WIFO

Ewald Walterskirchen

Schleppende Erholung im Jahr 2003

 

Prognose für 2003 und 2004

 

Die österreichische Wirtschaft wuchs 2002 um etwas weniger als 1%. Im Jahr 2003 ist wegen der weltweit gedrückten Stimmung lediglich mit einer zögernden Konjunkturbelebung zu rechnen. Das Wirtschaftswachstum wird in Österreich ebenso wie im Euro-Raum voraussichtlich 1¾% betragen und damit unter dem mittelfristigen Trend bleiben. Die Erwartungen der Unternehmen und Verbraucher hellen sich nur langsam auf. Zu hoch sind noch die Risken auf den internationalen Finanz-, Immobilien- und Energiemärkten. Aufgrund der gedämpften Expansion werden 2003 weder Arbeitslosigkeit noch Budgetdefizit zurückgehen.

 

Die Konjunkturprognose entsteht jeweils in Zusammenarbeit aller Mitarbeiter des WIFO. • Abgeschlossen am 18. Dezember 2002. • E-Mail-Adresse: Ewald.Walterskirchen@wifo.ac.at

 

INHALT

Aufschwung der Konjunktur in den USA nicht gefestigt

Sehr zögernde Belebung der europäischen Wirtschaft

Zinssenkung

BIP-Wachstum beschleunigt sich in Österreich nur langsam

Leistungsbilanz nahezu ausgeglichen

Steigender Umsatz mit dauerhaften Konsumgütern

Anstieg der Investitionen im Jahr 2003

Inflationsrate leicht rückläufig

Arbeitslosigkeit wird nur noch leicht steigen

Budgetdefizit von 1½% des BIP auch 2003

 

[1] Seit dem Sommer haben sich die Konjunkturaussichten für Europa verschlechtert. Die Wirtschaft erholte sich bisher nicht aus dem Konjunkturtief - im Gegensatz zu jener in den USA. Besonders ungünstig ist die Stimmung der Konsumenten und Unternehmen in Deutschland. Das hat nicht nur Folgen für die Export- und Tourismusaussichten Österreichs, sondern auch für die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Die Prognose für 2003 wurde deshalb für Österreich - ebenso wie für den Euro-Raum - um ½ Prozentpunkt nach unten revidiert.

[2] In den ersten drei Quartalen 2002 wuchs die österreichische Wirtschaft gegenüber dem Vorjahr um 0,8%. Die Konjunktur entwickelte sich im 1. Halbjahr noch zufriedenstellend, das reale Bruttoinlandsprodukt nahm von Quartal zu Quartal saisonbereinigt um etwa ½% zu. Im Sommer trübte sich jedoch die Stimmung der Unternehmen ein. Hier schlugen sich die Börsenkrise und die Zweifel an der Robustheit der internationalen Konjunktur nieder. Auch die Produktionsausfälle infolge der Hochwasserschäden wirkten kurzfristig dämpfend.

[3] Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen sank 2002 auf einen Tiefpunkt. In Ausrüstungsgüter wurde um gut ein Zehntel weniger investiert als im Vorjahr; dieser Rückgang fiel wesentlich stärker aus als im EU-Durchschnitt. Der private Konsum hielt dagegen auch 2002 besser der Konjunkturschwäche stand als etwa in Deutschland. Die Verbraucher gaben real um knapp 1% mehr aus als im Vorjahr. Die Ausgaben mit Investitionscharakter (Pkw-Käufe, Wohnbau) wurden allerdings beträchtlich gekürzt. Auch Export und Tourismus entwickelten sich angesichts des internationalen Konjunktureinbruchs relativ günstig. Die Exporteure konnten Marktanteile auf den außereuropäischen Märkten gewinnen.

[4] Das Wirtschaftswachstum lag 2002 mit fast 1% nahe an jenem Wert, den das WIFO schon im Dezember 2001 prognostiziert hatte (+1,2%). Im 2. Halbjahr 2002 waren jedoch keine Anzeichen einer raschen Belebung zu erkennen, das BIP-Wachstum dürfte deshalb 2003 nur 1,7% betragen. Die Wachstumsprognose des WIFO ist damit nahezu identisch mit jener der OeNB, der OECD und der EU-Kommission. Dieses Szenario setzt voraus, dass die Konjunkturflaute spätestens ab dem kommenden Sommer von einer merklichen Belebung abgelöst wird. Für eine solche Entwicklung spricht, dass sich das Vertrauen in die börsenotierten Unternehmen im IV. Quartal wieder gefestigt zu haben scheint und dass aufgeschobene Investitionen und Käufe dauerhafter Konsumgüter nachgeholt werden, um den Ersatzbedarf zu befriedigen. Die Zinssenkung durch die EZB sollte weiters dazu beitragen, die Stimmung zu verbessern und die Schuldner zu entlasten. Ein dämpfender Einfluss wird 2003 jedoch von der zu erwartenden Budgetkonsolidierung in einigen großen EU-Ländern ausgehen. Das ist in einer labilen Konjunkturphase ein wichtiger Risikofaktor. Die Prognoseunsicherheit zeigt sich jedoch daran, dass alle positiven Faktoren (Nachholen von Investitionen, niedrige Zinssätze usw.) auch schon für einen Aufschwung im Jahr 2002 gesprochen hätten. Zeitpunkt und Stärke eines Aufschwungs hängen erheblich vom Vertrauen in die künftige Wirtschaftsentwicklung ab. Der nun schon zwei Jahre andauernde Verfall der Aktienkurse hat dieses Vertrauen erschüttert[a]).

