.
[67] Das
Angebot an Arbeitskräften wird dann ausreichend sein, wenn existenzsichernde
Löhne und eine adäquate Ausbildung angeboten werden, die die Nutzung moderner
technischer Ausstattung ermöglicht. Die jüngsten Bemühungen, in diesen Bereichen
Qualifikationen aufzubauen und ein differenziertes Kollektivvertragslohnsystem
zu entwickeln, das nicht an der untersten Einkommensschiene angesiedelt ist,
sind wohl ein Schritt in diese Richtung. Die Produktivitätssteigerungen, die
aus einer Anhebung der Qualifikation der Arbeitskräfte erzielt werden können,
werden zur Senkung der Kosten ebenso beitragen wie eine Modernisierung der
technischen Ausstattung und eine effizientere Organisation der Arbeit, die
nicht zuletzt ein Resultat der Verknappung der Arbeitskräfte sein wird.
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Abbildung
9: Einsatz von Zivildienern nach Sparten |
1999 |
|
Q: Bundesministerium für Inneres,
WIFO-Berechnungen. |
[68] Eine
Aussetzung der Wehr- bzw. Zivildienstpflicht dürfte aus arbeitsmarktpolitischer
Sicht angesichts der mittel- bis längerfristigen Entwicklung auf dem
Arbeitsmarkt keine merklichen Effekte auf die Arbeitslosenquote haben. Die
Abschaffung eines verpflichtenden Dienstes an der Gesellschaft wird die
Verzerrung der Marktpreise zwischen verschiedenen Gruppen der Arbeitskräfte
aufheben und so eine effizientere Organisation und Nutzung der Ressource Arbeit
zur Folge haben. Auch der Einsatz neuer Technologien wird durch die Aussetzung
des Grundwehrdienstes und des Zivildienstes gefördert; er wird die
Produktivität in den betroffenen Branchen und der Gesamtwirtschaft anheben. Der
gesamtwirtschaftliche Nutzen aus der Reform wird daher Kosten, die im Gefolge
der Umstellung der Systeme auftreten können, deutlich übertreffen.
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Implications of a Voluntary Army for the Austrian Labour Market - Summary |
The end of the Cold War, the increasing importance of international operations, and the development of a co-ordinated European security and defence strategy have led many countries in Europe to reform their national system of military defence - Belgium in 1994, the Netherlands in the second half of the 1990s, France in 2000. A major element of reform was the end of conscription and the introduction of a volunteer army. Now Austria is similarly contemplating a reform of its military system as a result of the changing character and functions of military service and the new geo-strategic position of Austria as a result of the Czech Republic and Hungary joining NATO in the 1990s. A fundamental reform of the military system impacts not only on the military strategy but also on manpower procurement of a given state. In the case of Austria, abandoning conscription would have a transitory effect on the youth labour market, as well as affecting the provision of health and social services. The latter results from the systemic deployment of conscripted youths in these areas of the labour market, i.e., young men who refuse to do military service can opt for community service instead. The implementation of a volunteer army introduces the notion of labour shortage into military manpower planning. The increasing scarcity of labour forces changes upon the military system, in particular the technology used (labour-saving technical progress), work processes (improvement of the quality of jobs), education and training, which is also of use in the civilian labour market, a change in the division of labour between military and civilian personnel. All countries which abandoned conscription saw a rise in the proportion of civilians in the military work force. In the USA and the Netherlands, civilian support staff make up about half of the military payroll, compared to some 20 percent in Austria. In addition, the proportion of women in the military work force tends to rise - currently amounting to 9 percent in the USA, 6 percent in the UK and 5 percent in the Netherlands. A reform of the military system generally results in an increase of its productivity and efficiency. An all-volunteer military work force, however, also means rising budgetary costs, which reflect, in part, the income transfer from conscripts, who are bearing some of the costs through lower wages (opportunity costs), to the taxpayer. If one takes a more comprehensive view of costs and benefits for society, i.e., when the foregone tax revenues of conscripts and their opportunity costs, greater efficiency and equity are included, a military system with conscripts is - according to mainstream military research - not "cheaper" than a volunteer army. Setting up a volunteer army is usually linked to a reduction of the military work force. Countries which reformed their military systems in periods of increasing labour shortage, as, e.g., did the Netherlands, did not experience any detrimental effects on the labour market. However, if the reform set in at a time of economic decline, as was the case in Belgium, it certainly contributed to the rise in unemployment, particularly youth unemployment. |
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[a]) Einige Länder, so etwa Luxemburg, sehen neben dem Berufsheer keine Reservisten vor. Die Funktion der Zeitsoldaten bzw. Reservisten ist gemäß Lugert - Bittner (1999) die Voraussetzung für die Flexibilität des Systems, d. h. für die Anpassungsfähigkeit des Personals an den Bedarf.
[b]) Im Jahr 1997 betrugen die direkten Kosten des Personals einschließlich Zulagen in Österreich 929,78 Mrd. €, etwas mehr als 60% des gesamten Heeresbudgets.
[c]) Die Unterscheidung der Fehlentscheidungen basiert auf Überlegungen von Becker (1971) zur statistischen Diskriminierung.
[d]) Bestimmte Spezialaufgaben jedoch, wie z. B. die Bergung des verunglückten Nuklearunterseebootes Kursk in der Barentsee, können meist nicht vom Militär erbracht werden, sondern erfordern den Einsatz von Spezialisten aus der Privatwirtschaft. Solches Fachwissen in der Armee zu entwickeln, widerspräche allen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen.