31.01.2017

Bestbieterprinzip bei öffentlichen Vergaben ungenügend genützt

Die öffentliche Hand setzt in Österreich bei Bestbieterverfahren allzu oft auf den Preis - und nicht auf Qualitätskriterien. Das ergibt eine aktuelle Studie des WIFO.
Die Mehrzahl der öffentlichen Vergaben wird in Österreich zwar mittels Bestbieterprinzip – im Gegensatz zum Billigstbieterprinzip – durchgeführt. Aber: In keinem anderen westeuropäischen Land ist die Gewichtung preisfremder Kriterien im Bestbieterverfahren so schwach ausgeprägt wie in Österreich. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des WIFO.
In den ausgewählten europäischen Vergleichsländern werden 57,3 Prozent aller öffentlichen Vergaben nach dem Bestbieterprinzip durchgeführt, in Österreich sind es 54,4 Prozent. Das Bestbieterprinzip als Prinzip des "wirtschaftlich günstigsten Angebots" beinhaltet eine umfassendere Bewertung von Qualitäts- und anderen Zuschlagskriterien. Bei knapp 20 Prozent der Bestbietervergaben beträgt das Gewicht des Preises in Österreich allerdings mehr als 95 Prozent. In den Vergleichsländern ist die nur bei einem Prozent der Vergaben der Fall. In rund 44 Prozent der Fälle beträgt das Gewicht des Preises in Österreich zumindest 80 Prozent (in den Vergleichsländern: zehn Prozent).

Die Analyse zeigt, dass große Unterschiede zwischen den Sektoren bestehen. Vor allem in den Bereichen Bauwesen, Rohstoffe und Nahrungsmittel werden seltener Bestbieterverfahren verwendet. Auch die Gewichtung von preisfremden Kriterien ist hier deutlich geringer als in anderen Bereichen. Zudem werden nicht alle preisfremden Kriterien gleichermaßen verwendet. In Österreich führen nur Qualitätskriterien zur Verringerung des Preisgewichts. Andere preisfremde Kriterien (etwa Garantien oder Nachhaltigkeitskriterien), die in anderen Ländern ebenfalls zur Verringerung des Preiskriteriums beitragen, werden zwar verwendet, sind aber in Österreich mit wenigen Ausnahmen mit geringem Gewicht versehen.
 
Hölzl: "Keine Feigenblattkriterien"

Das öffentliche Ausschreibungsvolumen in Österreich beläuft sich auf zirka 11 Prozent des BIP und bietet daher auch einen Hebel, um wirtschaftspolitische Ziele zu verfolgen. Aus der einschlägigen ökonomischen Literatur lässt sich ableiten, dass das Bestbieterprinzip insbesondere bei hoher Komplexität der ausgeschriebenen Leistungen und bei innovativer Beschaffung vorteilhaft ist. Demgegenüber kann das Billigstbieterverfahren seine Stärken insbesondere dann ausspielen, wenn standardisierte Produkte bezogen werden sollen.

"Die rechtlichen Möglichkeiten bezüglich der Verwendung des Bestbieterprinzips sind nicht ausgeschöpft", sagt WIFO-Ökonom Werner Hölzl. "Einer höheren Gewichtung von preisfremden Zuschlagskriterien stünde juristisch wenig im Wege." Vor diesem Hintergrund sei, so Hölzl, die Frage der "Feigenblattkriterien" sehr wichtig: Es sei sicherzustellen, dass die Gewichtungsschemen bei Bestbietervergaben so gestaltet sind, dass es sich nicht um ein verstecktes Billigstbieterprinzip unter der Verwendung von Feigenblattkriterien" handelt. Sektorale Referenzkataloge und die Etablierung einer österreichischen Aufsichtseinrichtung können dabei einen wichtigen Beitrag zur Rechtssicherheit leisten. Daneben kommt Know-How, Ressourcen und Anreizen bei den ausschreibenden Stellen eine zentrale Rolle zu.

Studie
31.01.2017
Fertigstellung: Januar 2017
Projektauftraggeber:in: Wirtschaftskammer Österreich, Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie
Dr. Werner Hölzl
Industrie-, Innovations- und internationale Ökonomie