06.11.2023

Sind die Löhne die (neuen) Preistreiber?

Aktueller WIFO Research Brief von Stefan Schiman-Vukan
"Die Tariflohnsteigerungen bewirkten bislang keine zusätzlichen Preisanstiege, sondern ergaben sich aus diesen", so WIFO-Ökonom Stefan Schiman-Vukan in einem aktuellen WIFO Research Brief.

Die Tariflohnsteigerungen beschleunigten sich zuletzt auf 8% im Vorjahresvergleich. Sie bewirkten bislang aber keine zusätzlichen Preisanstiege, sondern ergaben sich aus diesen, wie die vorliegende Analyse zeigt. "Während eine Kompensation von Reallohnverlusten demnach keine '"Lohn-Preis-Spirale'" auslösen wird, wird sie die Verschlechterung der preislichen Wettbewerbsfähigkeit, die sich aus der Überinflation in Österreich ergibt, verstärken. Zudem geht sie zulasten der Unternehmen, da der Kapitalabfluss an das rohstoffexportierende Ausland den Verteilungsspielraum geschmälert hat", schreibt Schiman-Vukan.

In seinem WIFO Research Brief 9/2023 ("Austria's (Over)Inflation and Its Main Sources") zerlegte er die Inflation im Euro-Raum und in Österreich in nachfrage- und angebotsseitige Komponenten. Als ein spezifischer angebotsseitiger Faktor wurden Lohnschocks gesondert bestimmt. Dabei handelt es sich um Tariflohnsteigerungen, die nicht allein durch die Modellzusammenhänge zwischen Löhnen, realem BIP und Inflation erklärt werden können. Ein Grund, Lohnschocks neben allgemeinen nachfrage- und angebotsseitigen Sammelfaktoren separat zu identifizieren, war, dass sich gleichzeitig mit der markanten Beschleunigung des Tariflohnwachstums ab Jänner 2023 der Inflationsabstand Österreichs zum Euro-Raum nachhaltig erhöhte und somit ein kausaler Zusammenhang möglich schien.

Das beschleunigte Tariflohnwachstum ab Jänner 2023 erhöhte die Inflation in jenem Monat tatsächlich um etwa ½ Prozentpunkt. Der Effekt war jedoch nicht von Dauer, sondern klang bis März 2023 wieder ab. Somit waren die Tariflohnsteigerungen über mehrere Monate hinweg betrachtet durch die geschätzten Modellzusammenhänge erklärbar. Es handelte sich also um eine Reaktion auf vorangegangenen Preisentwicklungen, nicht um eigenständig preistreibende Lohnschocks. Die Ausweitung des Inflationsabstandes wurde durch andere angebotsseitige, aber auch nachfrageseitige Faktoren verursacht.

Da sich die Analyse im Research Brief 9/2023 nur bis März 2023 erstreckte, war dieses Ergebnis vorläufig und es blieb abzuwarten, ob das Abklingen des Lohnschocks von Dauer war. In dem vorliegenden Research Brief wird die Analyse aktualisiert und durch einen neuen Identifikationsansatz ergänzt.

 

 

WIFO Research Briefs
06.11.2023
Fertigstellung: November 2023
Fachpublikation: WIFO Research Briefs