13.08.2018

Kommentar: Zolldebatte öffnet auch neue Wege für CO2-Handel

Die durch Trump und Brexit entstandene Bewegung in Sachen Zölle sollte für die Klimapolitik positiv genutzt werden.
In einer WIFO-Studie erforschten Margit Schratzenstaller, Mark Sommer und Alexander Krenek die Auswirkungen eines europäischen CO2-Importzolls - mehrere Medien berichteten. In einem Gastkommentar in der "Presse" argumentieren die AutorInnen die Vorteile derartiger Zölle.

Zöllen und anderen Handelshemmnissen wird aufgrund der Brexit-Verhandlungen und der aktuellen Handelspolitik der USA in der öffentlichen Diskussion besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Diese Aufmerksamkeit sollte genutzt werden, um konstruktive Vorschläge zur Gestaltung des internationalen Handels auf die EU-Agenda zu setzen. Einer dieser Vorschläge ist die Einführung von EU-CO2-Importzöllen als Begleitmaßnahme zum bestehenden EU-Emissionshandel.

Bei CO2-Importzöllen würde die Menge an CO2, die durch die Erzeugung eines bestimmten Produkts emittiert wird, bei der Einfuhr in die EU entsprechend verzollt werden. „Saubere“ Importe würden dadurch relativ billiger, während sich „schmutzige“ Importe verteuern würden. Diese Maßnahme würde somit die europäische Wirtschaft, die verhältnismäßig strengen Umweltauflagen unterliegt, auf dem heimischen Markt wettbewerbsfähiger machen.

Angst vor Umweltauflagen

Derzeit verhindert die Angst vor Nachteilen im globalen Wettbewerb ein Funktionieren des EU-Emissionshandelssystems, da diverse Ausnahmen verhindern, dass ein effektiver Preis für CO2-Emissionen zustande kommt. EU-CO2-Zölle würden einer potenziellen Abwanderung von Betrieben ins EU-Ausland aufgrund von Umweltauflagen entgegenwirken und so die Basis für einen funktionierenden Handel von Emissionszertifikaten in der EU schaffen.

Ein wichtiger Nebeneffekt dieser Zölle ist, dass die Einnahmen einen Großteil des EU-Budgets finanzieren könnten. Dies würde den Mitgliedstaaten ermöglichen, ihre Beiträge zum EU-Budget entsprechend zu reduzieren. Dies wiederum würde Spielraum für die Mitgliedstaaten schaffen, die nationale Wirtschaft nachhaltig zu entlasten, etwa durch eine Verringerung der Abgaben auf Arbeit. Einnahmen aus CO2-Importzöllen sind auch etwaigen Erhöhungen der nationalen Beiträge zur Finanzierung der „Brexit-Lücke“ oder der von der Europäischen Kommission angestrebten Aufstockung des EU-Budgets vorzuziehen.

Insgesamt können solche „nachhaltigkeitsorientierten EU-Eigenmittel“ ein wichtiger Baustein einer konsequenteren Orientierung des EU-Budgets an einem echten europäischen Mehrwert sein: Der EU-Haushalt würde aus Einnahmequellen finanziert werden, die national nur sehr schwer auszuschöpfen wären. Die Nutzung dieser Einnahmequellen würde zusätzlich einem übergeordneten Ziel, in diesem Fall der Verringerung von CO2-Emissionen, dienen. Somit würde auch die Art der Finanzierung des EU-Haushalts einen europäischen Mehrwert liefern, indem sie etwa zur EU-Nachhaltigkeitsstrategie oder zur Erreichung der EU-Klimaziele beitragen würde.

Die jüngsten Vorschläge der Europäischen Kommission zur Reform des EU-Budgets ab 2021 beinhalten bereits eine Ausweitung der „echten“ Eigenmittel, also von Einnahmen, die nicht direkt aus den Haushalten der Mitgliedstaaten an die EU fließen.

Neue Eigenmittelquellen

Eine stärkere Finanzierung des EU-Budgets aus Eigenmitteln könnte einerseits die in den meisten Mitgliedsländern dominierende Nettopositionshaltung aufbrechen und andererseits die öffentlichen Finanzen auf Ebene der EU wie auch der Mitgliedstaaten nachhaltigkeitsorientierter ausgestalten. Der jüngste Vorschlag der Kommission vom Mai hat als neue Eigenmittelquellen eine EU-weite Plastiksteuer, einen Anteil von zwanzig Prozent an den Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionszertifikaten im Rahmen des EU-Emissionshandelssystems und einen Anteil von drei Prozent an einer harmonisierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage in die Diskussion gebracht.

Der derzeitige Fokus auf Fragen des internationalen Handelssystems sollte allerdings genutzt werden, um darüber hinaus strategisch mindestens ebenso bedeutende Maßnahmen umzusetzen, wie sie CO2-Importzölle darstellen. Die rechtliche Grundlage ist durch eine reformierte Richtlinie des Emissionshandelssystems aus dem Jahr 2009 bereits vorhanden. Im Gegensatz zu den von den USA erhobenen Zöllen kann ein solcher EU-CO2-Zoll WTO-kompatibel gestaltet werden. Simulationen des DYNK-Modells des Wifo zeigen ein beträchtliches Einnahmenpotenzial von CO2-Zöllen. Je nach konkreter Ausgestaltung könnte etwa im Jahr 2027 – im letzten des derzeit verhandelten neuen Finanzrahmens – ein CO2-Importzoll von etwa 100 Euro pro Tonne CO2 unter der Annahme gleichbleibender CO2-Intensität der importierten Produkte zwischen 70 und 180 Milliarden Euro einbringen: zwischen über einem Drittel und 90 Prozent des von der Kommission vorgeschlagenen Budgetrahmens.

Die große Bandbreite der möglichen Einnahmen spiegelt unter anderem die Fülle an Ausgestaltungsmöglichkeiten von CO2-Zöllen wider. Die Effekte auf Wirtschaftswachstum und Beschäftigung hängen davon ab, was die EU-Mitgliedstaaten mit den eingesparten EU-Beiträgen anfangen würden. Würden sie tatsächlich die Abgaben auf Arbeit senken, gäbe es zusätzlich zur Reduktion von CO2-Emissionen auch einen positiven Beschäftigungsimpuls.

Sowohl ökonomisch als auch umweltpolitisch sinnvolle Maßnahmen wie CO2-Importzölle als Begleitmaßnahme für das EU-Emissionshandelssystem wurden bisher aus Angst vor internationalen Vergeltungsmaßnahmen und Klagen vor der WTO nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.

Trumps Anstoß nutzen

Die durch Trump und Brexit entstandene Bewegung in Sachen Zölle, aber auch die laufende Diskussion um alternative Finanzierungsquellen für das EU-Budget sollten genutzt werden, bis dato undenkbare Reformen auf die EU-Agenda zu setzen. Mit dem nötigen politischen Willen könnten rechtliche wie technische Herausforderungen der Implementierung von CO2-Importzöllen gelöst und so eine Dreifachdividende erzielt werden: die Schaffung eines tatsächlich funktionierenden Markts für CO2-Emissionen, ein europäischer Mehrwert und eine Entlastung der nationalen Budgets.

Der Text erschien zuerst als Gastkommentar in der Tageszeitung "Die Presse".

 

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