 

Hauptergebnisse der Prognose

 

 

 

 

 

 

 

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Bruttoinlandsprodukt

 

 

 

 

 

 

Real

+2,7

+3,5

+0,7

+0,9

+1,7

+2,3

Nominell

+3,4

+5,0

+2,3

+1,9

+3,0

+3,7

Sachgütererzeugung1), real

+3,0

+6,5

+1,3

+0,5

+2,5

+3,5

Private Konsumausgaben, real

+2,3

+3,3

+1,5

+0,9

+1,7

+2,2

Bruttoanlageinvestitionen, real

+2,1

+5,9

-2,2

-4,6

+2,9

+3,5

Ausrüstungen2)

+4,9

+11,8

-2,9

-10,0

+5,0

+6,0

Bauten

+0,0

+1,2

-1,5

±0,0

+1,2

+1,5

Warenexporte3)

 

 

 

 

 

 

Real

+7,7

+13,1

+7,5

+2,5

+5,5

+8,5

Nominell

+7,0

+15,6

+6,5

+2,5

+6,6

+9,6

Warenimporte3)

 

 

 

 

 

 

Real

+6,9

+10,9

+5,7

-3,5

+5,8

+8,0

Nominell

+6,7

+14,7

+5,0

-3,5

+6,9

+9,1

Leistungsbilanzsaldo             Mrd. €

-6,33

-5,36

-4,65

-0,25

-0,64

-0,95

                in % des BIP

-3,2

-2,6

-2,2

-0,1

-0,3

-0,4

Sekundärmarktrendite4)         in %

4,7

5,6

5,1

5,0

4,5

4,7

Verbraucherpreise

+0,6

+2,3

+2,7

+1,8

+1,5

+1,4

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

In % der Erwerbspersonen5)

3,9

3,7

3,6

4,1

4,2

4,0

In % der unselbständigen Erwerbspersonen6)

6,7

5,8

6,1

6,8

7,0

6,7

Unselbständig Beschäftigte7)

+1,2

+1,0

+0,4

-0,5

+0,1

+0,5

Finanzierungssaldo des Staates
(laut Maastricht-Definition)     in % des BIP

-2,3

-1,5

+0,2

-1,5

-1,5

-1,2

1) Nettoproduktionswert, einschließlich Bergbau. - 2) Einschließlich sonstiger Anlagen. - 3) Laut Statistik Austria. - 4) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren (Benchmark). - 5) Laut Eurostat. - 6) Laut Arbeitsmarktservice. - 7) Ohne Präsenzdiener und Bezieherinnen von Karenz- bzw. Kindergeld.

 

[5] Die Konjunkturschwäche und die ins Jahr 2001 vorgezogenen Steuerzahlungen verursachten 2002 einen Steuerausfall von rund 2 Mrd. €. Vor allem deshalb wies der Staatshaushalt nach WIFO-Schätzung ein Defizit von etwa 1½% des BIP auf. Auch im Jahr 2003 ist mit einem Budgetabgang von rund 1½% des BIP zu rechnen. Die leichte Belebung der Konjunktur wird nicht ausreichen, um das Defizit 2003 zu verringern, da aus dem Konjunkturpaket und den Maßnahmen zur Behebung der Hochwasserschäden zusätzliche Belastungen resultieren.

[6] Die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums hatte 2001 und 2002 einen ungewöhnlich starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge. Die Nachfrage nach Beschäftigten ging der Konjunkturlage entsprechend zurück, das Arbeitskräfteangebot nahm jedoch beträchtlich zu. Im 2. Halbjahr 2002 verflachte der Anstieg des Arbeitskräfteangebotes und der Arbeitslosigkeit. 2003 wird die allmähliche Erholung der Konjunktur eine Stagnation der Beschäftigung bewirken, die Arbeitslosigkeit dürfte nur noch leicht zunehmen.

[7] Der Preisauftrieb wird sich 2003 bei leicht anziehender Konjunktur insgesamt noch etwas verlangsamen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Festigung des Euro. Sein Kurs wird für 2003 mit 1 $ angenommen, um rund 10% über dem Wert von 2001. Das dämpft nicht nur die Preise der Importe aus dem Dollarraum, sondern auch aus den Euro-Ländern, weil deren Inflation ebenfalls durch den Anstieg des Euro-Kurses verlangsamt wird. Rund 60% der österreichischen Warenimporte kommen aus dem Euro-Raum. Dabei wird unterstellt, dass es nicht zu einem Irak-Krieg mit entsprechenden Konsequenzen für die Rohölpreise kommt.

[8] Das Szenario für 2004 ist angesichts der labilen Konjunkturlage noch sehr vage. Am ehesten ist für Österreich ebenso wie für den Euro-Raum ein Wirtschaftswachstum von 2% bis 2½% zu erwarten. Die Erfahrung[b]) hat jedoch gezeigt, dass Prognosen für das übernächste Jahr nur wenig besser sind als Trendfortschreibungen. Die Dezember-Prognose für das kommende Jahr hat dagegen eine relativ hohe Treffsicherheit - wie auch die WIFO-Prognose vom letzten Jahr belegt.

 

Indikatoren der Wirtschaftsentwicklung und der Wirtschaftspolitik

1) In der Sachgütererzeugung, gegenüber den Handelspartnern, in einheitlicher Währung. - 2) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von 10 Jahren (Benchmark). - 3) Ohne Bezieher und Bezieherinnen von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdiener.

Aufschwung der Konjunktur in den USA nicht gefestigt

[9] Die Wirtschaft der USA zeigt seit etwa einem Jahr eine Aufwärtstendenz. Es fehlt aber das Vertrauen in die Robustheit und Stärke des Aufschwungs. Die Fortsetzung des Aktienkursverfalls im Sommer und Herbst kann als Ausdruck enttäuschter Konjunkturerwartungen interpretiert werden. In den letzten Monaten hat sich zwar die Situation an den Börsen stabilisiert, aktuelle Daten lassen aber Zweifel an der Tragfähigkeit des Aufschwungs aufkommen: Der Einkaufsmanagerindex und die Arbeitsmarktdaten vom November blieben unter den Erwartungen. Auch das Konsumentenvertrauen ist ziemlich labil.

[10] Immerhin wuchs die Wirtschaft der USA 2002 um 2¼% - doppelt so rasch wie die der EU. Im III. Quartal betrug der Vorjahresabstand mehr als +3%. Insbesondere ziehen die Ausrüstungsinvestitionen allmählich an. Das könnte die Basis für einen selbsttragenden Konjunkturaufschwung bilden. Für das Jahr 2003 rechnen die meisten Forschungsinstitute mit einem Wirtschaftswachstum von 2½% bis 3%. Einen Risikofaktor für einen anhaltenden Konjunkturaufschwung bilden nicht nur die labilen Börsenkurse, sondern auch die rasch steigenden Immobilienpreise, die wesentlich zum Konsumwachstum beitragen. Die Anleger haben ihre Portefeuilles von Aktien zu Immobilien umgeschichtet. Ein Platzen der Immobilienblase könnte das Vertrauen und den privaten Konsum stark beeinträchtigen. Vermögensgewinne und -verluste erhalten mit wachsendem Reichtum einer Volkswirtschaft immer mehr Bedeutung für die Realwirtschaft. Höheres Vermögen eröffnet auch ein größeres Verschuldungspotential. Die Schwankungen der Aktienkurse, die Tag für Tag von den Medien kolportiert werden, beeinflussen die Stimmung und die Realwirtschaft heute stärker als in vergangenen Konjunkturzyklen. Sie können einen Aufschwung ebenso wie einen Abschwung spürbar verlängern. Die Baisse oder Hausse auf den Finanzmärkten und das Vertrauen von Konsumenten und Unternehmen verstärken einander gegenseitig. Deshalb ist es nicht verfehlt, die Aktienkurse als Indikator für die Wirtschaftsentwicklung in der nahen Zukunft zu sehen.

