22.11.2020

Gesundheitsausgaben: Soziale Unterschiede und Lebenserwartung

Erstmals Ergebnisse aus einer Lebenslaufperspektive für Österreich
Der Zusammenhang der ungleichen Nutzung des Gesundheitssystems unterschiedlicher Bildungsgruppen über ihren Lebensverlauf und die daraus folgenden Implikationen für die zukünftige Entwicklung der Gesundheitskosten, auch vor dem Hintergrund von Veränderungen der Lebenserwartung und der Bildungszusammensetzung, wird in einer aktuellen WIFO-Studie beleuchtet.

Zwischen dem sozialen Status und der Gesundheit besteht laut den Studienautoren Thomas Leoni, Martin Spielauer und Peter Reschenhofer ein starker Zusammenhang, was in den ausgeprägten Unterschieden in der Lebenserwartung unterschiedlicher Bildungs- und Einkommensgruppen zum Ausdruck kommt. Die bisher verfügbaren Untersuchungen zeigen, dass das öffentliche Gesundheitssystem dementsprechend nicht nur von gesunden zu kranken Menschen umverteilt, sondern auch eine progressive Verteilungswirkung auf der Einkommensebene hat. Es fehlen aber Erkenntnisse zur Frage, wie sich soziale Unterschiede auf die kumulierte Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen im Lebensverlauf auswirken.

Die nun veröffentlichte WIFO-Studie untersucht erstmals für Österreich soziale Unterschiede in der Inanspruchnahme des Gesundheitssystems aus einer Lebenslaufperspektive. Eine besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, inwiefern sozioökonomische Unterschiede in der Lebenserwartung in Kombination mit dem unterschiedlichen Konsum von Gesundheitsleistungen in den einzelnen Lebensphasen die kumulierten Gesundheitskosten beeinflussen. Die Untersuchung, die sich auf ein dynamisches Mikrosimulationsmodell stützt und das Bildungsniveau als kennzeichnendes Merkmal heranzieht, beleuchtet anhand einiger exemplarischer Projektionen auch die zukünftige Kostenentwicklung im Gesundheitssystem.

Die Ergebnisse bestätigen, dass die Gesundheit der Personen mit höherem Bildungsniveau unabhängig vom Geschlecht deutlich besser ist als jene der anderen Bildungsgruppen. Diese gesundheitlichen Unterschiede schlagen sich auch in einer unterschiedlich starken Inanspruchnahme des Gesundheitssystems und in unterschiedlichen Gesundheitskostenprofilen nieder. In der Hauptberechnungsvariante liegen die Kosten der Frauen mit höherer Bildung im Lebensverlauf um 13% niedriger als jene der Frauen mit höchstens Pflichtschulabschluss. Bei den Männern ist das Muster nicht so eindeutig, alle Bildungsgruppen weisen im Längsschnitt annähernd gleich hohe Kosten auf. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Unterschiede nach Bildung in der Lebenserwartung der Männer stärker ausgeprägt sind als jene der Frauen und die höhere Lebenserwartung von Personen mit höherem Bildungsniveau die niedrigeren gesundheitlichen Ausgaben in den einzelnen Lebensphasen ausgleicht.

Die Projektionen zeigen einen deutlichen Anstieg der Gesundheitskosten der Bevölkerung in Österreich in den kommenden Jahrzehnten. Die steigende Lebenserwartung spielt dabei eine zentrale Rolle. Die zukünftigen Veränderungen in der Bildungsstruktur haben nur einen leicht dämpfenden Effekt auf den erwarteten Kostenanstieg. Viel stärker sind die Auswirkungen der Annahmen zur zukünftigen Entwicklung der gesunden Lebensjahre. Wenn bei steigender Lebenserwartung auch ein "langsameres" Altern angenommen wird, bei dem die gesunden Lebensjahre proportional steigen, verringern sich die Kosten am Ende des Betrachtungszeitraumes (2060) um etwa 10%.
 

Studie
22.11.2020
Fertigstellung: November 2020
Projektauftraggeber:in: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger