08.02.2021

Senkung der Lohnnebenkosten und Finanzierungsvarianten

WIFO-Studie: Bisherige Erkenntnisse aus der Literatur und internationale Reformbeispiele
Eine aktuelle WIFO-Studie von Margit Schratzenstaller und Thomas Leoni im Auftrag des Beirates für Wirtschafts- und Sozialfragen beleuchtet, mit welchen volkswirtschaftlichen Effekten Senkungen der Lohnnebenkosten einhergehen, und untersucht ausgewählte internationale Reformen, die in der jüngeren Vergangenheit umgesetzt wurden.

Die Auswahl der untersuchten Länder umfasst Deutschland, Belgien, Finnland, Italien und Ungarn und spiegelt eine Kombination aus Ländern und Reformbeispielen wider, die aus österreichischer Sicht von besonderem Interesse ist.

Die Lohnnebenkosten und die Arbeitskosten insgesamt bilden eine wichtige wirtschaftspolitische Größe, sie wirken sich auf die Beschäftigungsnachfrage aus und stellen einen erheblichen Kostenfaktor bei der Produktion von Gütern und Dienstleistungen dar. Gleichzeitig sind sie eine wesentliche Finanzierungskomponente der öffentlichen Haushalte und der Sozialausgaben. Vor diesem Hintergrund sind die Senkung der Lohnnebenkosten und die damit verbundenen Gegenfinanzierungsmaßnahmen häufig diskutierte wirtschaftspolitische Themen. In den vergangenen Jahren wurden in Österreich einige Schritte zur Reduktion der Lohnnebenkosten gesetzt. Dies kommt auch in einer leichten Verschiebung in der Finanzierungsstruktur des Sozialsystems weg von den Dienstgeberbeiträgen und hin zur steuerlichen Finanzierung zum Ausdruck. In anderen Ländern ist allerdings ein stärkerer Trend in Richtung Reduktion der Lohnnebenkosten und Entlastung des Faktors Arbeit sowie in der stärkeren Gewichtung von Steuereinnahmen als Quelle der Sozialstaatsfinanzierung beobachtbar.

Empirische Studien zeigen, dass Senkungen von Dienstgeberbeiträgen kurzfristig spürbare Beschäftigungseffekte ergeben können. Eine dauerhafte Senkung der Dienstgeberbeiträge wird längerfristig allerdings eher in einer Erhöhung der Reallöhne als einer höheren Beschäftigung resultieren. Gezielte Reduktionen der Lohnnebenkosten für bestimmte Gruppen auf dem Arbeitsmarkt (Ältere, Geringqualifizierte, Frauen) haben sich als effektiver bzw. effizienter erwiesen als allgemeine Lohnnebenkostensenkungen. Wo aufgrund von institutionellen Rahmenbedingungen die Lohnflexibilität geringer ist, wirken sich Anpassungen der Lohnnebenkosten stärker aus. Bei Lohnnebenkostensenkungen sind auch potentiell unerwünschte Verteilungseffekte zu berücksichtigen.

In den letzten beiden Jahrzehnten wurde auch die Wirkung von Senkungen der Abgabenbelastung auf Arbeit auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit verstärkt diskutiert. Bei einer sogenannten "fiskalischen Abwertung" wird eine Reduktion dienstgeberbezogener Abgaben durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gegenfinanziert, wodurch Kosten und Preise für im Inland produzierte Güter gesenkt werden, während eine Erhöhung der Mehrwertsteuer die Konsumentenpreise vorwiegend nicht handelbarer und importierter Güter betrifft. Das stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit einheimischer Unternehmen. Empirische Analysen zeigen, dass eine Verlagerung der Steuerlast weg von Arbeitseinkommen hin zu Konsumsteuern generell mit positiven, wenn auch bescheidenen und relativ kurzlebigen BIP- und Beschäftigungswirkungen verbunden ist. Außerdem zeigen sich regressive Verteilungswirkungen, wenn mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer eine allgemeine Senkung der Dienstgeberbeiträge finanziert wird.

Die untersuchten Reformbeispiele in den fünf Vergleichsländern weisen eine breite Vielfalt an Gestaltungsoptionen und verfolgten Zielsetzungen auf. Die Reformen waren fast immer mit einer Gegenfinanzierung verbunden und hatten deshalb in der Regel begrenzte budgetäre Effekte, wobei unterschiedliche Ansätze zur Gegenfinanzierung verfolgt wurden. Die Ergebnisse der verfügbaren empirischen Evaluierungen dieser Reformen sind weitgehend mit jenen aus der vorhandenen internationalen Literatur konsistent und zeigen moderate BIP- und Beschäftigungseffekte der betrachteten Reformen.

Die verfügbare Evidenz zu Senkungen der Lohnnebenkosten und damit einhergehenden Gegenfinanzierungsmaßnahmen zeigt, dass die wirtschaftspolitischen Implikationen von Reformen heterogen sind und sehr stark von der spezifischen Ausgestaltung der Maßnahme abhängen. Unabhängig davon erscheint die wirtschaftspolitische Diskussion zu möglichen Lohnnebenkostensenkungen im Kontext der gegenwärtigen Krise und ihrer asymmetrischen Effekte auf vulnerable Arbeitsmarktgruppen (wie Geringqualifizierte und Jüngere) sehr zeitgemäß.
 

Studie
03.02.2021
Fertigstellung: November 2020
Projektauftraggeber:in: Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien, Landwirtschaftskammer Österreich, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Wirtschaftskammer Österreich