 

Annahmen über die internationale Konjunktur

 

 

 

 

 

 

 

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Bruttoinlandsprodukt, real

 

 

 

 

 

 

OECD insgesamt

+3,2

+3,8

+0,8

+1,3

+2,0

+2,5

USA

+4,1

+3,8

+0,3

+2,3

+2,6

+3,0

Japan

+0,7

+2,8

+0,3

-1,0

+1,0

+1,5

EU

+2,8

+3,5

+1,6

+1,0

+1,8

+2,5

Euro-Raum

+2,8

+3,5

+1,5

+0,7

+1,8

+2,5

Deutschland

+2,0

+2,9

+0,6

+0,3

+1,3

+2,3

Ost-Mitteleuropa1)

+3,2

+3,9

+2,3

+1,5

+2,8

+3,5

Welthandel, real

+6,0

+12,7

±0,0

+2,5

+7,0

+8,5

OECD-Exporte

+5,7

+12,0

-0,4

+1,0

+6,5

+8,0

Intra-OECD-Handel

+7,8

+11,4

-0,9

±0,0

+5,0

+7,0

Marktwachstum2) Österreichs

+7,4

+12,8

+2,2

+1,0

+5,5

+7,5

Weltmarkt-Rohstoffpreise3)

 

 

 

 

 

 

Insgesamt

+12,0

+32,0

-11,0

+2,0

+3,0

+2,0

Ohne Rohöl

-8,0

+1,0

-7,0

-3,0

+4,0

-2,0

Erdölpreis4)            $ je Barrel

17,3

28,0

23,5

24,5

25,0

25,0

Wechselkurs          $ je Euro

1,067

0,924

0,896

0,94

1,00

1,00

1) Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn. - 2) Veränderungsrate der realen Importe der Partnerländer gewichtet mit österreichischen Exportanteilen. - 3) HWWA-Index, Dollarbasis. - 4) Durchschnittlicher Importpreis der OECD (cif).

 

[11] Die Wirtschaft Asiens zeigt zunehmend Auftriebstendenzen. Das gilt vor allem für China und die südostasiatischen "Tigerstaaten". In Japan kann nur eine leichte Erholung konstatiert werden, die bisher auf den Export beschränkt bleibt. Südamerika steht noch unter dem Eindruck der Folgen der Argentinienkrise, hier hat sich die Lage bisher kaum entspannt.

Sehr zögernde Belebung der europäischen Wirtschaft

[12] In der Euro-Zone blieb die Wirtschaftsentwicklung deutlich hinter den Erwartungen zurück. Das reale BIP wuchs 2002 um nur etwa ¾%. Dieses mäßige Wachstum, das nur halb so hoch ausfiel wie 2001, ging fast ausschließlich auf den steigenden Außenbeitrag zurück: Die Exporte in den außereuropäischen Raum nahmen zu, und die schwache Investitions- und Konsumnachfrage ließ die Importe beträchtlich sinken.

[13] Die Wirtschaft entwickelte sich in der EU 2002 viel schwächer als in den USA. Sie profitierte relativ wenig von der Konjunkturerholung in den USA und in Asien, insbesondere übertrug sich die Exportsteigerung nicht auf die Inlandsnachfrage. Dabei ist zu bedenken, dass die USA - wegen der größeren Verbreitung von privatem Aktienbesitz - wesentlich stärker als Europa vom Verfall der Börsenkurse und den Bilanzfälschungen in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Ein wichtiger Unterschied zwischen den USA und der EU liegt in der Wirtschaftspolitik: Die Fiskal- und Geldpolitik reagierte in den USA sehr entschieden auf die Rezession. Der Budgetsaldo drehte sich von einem Überschuss im Jahr 2000 in ein Defizit von rund 3% des BIP. Die Leitzinssätze wurden so stark gesenkt, dass sie real sogar negativ wurden. Man mag daran kritisieren, dass die Wirtschaftspolitik jetzt kaum mehr Handlungsspielraum hat. In der EU reagierte die Wirtschaftspolitik nur halbherzig auf die Rezession. Sie hielt strikt an ihren langfristigen Budget- und Inflationszielen fest, konkrete Wachstumsziele sehen die Stabilitätsrichtlinien nicht vor. Die EU hat zwar mehr Handlungsspielraum als die USA, aber sie nützt ihn nicht zur Rezessionsbekämpfung. Der Vorschlag, das strukturelle Budgetdefizit jährlich um ½% des BIP zu verringern, ist zwar als mittelfristige Strategie zu begrüßen. In einer Phase der ausgeprägten Konjunkturschwäche konterkariert diese Politik jedoch die automatischen Stabilisatoren.

[14] Der vorauseilende Konjunkturindikator der EU-Kommission deutet für das I. Quartal 2003 auf eine Abschwächung der ohnehin sehr geringen Auftriebstendenzen hin. Nach den Prognosen der meisten Forschungsinstitute dürfte die Wirtschaft des Euro-Raums 2003 um nur 1½% bis 2% wachsen. Risken für die Konjunktur gehen von der restriktiven Budgetpolitik in einigen großen EU-Ländern aus.

[15] In Deutschland expandierte das BIP 2002 real um nur ¼%. Dies war die geringste Rate unter allen EU-Staaten. Die Hauptursachen liegen in den hohen Belastungen durch die Wiedervereinigung, in der ausgeprägten Baukrise und im wirtschaftspolitischen Reformstau. Derzeit überlegt die deutsche Bundesregierung, eine Endbesteuerung der Zinsen einzuführen - wie dies in Österreich vor einem Jahrzehnt geschah. Ein besonderes Problem bedeutet die Krise des Bankensektors in Deutschland: Die Banken mussten viele Kredite als uneinbringlich abschreiben, und das früher lukrative Geschäft mit Investmentfonds und Aktien ist zusammengebrochen. Hohe Wertberichtigungen und schrumpfende Provisionserträge im Wertpapierhandel hatten 2002 - ebenso wie in Österreich - einen starken Rückgang der Wertschöpfung des Bankensektors zur Folge. Auch die Versicherungen sind von hohen Schadenszahlungen (Hochwasser) und sinkenden Börsenkursen betroffen.

