23.05.2024

Den Produktivitätsaufschwung kein weiteres Mal verpassen

Schumpeter Lecture 2024 von Bart von Ark – Podiumsdiskussion mit Agnes Kügler und Michael Peneder
Unter dem Titel "How Not to Miss a Productivity Revival Again? Making Pro-Productivity Policies Fit for Purpose" hielt Professor Bart van Ark (The University of Manchester, The Productivity Institute) am 22. Mai 2024 die Schumpeter Lecture. In einer anschließenden Podiumsdiskussion diskutierte er unter anderem mit WIFO-Ökonomin Agnes Kügler und dem stellvertretenden WIFO-Direktor Michael Peneder über Fragen der Produktivität.

"Wir leben in einer Welt des schnellen technologischen Wandels und des langsamen Produktivitätswachstums. Wir sehen zwar eine neue Generation digitaler Technologien entstehen, aber die Produktivität hat noch nicht darauf reagiert. Tatsächlich hat sich das durchschnittliche Produktivitätswachstum der fortschrittlichen Volkswirtschaften in den letzten zwei Jahrzehnten auf die niedrigste Rate seit dem Zweiten Weltkrieg verlangsamt", so Bart von Ark. Es scheint, als ob wir das Produktivitätsparadoxon der 1980er-Jahre wieder erleben, als der Nobelpreisträger Robert Solow berühmt wurde: "Wir sehen überall Computer, nur nicht in den Produktivitätsstatistiken". Vielleicht sollten wir uns also noch ein wenig gedulden, bis sich die Produktivitätseffekte von künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik auf breiter Front einstellen. Trotz des Hypes gibt es jedoch keine Garantie dafür, dass sich das Produktivitätswachstum wieder verstärken wird. Der technologische Wandel muss in ein günstiges wirtschaftliches, politisches und soziales Umfeld eingebettet sein, damit er sich in weit verbreiteten Innovationen und Produktivitätswachstum niederschlägt, sprich in einer effizienteren Art und Weise, Ressourcen umzuwandeln, um bessere Ergebnisse zu erzielen. "Wir brauchen ein neues Produktivitätskonzept, das sich darauf konzentriert, wie es ein integratives und nachhaltiges Wachstum unterstützen kann", erklärte van Ark.

© Christian Lendl

"In den vergangenen Jahren hat sich das Wiederaufleben industriepolitischer Maßnahmen auf globaler Ebene in Verbindung mit zunehmendem Protektionismus und einem regelrechten Förderkrieg zwischen den USA und China auch auf die EU ausgewirkt, insbesondere im Hinblick auf das Produktivitätswachstum der Unternehmen", so Agnes Kügler.

Untersuchungen des WIFO legen laut Kügler nahe, dass der Anstieg chinesischer Importe die Produktivität in der EU beeinträchtigt hat, insbesondere nach der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise von 2008. Unternehmen mit geringer Produktivität waren hiervon stärker betroffen. Die Reaktion der EU muss sorgfältig kalibriert werden, um sicherzustellen, dass die Ressourcen effektiv für Sektoren mit hohem Produktivitätspotenzial eingesetzt werden. Allerdings besteht die Gefahr, dass ungewollt wettbewerbsunfähige Unternehmen unterstützt werden, was das Wachstum behindern könnte. Die Unternehmensdynamik, die für die Produktivität entscheidend ist, ist in der EU und insbesondere in Österreich eher gering. Zudem sind Subventionen, die das Ausscheiden nicht wettbewerbsfähiger Unternehmen verzögern, kontraproduktiv. Des Weiteren stellt der Rückgang schnell wachsender kleiner Unternehmen, insbesondere in IKT-intensiven Sektoren, eine Herausforderung für wettbewerbsorientierte Innovationen dar. Ein verlässlicherer Ansatz in der Förderpolitik würde auf die Verbesserung des Humankapitals abzielen und die Bedeutung der mittleren Qualifikationen neben der MINT-Ausbildung hervorheben. Die Bewältigung der demografischen Herausforderung einer alternden Erwerbsbevölkerung durch Ausbildungs- und Qualifizierungsprogramme ist für die Aufrechterhaltung von Produktivität und Innovation in der EU und Österreich von essenzieller Bedeutung.

Michael Peneder griff die Diskussion über verschiedene Erklärungen für das anhaltend niedrige Produktivitätswachstum auf, wie z. B. lange Entwicklungswellen, (vorübergehende) Sättigung der Nachfrage oder Messprobleme. In Bezug auf die Unternehmensdynamik berichtete er, dass die österreichischen Daten keinen generellen Trend zu einer zunehmenden Branchenkonzentration erkennen lassen und eine anhaltende Reallokation von Produktion und Beschäftigung zugunsten der produktiveren Unternehmen bestätigen. Allerdings sind die durchschnittlichen Gewinnspannen auf Unternehmensebene in einigen Sektoren gestiegen, wobei die Unternehmen in den höheren Perzentilen der ursprünglichen Verteilung der Gewinnspannen tendenziell am meisten profitierten.

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