24.03.2020

Altenpflege in der Corona-Krise

Eine erste Analyse der stellvertretenden WIFO-Leiterin Ulrike Famira-Mühlberger
Pflegedienstleister sind seit dem Ausbruch der Corona-Krise besonders gefordert. Ihre Kundinnen und Kunden zählen zu der am stärksten gefährdeten Gruppe. Zusätzlich machen die schon im Vorfeld bestandenen Personalengpässe zu schaffen. Die stellvertretende WIFO-Leiterin Ulrike Famira-Mühlberger skizziert in einer ersten ökonomischen Analyse die aktuellen Herausforderungen im Pflegebereich.

Durch die steigende Betroffenheit der Erkrankungen ist absehbar, dass auch Pflegepersonal stärker von Covid-19 betroffen sein wird. Eine massive Ausweitung der Tests für das Pflegepersonal, aber auch von gepflegten Personen – vor allem jenen in Pflegeheimen – ist dringend notwendig, um rechtzeitig die betroffenen Personen zu separieren.

Eine andere Baustelle, an der mit Hochdruck gearbeitet wird, ist die Einreisemöglichkeit für 24-Stunden-Betreuungskräfte. Rund 33.000 Pflegebedürftige sind in Österreich von deren Einsatz abhängig. Diese Krise zeigt die Abhängigkeit Österreichs von ausländischen Betreuungskräften, die zu geringen Stundenlöhnen für die Betreuung der Pflegebedürftigen in Österreich sorgen.

Kann keine zufriedenstellende Lösung mit den Herkunfts- aber auch Reisedurchzugsländern (allen voran Rumänien, Slowakei und Ungarn) gefunden werden, müssen Alternativlösungen ausgearbeitet werden. Ebenso wenn pflegende Angehörige aufgrund einer Covid-19-Erkrankung die Pflege nicht mehr leisten können. Dies kann eine Ausweitung der mobilen Dienste sein (sofern dies personell möglich ist), aber auch alternative Betreuungsquartiere für Pflegebedürftige, die nicht mehr von einer 24-Stunden-Betreuung und auch nicht von der eigenen Familie versorgt werden können. Wenn es zu solchen alternativen Lösungen kommen muss, dann sind laufende Testungen aufgrund der räumlichen Zusammenfassung von hochgefährdeten Personen von äußerster Wichtigkeit. Eine Zurverfügungstellung von 100 Mio. € für eine Notfallbetreuung ist ein wichtiger Schritt der österreichischen Bundesregierung. Ebenso die flexible Handhabung der Förderung der 24-Stunden-Betreuung.

Weiters gilt es, Ersatzkräfte für den Pflegebereich zu rekrutieren. Diese können – neben den bereits "verlängerten" und "wiedergeholten" Zivildienern – auch Personen sein, die durch die Entwicklungen der letzten 10 Tage freigestellt wurden bzw. in naher Zukunft freigestellt werden. Aus diesem Reservoir sollte das AMS in Kooperation mit Pflegedienstleistern gezielt Personen adressieren. Eine Analyse der Daten der Arbeitslosen per Ende Februar 2020 zeigt weiters ein kleines Reservoir an Personen, die mit Ende Februar arbeitslos waren und pflegerische Berufe als Berufswunsch angeben. Auch diese Personen müssen gezielt angesprochen werden. Eine Vereinfachung der Bürokratie, der geltenden Standards sowie eine Reduktion von Dokumentationspflichten wird während der Corona-Krise wohl eine Notwendigkeit sein, um das System der Pflegevorsorge aufrecht zu erhalten.

Die Corona-Krise zeigt auch zwei Probleme der Organisation der Pflegevorsorge in Österreich auf: die fehlende Verschränkung von Gesundheit und Pflege sowie die Komplexität des Pflegesystems mit auseinanderfallenden Finanzierungs- und Aufgabenverantwortung der unterschiedlichen Gebietskörperschaften. Hier wird es in einer folgenden Pflegereform eine Entflechtung brauchen, die eine Finanzierung aus einer Hand ermöglicht. Eine bessere Koordination zwischen den involvierten staatlichen Einheiten bzw. Gebietskörperschaften – also zwischen jenen, die die Regeln im Pflegebereich bestimmen können und jenen, die für deren Ausführung und zum Teil für deren Finanzierung zuständig sind – ist Voraussetzung für eine nachhaltige Finanzierung der Pflege.