[16] In den Ländern Ost-Mitteleuropas entwickelt sich die Wirtschaft unterschiedlich. In Polen und Tschechien wird die Konjunktur durch die reale Aufwertung gebremst, in Ungarn ist sie aufwärts gerichtet. Das Wirtschaftswachstum dürfte in Ost-Mitteleuropa 2003 2½% bis 3% erreichen. Die im Dezember beschlossene EU-Erweiterung verringert die Investitionsrisken in den Beitrittsländern.

Zinssenkung

[17] Die Europäische Zentralbank hat die Leitzinsen im Dezember um ½ Prozentpunkt gesenkt und damit auf die Verringerung der Inflationsrisken im Gefolge der enttäuschenden Konjunkturentwicklung in Europa reagiert. Die Zinssenkung ist ein wichtiges Signal, das dazu beiträgt, die Stimmung zu verbessern und die Finanzmarktentwicklung zu stabilisieren. Die Erwartung eines "automatischen" Konjunkturaufschwungs sollte jedoch auch aus wiederholten Zinssenkungen nicht abgeleitet werden. Der Lag der Nachfragereaktion auf Zinssenkungen ist im Konjunkturzyklus keineswegs stabil. Wann die Unternehmen und Verbraucher mit ihren Ausgaben auf Zinssignale reagieren, hängt entscheidend von psychologischen Faktoren - vom Vertrauen in die künftige Wirtschaftsentwicklung - ab. Diese unterliegen jedoch auch vielen anderen Einflüssen (z. B. Aktienkurse, Immobilienpreise, Arbeitslosigkeit). Der Euroframe-Indikator etwa lieferte zwei Jahre lang hervorragende Ergebnisse, brach aber im letzten Jahr als Prognoseinstrument für das BIP-Wachstum in den kommenden Quartalen zusammen. Er überschätzte das Wachstum um fast 1 Prozentpunkt. Der Rückgang der Zinssätze - als wichtige Komponente des Euroframe-Indikators - ließ einen positiven Wachstumsbeitrag von mehr als 1 Prozentpunkt erwarten. Tatsächlich verbesserte sich jedoch die Inlandsnachfrage nicht, das Vertrauen der Konsumenten in die Wirtschaftsentwicklung trübte sich sogar deutlich ein.

[18] Im kommenden Jahr wird sich der Preisauftrieb im Euro-Raum weiter beruhigen. Die Inflationsrate dürfte nach den jüngsten Prognosen der EU-Kommission auf 2% und 2004 unter diese Marke sinken. Da die Konjunktur im 1. Halbjahr 2003 noch sehr schwach bleiben wird, könnte die EZB die Zinssätze neuerlich senken. Auch die langfristigen Zinssätze werden im Jahresdurchschnitt 2003 weiter zurückgehen; dazu trägt die Umschichtung der Portefeuilles von Aktien zu Anleihen wesentlich bei.

BIP-Wachstum beschleunigt sich in Österreich nur langsam

[19] Das reale BIP wuchs in Österreich 2002 um etwas weniger als 1%. Die Dynamik blieb jedoch vor allem im 2. Halbjahr schwach, der Konjunkturaufschwung kam nicht wie erwartet in Gang. Ohne positiven Außenbeitrag hätte die Wirtschaft 2002 stagniert. Die Ausrüstungsinvestitionen waren viel schwächer als erwartet. Die günstigere Bautätigkeit und der starke Rückgang der Importe glichen jedoch den Effekt des massiven Investitionseinbruchs auf das Wirtschaftswachstum weitgehend aus.

[20] Im Durchschnitt der ersten drei Quartale stieg das reale BIP um 0,8% (III. Quartal +0,9%). Saisonbereinigt trat nach einem spürbaren Anstieg im 1. Halbjahr eine Wachstumspause im III. Quartal ein. Diese kann vorwiegend auf die Auswirkungen des Kurssturzes an den Börsen zurückgeführt werden, verstärkt wurde sie durch die Produktionsausfälle im Gefolge der Hochwasserkatastrophe.

 

Produktivität

 

 

 

 

 

 

 

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Gesamtwirtschaft

 

 

 

 

 

 

Bruttoinlandsprodukt, real

+2,7

+3,5

+0,7

+0,9

+1,7

+2,3

Erwerbstätige1)

+1,4

+0,8

+0,7

-0,1

+0,3

+0,7

Vollzeitäquivalent

+1,3

+0,9

+0,5

-0,4

+0,1

+0,4

Produktivität (BIP je Erwerbstätigen)

+1,3

+2,8

+0,0

+1,1

+1,4

+1,7

Vollzeitäquivalent

+1,5

+2,6

+0,2

+1,3

+1,6

+1,9

 

 

 

 

 

 

 

Sachgütererzeugung

 

 

 

 

 

 

Produktion2)

+3,1

+6,5

+1,2

+0,5

+2,5

+3,5

Beschäftigte3)

-0,7

+0,0

+0,2

-2,5

-1,3

-0,5

Stundenproduktivität4)

+4,5

+6,6

+1,4

+4,1

+3,7

+3,5

Geleistete Arbeitszeit je Beschäftigten5)

-0,6

-0,1

-0,4

-1,0

+0,1

+0,5

1) Unselbständige (Beschäftigungsverhältnisse) und Selbständige laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung. - 2) Nettoproduktionswert, real. - 3) Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. - 4) Produktion je geleistete Beschäftigtenstunde. - 5) Laut Konjunkturerhebung von Statistik Austria.

 

[21] Die jüngsten WIFO-Konjunkturumfragen für die österreichische Sachgüterproduktion zeigen für die aktuelle Situation eine leichte Aufwärtstendenz. Die überzogenen Zukunftserwartungen wurden an die Realität angepasst.

[22] Das Wirtschaftswachstum dürfte in Österreich 2003 mit 1,7% ähnlich ausfallen wie im Euro-Raum - geringfügig niedriger, weil die Schwäche der deutschen Wirtschaft auch Österreich trifft. Eine deutliche Verbesserung der Exporte ist die Voraussetzung für das Anspringen der Investitionstätigkeit. Die BIP-Steigerung bleibt damit hinter dem mittelfristigen Trend zurück und weicht vom Muster eines "normalen" Konjunkturaufschwungs ab. Der Prognose für 2003 liegt die Annahme zugrunde, dass nach der Wachstumspause spätestens ab dem Sommer 2003 eine deutliche Erholung einsetzt. Eine solche Prognose ist noch mit vielen Risken behaftet, die vor allem von der internationalen Konjunktur, den Finanz- und Immobilienmärkten sowie der Kriegsgefahr im Irak ausgehen.

