Ein Blick auf die Gemeindefinanzen 2020 bis 2023

18.01.2022

Video: WIFO-Studie im Auftrag des Österreichischen Gemeindebundes präsentiert

Die WIFO-Ökonomen Simon Loretz und Hans Pitlik haben im Auftrag des Österreichischen Gemeindebundes die Gemeindefinanzen 2020 bis 2023 analysiert. Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl und WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr stellten die Ergebnisse am 18. Jänner 2022 im Rahmen einer hybriden Pressekonferenz vor.

Die ökonomische und budgetäre Entwicklung in Österreich ist seit 2020 durch die COVID-19-Pandemie geprägt. Der massive konjunkturelle Einbruch stellt eine besondere Herausforderung für die finanzielle Situation der österreichischen Gemeinden dar. Hinzu kam als weitere Aufgabe die finale Umsetzung der Haushaltsrechtsreform auf Gemeindeebene ab dem Finanzjahr 2020. Daraus ergibt sich auch eine neukonzipierte Ergebnisdarstellung, die von der bisherigen Darstellung der Gemeindegebarungen abweicht und Gebarungsvergleiche mit den Jahren vor 2020 beträchtlich erschwert.

Investitionsfähigkeit und Investitionsausgaben

Im Jahr 2020 belief sich der Saldo 1, der Überschuss der Einzahlungen über die Auszahlungen aus der operativen Gebarung aller Gemeinden (ohne Wien), auf +1,86 Mrd. €. Die freie Finanzspitze als zentrale Maßzahl des kommunalen Spielraumes für neue Investitionsprojekte ist gegenüber 2019 in Summe von 598 Mio. € auf 680 Mio. € angestiegen. Für die Gemeinden hat sich die Investitionsfähigkeit trotz des Krisenjahres 2020 im Durchschnitt nicht verschlechtert.

Mit einem Wachstum von +5,8% gegenüber 2019 sind die Auszahlungen aus der Investitionstätigkeit 2020 trotz der Krise um 172 Mio. € auf 3,14 Mrd. € angestiegen. Dem stehen im Jahr 2020 Zahlungen des Bundes an die Gemeinden aus dem kommunalen Investitionspaket in Höhe von 215 Mio. € gegenüber.

Schulden und Defizit

Im Krisenjahr 2020 war für die Gemeinden ein kräftiger Zuwachs der Finanzschulden um 8,2% auf nunmehr insgesamt 12,875 Mrd. € zu verzeichnen. Der Pro-Kopf-Finanzschuldenstand der Gemeinden ist auf 1.850 € angestiegen.

Das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit von 31,5 Mrd. € entfiel zu großen Teilen auf die Bundesebene (28,5 Mrd. €). Für die Gemeindeebene konnte 2020 das Defizit auf 253 Mio. € begrenzt werden, nachdem im Jahr 2019 noch ein Defizit in Höhe von 281 Mio. € verzeichnet wurde. Der staatliche Schuldenstand in ESVG-Abgrenzung ist Ende 2020 auf 315,6 Mrd. € angewachsen. Auf die Gemeindeebene (ohne Wien) entfallen 9,67 Mrd. €, ein Anteil von lediglich 3,1%.

Ökonomische Entwicklung bis 2023

Die wirtschaftliche Entwicklung in der COVID-19-Pandemie verursachte ab dem Frühjahr 2020 beträchtlichen fiskalischen Stress. Nach dem Wachstumseinbruch von –6,7% im ersten Krisenjahr und einem realen BIP-Wachstum von +4,1% 2021 wird für das Gesamtjahr 2022 ein kräftiges Wirtschaftswachstum in Höhe von +5,2% erwartet. Im Jahr 2023 sollte Österreichs Wirtschaft auf einen moderaten Wachstumskurs einschwenken (+2,5%). Die Erholung 2022 und 2023 wird sektoral unterschiedlich ausfallen. Gemeinden mit lokalen Wirtschaftsstrukturen, die von den gesundheitspolitischen Beschränkungen der Jahre 2020 und 2021 besonders betroffen waren (z. B. Tourismus), werden tendenziell profitieren.

Steuerreform 2022/2024

Die Erwartungen über die budgetäre Situation der Gemeinden in den Jahren 2021 bis 2023 sind einerseits von der prognostizierten positiven konjunkturellen Entwicklung bestimmt. Andererseits wird die Einnahmendynamik der gemeinschaftlichen Bundesabgaben ab 2022 durch die Beschlüsse zur ökosozialen Steuerreform gebremst. Die für 2022 und 2023 erwarteten Einnahmenausfälle bei Lohn- und Einkommensteuer sowie der Körperschaftsteuer belaufen sich auf insgesamt rund 5,05 Mrd. €. Die Gemeinden insgesamt (einschließlich Wien) tragen von den Mindereinnahmen einen Anteil von rund 12% mit – das sind kumuliert etwa 600 Mio. €.

Gemeindeertragsanteile und Kommunalsteuer

Im Jahr 2021 ist bei den Gemeindeertragsanteilen ein Anstieg der Einnahmen zu verzeichnen, das die Verluste aus 2020 in Summe wieder ausgleichen kann. Für 2022 lässt die Simulation auf Basis der WIFO-Steuerprognose trotz der Lohn- und Einkommensteuerentlastungen durch die ökosoziale Steuerreform ein Ertragsanteilswachstum von 6,8% erwarten, welches im Folgejahr 2023 leicht auf +4,8% abnehmen dürfte.

In der COVID-19-Krise wurde ein beträchtlicher Teil der Löhne aus Corona-Kurzarbeitsbeihilfen bezahlt, von denen keine Kommunalsteuer zu entrichten ist, sodass es 2020 zu einem deutlichen Einnahmeneinbruch gekommen ist. Für 2021 wird mit einem Anstieg der Kommunalsteuereinnahmen um +7,1% gerechnet. Das prognostizierte starke Lohn- und Beschäftigungswachstum wird 2022 und 2023 zu weiteren kräftigen Zuwächsen von +6,7% und +5,1% gegenüber dem Vorjahr führen.

Weitere Informationen zur Pressekonferenz finden Sie bitte hier.

Publikationen

Ein Blick auf die Gemeindefinanzen 2020 bis 2023 (A Brief Look at Municipal Finances 2020 to 2023)
Studien, Februar 2022, 30 Seiten
Auftraggeber: Österreichischer Gemeindebund
Studie von: Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung
Online seit: 15.02.2022 0:00
 
Der vorliegende Bericht (in korrigierter Fassung) bietet einen Rückblick auf 2020 sowie eine Vorschau auf die Entwicklung der Budgetsituation der Gemeinden in Österreich. Die wirtschaftliche Entwicklung ist seit nunmehr zwei Jahren durch die COVID-19-Pandemie geprägt. Im Krisenjahr 2020 war für die Gemeinden ein kräftiger Zuwachs der kommunalen Finanzschulden zu verzeichnen. Die Erwartungen über die budgetäre Situation der Gemeinden in den Jahren 2021 bis 2023 sind von einer gewissen Entspannung durch die prognostizierte positive konjunkturelle Entwicklung bestimmt. Allerdings bremsen die Beschlüsse zur ökosozialen Steuerreform die Einnahmendynamik der gemeinschaftlichen Bundesabgaben.
Rückfragen an

Dr. habil. Simon Loretz

Forschungsgruppe: Makroökonomie und öffentliche Finanzen

apl. Prof. Dr. Hans Pitlik

Forschungsgruppe: Makroökonomie und öffentliche Finanzen
©Erich Marschik
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