Leistungsbilanz nahezu ausgeglichen

[23] Im Jahr 2002 entwickelte sich der österreichische Export vor dem Hintergrund der internationalen Konjunkturschwäche relativ gut. Die realen Warenexporte wurden um 2½% ausgeweitet. Diese Rate lag um mehr als 1 Prozentpunkt über dem Marktwachstum. Den heimischen Exporteuren gelang es also, Marktanteile auf dem Weltmarkt zu gewinnen. Sie konnten die Ausfuhr in die USA, nach Asien und Ost-Mitteleuropa deutlich erhöhen; dies glich die Stagnation der Exporte in den Euro-Raum aus. Die Bearbeitung dieser Märkte ist aber in der Regel mit höheren Risken verbunden.

[24] Der Außenbeitrag war 2002 die wichtigste Komponente des Wirtschaftswachstums. Die realen Warenimporte gingen merklich zurück, da die Nachfrage nach Investitionsgütern und Pkw einbrach. Handels- und Leistungsbilanz verbesserten sich dadurch massiv. Die Leistungsbilanz war erstmals seit 1991 nahezu ausgeglichen.

[25] Mit der erwarteten Belebung der internationalen Konjunktur wird sich 2003 auch die Ausweitung der Exporte in die EU beschleunigen. Die realen Warenexporte könnten unter dieser Annahme real um 5% bis 6% zunehmen. Die Leistungsbilanz dürfte sich dennoch verschlechtern, weil die Importe mit der Belebung der Investitionstätigkeit noch etwas stärker steigen dürften.

[26] Der Tourismus hielt dem internationalen Konjunktureinbruch im Jahr 2002 gut stand. Die reale Wertschöpfung des Beherbergungs- und Gaststättenwesens war um mehr als 2% höher als im Vorjahr. 2003 ist mit etwas schwächeren Zuwächsen zu rechnen, da der Tourismus zunehmend vom Konjunkturpessimismus in Deutschland betroffen sein wird.

Steigender Umsatz mit dauerhaften Konsumgütern

[27] Die privaten Konsumausgaben wirkten in den vergangenen zwei Jahren konjunkturstabilisierend. 2002 wurden sie real um knapp 1% ausgeweitet. Anschaffungen dauerhafter Konsumgüter und Wohnbauentscheidungen schoben die privaten Haushalte aber aufgrund unsicherer Erwartungen häufig auf. Im kommenden Jahr dürfte sich die Stimmung der Verbraucher so weit festigen, dass diese Käufe nachgeholt werden. Unter dieser Voraussetzung wird der private Konsum 2003 um 1½% bis 2% steigen.

 

Konsum, Einkommen und Preise

 

 

 

 

 

 

 

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %, real

 

 

 

 

 

 

 

Private Konsumausgaben1)

+2,3

+3,3

+1,5

+0,9

+1,7

+2,2

Dauerhafte Konsumgüter

+7,3

+3,8

+2,0

-2,0

+2,8

+4,2

Nichtdauerhafte Konsumgüter und Dienstleistungen

+1,6

+3,2

+1,4

+1,3

+1,5

+1,9

Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte

+2,1

+1,9

-0,2

+1,2

+1,6

+2,1

Sparquote der privaten Haushalte2)

 

 

 

 

 

 

In % des verfügbaren Einkommens

7,9

6,2

4,6

5,0

5,4

5,7

 

 

 

 

 

 

 

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

 

Direktkredite an inländischen Nichtbanken (Jahresendstände)

+5,2

+6,7

+3,5

+2,8

+3,8

+4,0

 

 

 

 

 

 

 

 

In %

 

 

 

 

 

 

 

Inflationsrate

 

 

 

 

 

 

National

0,6

2,3

2,7

1,8

1,5

1,4

Harmonisiert

0,5

2,0

2,3

1,8

1,6

1,5

Kerninflation3)

0,6

0,9

2,2

2,1

1,9

1,6

1) Private Haushalte einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. - 2) Einschließlich Zunahme betrieblicher Versorgungsansprüche. - 3) Ohne Energie und unverarbeitete Nahrungsmittel (Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse).

 

[28] Das reale verfügbare Einkommen der privaten Haushalte wird 2003 etwa im gleichen Ausmaß wie das reale Bruttoinlandsprodukt zunehmen. Die Sparquote könnte sich dann nach ihrem historischen Tief im Jahr 2001 (4,6%) weiter erhöhen.

Anstieg der Investitionen im Jahr 2003

[29] Die Ausrüstungsinvestitionen (Maschinen und Fahrzeuge) werden seit 2001 eingeschränkt; 2002 verstärkte sich diese Tendenz massiv. Sinkende Kapazitätsauslastung und unsichere Zukunftserwartungen ließen die Ausrüstungsinvestitionen 2002 um rund ein Zehntel hinter dem Vorjahresniveau zurückbleiben. Der empfindliche Rückgang der Fahrzeuginvestitionen spiegelt sich in den Neuzulassungen von Lkw. Da Investitionsgüter überwiegend importiert werden, schlug sich dies in einem kräftigen Importrückgang nieder.

[30] Der Einbruch der Investitionstätigkeit bot neben der steigenden Arbeitslosigkeit einen wichtigen Anlass für das Konjunktur- und Beschäftigungspaket der Bundesregierung. Die bis Ende 2003 befristete Investitionsprämie von 10% liefert einen Anreiz, geplante Investitionen in das Jahr 2002 zu verschieben. Im Jahr 2003 dürften die Ausrüstungsinvestitionen - unter Berücksichtigung dieser Effekte - um etwa 5% ausgeweitet werden. Der WIFO-Investitionstest vom Herbst ergibt für die Sachgüterproduktion einen nominellen Investitionsrückgang um 9½% 2002 und einen Anstieg um 5½% im Jahr 2003. Möglicherweise verschieben die Unternehmen auch Projekte von 2002 auf Anfang 2003, um damit eine höhere Investitionsprämie zu lukrieren[c]). Ein Umschwung in der Investitionstätigkeit setzt zweifellos die erwartete Verbesserung der Stimmung auf internationaler und nationaler Ebene voraus. Zinssenkungen und Steuererleichterungen für Investitionen sind zwar hilfreich und notwendig. Sie genügen aber mitunter nicht, um negative Einflüsse von den Finanz- und Immobilienmärkten auszugleichen.

 

Entwicklung der Bruttowertschöpfung

Zu Herstellungspreisen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2001

2002

2003

2004

2001

2002

2003

2004

 

Mrd. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Real (zu Preisen von 1995)

 

 

 

 

 

 

 

 

Land- und Forstwirtschaft

4,62

4,59

4,59

4,59

-0,7

-0,5

±0,0

±0,0

Sachgütererzeugung und Bergbau1)

40,61

40,81

41,83

43,29

+1,3

+0,5

+2,5

+3,5

Energie- und Wasserversorgung

5,41

5,96

6,10

6,23

+1,7

+10,0

+2,5

+2,0

Bauwesen

13,36

13,42

13,58

13,79

-4,8

+0,5

+1,2

+1,5

Handel2)

24,41

24,70

25,19

25,82

-0,3

+1,2

+2,0

+2,5

Beherbergungs- und Gaststättenwesen

7,42

7,58

7,72

7,95

+5,9

+2,2

+1,8

+3,0

Verkehr und Nachrichtenübermittlung

13,98

14,05

14,26

14,57

-0,9

+0,5

+1,5

+2,2

Kreditinstitute und Versicherungen

13,53

12,78

12,78

12,97

-0,5

-5,5

±0,0

+1,5

Grundstücks- und Wohnungswesen3)

28,87

29,31

29,89

30,64

+4,3

+1,5

+2,0

+2,5

Öffentliche Verwaltung4)

11,70

11,64

11,58

11,58

-0,2

-0,5

-0,5

±0,0

Sonstige Dienstleistungen

24,79

24,99

25,37

25,87

+0,2

+0,8

+1,5

+2,0

Wertschöpfung der Wirtschaftsbereiche5)

188,69

189,84

192,91

197,32

+0,7

+0,6

+1,6

+2,3

Bruttoinlandsprodukt

198,67

200,50

203,89

208,67

+0,7

+0,9

+1,7

+2,3

1) Einschließlich Gewinnung von Steinen und Erden. - 2) Einschließlich Reparatur von Kfz und Gebrauchsgütern. - 3) Einschließlich Vermietung beweglicher Sachen und Erbringung von unternehmensbezogenen Dienstleistungen. - 4) Einschließlich Landesverteidigung und Sozialversicherung. - 5) Vor Abzug der unterstellten Bankgebühr und der Gütersubventionen und vor Zurechnung der Gütersteuern.

 

 

 

Löhne, Wettbewerbsfähigkeit

 

 

 

 

 

 

 

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

 

 

 

 

 

 

 

Bruttoverdienste1)

+1,8

+2,5

+1,4

+2,2

+2,2

+2,4

Vollzeitäquivalent

+2,2

+2,7

+1,7

+2,5

+2,4

+2,7

Realeinkommen1)

 

 

 

 

 

 

Brutto

+1,0

+0,9

-0,6

+0,4

+0,7

+1,0

Netto

+0,5

+1,5

-1,0

-0,3

+0,2

+0,5

Nettomasseneinkommen, nominell

+3,7

+4,5

+1,9

+2,3

+2,2

+2,5

Lohnstückkosten

 

 

 

 

 

 

Gesamtwirtschaft

+0,4

-0,5

+1,4

+1,1

+0,8

+0,7

Sachgütererzeugung

-1,2

-4,5

+1,8

-0,7

-0,5

-0,0

Relative Lohnstückkosten2)

 

 

 

 

 

 

Gegenüber dem Durchschnitt der Handelspartner

-2,1

-5,4

-0,2

-1,7

-0,6

-0,8

Gegenüber Deutschland

-0,8

-1,8

+0,3

-1,7

-0,6

-0,7

Effektiver Wechselkursindex Industriewaren

 

 

 

 

 

Nominell

+0,6

-2,7

+0,9

+0,6

+0,7

+0,1

Real

-1,3

-3,5

+0,3

+0,3

+0,2

-0,1

1) Je Beschäftigungsverhältnis (laut VGR). - 2) In der Sachgütererzeugung, in einheitlicher Währung; Minus bedeutet Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit.

 

[31] Die Bauwirtschaft war vom Konjunktureinbruch zunächst stärker betroffen als die Sachgüterproduktion. Im Laufe des Jahres 2002 stabilisierte sich die Situation jedoch vor allem im Tiefbau. Die Bauprognose des WIFO kann deshalb nach oben korrigiert werden. Die gesamten Bauinvestitionen stagnierten 2002 auf dem Vorjahresniveau. Der Tiefbau (Straße, Bahn) verzeichnete Zuwächse, der Wohnungsneubau war dagegen weiterhin rückläufig. Die Stabilisierung der Immobilienpreise deutet jedoch auf eine Wende in den nächsten Jahren hin. 2002 wurden in der Bauwirtschaft weiterhin Beschäftigte abgebaut, da der schlechter beschäftigte Wohnbau eine höhere Arbeitsintensität als der Tiefbau aufweist. Im kommenden Jahr ist mit einem leichten Zuwachs der Bauproduktion zu rechnen. Die Impulse des Konjunkturpaketes, die 2002 zu wirken begannen, werden sich fortsetzen. Wegen der bis Ende 2003 möglichen vorzeitigen Abschreibung (7%) werden auch Bauinvestitionen vorgezogen werden. Der Anstieg der realen Bautätigkeit dürfte aber wegen der Schwäche des Wohnungsneubaus wieder hinter der BIP-Wachstumsrate zurückbleiben.

 

Entwicklung der Nachfrage

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2001

2002

2003

2004

2001

2002

2003

2004

 

Mrd. €

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Real (zu Preisen von 1995)

 

 

 

 

 

 

 

 

Konsumausgaben insgesamt

148,90

150,28

152,19

154,88

+1,0

+0,9

+1,3

+1,8

Private Haushalte1)

111,88

112,89

114,80

117,30

+1,5

+0,9

+1,7

+2,2

Staat

37,02

37,39

37,39

37,58

-0,5

+1,0

±0,0

+0,5

Bruttoinvestitionen

46,02

44,46

46,03

48,14

-4,0

-3,4

+3,5

+4,6

Bruttoanlageinvestitionen

45,97

43,85

45,10

46,68

-2,2

-4,6

+2,9

+3,5

Ausrüstungen2)

21,21

19,09

20,05

21,25

-2,9

-10,0

+5,0

+6,0

Bauten

24,76

24,76

25,06

25,43

-1,5

±0,0

+1,2

+1,5

Vorratsveränderung3)

0,05

0,61

0,93

1,46

 

 

 

 

Statistische Differenz

0,48

0,00

0,00

0,00

 

 

 

 

Inländische Verwendung

195,40

194,74

198,22

203,02

-0,1

-0,3

+1,8

+2,4

Exporte

107,04

108,42

113,57

121,53

+7,4

+1,3

+4,7

+7,0

Reiseverkehr

10,40

10,77

10,97

11,35

+5,4

+3,6

+1,9

+3,4

Minus Importe

103,76

102,66

107,90

115,89

+5,9

-1,1

+5,1

+7,4

Reiseverkehr

8,35

8,10

8,06

8,22

+5,1

-3,0

-0,5

+2,0

Bruttoinlandsprodukt

198,67

200,50

203,89

208,67

+0,7

+0,9

+1,7

+2,3

Nominell

211,86

215,97

222,39

230,53

+2,3

+1,9

+3,0

+3,7

1) Einschließlich privater Organisationen ohne Erwerbszweck. - 2) Einschließlich immaterieller Anlagen, sonstiger Ausrüstungen, Nutztiere und Nutzpflanzungen. - 3) Einschließlich Nettozugang an Wertsachen.

Inflationsrate leicht rückläufig

[32] Seit etwa zwei Jahren hat die Inflationsrate sinkende Tendenz. Die Verbraucherpreise stiegen 2002 um 1,8%, dank der Beruhigung der Energiepreise um fast 1 Prozentpunkt langsamer als 2001. 2003 dürfte die Teuerungsrate auf 1,5% zurückgehen. Der erstarkte Euro-Kurs wird die Importpreise dämpfen, und die Saisonwarenpreise dürften sich nach dem kräftigen Anstieg 2002 im Jahr darauf normalisieren. Die Lohnrunde fiel im privaten Sektor wegen der nachlassenden Inflation niedriger aus als im Vorjahr. Von den Lohnkosten her ist also kein Anstieg der Inflationsrate zu befürchten. Die Löhne je Beschäftigten dürften 2003 ähnlich wie im abgelaufenen Jahr um rund 2¼% angehoben werden. Im privaten Sektor werden die Einkommen langsamer wachsen, im öffentlichen Sektor wesentlich rascher als 2002. Einen wichtigen Unsicherheitsfaktor bilden die Rohölpreise: Im Fall eines Irak-Krieges wäre ein sprunghafter Anstieg der Erdölpreise zu erwarten, dessen Dauer wahrscheinlich mit jener des Krieges zusammenhinge.

Arbeitslosigkeit wird nur noch leicht steigen

[33] Die Konjunkturschwäche verschlechterte die Arbeitsmarktlage 2001 und 2002 deutlich. Die Zahl der Arbeitsplätze war im Jahresdurchschnitt 2002 um rund 14.000 (-0,5%) niedriger als im Vorjahr[d]). Von den Arbeitsplatzverlusten besonders betroffen waren die Sachgüterproduktion, die Bauwirtschaft und zuletzt auch der Handel. Der Abbau von Stellen im öffentlichen Dienst und im Verkehrsbereich (Post, Telekom, ÖBB) erfolgte überwiegend durch Pensionierungen. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten, die in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung mit erfasst sind, nahm 2002 weiterhin kräftig zu.

Der Konjunktureinbruch hatte 2002 einen ungewöhnlich starken Anstieg der Arbeitslosigkeit zur Folge, weil gleichzeitig das Arbeitskräfteangebot zunahm. 2003 wird die mäßige Erholung der Konjunktur eine Stagnation der Beschäftigung bewirken, die Arbeitslosenquote dürfte nur noch leicht steigen.

[34] Die Zahl der Arbeitsplätze wurde etwa in jenem Ausmaß verringert, wie es aufgrund der Konjunkturabschwächung zu erwarten war. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit ging jedoch über den konjunkturbedingten Effekt hinaus. Die Arbeitslosenquote (laut Eurostat) stieg 2002 von 3,6% auf 4,1%. Budgetpolitisch relevanter ist die Zahl der Arbeitslosen laut AMS, weil für diese Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe gezahlt werden muss. Sie erhöhte sich 2002 um 28.000. Wegen des Aufnahmestopps in vielen Betrieben waren zunehmend auch Jüngere von Arbeitslosigkeit betroffen.

[35] Der überdurchschnittlich starke Anstieg der Arbeitslosigkeit ging auf den deutlichen Zuwachs des Arbeitskräfteangebotes zurück (+15.000). Dieser steht im Gegensatz zu der in der Vergangenheit beobachteten hohen prozyklischen Flexibilität des Arbeitskräfteangebotes. Die Hauptursachen für die Angebotsausweitung lagen im steigenden Angebot an ausländischen Arbeitskräften sowie in der Anhebung des Frühpensionierungsalters und der Erhöhung des inländischen Angebotes durch Einbürgerungen. Im 2. Halbjahr verringerte sich der Anstieg des Arbeitskräfteangebotes und damit auch der Arbeitslosigkeit deutlich. Das deutet auf eine bevorstehende Stabilisierung der Arbeitslosigkeit im Jahr 2003 hin. Die merkliche Zunahme der Arbeitslosigkeit hängt auch damit zusammen, dass die Beschäftigung besonders in jenen Branchen (Sachgütererzeugung, Bauwirtschaft) zurückging, in denen der Arbeitsplatzverlust typischerweise zu Arbeitslosigkeit führt.

[36] Die Bundesregierung reagierte auf die Verschlechterung der Arbeitsmarktlage und beschloss im September ein Konjunkturpaket. Die bis Ende 2003 befristete Investitionsprämie, die Verlängerung der Maßnahmen im Rahmen des "Jugendauffangnetzes" sowie Prämien für die Einstellung von Lehrlingen sollen dem Beschäftigungseinbruch entgegenwirken.

 

Arbeitsmarkt

 

 

 

 

 

 

 

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

 

Veränderung gegen das Vorjahr in 1.000

Nachfrage nach Arbeitskräften

 

 

 

 

 

 

Unselbständig und selbständig Erwerbstätige1)

+38,2

+30,8

+15,1

-13,1

+5,9

+18,0

Unselbständig Beschäftigte insgesamt1)2)

+37,2

+28,9

+13,6

-14,2

+4,0

+16,0

Veränderung gegen
das Vorjahr    in %

+1,2

+1,0

+0,4

-0,5

+0,1

+0,5

Ausländische Arbeitskräfte

+7,8

+13,4

+9,5

+5,0

+6,0

+12,0

Selbständige3)

+1,0

+1,9

+1,5

+1,1

+1,9

+2,0

 

 

 

 

 

 

 

Angebot an Arbeitskräften

 

 

 

 

 

 

Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter

 

 

 

 

 

 

15- bis 64-Jährige

+19,8

+25,2

+28,1

+22,9

+19,1

+1,0

15- bis 59-Jährige

-2,6

-17,5

-14,2

-5,5

+3,1

+3,0

Erwerbspersonen im Inland1)

+22,2

+3,4

+24,7

+14,9

+11,9

+10,0

 

 

 

 

 

 

 

Überschuss an Arbeitskräften

 

 

 

 

 

 

Vorgemerkte Arbeitslose4)

-16,1

-27,4

+9,6

+28,0

+6,0

-8,0

Stand in 1.000

221,7

194,3

203,9

231,9

237,9

229,9

Arbeitslosenquote

 

 

 

 

 

 

In % der Erwerbspersonen (laut Eurostat)

3,9

3,7

3,6

4,1

4,2

4,0

In % der Erwerbspersonen (laut AMS)

6,0

5,3

5,5

6,2

6,3

6,0

In % der unselbständigen Erwerbspersonen (laut AMS)

6,7

5,8

6,1

6,8

7,0

6,7

Erwerbsquote1)5)

71,2

71,5

72,2

72,6

72,8

72,9

Beschäftigungsquote1)6)

66,9

67,7

68,2

68,0

68,1

68,4

1) Bezieher und Bezieherinnen von Karenz- bzw. Kinderbetreuungsgeld, ohne Präsenzdiener. - 2) Laut Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger. - 3) Laut WIFO. - 4) Laut Arbeitsmarktservice. - 5) Erwerbspersonen in % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15- bis 59-Jährige). - 6) Erwerbstätige in % der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15- bis 59-Jährige).

 

[37] Im Jahr 2003 wird die allmähliche Belebung der Wirtschaft die Nachfrage nach Beschäftigten geringfügig anheben (+4.000). Die Zahl der Arbeitslosen dürfte infolge der Stabilisierung der Beschäftigung - unterstützt durch die beschlossenen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen - nur noch leicht zunehmen. Der Arbeitsmarkt reagiert jedoch sehr sensibel auf mögliche Korrekturen der Wachstumsprognosen.

Budgetdefizit von 1½% des BIP auch 2003

Der Konjunktureinbruch hatte erhebliche Steuerausfälle zur Folge, sodass der Staatshaushalt im Jahr 2002 nach WIFO-Schätzung ein Defizit von 1½% des BIP aufwies. 2003 wird das mäßige BIP-Wachstum nicht ausreichen, um das Defizit zu verringern, da aus dem Konjunkturpaket und den Maßnahmen nach der Flutkatastrophe zusätzliche Belastungen resultieren.

[38] Der Finanzierungssaldo des Gesamtstaates dürfte im Jahr 2002 statt des angestrebten "Nulldefizits" rund -1½% des BIP betragen. Der Hauptgrund dafür liegt in der ausgeprägten Konjunkturflaute, die sich in geringeren Steuereinnahmen und Sozialversicherungsbeiträgen sowie steigenden Arbeitslosengeldzahlungen niederschlug. Allein die Steuerausfälle gegenüber dem Voranschlag machen rund 2 Mrd. € aus. Die Beseitigung bzw. Linderung der Hochwasserschäden beansprucht den Staatshaushalt 2003 stärker als im Jahr 2002. Das Gleiche gilt für das im Herbst beschlossene Konjunkturpaket; es sieht u. a. eine Prämie von 10% für Investitionen vor, die über den Durchschnitt der letzten drei Jahre hinausgehen.

[39] 2003 ist ebenso wie im Jahr 2002 mit einem Budgetdefizit von rund 1½% des BIP zu rechnen. Die Prognose des nominellen Bruttoinlandsproduktes, die für die Steuerschätzung besonders wichtig ist, wurde gegenüber der letzten Prognose um gut ½ Prozentpunkt nach unten korrigiert. Das war der Hauptgrund für die Revision des Budgetdefizits von 1% auf 1½% im Jahr 2003. Die Budgetprognose für das nächste Jahr ist jedoch wenig gesichert, da wegen der Neuwahlen noch kein Budget für 2003 beschlossen wurde.

 

Wirtschaftspolitische Bestimmungsfaktoren

 

 

 

 

 

 

 

 

1999

2000

2001

2002

2003

2004

 

In % des BIP

Budgetpolitik

 

 

 

 

 

 

Finanzierungssaldo des Staates

 

 

 

 

 

 

Laut Maastricht-Definition1)

-2,3

-1,5

+0,2

-1,5

-1,5

-1,2

Laut VGR

-2,4

-1,6

+0,0

-1,7

-1,7

-1,4

Primärsaldo des Staates laut VGR

+1,4

+2,2

+3,8

+1,9

+1,8

+2,0

 

 

 

 

 

 

 

 

In %

Geldpolitik

 

 

 

 

 

 

Dreimonatszinssatz

3,0

4,4

4,3

3,3

2,7

2,7

Sekundärmarktrendite2)

4,7

5,6

5,1

5,0

4,5

4,7

 

 

 

 

 

 

 

 

Veränderung gegen das Vorjahr in %

Effektiver Wechselkurs

 

 

 

 

 

 

Nominell

+1,5

-2,5

+1,0

+0,8

+0,9

+0,2

Real

-1,1

-3,6

+0,1

+0,2

+0,3

-0,1

1) Einschließlich Zinsströme aus Swap-Vereinbarungen, die der Staat abschließt. - 2) Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren (Benchmark).

 

 

 

 



[a])  Kramer, H., "Österreichs Wirtschaft - Betrachtungen zur Jahreswende 2002/03", WIFO-Vorträge, 2002, (89), http://titan.wsr.ac.at/wifosite/wifosite.get_abstract_type?p_language=1&pubid=23200

[b])  Baumgartner, J., "Die Wirtschaftsprognosen von WIFO und IHS. Eine Analyse für die achtziger und neunziger Jahre", WIFO-Monatsberichte, 2002, 75(11), S. 701-716.

[c])  Die Investitionsprämie wird für jene Investitionen gewährt, die den Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2002 überstiegen.

[d])  Die Bezieher und Bezieherinnen von Kinderbetreuungsgeld sowie die geringfügig Beschäftigten sind in dieser Zahl nicht enthalten.